Verwaltungsgericht Osnabrück
Urt. v. 28.09.2022, Az.: 1 A 37/21

Auswahl Wahrscheinlichkeitsmaßstab; Finanzierung Gebührenausfall; Flächenbegrenzung; Gleichheitssatz; Grundflächenmaßstab; Grundsatz der Leistungsproportionalität; Kappungsgrenze; Landwirtschaftlich genutztes Grundstück; Mehrfacherschließungsvergünstigung; Straßenreinigungsgebühren; Zulässige Typisierung; Grundflächenmaßstab ohne Flächenbegrenzungen; landwirtschaftliches (Eck-)Grundstück

Bibliographie

Gericht
VG Osnabrück
Datum
28.09.2022
Aktenzeichen
1 A 37/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2022, 47937
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE::2022:0928.1A37.21.00

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Die Rechtsprechung zum Niedersächsischen Straßenreinigungsgebührenrecht ist zunächst vom Erfordernis einer straßenflächenbezogenen Gebührenbemessung ausgegangen. Sie geht nunmehr allerdings schon seit langer Zeit vom Erfordernis einer grundstücksbezogenen Gebührenbemessung aus.

  2. 2.

    Daher sind die Entscheidungen des OVG Lüneburg, die eine Unzulässigkeit der Gebührenbemessung nach der Zahl der auf den Anliegergrundstücken vorhandenen Geschosse (Urteil vom 29.8.1973 III A 99/72) und nach der Quadratwurzel aus der Grundfläche dieser Grundstücke (Urteil vom 14.1.1988 3 C 8/87) annehmen, überholt. Beides ist nunmehr lediglich nicht geboten, aber zulässig.

  3. 3.

    Die Bemessung der Gebühr unter Berücksichtigung von Reinigungshäufigkeit und Reinigungsumfang (regelmäßig differenziert nach Sommerreinigung und Winterdienst) rechtfertigt sich nach Auffassung der Kammer nicht aus dem überholten Straßenflächenbezug (unabhängig davon, ob dann die Strecke vor dem Grundstück oder die ganze Straße gemeint wäre). Sie rechtfertigt sich vielmehr daraus, dass eigentlich eine Einzelkalkulation für jede Straße anzufertigen wäre (Driehaus/Brüning, a.a.O., § 6 R. 474, 37. EL 9/07), so dass die genannten drei Aspekte die Kosten für die Leistungserbringung widerspiegeln. Die Möglichkeit, die Gebührensätze für das gesamte Netz der zu reinigenden Straßen anstatt für jede einzelne Straße zu kalkulieren, dient der Verwaltungspraktikabilität und soll Kostenunterschiede bei der Reinigung der einzelnen Straßen nicht einebnen.

  4. 4.

    Die Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung Straßenreinigung (Straßenreinigungsanstalt) nimmt mit steigendem Vorteil des Grundstücks von der Straßenreinigung zu und nimmt mit sinkendem Vorteil von der Straßenreinigung ab (OVG Lüneburg, Urteil vom 30.1.2017 9 LB 194/16, Rn. 22, juris).

  5. 5.

    Ausgehend hiervon ist nach Auffassung der Kammer der Vorteil maßgeblich, den das Grundstück aus der Straßenreinigung bezieht (wie OVG Lüneburg, Urteil vom 30.1.2017 9 LB 194/16, Rn. 22, juris) und nicht der Vorteil, dass die Straße gereinigt wird (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 3.5.2021 9 KN 162/17, Rn. 219, juris). Nur der erstgenannte Vorteil stellt eine Beziehung zum Grundstück her und ermöglicht eine Quantifizierung der Bevorteilung des einzelnen Grundstücks (Driehaus, KStZ 2008, 44, 46). In Kommentierungen wird hier mitunter nicht differenziert (Driehaus/Lichtenfeld, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rn. 762 und 763c, 58. EL 3/2018; Rosenzweig/Freese/von Waldthausen, NKAG, § 5 Rn. 938 und 939, 54. EL 2/2022).

  6. 6.

    Der so bezeichnete Vorteil aus der Straßenreinigung für das Grundstück zerfällt in Niedersachsen nach dem Verständnis der Kammer in die Möglichkeit der wirtschaftlichen und verkehrlichen Inanspruchnahme der gereinigten Straße von dem Grundstück aus (insofern beitragsähnlich) und die Beseitigung der von dem Grundstück herrührenden Verschmutzung der Straße (insofern gebührenähnlich) und entspricht damit den zwei (über das bloße Angrenzen an die Straße hinausgehenden) alternativen Voraussetzungen, die für das Vorliegen einer sachlichen Beziehung zwischen Grundstück und Straße im Sinne der zu Art. 3 Abs. 1 GG und Straßenreinigungsgebühren ergangenen Rechtsprechung aufgestellt worden sind (BVerwG, Urteil vom 7.4.1989 8 C 90/87, Rn. 13, juris; Urteil vom 10.5.1974 VII C 26.72, juris). Das Landesrecht kann trotz der Irrevisibilität des Vorteilsbegriff diesen nach dem Verständnis der Kammer nur um darüber hinausgehende Aspekte ergänzen, aber die auf der Grundlage von Art. 3 Abs. 1 GG ergangene Rechtsprechung zur sachlichen Beziehung zwischen Grundstück und Straße nicht konterkarieren.

  7. 7.

    Eine etwaige Befreiung der Anlieger von der Straßenreinigungspflicht ist in Niedersachsen hingegen (anders als in Bayern - Bay. VGH vom 20.3.1992 8 B 91.2772, BeckRS 1992, 118384) kein Vorteil, der durch die Straßenreinigungsgebühr abgegolten wird (OVG Lüneburg, Beschluss vom 20.3.1997 9 L 2554/95, Rn. 6, juris).

  8. 8.

    § 5 Abs. 3 Satz 2 NKAG beinhaltet auch Vorgaben für den Satzungsgeber für die Auswahl unter mehreren zur Verfügung stehenden Wahrscheinlichkeitsmaßstäben (OVG Lüneburg, Urteil vom 16.2.1990 9 L 61/89, Rn. 32, juris). Hierdurch werden die Anforderungen für diese Auswahl gegenüber den Vorgaben des Bundesrechts nicht unerheblich verschärft (Driehaus/Lichtenfeld, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rn. 755, 62. EL 3/2020).

  9. 9.

    Bei den Straßenreinigungsgebühren entfallen nach der obergerichtlichen Rechtsprechung, wie sie die Kammer versteht, trotz des Verweises aus § 52 Abs. 3 Satz 4 Hs. 2 NStrG auf § 5 Abs. 3 Sätze 1 und 2 NKAG diese verschärften Anforderungen bei der Auswahl unter den drei anerkannten Wahrscheinlichkeitsmaßstäben (Frontmeter-, Grundflächen- und Quadratwurzelmaßstab). Hierfür wird einerseits auf den Bagatellcharakter der Gebühr (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15.3.2002 9 B 16/02, Rn. 7, juris) und andererseits darauf verwiesen, dass Art und Umfang der Inanspruchnahme der Straßenreinigungseinrichtung bzw. der Bevorteilung der Grundstücke durch diese Einrichtung schwierig zu ermitteln seien (OVG Lüneburg, Urteil vom 30.1.2017, a.a.O., Rn. 22, juris).

  10. 10.

    Die Schwierigkeit, Art und Umfang der Inanspruchnahme der Straßenreinigungseinrichtung zu ermitteln, liegt nach Auffassung der Kammer darin, dass die Gebühr zunächst ohne Rücksicht auf den vom jeweiligen Satzungsgeber zu wählenden Maßstab von zwei Parametern (Beseitigung der Verschmutzungsverursachung und Möglichkeit der Nutzung der gereinigten Straße) determiniert wird, zwischen denen eine Relation nicht ohne erheblichen Aufwand hergestellt werden kann.

  11. 11.

    Der Grundflächenmaßstab ist im Allgemeinen der wirklichkeitsnächste unter den verfügbaren Wahrscheinlichkeitsmaßstäben. Er bildet allgemein die Wahrscheinlichkeit der Nutzung der gereinigten Straße und den Umfang der Verschmutzungsverursachung besser ab als der Frontmetermaßstab und der Quadratwurzelmaßstab (vgl. Driehaus, KStZ 2008, 44, 46).

  12. 12.

    Der Grundflächenmaßstab führt zu erheblichen Belastungen besonders großer Grundstücke. Diese Belastungen erhöhen sich noch, wenn es sich um mehrfach erschlossene oder an überdurchschnittlich häufig zu reinigenden Straßen gelegene Grundstücke handelt.

  13. 13.

    Die mit dem Grundflächenmaßstab verbundenen Belastungen erscheinen für außenbereichstypisch genutzte Grundstücke, die an Straßen in der geschlossenen Ortslage liegen, insbesondere für land- und forstwirtschaftliche Grundstücke, wegen der bezogen auf die Fläche verhältnismäßig geringen Anzahl an Verkehrsbewegungen jedenfalls dann nicht mehr vorteilsgerecht, wenn diese Grundstücke mehr als nur Bagatellbelastungen erfahren. Der bloße Verweis auf höhere Verschmutzungsverursachung durch diese Grundstücke - ohne nähere Quantifizierung derselben und ohne Klärung der Relation zwischen den beiden Parametern - reicht dann nicht mehr aus, um die Gebührenbelastung zu rechtfertigen.

  14. 14.

    Wo die Schwelle für derartige außenbereichstypisch genutzte Grundstücke liegt, ab der sich eine Belastung nicht mehr als Bagatellbelastung darstellt, muss nach Auffassung der Kammer absolut unabhängig vom gewählten Gebührenmaßstab und damit (unbeschadet der Wirklichkeitsnähe des Grundflächenmaßstabes im Allgemeinen) auch unabhängig von der Grundstücksfläche festgelegt werden.

  15. 15.

    Die Kammer nimmt an, dass die Bagatellschwelle bei 500 Euro pro Jahr liegt, weil derartige Belastungen unter Berücksichtigung ihrer jährlichen Wiederkehr sehr nahe an Belastungen wie typische Ausbaubeiträge für landwirtschaftliche Grundstücke (Anfall frühestens alle 25 Jahre) heranreichen, die unstreitig nicht als Bagatellbelastungen gelten, und für deren Bemessung es qualifizierter Maßstäbe (insbesondere zur Berücksichtigung der verringerten Zahl von Verkehrsbewegungen) bedarf.

  16. 16.

    Ist ein landwirtschaftliches Grundstück im Gemeindegebiet nach dem (groben) Grundflächenmaßstab mit einer Gebühr von jährlich mehr als den so bezeichneten 500 Euro belastet, fehlt es der Satzung an einer vorteilsgerechten Verteilungsregelung für dieses Grundstück. Die Belastung kann nicht durch Typisierungsbelange gerechtfertigt werden, weil sie erheblich ins Gewicht fällt. Ist eine derartige Belastung vom Satzungsgeber bewusst in Kauf genommen worden, kommt auch ein Billigkeitserlass gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 4b, 5a NKAG i.V.m. §§ 163 Abs. 1 Satz 1, 227 AO nicht in Betracht. Der Gebührenmaßstab verstößt dann für dieses Grundstück gegen das Gebot der Leistungsproportionalität aus § 52 Abs. 3 Satz 4 NStrG i.V.m. § 5 Abs. 3 Satz 2 NKAG. Wegen des Grundsatzes der konkreten Vollständigkeit ist der Gebührenmaßstab dann insgesamt unwirksam.

  17. 17.

    Anwendungsfälle für die soeben genannten Billigkeitsvorschriften sind lediglich vom Normgeber nicht bedachte Fälle mit unterdurchschnittlicher Verschmutzungsverursachung und bzw. oder unterdurchschnittlicher Inanspruchnahme der gereinigten Straße (vgl. OVG Berlin NVwZ-RR 2000, 463, 464 [OVG Berlin 02.12.1998 - 1 B 79/94]: Flughafen Tempelhof).

  18. 18.

    Die Gemeinde kann für die außenbereichstypisch genutzten Grundstücke in der geschlossenen Ortslage entweder den Gebührenmaßstab verfeinern und damit auch Belastungen von mehr als 500 Euro für die betroffenen Grundstücke rechtfertigen oder unter Beibehaltung des groben Maßstabes derartige Belastungen ausschließen. Für Letzteres kommen Flächenvergünstigungen (Kappungsgrenze und Tiefenbegrenzung) und ggf. Mehrfacherschließungsvergünstigungen in Betracht. Die Gemeinde kann freilich auch für alle Grundstücke zum Quadratwurzelmaßstab übergehen, der derartige Belastungen üblicherweise vermeidet.

  19. 19.

    Nach Auffassung der Kammer ist eine auf außenbereichstypische Nutzungen beschränkte Kappungsgrenze besonders naheliegend und weist erhebliche Vorteile gegenüber einer Tiefenbegrenzung (und gegenüber einer Maßstabsverfeinerung ohnehin) auf.

  20. 20.

    Der mit der Einführung einer solchen Kappungsgrenze verbundene Gebührenausfall kann nach Auffassung der Kammer (im Unterschied zum mit einer allgemeinen Kappungsgrenze verbundenen Gebührenausfall) auch auf die übrigen Einrichtungsbenutzer abgewälzt werden. Einer Finanzierung aus Deckungsmitteln der Gemeinde bedarf es nicht (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10.10.2007 9 A 72.05, Rn. 41, juris zu einer entsprechenden Vorschrift mit Antragserfordernis, beschränkt auf die Winterdienstgebühr).

  21. 21.

    Der Gebührenausfall, der mit der Einführung einer Mehrfacherschließungsvergünstigung verbunden ist, kann nach Auffassung der Kammer ebenfalls den übrigen Gebührenpflichtigen auferlegt werden (streitig, a.A. OVG NRW, NVwZ 1983, 491). Dies gilt im Unterschied zur Kappungsgrenze auch für eine Mehrfacherschließungsvergünstigung, die nicht auf außenbereichstypisch genutzte Grundstücke beschränkt ist.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid der Beklagten, mit dem diese ihn zu Straßenreinigungsgebühren heranzieht.

Der Kläger ist Eigentümer eines landwirtschaftlich genutzten Grundstücks mit Hofstelle im Gebiet der Beklagten mit einer Größe von 32.680 m2. Es liegt an der Osnabrücker Straße und an der Glockenstraße. Beide Straßen sind in der Anlage zur Straßenreinigungssatzung der Beklagten als 14-tägig zu reinigende Straßen aufgeführt und zwar dergestalt, dass die jeweilige Straße auch in dem Bereich zu reinigen ist, der vor dem Grundstück des Klägers liegt. Die Straßenreinigungssatzung ergänzt und konkretisiert die §§ 3, 4 der Verordnung über die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung im Gebiet der Beklagten.

Die Beklagte hat ursprünglich Straßenreinigungsgebühren nach dem Frontmetermaßstab erhoben. Sie hielt es wegen der zunehmenden Vorgaben der Rechtsprechung für angezeigt, auf einen flächenbezogenen Maßstab umzustellen. Von ihrem Fachdienst Finanzen wurde eine Vorlage für die neue Straßenreinigungsgebührensatzung vom 23.11.2020 erstellt. Diese sah in einer ersten Variante die Einführung eines Grundflächenmaßstabes und in einer zweiten Variante die Einführung eines Quadratwurzelmaßstabes vor. Die Kalkulation der Gebührensätze für die wöchentliche Reinigung einerseits (0,011 Euro pro Quadratmeter) sowie die zweiwöchentliche Reinigung andererseits (0,022 Euro pro Quadratmeter) geschah in beiden Fällen ausgehend von den Kosten der Straßenreinigung in Höhe von 39.000 € sowie einer Gesamtgrundfläche der erschlossenen Grundstücke in geschlossener Ortslage von 3.090.000 m2. Bei der Ermittlung dieser Grundfläche wurden alle heranzuziehenden Grundstücksflächen addiert. Es erfolgte aber eine mehrfache Einbeziehung mehrfach erschlossener Grundstücksflächen entsprechend der Zahl der Erschließungen, soweit es sich um zu reinigende Straßen handelte. Die Vorlage wurde im zuständigen Ausschuss am 8.12.2020 beraten. Dieser sprach sich für den Grundflächenmaßstab aus. Es folgten am 10.12.2020 die Sitzungen von Verwaltungsausschuss und Rat. Die Straßenreinigungsgebührensatzung wurde vom Rat mit dem Grundflächenmaßstab beschlossen.

§ 3 Abs. 2 der beschlossenen Satzung sieht vor, dass an mehreren Straßen anliegende Grundstücke zu Straßenreinigungsgebühren für alle anliegenden Straßen herangezogen werden. Die Satzung enthielt weder eine Tiefenbegrenzung noch eine (rein arithmetische) Kappungsgrenze zur Begünstigung besonders großer (insbesondere landwirtschaftlich genutzter) Grundstücke. Sie enthielt auch keine Vergünstigung für mehrfach erschlossene Grundstücke und keine besondere Vorschrift zur Berücksichtigung von Härtefällen.

Die Beklagte erstellte sodann die Gebührenbescheide, darunter den an den Kläger gerichteten Bescheid. Dieser datiert vom 14.1.2021. Der Kläger hatte im vorangegangenen Bescheid vom 9.1.2020 nach dem Frontmetermaßstab in Höhe von 76,80 € pro Jahr Straßenreinigungsgebühren zu entrichten. Nunmehr wurden 359,48 € pro Jahr festgesetzt. Dieser Betrag ergebe sich aus der Grundstücksfläche von 32.680 m2 multipliziert mit dem Gebührensatz von 0,011 Euro pro Quadratmeter. Hieraus wird deutlich, dass die Fläche des klägerischen Grundstücks trotz der beiden angrenzenden zu reinigenden Straßen nur einmal berücksichtigt worden war.

Der Kläger hat am 11.2.2021 Klage erhoben.

Er wendet sich gegen die Steigerung der Gebühr um den Faktor 4,7 gegenüber der alten Gebühr nach dem Frontmetermaßstab. Das Fehlen einer Kappungsgrenze in der Straßenreinigungsgebührensatzung stelle einen schweren Fehler dar. Es müssten außerdem Art und Maß der Grundstücksnutzung berücksichtigt werden. Hier handele es sich um ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück. Es dürfe nur die Gebäudefläche von 9960 m2 für die Bemessung der Gebühren berücksichtigt werden, nicht aber die übrige Freifläche. Diese Freifläche werde im Übrigen auch nicht über das Hofgrundstück erschlossen. Sie trage auch nicht zur Verschmutzung der Straße bei. Die landwirtschaftlichen Flächen würden nicht über die Glockenstraße angefahren. Stattdessen erfolge die Anfahrt über die Straße Grundpatt. Es entstehe also keine Verschmutzung durch die Anfahrt von Fahrzeugen. In der Satzung fehle es im Übrigen an einer Härtefallregelung. Eine solche sei erforderlich. Er halte sich auch für einen Härtefall.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Bescheid der Beklagten vom 14.1.2021 aufzuheben,

und hilfsweise,

die Beklagte zu verpflichten, einen Billigkeitserlass zu verfügen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie führt aus, wegen der mit dem Frontmetermaßstab verbundenen Probleme und Ungerechtigkeiten sei auf den Grundflächenmaßstab umgestellt worden. Dieser sei als grundstücksbezogener Maßstab zulässig. Berücksichtigt würden einerseits Reinigungshäufigkeit und andererseits Reinigungsumfang der Straßen. Nicht berücksichtigt würden hingegen Art und Maß der baulichen Nutzung auf den Anliegergrundstücken sowie das Maß der von diesen Grundstücken konkret ausgehenden Verschmutzung. Eine entsprechende Berücksichtigung sei aber auch nicht erforderlich. Im Übrigen würde eine solche Berücksichtigung aber auch - entgegen der Ausführungen des Klägers - zu einer höheren Belastung landwirtschaftlicher Grundstücke führen, weil von diesen erhöhte Verschmutzungen ausgingen. Über die Einführung einer Kappungsgrenze sei beraten, der Gedanke aber letztlich verworfen worden. Dies sei auch zulässig. Eine Härtefallregelung sei ebenfalls nicht zwingend erforderlich. Die vom Kläger aufgeworfene Frage, welche Teilflächen eines Grundstücks von wo erschlossen würden, sei unerheblich. Maßgeblich sei das Buchgrundstück insgesamt. Eine Zuwegung vom Grundstück zu beiden Straßen sei nicht nur möglich herzustellen, sondern bereits vorhanden.

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat Erfolg.

A.

Das Klagebegehren ist vom objektiven Empfängerhorizont dahingehend auszulegen, dass der streitgegenständliche Bescheid insgesamt aufgehoben werden soll.

I.

Der Kläger hat bei Klageerhebung keinen expliziten Antrag gestellt. Der Formulierung in der Klageschrift, der Bescheid werde insoweit angegriffen, als er die Festsetzung von Straßenreinigungsgebühren betreffe, ist vom objektiven Empfängerhorizont aus zu entnehmen, dass der Bescheid insgesamt angegriffen werden soll. Der Umstand, dass die Klage zunächst fristwahrend erhoben worden ist, ändert daran nichts. Dies gilt auch unbeschadet der Tatsache, dass die Klageschrift lediglich den Klagegegenstand und nicht den Streitgegenstand enthalten muss und eine Bestimmung des Streitgegenstandes auch noch nach Anhängigkeit der Klage erfolgen kann (BVerwG, NVwZ 2017, 489 [BVerwG 22.09.2016 - BVerwG 2 C 16.15]; Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 82 Rn. 18-20, beck-online).

II.

Ist der Klageschrift dementsprechend nach Auslegung zu entnehmen, dass der Bescheid insgesamt angefochten werden soll, können sich nachfolgende einschränkende Erklärungen nur noch als (verdeckte) teilweise Klagerücknahme bzw. teilweise Erledigungserklärung darstellen. Die der Klageschrift nachfolgenden Äußerungen des Klägers sind aber letztlich nicht so zu verstehen. Der Kläger hat zwar mehrfach den festzusetzenden Betrag genannt, der ihm vorschwebt (109,08 Euro entsprechend der hypothetischen Veranlagung nur der bebauten Fläche des Grundstücks nach dem Grundflächenmaßstab (und bei Berücksichtigung nur einer der zwei zu reinigenden Straßen)). Er spricht mitunter auch von einer "entsprechenden" Aufhebung. Dies ist aber nicht zwingend oder auch nur naheliegenderweise als Klagerücknahme zu verstehen. Die Formulierung "entsprechende Aufhebung" ist nicht zwingend auf die genannten 109,08 Euro zu beziehen. Im Zweifel - und so auch hier - ist zugunsten des nicht von einem Rechtsanwalt vertretenen Klägers vom objektiv günstigeren Verständnis seiner Erklärungen auszugehen: Die vom Kläger vorgebrachten Einwände betreffen überwiegend die Straßenreinigungsgebührensatzung der Beklagten als solche - was der Kläger auch selbst erkennt - und stellen daher die Rechtmäßigkeit der Gebührenerhebung dem Grunde nach und nicht nur der Höhe nach in Frage. Außerdem ist eine teilweise Klagerücknahme im Unterschied zu einer vollständigen Klagerücknahme mit keinen kostenrechtlichen Vorteilen verbunden.

B.

Der Hauptantrag ist zulässig und begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 14.1.2021 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Der Bescheid beruht auf einer unwirksamen Rechtsgrundlage.

Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 NKAG erheben die Kommunen als Gegenleistung für die Inanspruchnahme öffentlicher Einrichtungen Benutzungsgebühren. Hierauf verweist § 52 Abs. 3 Satz 4 Hs. 2 NStrG, wobei gemäß § 52 Abs. 3 Satz 1 NStrG die Eigentümer anliegender Grundstücke als Benutzer der öffentlichen Einrichtung Straßenreinigung gelten. Die Gebührenerhebung bedarf einer Satzung, §§ 52 Abs. 3 Satz 2 NStrG, 2 Abs. 1 Satz 1 NKAG.

Die von der Beklagten erlassene Straßenreinigungsgebührensatzung ist jedoch unwirksam.

I.

Allerdings ist § 4 der Satzung nicht wegen der Berechnung der dort genannten Gebührensätze unwirksam, weil diese (methodisch) unzutreffend kalkuliert worden wären oder der Rat sein Ermessen wegen fehlender Kenntnis der kalkulatorischen Leitentscheidungen nicht ordnungsgemäß ausgeübt hätte.

1.

Die Zahl der bevorteilten und zu belastenden Maßstabseinheiten ist nicht unterschätzt worden, weil mehrfach erschlossene Grundstücke auch mehrfach in die Gesamtfläche aller erschlossenen Grundstücke einbezogen worden sind. Die Beklagte hat deutlich gemacht, dass sie dies durch die Berücksichtigung aller verfügbaren Datensätze aus der Zeit des Frontmetermaßstabes bewerkstelligt hat. Für mehrfach erschlossene Grundstücke gab es mehrere Datensätze entsprechend der Zahl der an sie angrenzenden von der Beklagten zu reinigenden Straßen.

Dass in Einzelfällen für von mehreren zu reinigenden Straßen erschlossene Grundstücke weniger Datensätze als Straßen vorhanden waren - wie im Falle des Klägers -, führt nicht zur Unwirksamkeit der Vorschrift über die berechneten Gebührensätze. Eine genaue Ermittlung der mehrfach erschlossenen Flächen ist jedenfalls nicht erforderlich, wenn man - angesichts der offenkundigen praktischen Schwierigkeiten - eine Schätzung schon im Verfahren der Satzungsgebung zulässt (vgl. VG Lüneburg, Urteil vom 27.5.2020 - 3 A 94/18, Rn. 93, juris; VG Cottbus, Urteil vom 21.8.2013 - 6 K 552/12, Rn. 21, juris; Driehaus/Brüning, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rn. 50, 65. EL 9/2021). Denn dann muss erst recht ein Rückgriff auf tatsächlich vorhandene Datensätze aus der Zeit der Verwendung des Frontmetermaßstabes zulässig sein. Die Kammer teilt die genannte Auffassung. Auch hier liegen offenkundige Schwierigkeiten vor, weil die Prüfung, ob für alle von mehreren zu reinigenden Straßen erschlossenen Grundstücke auch eine der Anzahl der an das Grundstück angrenzenden zu reinigenden Straßen entsprechende Anzahl von Datensätzen vorliegt, erkennbar aufwendig wäre. Erfolgt versehentlich - wegen unvollständiger Datensätze - eine nur einmalige Einbeziehung eines mehrfach erschlossenen Grundstücks bei den Maßstabseinheiten, kann im Übrigen auch nicht von einem methodischen Fehler gesprochen werden. Ob § 2 Abs. 1 Satz 3 NKAG, der seinem Wortlaut nach nur versehentliche (und nur nicht methodische) Mängel der Kalkulation bezüglich einzelner Kostenbestandteile, nicht aber Mängel bezüglich Maßstabseinheiten betrifft, analog angewandt werden könnte, wenn man die Schätzung von Maßstabseinheiten ablehnte, kann wegen der hier vertretenen Auffassung offenbleiben.

2.

Zweifel an der ordnungsgemäßen Ausübung des Ermessens des Rates beim Beschluss der Gebührensätze bestehen ebenfalls nicht. Zwar suggeriert die Ratsvorlage objektiv, es sei die Summe der zu veranlagenden Flächen ermittelt worden, ohne dass von einer mehrfachen Berücksichtigung von von mehreren zu reinigenden Straßen erschlossenen Grundstücken die Rede ist. Allerdings handelt es sich hierbei nach Auffassung der Kammer nicht um eine kalkulatorische Leitentscheidung, deren Kenntnis für die ordnungsgemäße Ermessensausübung durch den Rat erforderlich gewesen wäre (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 22.6.2009 - 9 LC 409/06, 1. Leitsatz, juris).

II.

Die Satzung ist aber unwirksam, weil sie in § 3 Abs. 2 den Grundflächenmaßstab vorsieht, ohne eine besondere Regelung für im Gemeindegebiet vorhandene große landwirtschaftlich genutzte Grundstücke mit Mehrfacherschließung zu enthalten. Die Satzung wird diesen Grundstücken unter Vorteilsgesichtspunkten bei maßgeblicher Berücksichtigung der Belastungshöhe, die jenseits der Bagatellgrenze liegt, nicht gerecht. Sie enthält weder eine Flächenermäßigung in Gestalt von Kappungsgrenze oder Tiefenbegrenzung noch eine Maßstabsverfeinerung noch eine Vorschrift, die einen Billigkeitserlass auch für solche vom Satzungsgeber gesehenen und in Kauf genommenen Belastungen ermöglicht (Ob die Einführung einer solchen besonderen Erlassvorschrift überhaupt möglich ist, wird weiter unten erörtert). Zumindest einer dieser drei Hilfsmittel bedürfte es aber nach Auffassung der Kammer. Jedenfalls für derartige Grundstücke steht der Grundflächenmaßstab als Wahrscheinlichkeitsmaßstab daher in einem offensichtlichen Missverhältnis zu Art und Umfang der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung Straßenreinigung, § 52 Abs. 3 Satz 4 Hs. 2 NStrG i.V.m. § 5 Abs. 3 Satz 2 NKAG (Gebot der Leistungsproportionalität).

Im Einzelnen:

1.

Die Vorgaben für einen wirksamen Gebührenmaßstab sind die Folgenden:

a.

Zunächst zu den für alle Gebühren geltenden Maßstäben, die hier von Interesse sind, ohne Rücksicht auf Besonderheiten bei den Straßenreinigungsgebühren. An den Gebührenmaßstab werden bundesrechtliche und landesrechtliche Anforderungen gestellt:

aa.

Bundesrechtlich muss der Maßstab - im Verhältnis Abgabengläubiger und -schuldner - das aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip abgeleitete Äquivalenzprinzip und - im Verhältnis der Abgabenschuldner untereinander - den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG wahren.

(1)

Das Äquivalenzprinzip besagt, dass die (Höhe der) Gebühr nicht in einem Missverhältnis zur Leistung der öffentlichen Hand (BVerwG, Urteil vom 19.1.2000 - 11 C 5/99, Rn. 38, juris; OVG Lüneburg, Urteil vom 8.8.1990 - 9 L 182/89, Rn. 9, juris) bzw. zu den von der öffentlichen Hand verfolgten Gebührenzwecken (BVerwG, Beschluss vom 30.5.2007 - 10 B 56/06, Rn. 14, juris) stehen darf. Soweit auf die Gebührenzwecke abgestellt wird, sind dies: (1) Ausgleich der für die Leistung entstandenen Kosten der öffentlichen Hand, (2) Ausgleich des durch die Leistung beim Gebührenschuldner entstandenen Vorteils (wirtschaftlicher oder sonstiger Art) und (3) evtl. mit der Gebührenerhebung verbundene Lenkungszwecke. Soweit schlicht auf die Leistung und nicht auf die Gebührenzwecke abgestellt wird, meint dies den Wert der Leistung der öffentlichen Hand (BVerwG, Urteil vom 24.3.1961 - VII C 109.60, juris). Dieser bemisst sich einerseits an den Kosten der Leistung und - regelmäßig zusätzlich - andererseits am Vorteil, den der Gebührenpflichtige durch die Leistung erhält (BVerwG, Urteil vom 19.1.2000, a.a.O., Rn. 41, juris). Es darf aber keine völlige Entfernung von den Kosten der Leistung erfolgen (BVerwG, Urteil vom 20.4.2003 - 6 C 5/02, Rn. 13, juris: 4.444-faches der Kosten der Leistung). Dem Satzungsgeber wird ein weites Ermessen eingeräumt, das sich darin äußert, dass nur bei einem groben Missverhältnis eine Verletzung des Äquivalenzprinzips angenommen wird (OVG Lüneburg, Urteil vom 18.6.2015 - 8 LB 191/13, Rn. 41, juris). Insgesamt stellt das Äquivalenzprinzip nur ein geringes Hindernis für die Wirksamkeit eines Gebührenmaßstabes dar (Christ/Oebbecke, Handbuch Kommunalabgabenrecht, 1. Aufl. 2016, D. Rn. 409, beck-online).

(2)

Der allgemeine Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, wesentlich Gleiches gleich und Wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln, wobei für die Zulässigkeit der Ungleich- bzw. der Gleichbehandlung ein sachlicher Grund genügt. Die Ungleichbehandlung darf also lediglich nicht willkürlich sein (BVerwG, Urteil vom 15.7.1988 - 7 C 5/87, Rn. 19, juris). Auch hier wird bei der Wahl des Maßstabes für Kommunalabgaben dem Satzungsgeber eine weitgehende Freiheit eingeräumt (BVerwG, Urteil vom 27.9.2000 - 11 CN 1/00, Rn. 23, juris; Urteil vom 15.7.1988 - 7 C 5/87, Rn.19, juris). Es ergeben sich keine Präferenzen für einen bestimmten Gebührenmaßstab aus Art. 3 Abs. 1 GG (BVerwG, Beschluss vom 15.3.2002 - 9 B 16/02, Rn. 5, juris, m.w.N.). Es muss lediglich eine sachliche Beziehung von Gebührenmaßstab zu erbrachter Leistung bestehen. Ein striktes Gebot der Leistungsproportionalität besteht ebenso wenig wie ein striktes Gebot der Kostenproportionalität (Christ/Oebbecke, a.a.O., D. Rn. 23). Im Übrigen ist bei der Frage der Gleichbehandlung ggf. von zu beachtenden Vorgaben des nicht revisiblen Landesrechts auszugehen (BVerwG, Beschluss vom 31.3.1998 - 8 B 43/98, Rn. 8, juris). Teilweise wird aber auch bereits hier von der Erforderlichkeit einer strengeren Prüfung im Sinne einer Abwägung zwischen Verwaltungsvereinfachung und Interessen des Gebührenschuldners (Gewicht der maßstabsbedingten Ungleichbehandlung) ausgegangen (Christ/Oebbecke, a.a.O., D. Rn. 410).

Ein besonders relevanter sachlicher Grund, Ungleiches gleich zu behandeln, liegt darin, im Interesse der Verwaltungspraktikabilität Fälle zu Gruppen zusammenzufassen (sog. Pauschalierung bzw. Typisierung). Dies gilt nicht nur, aber besonders bei Bagatellbelastungen (beim gleich zu behandelnden Grundflächenmaßstab besteht diese Typisierung darin, dass alle Grundstücke, insbesondere ohne Ansehung von Art und Maß der Nutzung, gleichbehandelt werden).

Zulässige Typisierung setzt dreierlei voraus (Christ/Oebbecke, a.a.O., D. Rn. 25): (1) Hierdurch entstehende Vorteile bei der Abgabenerhebung, namentlich in der Verwaltungspraktikabilität, (2) eine Orientierung am typischen Fall und, dass der vernachlässigte Fall (objektiv) quantitativ nicht erheblich ins Gewicht fällt (, dabei entstammt die Grenze von 10 % der Fälle dem Wasser- und Abwassergebührenrecht und ist nicht ohne Weiteres auf andere Abgaben übertragbar, BVerwG, Beschluss vom 15.3.2002 - 9 B 16/02, Rn. 8, juris; a.A. wohl VG Göttingen, Urteil vom 25.7.2014 - 3 A 68/13, 2. Orientierungssatz, Rn. 16, juris) und (3), dass der atypische Fall wie ein typischer behandelt wird, darf nicht erheblich benachteiligend wirken. Die letztgenannte Voraussetzung wird teilweise absolut aufgestellt (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10.10.2007 - OVG 9 A 72.05, Leitsatz 5, Rn. 40, juris; vgl. Christ/Oebbecke, a.a.O., D. Rn. 25). Teilweise wird formuliert, dass die benachteiligende Wirkung nicht in einem Missverhältnis zu den erzielten Vorteilen bei der Verwaltungspraktikabilität stehen darf (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19.5.2015 - 6 A 11006/14, Rn. 19, juris; Christ/Oebbecke, a.a.O., D. Rn. 25). Die Kammer ist der Auffassung, dass beide Bedingungen kumulativ vorliegen müssen, da durch die zulässige Typisierung gerechtfertigte Gruppenbildungen regelmäßig keiner Korrektur über eine Billigkeitsentscheidung mehr zugänglich sind (Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 135 Rn. 4, 144. EL 10/2021, beck-online, zum Erschließungsbeitragsrecht). Die Feststellung einer unerheblichen Belastung im Sinne der Typisierungsvoraussetzungen schließt also regelmäßig das Vorliegen eines Härtefalles im Rahmen der Billigkeitsentscheidung aus. Für einen Billigkeitserlass bedarf es vielmehr weiterer Besonderheiten des Einzelfalles und nicht nur die Zugehörigkeit zu einer Gruppe atypischer, nicht erheblich belasteter Fälle.

Liegen die Voraussetzungen für eine zulässige Typisierung nicht vor, sind zwei Fälle zu unterscheiden: Wenn bereits die quantitative Voraussetzung der Typisierung nicht erfüllt ist, also (objektiv) typische Fälle betroffen sind, muss der nicht hinreichend vorteilsbezogene Maßstab punktuell (für diese Fälle) ergänzt oder generell verfeinert werden (Christ/Oebbecke, a.a.O., D. Rn. 407 ff.). Andernfalls ist der Maßstab für den konkreten Anwendungsfall - aber wegen des hier aus dem Landesrecht folgenden Grundsatzes der konkreten Vollständigkeit auch darüber hinaus (OVG Lüneburg, Urteil vom 30.1.2017 - 9 LB 194/16, Rn. 29, juris) - unwirksam. Sind dagegen objektiv atypische Fälle betroffen und liegt nur die qualitative Voraussetzung der Typisierung nicht vor (absolut keine unerhebliche Benachteiligung oder relativ im Verhältnis zu den namentlich für die Verwaltungspraktikabilität zu verzeichnenden Vorteilen), ist dagegen erneut zu unterscheiden. Es stellt sich dann die Frage, ob der Fall nicht nur objektiv atypisch ist, sondern auch aus Sicht des Satzungsgebers nicht bedacht und für den Bedenkensfall bei wortlautgetreuer Satzungsanwendung nicht gewollt worden wäre. Dabei wird häufig die objektive Atypik das Nichtbedenken durch den Satzungsgeber indizieren. Dies ist aber keinesfalls zwingend. Liegt ein nicht bedachter und im Bedenkensfalle so nicht gewollter Fall vor, kommt ein Billigkeitserlass gemäß §§ 1 Abs. 2, 11 Abs. 1 Nr. 4 b), Nr. 5 a) NKAG i.V.m. §§ 163 Abs. 1 Satz 1, 227 AO in Betracht. Die Zulässigkeit der Typisierung und die Wirksamkeit des Gebührenmaßstabes bleiben dann unberührt (vgl. Hess. VGH, Urteil vom 17.6.2008 - 2 UE 203/07, Rn. 30, juris: zur Straßenreinigungspflicht). Liegt dagegen ein vom Satzungsgeber bedachter Fall vor, bei dem eine erhebliche Benachteiligung festzustellen ist, scheidet ein Billigkeitserlass aus und ist der Maßstab, der diesen Fall ja explizit erfassen sollte, für diesen Fall und - wegen des Grundsatzes der konkreten Vollständigkeit - darüber hinaus unwirksam.

Zum zwar in Zusammenhang mit der zulässigen Typisierung relevanten, sich aber hier aus dem Landesrecht und nicht aus dem Bundesrecht ergebenden, bereits erwähnten Grundsatz der konkreten Vollständigkeit wird sogleich ausgeführt.

bb.

Landesrechtlich ist in § 5 Abs. 3 Satz 1 NKAG festgelegt, dass sich die Gebühr nach Art und Umfang der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung richten muss. Ist dies schwierig oder wirtschaftlich nicht vertretbar, kann ein Wahrscheinlichkeitsmaßstab gewählt werden, der nicht in offensichtlichem Missverhältnis zur Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung stehen darf, § 5 Abs. 3 Satz 2 NKAG. § 5 Abs. 3 NKAG enthält den Grundsatz der Leistungsproportionalität, der - obgleich er nicht nur den Vergleich der Schuldner untereinander, sondern auch den Maßstab für die Heranziehung des Schuldners durch den Gläubiger betrifft, indem er die Wahlmöglichkeiten des Satzungsgebers einschränkt - herkömmlicherweise (ausschließlich) als landesrechtliche Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitssatzes betrachtet wird (BVerwG, NVwZ 2006, 589 [BVerwG 01.12.2005 - BVerwG 10 C 4.04], beck-online; Urteil vom 20.12.2000, a.a.O., Rn. 33, juris; OVG Lüneburg, Urteil vom 8.12.2005 - 8 KN 123/03, juris; anders ggf. Driehaus/Brüning, a.a.O., § 6 Rn. 52, 65. EL 9/2021: vertikal keine übermäßige Belastung). Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg entnimmt § 5 Abs. 3 Sätze 1, 2 NKAG neben dem Grundsatz der Leistungsproportionalität trotz des Abstellens auf die Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung (und nicht auf deren Kosten oder den Wert dieser Inanspruchnahme für den Betroffenen bzw. die verfolgten Gebührenzwecke) noch ein landesrechtliches Äquivalenzprinzip (vgl. Urteil vom 12.10.2012 - 9 KN 47/10, Rn. 58, juris).

Der Landesgesetzgeber hat ausgeführt, dass die Wahl unter mehreren Wahrscheinlichkeitsmaßstäben gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 NKAG nicht übermäßig erschwert werden solle, weil diese Maßstäbe stets noch weiter verfeinert werden könnten und dann niemals eine sichere Entscheidung für einen Wahrscheinlichkeitsmaßstab getroffen werden könnte (LT-Drs. 7/975, zitiert nach Rosenberg/Freese/von Waldthausen, NKAG, § 5 Rn. 139, 10/2005). Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat unmittelbar zu § 5 Abs. 3 Satz 2 NKAG (nicht in Verbindung mit § 52 Abs. 3 Satz 4 Hs. 2 NStrG) Folgendes ausgeführt:

"Die Offensichtlichkeit des Mißverhältnisses von Leistung und Gegenleistung betrifft seine Erkennbarkeit im Vergleich mit dem Verhältnis von Leistung und Gegenleistung bei anderen Maßstäben. Dabei muß zunächst berücksichtigt werden, daß der Gesetzgeber in § 5 Abs. 3 NKAG dem Wirklichkeitsmaßstab Vorrang gegenüber Wahrscheinlichkeitsmaßstäben eingeräumt hat, obwohl ihm die damit verbundenen Schwierigkeiten bekannt waren. Der Vorrang des Wirklichkeitsmaßstabes hat im übrigen auch Auswirkungen auf die Geeignetheit von mehreren unterschiedlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstäben: Unter mehreren Wahrscheinlichkeitsmaßstäben dürfen die Gemeinden nicht beliebig auswählen, sondern müssen auch die Wirklichkeitsnähe der Maßstäbe berücksichtigen. Es wäre ein Widerspruch in sich, wenn an die Zulässigkeit eines Wahrscheinlichkeitsmaßstabes an sich strenge Anforderungen zu stellen sind, aus mehreren Wahrscheinlichkeitsmaßstäben aber ohne weiteres ein "grober" Maßstab ausgewählt werden könnte (so auch Dahmen, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: September 1989, § 6, Rdnr. 209). Andererseits ist der Gebührengesetzgeber durch § 5 Abs. 3 NKAG aber auch nicht in der Weise gebunden, daß er aus mehreren Wahrscheinlichkeitsmaßstäben in jedem Fall nur den auswählen darf, der der wirklichen Inanspruchnahme am nächsten kommt. Denn zum einen ist die Wirklichkeitsnähe eines Gebührenmaßstabes in der Regel nicht mit mathematischer Genauigkeit zu bestimmen. Zum anderen kann selbst ein wirklichkeitsnaher Wahrscheinlichkeitsmaßstab dann ausscheiden, wenn seiner Anwendung gewichtige Gründe, vergleichbar denen des § 5 Abs. 3 Satz 2 NKAG entgegenstehen (Beschl. d. Sen. v. 9.2.1990 -- 9 M 104/89 --). Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe aber, die nach Art und Umfang der Inanspruchnahme so wenig differenzieren, daß sie im Vergleich mit anderen Maßstäben für die gleiche Leistung auch unter Berücksichtigung sonstiger gewichtiger Gründe als offensichtlich unangemessen erscheinen, scheiden als geeignete Maßstäbe aus."

(OVG Lüneburg, Urteil vom 16.2.1990 - 9 L 61/89, Rn. 32, juris)

Damit sind die Anforderungen für die Wahl zwischen Wahrscheinlichkeitsmaßstäben gegenüber den allgemeinen bundesrechtlichen Anforderungen - namentlich aus Art. 3 Abs. 1 GG - nicht unerheblich verschärft (Driehaus/Lichtenfeld, a.a.O., § 6 Rn. 755, 62. EL 3/2020).

Aus dem niedersächsischen Landesrecht ergibt sich außerdem, dass die Gebührensatzung - unter Berücksichtigung der zulässigen Typisierung (s.o.) - für alle im Zeitpunkt ihres Erlasses vorliegenden und absehbaren Fallgestaltungen eine annähernd vorteilsgerechte bzw. der Inanspruchnahme gerecht werdende Maßstabsregelung bieten muss (sog. Grundsatz der konkreten Vollständigkeit: OVG Lüneburg, Urteil vom 30.1.2017, a.a.O., Rn. 29, juris; Beschluss vom 19.8.2008, a.a.O., Rn. 14, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29.1.2020, a.a.O., Rn. 57, juris).

b.

Zu den Vorgaben für den Gebührenmaßstab im Straßenreinigungsrecht im Besonderen ist Folgendes zu sagen:

aa.

Bundesrechtlich wird aus der oben wegen Art. 3 Abs. 1 GG erforderlichen sachlichen Beziehung zwischen Gebührenmaßstab und Leistung der öffentlichen Hand hergeleitet, dass eine (ausreichende) objektive bzw. sachliche Beziehung zwischen Grundstück und zu reinigender Straße bestehen muss. Diese sachliche Beziehung lässt die Heranziehung des Grundstücks als willkürfrei erscheinen. Die sachliche Beziehung wird grundsätzlich bereits durch das Angrenzen des Grundstücks an die Straße begründet, weil dies in aller Regel die Möglichkeit der wirtschaftlichen und verkehrlichen Nutzung des Grundstücks, insbesondere die Möglichkeit, eine Zufahrt zu schaffen, mit sich bringt. Hieraus resultiert eine vorteilhafte Auswirkung der Straßenreinigung bzw. das besondere Interesse an der Reinhaltung der Straße. Die erforderliche sachliche Beziehung kann aber - auch ohne Möglichkeit der Anlegung einer Zufahrt - vorliegen, wenn die konkrete - nicht nur hypothetische - Möglichkeit einer nicht völlig unerheblichen Straßenverschmutzung durch das Anliegergrundstück zu bejahen ist (zum Ganzen: BVerwG, Urteil vom 7.4.1989 - 8 C 90/87, Rn. 13, juris; Urteil vom 10.5.1974 - VII C 26.72, BeckRS 31288929). Landesrecht, das eine Heranziehung von Grundstücken ohne eine solche sachliche Beziehung vorsieht, ist verfassungskonform auszulegen (BVerwG, Urteil vom 10.5.1974, a.a.O.). Dieser Rechtsprechung zu Art. 3 Abs. 1 GG hat sich das OVG Lüneburg angeschlossen (Beschluss vom 15.12.2015 - 9 LA 95/15, Rn.8, juris, m.w.N., st. Rspr.).

bb.

Zu den landesrechtlichen Anforderungen an den Gebührenmaßstab für Straßenreinigungsgebühren ist Folgendes auszuführen:

(1)

Die landesrechtlichen Anforderungen an den Gebührenmaßstab im Straßenreinigungsgebührenrecht sind nach dem Verständnis der Kammer gegenüber den allgemeinen Anforderungen herabgesetzt: Bei der Auswahl unter den denkbaren Gebührenmaßstäben für die Erhebung von Straßenreinigungsgebühren kommen nach dem Verständnis der Kammer die Einschränkungen bei der Auswahl aus mehreren Wahrscheinlichkeitsmaßstäben nach der oben zitierten Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg faktisch nicht zum Tragen, obwohl § 52 Abs. 3 Satz 4 NStrG§ 5 Abs. 3 Sätze 1, 2 NKAG für unmittelbar anwendbar erklärt.

(a)

Als Begründung hierfür könnte man heranziehen einerseits den Bagatellcharakter der Straßenreinigungsgebühr (BVerwG, Beschluss vom 15.3.2002 - 9 B 16/02, Rn. 7, juris: "Beträge im Bagatellbereich"; Beschluss vom 9.12.1993 - 8 NB 5/93, Rn. 6, juris: "gerade bei relativ geringfügigen Gebühren"; wohl weitergehend: VG Hannover, Urteil vom 31.5.2021 - 1 A 1807/19, Rn. 32, juris; vgl. auch zu Abfallgebühren BVerwG, Urteil vom 1.12.2005 - 10 C 4/04, Rn. 57, juris: "Hier wird die Sachgerechtigkeit der einheitlichen Gebühr schon durch ihren Bagatellcharakter gewährleistet") oder bzw. und andererseits den Umstand, dass Art und Umfang der Inanspruchnahme der Einrichtung Straßenreinigung nur sehr schwer zu ermitteln sind (OVG Lüneburg, Urteil vom 30.1.2017 - 9 LB 194/16, Rn. 22, juris - wofür man freilich zunächst einmal wissen muss, was die Inanspruchnahme der Einrichtung Straßenreinigung konkret ist). Der erste Aspekt - die Annahme des Bagatellcharakters in den oben genannten Entscheidungen - beruhte zwangsläufig auf den von der Rechtsprechung in den zu entscheidenden Sachverhalten vorgefundenen Belastungsergebnissen, die sich bei nahezu allen älteren Entscheidungen aus dem Frontmetermaßstab ergaben.

Der zweite Aspekt - die Schwierigkeit, Art und Umfang der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung Straßenreinigung zu bestimmen -, wird daran erkennbar, dass die - wegen der Straßenreinigungspflicht der Gemeinden, § 52 Abs. 2 NStrG, und der fehlenden Übertragung der Reinigungspflicht auf die Anlieger erforderliche - gesetzliche Fiktion eines Benutzungsverhältnisses in § 52 Abs. 3 Satz 1 NStrG ("Ob" der Benutzung) zur Frage des "Wie" der Benutzung nichts aussagt (vgl. zum Alternativmodell ohne Benutzungsfiktion bei Straßenreinigungspflicht der Gemeinden BVerwG, Urteil vom 7.4.1989 - 8 C 90/87, Rn. 16, juris: Übertragung auf die Anlieger, Anschluss- und Benutzungszwang bezüglich der Straßenreinigungsanstalt der Gemeinde und Gebührenerhebung durch Satzung). Die Schwierigkeit beruht letztlich darauf, dass mehrere denkbare Anknüpfungspunkte für die Erhebung von Straßenreinigungsgebühren bestehen, was in unmittelbarem Zusammenhang mit der umstrittenen Rechtsnatur der Straßenreinigungsgebühr (Gebührennähe einerseits, Beitragsnähe andererseits) steht (hierzu näher unten). An dieser Stelle soll einstweilen die Feststellung genügen, dass maßgeblich nach der ständigen Rechtsprechung des OVG Lüneburg der Vorteil sein soll, den das Grundstück aus der Straßenreinigung hat (Urteil vom 30.1.2017, a.a.O., Rn. 22, juris; Beschluss vom 11.5.2000 - 9 L 2479/99, Rn. 12, juris; so auch VG Lüneburg, Urteil vom 27.5.2020 - 3 A 94/18, Rn. 43, juris), was nach dem Verständnis der Kammer impliziert, dass gereinigte Straße und Vorteil nicht identisch sind, obwohl mitunter so formuliert wird (vgl. aber nunmehr OVG Lüneburg, Urteil vom 3.5.2021 - 9 KN 162/17, Rn. 219, juris; Driehaus, KStZ 2008, 44, 46; insoweit unklar Driehaus/Lichtenfeld, a.a.O., § 6 Rn. 763c einerseits und 762 andererseits, 58. EL 3/2018; Rosenzweig/Freese/von Waldthausen, NKAG, § 5 Rn. 939, 54. EL 2/2022; auch dazu näher unten).

(b)

Unabhängig von dem Grund für die Herabsetzung der Anforderungen bei der Auswahl zwischen Wahrscheinlichkeitsmaßstäben aus dem Urteil des OVG Lüneburg vom 16.2.1990 (a.a.O., Rn. 32, juris) zu § 5 Abs. 3 Satz 2 NKAG führt diese Herabsetzung dazu, dass - soweit ersichtlich - weder in den Gemeinden noch in der Rechtsprechung größerer Aufwand darauf verwandt wird, zu bestimmen, welcher der anerkannten Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe der wirklichkeitsnächste ist. Es ist (entsprechend dem Verständnis der Kammer) nach der Rechtsprechung hier ermessensfehlerfrei einen (möglicherweise) wirklichkeitsferneren Maßstab zu wählen, ohne dass damit besondere Vorteile gegenüber einem (möglicherweise) wirklichkeitsnäheren Maßstab verbunden sind.

(2)

Gängig - ausgehend von der im Wesentlichen verbleibenden Anforderung des Grundstücksbezugs des Maßstabes, Art. 3 Abs. 1 GG - sind der Frontmetermaßstab, der Grundflächenmaßstab und der Quadratwurzelmaßstab (Christ/Oebbecke, a.a.O., D. Rn. 460). Auch der früher nahezu durchgängig angewandte Frontmetermaßstab war kein straßenflächenbezogener, sondern ein grundstücksbezogener Maßstab - jedenfalls ist dies nachträglich so festgestellt worden (BVerwG, Beschluss vom 15.3.2002 - 9 B 16/02, Rn. 6, juris, unter Hinweis auf seine anderslautende frühere Rechtsprechung: Beschluss vom 18.4.1974 - 7 B 82.73 im Nachgang zu einer Entscheidung des OVG Lüneburg). Ein solcher, grober Maßstab ist ausreichend. Eine generelle Verfeinerung des Maßstabes ist weder explizit normativ geboten, vgl. § 131 Abs. 3 BauGB, noch wird dies - auch angesichts der beiden oben genannten Umstände - aus § 5 Abs. 3 Satz 2 NKAG hergeleitet (zur schwierigen Frage, welche Anforderungen an die Genauigkeit von Wahrscheinlichkeitsmaßstäben zu stellen sind: Christ/Oebbecke, a.a.O. D, Rn. 407 ff.; zur erforderlichen Differenzierung beim Frontmetermaßstab: OVG Lüneburg, Urteil vom 3.5.2021 - 9 KN 162/17, Rn. 201, juris; Urteil vom 30.1.2017, a.a.O., Rn. 27, juris). Es bestehe keine Verpflichtung zur Berücksichtigung der konkreten Verschmutzungsverursachung oder - "mit Blick hierauf" - von Art und Maß der baulichen Nutzung auf den betroffenen Grundstücken. Dies beruhe darauf, dass im Straßenreinigungsgebührenrecht kein derart enger bzw. evidenter Zusammenhang zwischen baulicher Nutzbarkeit des Grundstücks und Leistung der Straßenreinigung bzw. Reinigungsbedürfnis bzw. Vorteil hieraus bestehe wie im Erschließungsbeitragsrecht, Ausbaubeitragsrecht und Kanalbaubeitragsrecht zwischen baulicher Nutzbarkeit des Grundstücks und Vorteil. Weil der Zusammenhang nicht derart eng bzw. evident sei, sei die Ausblendung des Zusammenhangs nicht willkürlich (zum Ganzen: BVerwG, Beschluss vom 9.12.1993 - 8 NB 5/93, 1. Orientierungssatz, juris; Beschluss vom 19.3.1981 - 8 B 10/81, Rn. 6, juris; OVG Lüneburg, Urteil vom 14.10.1997 - 9 L 3432/96, Rn.26, juris; VG Hannover, Urteil vom 31.5.2021 - 1 A 1807/19, Rn. 31 f, juris; Driehaus/Lichtenfeld, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rn. 762, 58. EL 3/2018). Weshalb der (nach den Formulierungen zumindest bestehende und lediglich nicht evidente bzw. enge) Zusammenhang nicht derart eng bzw. evident sein soll wie im Beitragsrecht, wird regelmäßig nicht näher ausgeführt. Es wird auch nicht ausgeführt, ob diese (großzügige) Beurteilung vorgenommen wird wegen der angenommenen Bagatellbelastungen (wiederum nach den bislang vorgefundenen Belastungsergebnissen) und bzw. oder wegen der Schwierigkeiten, die Inanspruchnahme der Straßenreinigungseinrichtung bzw. den sich aus dieser Inanspruchnahme ergebenden Vorteil zu ermitteln.

(3)

Dass bei der Straßenreinigungsgebühr Unterschiede in der Reinigungshäufigkeit und im räumlichen Umfang der Reinigung (im Rahmen der Sommerreinigung oder des Winterdienstes) zwischen den unterschiedlichen Straßen berücksichtigt werden müssen (vgl. dazu Driehaus/Lichtenfeld, a.a.O, § 6 Rn. 764, 62. EL 3/2020), ist nach Auffassung der Kammer im Übrigen kein Gesichtspunkt, der gegen einen Grundstücksbezug und für einen Straßenflächenbezug des Maßstabes spricht. Vielmehr sind diese Differenzierungen vor folgendem Hintergrund zu sehen: Es könnten auch die Kosten der Reinigung jeder einzelnen Straße ermittelt werden (Driehaus/Brüning, a.a.O., § 6 Rn. 474, 37. EL 9/07), weil diese (regelmäßig übereinstimmend mit der Bestimmung nach den Vorgaben des Ausbaubeitragsrechts) und nicht das gesamte Netz der zu reinigenden Straßen die maßgebliche öffentliche Einrichtung ist (OVG Lüneburg, Beschluss vom 25.10.2007 - 9 LA 285/06, 2. Leitsatz, juris). In einer Gebührenkalkulation für jede einzelne Straße schlügen sich die Kosten für einen größeren Reinigungsumfang bzw. engere Frequenzen (regelmäßig differenziert nach Sommerreinigung und Winterdienst) zwangsläufig nieder. Die Kalkulation der Kosten für das gesamte Netz der zu reinigenden Straßen dient der Verwaltungspraktikabilität und soll diese Unterschiede nicht einebnen, sondern wiederspiegeln.

c.

Gerichtsentscheidungen zu Straßenreinigungsgebührensatzungen mit Grundflächenmaßstab ohne jegliche begünstigende Regelung (weder Ausnahme von der Gebühr für insbesondere landwirtschaftlich genutzte Grundstücke noch Tiefenbegrenzung noch Kappungsgrenze noch Mehrfacherschließungvergünstigung) sowie ohne besondere Härtefallklausel (in Abgrenzung von allgemeinen Härtefallbestimmungen nach dem jeweiligen Kommunalabgabengesetz) sind der Kammer nicht bekannt:

In Berlin gibt es mit § 5 Abs. 3 StrRG BE eine Härtefallklausel und mit § 7 Abs. 4 StrRG BE eine Begünstigung für mehrfach erschlossene Grundstücke. Außerdem werden landwirtschaftlich genutzte Grundstücke von der Gebührenpflicht ganz ausgenommen, § 7 Abs. 5 StrRG BE (in einigen anderen Bundesländern fallen rein landwirtschaftlich genutzte Grundstücke aus der Gebührenpflicht vollständig heraus: vgl. OVG NRW, Urteil vom 26.2.2003 - 9 A 2355/00, Leitsatz 3, juris). Vom Verfassungsgerichtshof Berlin wurde die Anwendung des Grundflächenmaßstabes auf große (allein noch betroffene nicht landwirtschaftlich genutzte) Grundstücke jedenfalls wegen der Härtefallregelung in § 5 Abs. 3 StrRG BE nicht beanstandet (Beschluss vom 13.6.2003 - 161/00, 5. OS, Rn. 24, juris), wobei die Reglung so verstanden wird, dass sie sich auf (objektiv) atypische Fälle beschränkt, die sich durch unterdurchschnittliche Verschmutzungsverursachung und bzw. oder unterdurchschnittliche Inanspruchnahme der gereinigten Straße auszeichnen (VerfGH Berlin, Beschluss vom 13.6.2003 - 161/00, Rn. 24, juris; VG Berlin, Urteil vom 27.6.2022 - 1 K 20.19, Rn. 31, juris). Dass diese Fälle nicht dem Willen des Normgebers entsprochen haben müssen, wird dabei regelmäßig nicht als gesonderte Voraussetzung thematisiert, aber wohl stillschweigend vorausgesetzt. Das Urteil des VG Stade vom 23.3.2010 (4 A 1432/08, Rn. 9, 34, juris) sowie weitere Urteile desselben Gerichts betreffen eine Satzung mit allgemeiner - also nicht auf außenbereichstypische Nutzungen beschränkter - Kappungsgrenze bei 4000 qm Grundstücksfläche.

Der größte Teil der abrufbaren Entscheidungen hat den Quadratwurzelmaßstab zum Gegenstand, der in der Literatur teilweise (regelmäßig unter Hinweis auf die mögliche übermäßige Belastung großer Grundstücke) bevorzugt wird, ohne dass die Zulässigkeit des Grundflächenmaßstabes bezweifelt wird (Christ/Oebbeke, a.a.O., D. Rn. 473 f.; Cosson, KStZ 1981, 201, 203; a.A. Driehaus, KStZ 2008, 44, 48). Ob eine übermäßige Belastung großer Grundstücke erfolgt, wird dabei regelmäßig am Vergleich mit den Ergebnissen der Alternativmaßstäbe festgemacht oder der Vergleichsmaßstab für die ermittelte - oder empfundene - "übermäßige Belastung" besonders großer Grundstücke wird gar nicht erst erörtert. Eine Auseinandersetzung mit der Wirklichkeitsnähe dieser Maßstäbe erfolgt jedenfalls nicht. Teilweise werden sogar bei Zugrundelegung des Quadratwurzelmaßstabes generelle Ermäßigungsvorschriften für landwirtschaftliche Grundstücke vorgesehen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10.10.2007 - OVG 9 A 72.05, Rn. 7, 41, juris; dort allerdings nur bezüglich der Gebühr für den Winterdienst, soweit die Fläche oberhalb von 1 ha liegt und nur auf Antrag).

2.

Anhand dieser Maßstäbe ist zunächst ohne Weiteres Folgendes festzustellen: Der Grundflächenmaßstab verstößt nicht gegen das Äquivalenzprinzip, weil ein gröbliches Missverhältnis zu den mit der Gebühr verfolgten Zwecken bzw. zum Wert der Leistung der öffentlichen Hand nicht ersichtlich sind. Die Gebühr entfernt sich unter Ausblendung des Vorteils für den Gebührenpflichtigen - ohne dass es einer näheren Ermittlung des Wertes der Straßenreinigung(sleistung) für die Betroffenen bedürfte - auch nicht annähernd in dem von der Rechtsprechung geforderten Umfang von den Kosten der Straßenreinigungsanstalt. Der Grundflächenmaßstab ist auch ein grundstücksbezogener Maßstab und damit als Art. 3 Abs. 1 GG genügend anerkannt.

Es ist aber nach Auffassung der Kammer festzustellen, dass der Grundflächenmaßstab ohne eine der drei oben genannten Regelungen (Flächenvergünstigung (Kappungsgrenze oder Tiefenbegrenzung), Maßstabsverfeinerung oder besondere Erlassvorschrift für besonders große landwirtschaftlich genutzte und mehrfach erschlossene Grundstücke; zur Zulässigkeit einer solchen Erlassvorschrift siehe unten) gegen das Gebot der Leistungsproportionalität aus § 52 Abs. 3 Satz 4 NStrG i.V.m. § 5 Abs. 3 Satz 2 NKAG verstößt. Es ist zwar auch angesichts der durch die Anwendung des Grundflächenmaßstabes mitunter entstehenden Belastungen nicht geboten, anstelle eines einfachen einen allgemeinen qualifizierten Maßstab zu wählen (dazu unter a.). Der Grundflächenmaßstab belastet auch nicht alle besonders großen Grundstücke im Gebiet der Beklagten unabhängig von ihrer Nutzung übermäßig im Sinne eines Verstoßes gegen das Gebot der Leistungsproportionalität (dazu unter b.) Ob er alle besonders großen landwirtschaftlich genutzten Grundstücke im Gebiet der Beklagten in diesem Sinne übermäßig belastet, kann offenbleiben (dazu unter c.). Denn er belastet jedenfalls besonders große landwirtschaftlich genutzte Grundstücke mit Mehrfacherschließung im Gebiet der Beklagten übermäßig in dem oben genannten Sinne. Dies kann angesichts der in Rede stehenden Belastungshöhe auch nicht durch Typisierungsbelange gerechtfertigt werden. Eine Korrektur ist auch nicht im Wege des Erlasses nach den Vorschriften der Abgabenordnung möglich, weil ein solcher Erlass einen nicht bedachten und im hypothetischen Bedenkensfalle so nicht gewollten Regelungsfall voraussetzt. Hier hat sich der Rat der Beklagten aber gerade für den uneingeschränkten Grundflächenmaßstab auch für landwirtschaftlich genutzte Grundstücke und gegen Mehrfacherschließungsvergünstigungen ausgesprochen. Auch sonstige Umstände im Falle des Klägers rechtfertigen nicht die Annahme eines besonderen Härtefalles (zu alldem unter d.).

a.

Es bedarf nicht zwingend einer Verfeinerung des Grundflächenmaßstabes zu einem allgemeinen qualifizierten Maßstab für alle Anwendungsfälle.

Zwar wird ein qualifizierter Maßstab im Beitragsrecht auch dort gefordert, wo er nicht - wie in § 131 Abs. 3 BauGB - explizit vorgeschrieben ist. Dies betrifft namentlich das Ausbaubeitragsrecht (Driehaus/Driehaus, a.a.O., § 8 Rn. 436 ff., 440, 53. EL 3/2018) und das Anschlussbeitragsrecht (Driehaus/Unkel, a.a.O., § 8 Rn. 615, 62. EL 3/2020; Driehaus/Blomenkamp, a.a.O., § 8 Rn. 1021-1024, 55. EL 9/2016). Dieses Erfordernis wird dort auch nicht nur aus dem einfachen (Beitrags-)Recht (Vorteilsbegriff) hergeleitet (sogar für eine analoge Anwendung des § 5 Abs. 3 NKAG entsprechenden § 6 Abs. 3 KAG NRW auf Beiträge: Driehaus/Holtbrügge, a.a.O., § 2 Rn. 78, 45. EL 9/2011). Es wird auch aus dem Gebot der Vorteilsgerechtigkeit des Art. 3 Abs. 1 GG (Driehaus/Driehaus, a.a.O. § 8 Rn. 436 ff., 440, 53. EL 3/2018) hergeleitet, das auch für Gebühren als Entgeltabgaben gelten dürfte.

Man könnte hier einerseits auch geneigt sein, einen qualifizierten Maßstab zu fordern, weil zum einen durch den Grundflächenmaßstab für besonders große Grundstücke (jedenfalls unter Einbeziehung der regelmäßigen Wiederkehr) erhebliche wirtschaftliche Belastungen entstehen und zum anderen der Belang der Verwaltungspraktikabilität weniger gewichtig erscheint, wenn letztlich eine Gemeinde - wie hier - nur einmal eine aufwändigere Kalkulation (für das gesamte Straßennetz: zulässige Zusammenfassung der einzelnen öffentlichen Einrichtungen, s.o.) unter Anwendung eines qualifizierten Maßstabes erstellen muss als wenn dies wiederholt und sukzessive für unterschiedliche öffentliche Einrichtungen im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 NKAG geschehen muss wie im Ausbaubeitragsrecht.

Andererseits ist nicht zu übersehen, dass die erheblichen Belastungen anders als im Ausbaubeitragsrecht gerade nur wenige Fälle betreffen. Außerdem ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts schon früh zum Ausdruck gekommen, dass qualifizierte Maßstäbe nur dort zur Anwendung kommen sollen, wo dies unerlässlich ist (BVerwG, Beschluss vom 19.3.1981 - 8 B 10/81, Rn. 6, juris). Schließlich ergibt sich - zunächst bei grober Betrachtung - die mit vielen Ausbaubeiträgen vergleichbare Belastungshöhe für große Grundstücke nur über einen Vergleich von vielen Jahren (bspw. 25 Jahre entsprechend der üblichen Lebensdauer einer Stadtstraße). Diese sukzessive Belastung mildert zum einen die Belastung ab. Zum anderen ist - bei näherer Betrachtung - nicht zu übersehen, dass große Grundstücke im Allgemeinen mit viel höheren Ausbaubeiträgen zu rechnen haben, weil auch dort auf die Grundstücksfläche (ggf. mit einem Artzuschlag) abgestellt wird, was freilich nichts daran ändert, das im Beitragsrecht qualifizierte Maßstäbe für alle Anwendungsfälle gelten. Ob insbesondere bei landwirtschaftlich genutzten Grundstücken im Straßenreinigungsgebührenrecht wegen des Fehlens von diese Grundstücke begünstigenden Nutzungsfaktoren in den Gebührensatzungen (im Unterschied zu Ausbaubeitragssatzungen) ähnliche Belastungen wie im Ausbaubeitragsrecht entstehen, muss hier zunächst nicht weiter erörtert werden (dazu unten). Dieser Umstand führt jedenfalls nicht zur Erforderlichkeit eines allgemeinen qualifizierten Maßstabes (dementsprechend zum StrRG BE: VerfGH Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13.6.2003 - 161/00, 5. OS, Rn. 24, juris: Zulässigkeit des unmodifizierten groben Grundflächenmaßstabes wegen Härtefallregelung in § 5 Abs. 3 StrRG BE (und Herausnahme landwirtschaftlicher Grundstücke in § 7 Abs. 5 StrRG BE). Dies heißt allerdings nicht, dass eine Verfeinerung des Maßstabes für landwirtschaftlich genutzte (und mehrfach erschlossene) Grundstücke nicht eine von mehreren denkbaren möglichen Lösungen zur Beseitigung einer insoweit möglicherweise bestehenden übermäßigen Grobheit des uneingeschränkten Grundflächenmaßstabes wäre (dazu ebenfalls unten).

b.

Der Grundflächenmaßstab ohne weitere Einschränkungen steht auch nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis zu Art und Umfang der Inanspruchnahme der Straßenreinigungseinrichtung durch besonders große Grundstücke generell.

Für die Frage, ob besonders große Grundstücke, die bei Anwendung des Grundflächenmaßstabes (möglicherweise) mit einem über der Bagatellschwelle liegenden Betrag herangezogen werden, im Sinne des Gebotes der Leistungsproportionalität übermäßig belastet werden, bedarf es - nach Auffassung der Kammer und anders als in den bisher bekannten (klaren Bagatell-) Fällen - einer näheren Betrachtung des Grundes für die Erhebung von Straßenreinigungsgebühren.

Im Einzelnen:

aa.

Bereits in den Formulierungen aus dem Urteil des OVG Lüneburg vom 30.1.2017 (a.a.O., Rn. 22, juris) zur Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung einerseits und zur Bevorteilung andererseits wird deutlich, dass die Straßenreinigungsgebühr keineswegs so eindeutig als Benutzungsgebühr einzuordnen ist, wie es ihre Bezeichnung suggeriert, worauf ja auch bereits die Fiktion des Benutzungsverhältnisses hindeutet (zur Rechtsnatur der Straßenreinigungsabgabe: Driehaus/Brüning, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rn. 422 f., 37. EL 9/2007; vgl. auch OVG Berlin, NVwZ-RR 2000, 463, 463 [OVG Berlin 02.12.1998 - 1 B 79/94]). Die jedenfalls auch aus der umstrittenen Einordnung der Rechtsnatur resultierende und oben bereits kurz angesprochene Problematik liegt zusammengefasst darin, dass für die Erhebung von Straßenreinigungsgebühren zumindest vier denkbare Anknüpfungspunkte bestehen: die Verschmutzungsverursachung durch das Grundstück, die Befreiung von einer andernfalls drohenden Straßenreinigungspflicht, die Straßenreinigung (bzw. die Straßenreinigungsleistung) selbst oder der Vorteil für das Grundstück aus der Straßenreinigung. Der Begriff "Reinigungsvorteil" ist in diesem Zusammenhang wegen seiner Ambivalenz eher irreführend.

bb.

Erschwert wird die nähere Betrachtung zum Grund für die Erhebung von Straßenreinigungsgebühren des Weiteren durch mehrere Umstände:

Zum einen haben die Formulierungen der Rechtsprechung zur sachlichen bzw. objektiven Beziehung zwischen Grundstück und Straße, die bereits aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitet werden, möglicherweise schon - wenn auch nicht zwingend abschließende - Implikationen für den landesrechtlichen Begriff der Inanspruchnahme bzw. des Vorteils. Zum anderen erschwert unterschiedliches Landesrecht die Betrachtung. So ist in Bayern etwa anerkannt, dass die Straßenreinigungsgebühr wesentlich auch als Gegenleistung für die Befreiung von der Straßenreinigungspflicht erhoben wird (Bayerischer VGH vom 20.3.1992 - 8 B 91.2772, BeckRS 1992 118384; vgl. auch Bay. VGH, Urteil vom 12.12.1986 - 4 CS 86.2823, n.v., zitiert bei VG Ansbach, Urteil vom 25.7.2005 - AN 1 K 05.01944, Rn. 27, juris). Demgegenüber wird dies in Niedersachsen abgelehnt (OVG Lüneburg, Beschluss vom 20.3.1997 - 9 L 2554/95, Rn. 6, juris). Schließlich ist auch in Niedersachsen selbst die über einen langen Zeitraum entwickelte Rechtsprechung zumindest nach dem Verständnis der Kammer nicht ohne Zäsuren verlaufen, ohne dass dies - namentlich in Kommentierungen - hinreichend zum Ausdruck kommt.

Im Einzelnen:

(1)

Zunächst ist nicht vollständig klar, welche Rückschlüsse sich aus der erforderlichen sachlichen Beziehung zwischen Grundstück und Straße (im Sinne der von der oben zitierten Rechtsprechung zu Art. 3 Abs. 1 GG entwickelten Terminologie) und der in diesem Zusammenhang genannten Möglichkeit der wirtschaftlichen und verkehrlichen Inanspruchnahme der Straße auf den landesrechtlichen Begriff der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung bzw. auf den Vorteilsbegriff ziehen lassen, zumal an anderer Stelle in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Irrevisibilität des landesrechtlichen Vorteils- (und Erschließungs-) Begriffs betont wird (BVerwG, Beschluss vom 31.3.1998 - 8 B 43/98, Rn. 8, juris). Denkbar wäre, dass die Aspekte der möglichen Inanspruchnahme der gereinigten Straße und der Verschmutzung die landesrechtlichen Begriffe derart vorprägen, dass mindestens diese beiden Aspekte die Inanspruchnahme bzw. den Vorteil konstituieren. Der Spielraum des Landesgesetzgebers beschränkte sich dann letztlich darauf weitere Aspekte als Inanspruchnahme bzw. Vorteil zu werten (bspw. die Befreiung von der Straßenreinigungspflicht wie oben in Bayern, nicht dagegen in Niedersachsen). Das OVG Lüneburg hat sich der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedenfalls angeschlossen und formuliert in ständiger Rechtsprechung dahingehend, dass ein Anliegergrundstück (trotz der Benutzungsfiktion in § 52 Abs. 3 Satz 1 NStrG) zur Straßenreinigungsgebühr (nur) dann nicht heranzuziehen ist, wenn es keinen Bezug zur Straße hat, weil es (1) keine Zufahrt und (2) keine Möglichkeit der Anlegung einer Zufahrt hat und (3) konkret keine mehr als nur völlig geringfügige Verschmutzung der Straße von ihm ausgeht bzw. ausgehen kann (Beschluss vom 15.12.2015 - 9 LA 95/15, Rn. 8, juris; Beschluss vom 1.10.2008 - 9 LA 205/07, Leitsatz, Rn. 5, juris; Beschluss vom 29.10.2007 - 9 LA 373/05, Rn. 10, juris; st. Rspr.; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 7.4.1989 - 8 C 90/87, Rn. 13, juris; Urteil vom 10.5.1974 - VII C 26.72, BeckRS 1974, 31288929). Damit wird aber deutlich Bezug genommen auf Art. 3 Abs. 1 GG (Bezug zur Straße) und jedenfalls nicht explizit etwas über den (ggf. weitergehenden) Inhalt des landesrechtlichen Vorteilsbegriffs bzw. des Begriffs der Inanspruchnahme ausgesagt.

(2)

Zur Entwicklung der Rechtsprechung in Niedersachsen insbesondere zum Landesrecht ist Folgendes zu sagen:

(a)

Die Rechtsprechung ging zunächst von einer straßenflächenbezogenen Gebühr und genauer von einer straßenabschnittsflächenbezogenen Gebühr aus. Abgegolten wurde das Interesse des Abgabenpflichtigen an der Reinigung der Straßenstrecke vor seinem Grundstück. Das Interesse des Abgabepflichtigen an der Reinigung der Straßenstrecke vor seinem Grundstück sei abhängig von der Lage der zu reinigenden Straßenstrecke oder der Größe der Reinigungsfläche, dem Verschmutzungsgrad und der nach Lage der Bedeutung der Straße unterschiedlichen Reinigungsbedürftigkeit (OVG Lüneburg, Urteil vom 29.8.1973 - III A 99/72, Leitsätze 1 und 2, juris). Ausgehend hiervon wurde es nicht nur für nicht erforderlich erklärt, die Gebühr an Art und Umfang der Grundstücksnutzung auszurichten; es wurde für unzulässig erklärt (OVG Lüneburg, Urteil vom 29.8.1973 - III A 99/72, 3. Leitsatz, juris; (in bundesrechtlicher Hinsicht) bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 18.4.1974 - VII B 82.73, 1. Leitsatz, juris; Abkehr gekennzeichnet in BVerwG, Beschluss vom 15.3.2002, a.a.O., Rn. 6, juris). Dementsprechend wurde mit Urteil des OVG Lüneburg vom 14.1.1988 (3 C 8/87, zitiert nach Rosenzweig/Freese/von Waldthausen, a.a.O., § 6 Rn. 943, 54. EL, 2/2022) auch die Anwendung des Quadratwurzelmaßstabes in Niedersachsen für unzulässig erklärt. Letztlich handelt es sich sowohl bei der Geschosszahl als auch bei der Quadratwurzel aus der Grundstücksfläche um zwei grundstücksbezogene Bemessungsgrößen.

(b)

Sodann wurde formuliert, der Vorteil der Straßenreinigungsgebühr liege darin, dass die Straße in ihrer gesamten Länge in einem sauberen Zustand gehalten werde (OVG Lüneburg, Urteil vom 24.8.1994 - 9 K S 5140/93, Rn. 30, juris; ähnlich auch Beschluss vom 20.3.1997 - 9 L 2554/95, Rn. 6, juris und ggf. auch noch Urteil vom 14.10.1997 - 9 L 3432/96, Rn. 26, juris; dementsprechend vage nachfolgend: BVerwG, Beschluss vom 31.3.1998 - 8 B 43/98, Rn. 8, juris; aktuell sogar wieder OVG Lüneburg, Urteil vom 3.5.2021, a.a.O., Rn. 219, juris). Hier sind Vorteil und Straßenreinigung(sleistung) also der Formulierung nach identisch. Im Beschluss vom 13.1.2010 (9 LA 205/08, Rn. 5, juris) spricht das Oberverwaltungsgericht Lüneburg im Einklang damit von einer Bemessung der Abgabe nach der Leistung. Von einem Vorteil ist nicht die Rede. Durch diese Formulierungen allein wird freilich noch kein Grundstücksbezug hergestellt und erscheint eine Quantifizierung des Vorteils für das jeweilige Grundstück bzw. der Inanspruchnahme durch das betroffene Grundstück nicht möglich (Driehaus, KStZ 2008, 44, 46).

(c)

Schließlich wurde formuliert, maßgeblich sei der Vorteil der dem Anlieger dadurch entstehe, dass die Straße auf ihrer gesamten Länge gereinigt werde bzw. in einem sauberen und sicheren Zustand gehalten werde (erstmalig: Urteil vom 19.2.1997 - 9 L 632/96, Rn. 10, juris; Beschluss vom 11.5.2000 - 9 L 2479/99, Rn. 12, juris; Beschluss vom 25.10.2007 - 9 LA 285/06, Rn. 6, juris; Urteil vom 16.2.2016 - 9 KN 288/13, Rn. 16; zuletzt: Urteil vom 30.1.2017 - 9 LB 194/16, Rn. 22, juris; entsprechend: BVerwG, Beschluss vom 15.3.2002 - 9 B 16/02, Rn. 6, juris), womit Reinigungsleistung und Vorteil nicht identisch sind - freilich ohne dies weiter zu konkretisieren. Konkreter hat nach dem oben Gesagten das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 7.4.1989 (8 C 90/97, Rn. 13, juris) zur nach Art. 3 Abs. 1 GG erforderlichen objektiven Beziehung zwischen Grundstück und Straße ausgeführt, die vorteilhafte Auswirkung bestehe in der Möglichkeit der wirtschaftlichen oder verkehrlichen Nutzung (entsprechend: BVerwG, Beschluss vom 15.3.2002, a.a.O., Rn. 6, juris; so auch Driehaus, KStZ 2008, 44, 46, für das Hessische Landesrecht). Eine entsprechende Konkretisierung des Vorteils bzw. der Inanspruchnahme explizit zum einfachen Landesrecht hat das OVG Lüneburg - soweit ersichtlich - bislang vermieden. Es übernimmt aber die aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleiteten Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts zur objektiven Beziehung zwischen Grundstück und Straße (s.o.). Dabei fällt auf, dass bei landwirtschaftlich genutzten Grundstücken (mit fehlender Zufahrt) eine Überprüfung im Einzelfall erfolgt, ob eine mehr als unerhebliche Verschmutzung der Straße durch das Grundstück zu besorgen ist (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 15.12.2015 - 9 LA 95/15, Rn. 8, juris). Diese wird also nicht einfach mit Blick auf die landwirtschaftliche Nutzung unterstellt.

(d)

Dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 9.12.1993 (8 NB 5/93, 1. Orientierungssatz, Rn. 6, juris) wiederum - im Nachgang zu einer Entscheidung des OVG Lüneburg - könnte man entnehmen, dass es nur auf den Umstand ankommt, dass das Grundstück die Straße verschmutzt ("mit Blick hierauf"), wobei dort die Beziehung zwischen Maß der baulichen Nutzung und Reinigungsbedürfnis der Straße (also mit Bezug zur Leistung, nicht dagegen zum Vorteil aus der Straßenreinigung für die Grundstücke) in den Blick genommen wird. Der Formulierung von der nicht so evidenten Beziehung zwischen Maß der baulichen Nutzung und Reinigungsbedürfnis der Straße, die dazu führe, dass die Vernachlässigung des genannten Maßes nicht willkürlich erscheine, lässt allerdings bereits zum damaligen Zeitpunkt den Rückschluss auf die Abkehr von der früheren Rechtsprechung zu (dort Unzulässigkeit der Berücksichtigung der Geschosszahl, siehe unter (a)).

(e)

Soweit die Kammer es überblickt, erfolgte die Entwicklung der Rechtsprechung, ohne dass frühere Entscheidungen grundsätzlich in Frage gestellt oder gar in juristischen Datenbanken mit Begriffen wie "Abkehr" und "Überholt" versehen worden sind (mit der erfreulichen Ausnahme des oben zitierten Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.3.2002, a.a.O., juris). Auch die Darstellungen in Kommentierungen suggerieren eine kontinuierliche Entwicklung ohne Zäsuren (dazu Driehaus, KStZ 2008, 44, 46; insoweit unklar Driehaus/Lichtenfeld, a.a.O., § 6 Rn. 763c einerseits und 762 andererseits, 58. EL 3/2018; Rosenzweig/Freese/von Waldthausen, NKAG, § 5 Rn. 938 einerseits und Rn. 939 andererseits, 54. EL 2/2022).

cc.

Aus den zitierten Entscheidungen kann man drei einander ausschließende rechtliche Standpunkte herleiten: (1) Der Grund für die Erhebung der Straßenreinigungsgebühr in Niedersachsen liegt in Anlehnung an den zitierten Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 9.12.1993 (8 NB 5/93, 1. Orientierungssatz, Rn. 6, juris) allein in der Verschmutzung der Straße durch das jeweilige Grundstück - dass ein großer Teil der Verschmutzung auf klimatischen und anderen Einflüssen beruht und dem jeweiligen Grundstück nicht zuzurechnen ist (BVerwG, VerwRspr 1970, 478), ist dabei irrelevant. (2) Der Grund liegt in Anlehnung an das zitierte Urteil des OVG Lüneburg vom 30.1.2017 (9 LB 194/16, Rn. 22; entsprechend VG Lüneburg, Urteil vom 27.5.2020 - 3 A 94/18, Rn. 43: keine Abweichung zu Vorteilen bei Beiträgen; siehe auch bereits BVerwG, Urteil vom 10.5.1974 - VII C 26.72 - BeckRS 1974, 331288929; Kodal, Handbuch Straßenrecht, 8. Auflage 2021, Kap. 42 Rn. 65 m.w.N.; so deutlich zum Hessischen Landesrecht Driehaus, KStZ 2008, 44, 46) allein im sich aus der Straßenreinigung ergebenden Vorteil. Dass die Straßenreinigung selbst der Vorteil ist, dürfte dagegen wegen der dann - mangels Grundstücksbezugs - nicht möglichen Quantifizierung des Vorteils abzulehnen sein (Driehaus, KStZ 2008, 44, 46). (3) Schließlich könnte man - unter Bezug auf die zitierte Rechtsprechung zur objektiven bzw. sachlichen Beziehung zwischen Grundstück und Straße - annehmen, der Grund für die Erhebung der Straßenreinigungsabgabe liege sowohl in dem Vorteil für die Anlieger- und ggf. Hinterliegergrundstücke (Möglichkeit der besseren verkehrlichen und wirtschaftlichen Nutzbarkeit des Grundstücks) als auch in der Verschmutzungsverursachung durch diese Grundstücke.

(1)

Die erstgenannte Auffassung ist abzulehnen. Um sie zu befürworten, müsste man die Formulierung, der Satzungsgeber sei nicht gezwungen, die Straßenreinigungsgebühr nach dem konkreten Maß der Verschmutzungsverursachung zu bemessen oder - "mit Blick hierauf" - an Maß und Art der Nutzung der Anliegergrundstücke auszurichten, so verstehen, dass es nur auf die (ggf. nach einem groben Maßstab festzustellende) Verschmutzungsverursachung und nicht (auch) auf den Vorteil der Inanspruchnahme der gereinigten Straße ankommt. Dies erscheint aber nicht zwingend. Außerdem steht hier eine Auslegung irrevisiblen Landesrechts in Rede. Die oben zitierten Formulierungen des OVG Lüneburg (Urteil vom 30.1.2017, a.a.O., Rn. 22, juris) gehen gerade nicht in diese Richtung.

(2)

Ob der zweitgenannten oder der drittgenannten Auffassung beizupflichten ist, kann hier offenbleiben.

(a)

Entnimmt man dem Urteil des OVG Lüneburg vom 30.1.2017 (a.a.O., Rn. 22, juris), dass es nur auf den Vorteil (Möglichkeit der Inanspruchnahme der gereinigten Straße) und nicht auf die Verschmutzungsverursachung ankommt - was keineswegs zwingend erscheint -, führt dies jedenfalls nicht zu einer übermäßigen Belastung besonders großer Grundstücke im Allgemeinen:

Im Allgemeinen führt eine größere Grundstücksfläche dazu, dass sich mehr Menschen auf einem Grundstück aufhalten. Das wiederum führt zu einer größeren Zahl an Verkehrsbewegungen und demgemäß zu einer erhöhten Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme der gereinigten Straße (Driehaus, KStZ 2008, 44, 46; a.A. jedenfalls ab einer gewissen Grundstücksgröße OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10.10.2007, a.a.O., Rn. 34, juris; VG Cottbus, Beschluss vom 18.1.2012 - 6 L 79/11, Rn. 11, juris: generell und nicht nur bei außenbereichstypischen Nutzungen geringere Nutzungsintensität).

Der Vergleich mit den anderen Wahrscheinlichkeitsmaßstäben, Frontmetermaßstab und Quadratwurzelmaßstab liefert zwar das Ergebnis, dass große Grundstücke beim Grundflächenmaßstab um ein Vielfaches höher belastet werden, wie sich auch der von der Beklagten zur Verfügung gestellten Tabelle anschaulich entnehmen lässt. Dies ändert aber nichts an dem Umstand, dass sich nach Auffassung der Kammer für kleine Grundstücke, große gewerbliche Grundstücke und solche mit gewerbeähnlicher Nutzung der Grundflächenmaßstab als vorteilsnäher erweisen dürfte als die beiden anderen Maßstäbe, weil er die Inanspruchnahmewahrscheinlichkeit (und im Übrigen auch die Verschmutzungsverursachung) sinnvoll abbildet (Driehaus, KStZ 2008, 44, 46), während der Quadratwurzelmaßstab eher von vorneherein auf eine gleichmäßigere Verteilung bzw. auf eine Unterschreitung der Bagatellgrenze in allen Fällen zielt.

(b)

Bezieht man nicht nur die Rechtsprechung des OVG Lüneburg zum - nicht weiter konkretisierten - Vorteil, sondern auch die zur objektiven bzw. sachlichen Beziehung zwischen Grundstück und Straße ein, liegt es nahe, anzunehmen, dass die Straßenreinigungsgebühr in Niedersachsen auf zwei Säulen ruht. Auch die Annahme von zwei Säulen führt aber jedenfalls im Ergebnis nicht zu einem offensichtlichen Missverhältnis zwischen Grundflächenmaßstab und Inanspruchnahme der Straßenreinigungsanstalt für große Grundstücke generell. Gleichwohl erfolgen an dieser Stelle bereits Ausführungen, die generell gelten und für das Verständnis der später zu thematisierenden Problematik der Belastung landwirtschaftlich genutzter und mehrfach erschlossener Grundstücke erforderlich sind:

(aa)

Beim Ausgehen von zwei Säulen der Straßenreinigungsgebühr ist die erste Säule die Möglichkeit der wirtschaftlichen und verkehrlichen Inanspruchnahme der gereinigten Straße. Die zweite Säule ist die Verschmutzung der Straße vom Grundstück aus. Jede Säule allein trägt nach der oben zitierten Rechtsprechung die Erhebung der Gebühr dem Grunde nach. Diese ursprünglich Art. 3 Abs. 1 GG und das "Ob" der Heranziehung betreffende Aussage hat dann konsequenterweise auch Auswirkungen auf die Quantifizierung des Maßes der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung Straßenreinigung bzw. des aus ihr für die Grundstücke resultierenden Vorteils und damit auf das "Wie" der Heranziehung. Die objektive bzw. sachliche Beziehung des Grundstücks zur Straße betrifft also keinen vom Vorteil zu unterscheidenden und von diesem zu trennenden Aspekt als weitere Voraussetzung für die Gebührenpflichtigkeit, sondern zielt letztlich nur auf die von der Rechtsprechung zu Art. 3 Abs. 1 GG entwickelte Terminologie.

Die erste Säule - Möglichkeit der Inanspruchnahme der Straße vom Grundstück aus - rückt die Straßenreinigungsabgabe in die Nähe eines Beitrages (Driehaus, KStZ 2008, 44, 46; vgl. auch VerfGH Berlin, Beschluss vom 13.6.2003 - 161/00, Rn. 41, juris; VG Cottbus, Urteil vom 25.1.2007 - 6 K 1584/03, Rn. 91, juris). Die zweite Säule - (mehr als geringfügige) Verschmutzung der Straße durch das Grundstück - rückt die Straßenreinigungsabgabe in die Nähe einer Gebühr, wobei die Inanspruchnahme der Einrichtung in Gestalt der Verschmutzung abweichend von anderen Gebühren zumindest teilweise unwillentlich erfolgt (insbesondere Verwehungen, bspw. Laub, und herabfallendes Geäst vom Grundstück einerseits (OVG Lüneburg, Beschluss vom 15.12.2015 - 9 LA 95/15, Rn. 8, juris) und Verschmutzung durch Verkehr andererseits).

(bb)

Die Existenz zweier Parameter (und nicht nur eines wie im Erschließungs- und Ausbaubeitragsrecht, Bemessung der Möglichkeit der Inanspruchnahme der Straße mithilfe der Wahrscheinlichkeit) hat zwei hervorzuhebende Implikationen: Zum einen bringt es die Problematik mit sich, dass - je nach Art der Grundstücksnutzung - auch Entwicklungen in gegenläufige Richtungen denkbar sind (größere Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme der gereinigten Straße, aber geringere Verschmutzung der Straße vom Grundstück aus und umgekehrt). Zum anderen bestehen auch keine Erfahrungswerte zum Vergleich beispielsweise der von einem landwirtschaftlich genutzten Grundstück mit der von einem Wohngrundstück ausgehenden Verschmutzung bei unterstellter gleicher Flächengröße. Lediglich hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme der gereinigten Straße kann man - zunächst für die eigenen Überlegungen - auf die aus dem Ausbaubeitragsrecht bekannten Werte zurückgreifen, nach denen beispielsweise Wohngrundstücke etwa 30mal so viel Verkehr auslösen wie landwirtschaftlich genutzte (zu diesen Grundstücken sogleich), weshalb für die erstgenannten (implizit) der Faktor 1 und für die letztgenannten der Faktor 0,0333 (vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 2 a) bb) Straßenausbaubeitragssatzung der Beklagten) angesetzt wird. In der Kombination der beiden genannten Aspekte dürfte die eigentliche Schwierigkeit bei der Bemessung von Art und Umfang der Inanspruchnahme der Straßenreinigungseinrichtung liegen, von der Im Urteil des OVG Lüneburg vom 30.1.2017 (a.a.O., Rn. 22, juris) gesprochen wird und die die Auswahl unter den verfügbaren Wahrscheinlichkeitsmaßstäben ohne Rücksicht auf deren Wirklichkeitsnähe zulässt.

Die beiden genannten Schwierigkeiten kann man nur teilweise dadurch ausgleichen, dass man für die Frage nach der hinreichend vorteilsgerechten Belastung durch einen Wahrscheinlichkeitsmaßstab auf einen Vergleich mit den Ergebnissen der anderen anerkannten Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe zurückgreift, wie es das oben zitierte Urteil des OVG Lüneburg vom 16.2.1990 (a.a.O., Rn. 32, juris) nahelegt, ohne dass es einer Bewertung dieser Ergebnisse bedürfte. Denn an einer Betrachtung, welcher Maßstab im Vergleich wirklichkeitsnäher und damit vorteilsgerechter wirkt, fehlt es nach dem oben Gesagten ja gerade. Die rein quantitative Betrachtung - auch im Falle der von der Beklagten angestellten Berechnung - führt lediglich dazu, dass die Belastungen zwischen Frontmetermaßstab und Quadratwurzelmaßstab weniger stark divergieren als zwischen den beiden Maßstäben und dem Grundflächenmaßstab (Ergebnis gewissermaßen 2:1). Dies gilt nicht nur, aber besonders bei großen Grundstücken. Eine - nach Auffassung der Kammer bei den durch den Grundflächenmaßstab ausgelösten Belastungen erforderliche - materielle Betrachtung hingegen liefert nach dem oben Gesagten das Ergebnis, dass der Grundflächenmaßstab sowohl hinsichtlich des Vorteils der Inanspruchnahme der gereinigten Straße als auch hinsichtlich des Umfangs der Verschmutzungsverursachung jedenfalls im Ausgangspunkt wirklichkeitsnäher ist als die beiden anderen Maßstäbe (vgl. Driehaus KStZ 2008, 44, 46). Dies gilt jedenfalls, wenn man von der Verschmutzung der Straße auch durch weit von ihr entfernt liegende Teile eines Anliegergrundstücks ausgeht, was unbedenklich erscheint.

(cc)

Auch bei der Zugrundelegung von zwei Säulen der Straßenreinigungsgebühr ist also eine übermäßige Belastung aller besonders großen Grundstücke unabhängig von ihrer Nutzungsart nicht zu besorgen.

c.

Ob der Grundflächenmaßstab ohne eine der drei oben genannten Ergänzungsvorschriften für besonders große landwirtschaftliche Grundstücke zu einer Gebühr führt, die in offensichtlichem Missverhältnis zu Art und Umfang der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung Straßenreinigung durch diese Grundstücke steht, kann letztlich offenbleiben. Wegen der Relevanz der Frage für die gleich zu thematisierenden besonders großen mehrfach erschlossenen landwirtschaftlichen Grundstücke wird gleichwohl bereits an dieser Stelle Folgendes ausgeführt:

aa.

Geht man davon aus, dass es für die Bemessung der Straßenreinigungsgebühr allein auf den Vorteil der Inanspruchnahmemöglichkeit der gereinigten Straße ankommt (zweite Auffassung, s.o.), ist eine übermäßige Belastung besonders naheliegend:

Landwirtschaftlich genutzte Grundstücke nehmen - wie gesagt - gereinigte Straßen weitaus weniger in Anspruch als (gleich große) Grundstücke mit Wohnbebauung. Bezüglich der eigentlichen landwirtschaftlichen Fläche (Ausblendung der Hoffläche) könnte sogar das Interesse an der Inanspruchnahme einer gereinigten Straße gänzlich fehlen, weil Vorteile gegenüber einer ungereinigten Straße - jedenfalls bezüglich der Sommerreinigung - für die Benutzung mit schwerem landwirtschaftlichen Gerät nicht ohne weiteres ersichtlich sind. Die Frage muss aber hier nicht beantwortet werden. Die geringere verkehrliche Inanspruchnahme bei der eigentlichen landwirtschaftlichen Fläche bewegt sich nach dem oben Gesagten bei vereinfachter Betrachtung entsprechend dem Ausbaubeitragsrecht im Verhältnis 1:30 gegenüber Wohnbebauung gleicher Fläche.

bb.

Eine übermäßige Belastung ist aber auch bei Zugrundelegung von zwei Säulen der Gebühr (zusätzlich Verschmutzungsverursachung, dritte Auffassung, s.o.) keinesfalls fernliegend.

(1)

Es wird zwar einerseits nicht ausgeführt, dass von landwirtschaftlichen Grundstücken (deutlich) mehr Verschmutzung ausgeht als von Wohngrundstücken gleicher Größe (vgl. VG Hannover, Urteil vom 31.5.2021 - 1 A 1807/19, Rn. 31, juris; wohl Verwehungen von Staub und Feldfrüchten einerseits sowie Dreck von schwerem landwirtschaftlichem Gerät andererseits). Andererseits spricht die oben bereits angesprochene Betrachtung im Einzelfall des OVG Lüneburg im Beschluss vom 15.12.2015 (9 LA 95/15, Rn. 8, juris), ob von einem landwirtschaftlichen Grundstück (ohne Zufahrt zur zu reinigenden Straße) mehr als nur unerhebliche Verschmutzungen drohen (höhere Lage, Böschung, Bewuchs), nicht dafür, dass von landwirtschaftlichen Grundstücken stets eine mehr als nur unerhebliche Grundstücksverschmutzung ausgeht. Hinzu kommt, dass - auch nicht verkehrsgefährdende - Verunreinigungen der Fahrbahn über das übliche Maß hinaus ohnehin gemäß § 17 Satz 1 NStrG vom Verursacher zu beseitigen sind; dabei beurteilt sich die Frage der Üblichkeit jedenfalls auch anhand der Straßenklasse (Zeitler, BayStrWG, Art. 16, Rn. 6, 31.EL 9/2021, Beck online).

Die - hier zunächst unterstellte - größere Verschmutzung wirkt sich auf den von den mit der Straßenreinigung Befassten zu leistenden Personal- und Materialaufwand aus. Es ist jedoch - wiederum unter Berücksichtigung der soeben zitierten Entscheidung - in keiner Weise erkennbar, dass dieser auch nur annähernd in einem Verhältnis zugunsten von Wohnbebauung ausfiele, nach dem dort nur 1/30 des Personal- und Materialaufwandes erforderlich wäre, der bei einem landwirtschaftlichen Grundstück selber Größe anfiele oder sich zumindest tendenziell in diese Richtung bewegte, so dass eine (zumindest teilweise) Kompensation der geringen Inanspruchnahmewahrscheinlichkeit erfolgte. Auf die genannte Inanspruchnahme der Einrichtung, nicht auf die Kostenverursachung durch diese Inanspruchnahme (im Einzelfall) kommt es nach dem Wortlaut von § 5 Abs. 3 Sätze 1, 2 NKAG an. Hier werden zwar letztlich nur Plausibilitätsüberlegungen angestellt. Weitergehende Erkenntnisse liegen aber auch nicht vor. Das Maß der Verschmutzungsverursachung muss nach Auffassung der Kammer vor Satzungsbeschluss von der Gemeinde erkundet werden, wenn diese meint, einen groben Maßstab verwenden zu müssen, der für bestimmte besonders große Grundstücke zu Belastungen oberhalb der Bagatellschwelle führt und dessen (hinreichende) Vorteilsgerechtigkeit insoweit erheblichen Zweifeln unterliegt. Dies obliegt nicht den Gebührenpflichtigen (und dürfte ihnen im Übrigen auch kaum möglich sein, weil es um die Ermittlung von in der Sphäre der Gemeinde liegenden Umständen geht). Es obliegt auch nicht dem Gericht.

(2)

Auch der Vergleich mit Frontmetermaßstab und Quadratwurzelmaßstab spricht für eine übermäßige Belastung besonders großer landwirtschaftlich genutzter Grundstücke. Denn für diese Grundstücke kann nach dem oben Gesagten nicht - wie bei anderen großen Grundstücken - davon ausgegangen werden, der Grundflächenmaßstab sei vorteilsgerechter. Dies illustriert auch die von der Beklagten zur Verfügung gestellte Tabelle, die überwiegend landwirtschaftliche Grundstücke enthält.

cc.

Die der Kammer zugängliche Rechtsprechung legt kein gegenteiliges Ergebnis nahe:

Der Berliner Verfassungsgerichtshof hat zwar entschieden, dass der Grundflächenmaßstab auch dann nicht zu beanstanden sei, wenn für besonders große Grundstücke eine Härtefallregelung existiere, wie es sie in § 5 Abs. 3 StrRG BE gibt. Allerdings unterscheidet sich der dortige Fall vom hiesigen dadurch, dass § 7 Abs. 5 StrRG BE landwirtschaftliche Grundstücke von der Gebührenpflicht ganz ausnimmt. Es verbleiben also im Wesentlichen noch große gewerblich genutzte Grundstücke und große Grundstücke mit öffentlichen Einrichtungen. Bei diesen besteht nach dem oben Gesagten aber eine im Vergleich zu (gleich großen) Grundstücken mit Wohnbebauung vergleichbare Verschmutzung der Straße und eine mindestens mit diesen vergleichbare verkehrliche Inanspruchnahme der gereinigten Straße (vergleiche dazu die entsprechenden grundstücksbezogenen Artzuschläge in Ausbaubeitragssatzungen). Dementsprechend wird die Billigkeitsregelung durch die zuständigen Berliner Gerichte nach dem oben Gesagten auch als Regelung für (objektiv) atypische Härtefälle eingeordnet, die sich durch unterdurchschnittliche Reinigungsvorteile und bzw. oder unterdurchschnittliche Verschmutzungsverursachung auszeichnen (und - wohl - vom Normgeber auch nicht bedacht worden sind) (VerfGH Berlin, Beschluss vom 13.6.2003 - 161/00, Rn. 24, juris; VG Berlin, Urteil vom 27.6.2022 - 1 K 20.19, Rn. 31, juris), und nicht für objektiv typische Härten, die vom Satzungsgeber außerdem auch bewusst in Kauf genommen worden sind.

d.

Jedenfalls aber für besonders große landwirtschaftlich genutzte und mehrfach erschlossene Grundstücke steht der Grundflächenmaßstab ohne eine der drei oben genannten ergänzenden Regelungen in offensichtlichem Missverhältnis zur Inanspruchnahme der Straßenreinigung durch diese Grundstücke. Dies ist wegen der geringen Inanspruchnahme der gereinigten Straße durch landwirtschaftlich genutzte Grundstücke sehr deutlich, wenn man nur von einer Säule der Straßenreinigungsgebühr (Möglichkeit der Inanspruchnahme der gereinigten Straße; zweite Auffassung, s.o.) ausgeht. Es gilt aber auch beim Ausgehen von zwei Säulen (zusätzlich Verschmutzungsverursachung; dritte Auffassung, s.o.):

aa.

Gerade das Grundstück des Klägers zeigt, dass durch die - rechtlich zwingende - Berücksichtigung von Mehrfacherschließungen Belastungen in erheblicher Höhe entstehen. Der vom Kläger - bei satzungsgemäßer Bescheidung - zu entrichtende Betrag von etwa 720 Euro ähnelt der Höhe nach auf 25 Jahre (Zeit bis zur Erneuerungsbedürftigkeit einer üblichen Stadtstraße; OVG Lüneburg, Urteil vom 9.8.2016 - 9 LC 29/15, Rn. 38, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 31.8.2007 - OVG 9 N 148.05, Rn. 19, juris) gerechnet eher einem mittleren bis hohen Straßenbaubeitrag als einer Bagatellgebühr. Das kann - wegen der geringen Nutzungsfaktoren für außenbereichstypische Nutzungen in Straßenbaubeitragssatzungen auch durchaus die Höhe eines Ausbaubeitrages für ein solches landwirtschaftlich genutztes Grundstück (auch mit Hofstelle) sein. Ginge man von 25mal (frühestmögliche beitragsfähige Erneuerung) 720 Euro aus, ergäben sich bereits 18.000 Euro. Ginge man von einer Erneuerung nach 35 Jahren als Vergleichsmaßstab aus, ergäben sich 25.200 Euro (35mal 720 Euro). Hinzu kommt, dass Straßenerneuerungen nicht nur häufig noch später erfolgen, sondern bei der Beitragserhebung auch nach dem Straßentyp differenziert wird. An den häufig in Ortsrandlage gelegenen landwirtschaftlichen Gehöften entlang laufen regelmäßig Durchgangsverkehrsstraßen, bei denen die Kosten ohnehin ganz überwiegend von der Allgemeinheit getragen werden (hier handelt es sich bei der Osnabrücker Straße um eine der Beitragserhebung nicht einmal zugängliche Bundesstraße: Diese ist keine öffentliche Einrichtung der Kommune im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 NKAG.

Festzustellen ist des Weiteren: Die Straßenreinigungsgebühr wird bei mehrfacherschlossenen (landwirtschaftlich genutzten) Grundstücken nach der Satzung der Beklagten auch ohne Vergünstigung erhoben. Gleichwohl werden bei zwei anliegenden Straßen entweder eine in erheblichem Maße geringer oder beide in moderatem Maße geringer in Anspruch genommen als bei nur einer anliegenden Straße. Der Vorteil der Inanspruchnahmemöglichkeit fällt also geringer aus. An der Verschmutzungsverursachung hingegen ändert sich nichts.

Dass bei Anwendung der Alternativmaßstäbe auf das hiesige Grundstück Bagatellbelastungen entstünden, unterstreicht die hiesige Problematik. Nach der von der Beklagten zur Verfügung gestellten Tabelle entfallen nach dem Frontmetermaßstab 76,80 Euro und nach dem Quadratwurzelmaßstab 72,20 Euro auf das Grundstück des Klägers. Auch wenn man berücksichtigt, dass in beiden Maßstäben das Grenzen an eine zweite zu reinigende Straße noch nicht berücksichtigt war, wird deutlich: Bei korrekter Anwendung der Maßstäbe gelangte man nicht annähernd zu den etwa 720 Euro Belastung, die bei Anwendung des Grundflächenmaßstabes in Rede stehen; und es stellt sich in der Tat die Frage, ob ein Betroffener derartige Belastungsunterschiede allein mit Hinweis auf das - nach dem oben Gesagten hier besonders weite - Ermessen bei der Maßstabswahl hinnehmen muss, wenn (günstigstenfalls) ausgesprochen zweifelhaft ist, ob der gewählte Maßstab den Vorteil für seine Grundstücksnutzung (Landwirtschaft) hinreichend abbildet.

bb.

Die genannte Belastung kann nach Auffassung der Kammer auch nicht mit einer zulässigen Typisierung gerechtfertigt werden. Deren Voraussetzungen liegen nicht vor.

Ob die quantitative Voraussetzung für eine zulässige Typisierung vorliegt, kann letztlich offenbleiben. Dabei kann auch offenbleiben, ob der objektiv atypische Fall bereits darin liegen könnte, dass es sich um eines der verhältnismäßig seltenen landwirtschaftlich genutzten Grundstücke im Gebiet der Beklagten handelt, oder darin, dass es sich um ein (und das einzige) landwirtschaftliche Grundstück im Gebiet der Beklagten (im Verhältnis zur Gesamtzahl der zu veranlagenden Grundstücke) handelt, das oberhalb der Bagatellschwelle belastet wird. Ob eine Bagatellbelastung vorliegt, muss dabei nach Auffassung der Kammer ohne Einbeziehung des jeweiligen - erst gewählten - Wahrscheinlichkeitsmaßstabes absolut bestimmt werden - also auch ohne Blick auf die nach dem hiesigen Maßstab maßgebliche Grundstücksgröße. Die Kammer neigt dazu, bei Beträgen unter 500 Euro pro Jahr noch von einer Bagatellbelastung auszugehen. Dann lägen nur die Gebühren für das Grundstück des Klägers, nicht aber die Gebühren für die übrigen landwirtschaftlich genutzten Grundstücke oberhalb der Bagatellschwelle. Der Annahme einer solchen Grenze mag man mit dem Vorwurf der Willkür begegnen. Es ist aber von Zeit zu Zeit erforderlich zur Gewährleistung von Rechtssicherheit derartige Grenzen zu bestimmen, ohne dass besondere Gesichtspunkte für eine bestimmte Zahl sprechen (vgl. die Rechtsprechung zur Selbständigkeit von Straßen im Beitragsrecht).

Bei Beträgen wie sie hier dem Kläger drohen, kann man jedenfalls - gerade auch im Vergleich zu den alternativen Wahrscheinlichkeitsmaßstäben (s.o.) - nicht von einem geringfügigen Nachteil sprechen, dem zudem gleichgewichtige oder höhergewichtige Vorteile bei der Verwaltungspraktikabilität gegenüberstehen müssten, womit die qualitative Voraussetzung für eine zulässige Typisierung nicht vorliegt. Hier sind nach Auffassung der Kammer beide Bedingungen nicht erfüllt. Denn nicht nur ist die Belastung absolut betrachtet erheblich. Die alternativ mögliche Einführung einer Kappungsgrenze oder einer Mehrfacherschließungsvergünstigung oder einer besonderen Erlassvorschrift für oberhalb der Bagatellgrenze belastete landwirtschaftlich genutzte Grundstücke, die bewirkt, dass die Belastung dieser Grundstücke unter die Bagatellgrenze sinkt, sowie deren Anwendung bringen keinen nennenswerten Verwaltungsaufwand mit sich. Sie bringen nach Auffassung der Kammer auch keinen höheren finanziellen Aufwand für die Gemeinde mit sich. Sieht man die Kappungsgrenze (wie auch die Mehrfacherschließungsvergünstigung) für außenbereichstypische Nutzungen (nicht dagegen eine allgemeine Kappungsgrenze) als eine Konkretisierung der Vorteilsbegrenzung und nicht als eine generelle Billigkeitsmaßnahme, ist nach Auffassung der Kammer die Belastung der übrigen Gebührenpflichtigen mit dem durch die Kappungsgrenze bewirkten Gebührenausfall zulässig. Dazu wird unter III. näher ausgeführt.

cc.

Der Kläger kann auch nicht auf einen möglichen Billigkeitserlass gemäß §§ 1 Abs. 2, 11 Abs. 1 Nr. 4b, 5a NKAG i.V.m. §§ 163 Abs. 1 Satz 1, 227 AO verwiesen werden.

Sachliche Unbilligkeit im Sinne der zitierten Vorschriften setzt an sich dem Gesetz entsprechende, aber den Wertungen des Gesetzgebers im Einzelfall zuwiderlaufende Ergebnisse voraus. Maßgeblich ist der erklärte bzw. (regelmäßig) der mutmaßliche Wille des Gesetzgebers. Da der subjektive mutmaßliche Wille des Gesetzgebers kaum feststellbar ist, kommt es letztlich auf dessen objektivierten Willen an. Es muss mit anderen Worten ein Überhang des Tatbestandes über Sinn und Zweck des Gesetzes vorliegen, die Abgabenerhebung also nicht von Sinn und Zweck des Gesetzes gedeckt sein (zum Ganzen: Klein, AO, 13. Aufl. 2016, § 163 Rn. 32). Daneben muss die Atypik objektiv in unterdurchschnittlicher Verschmutzungsverursachung und bzw. oder unterdurchschnittlicher Vorteilsvermittlung hinsichtlich der zu reinigenden Straße bestehen (vgl. OVG Berlin, NVwZ-RR 2000, 463, 464 [OVG Berlin 02.12.1998 - 1 B 79/94]). Diese Voraussetzungen liegen im Ergebnis nicht vor.

(1)

Eine sachliche Unbilligkeit könnte man vordergründig annehmen unter Hinweis darauf, dass der Kläger offenbar das einzige große landwirtschaftlich genutzte Grundstück innerhalb der geschlossenen Ortslage mit Mehrfacherschließung besitzt.

Dies griffe aber zu kurz: Die Ratsherren waren sich ausweislich der Ratsvorlage darüber im Klaren, dass auch landwirtschaftliche Grundstücke von den Straßenreinigungsgebühren betroffen sein würden. Sie waren sich auch über den durch den Grundflächenmaßstab drohenden Umfang der Belastung für große Grundstücke und die Größe der landwirtschaftlichen Grundstücke im Klaren. Sie lehnten dennoch eine Flächenvergünstigung bewusst ab. Dasselbe gilt für eine Mehrfacherschließungsvergünstigung.

Dass für das Grundstück des Klägers in der von der Beklagten zur Verfügung gestellten Tabelle lediglich eine Gebühr berechnet worden ist, die nur eine und nicht zwei zu reinigende Straßen berücksichtigt, macht den Fall nicht zu einem atypischen, dem mit einer Billigkeitsentscheidung begegnet werden könnte. Die in der Vorlage für den Rat aus der nunmehr zur Verfügung gestellten Tabelle beispielhaft aufgelisteten Grundstücke waren wegen der Öffentlichkeit der Ratssitzung weder flurstücks- und bzw. oder grundbuchmäßig noch nach der Art der Nutzung bezeichnet. Das Grundstück des Klägers ist dort im Übrigen auch nicht aufgeführt. Die Ratsherren konnten die Belastungen differenziert nach Nutzungsarten für die einzelnen Grundstücke (und auch eventuelle Mehrfacherschließungen) also nicht erkennen. Die Nutzungsarten der großen Grundstücke im Allgemeinen (u.a. Landwirtschaft) waren aber der Ratsvorlage zu entnehmen. Der Rat entschied sich trotzdem für den Grundflächenmaßstab ohne Einschränkungen.

(2)

Auch sonstige besondere Umstände, die einen Billigkeitserlass rechtfertigen könnten, liegen bezüglich des Grundstücks des Klägers nicht vor. Solche Umstände liegen namentlich nicht darin, dass die Osnabrücker Straße in geschlossener Ortslage nur vor einem Teil des Grundstücks des Klägers verläuft.

Hieraus könnte sich - beim Ausgehen von zwei Säulen der Gebühr zwar eine - besonders für landwirtschaftliche Grundstücke relevante (s.o.). - Verringerung der Verschmutzung der von der Beklagten zu reinigenden Straße ergeben, die einen teilweisen Erlass rechtfertigen könnte. Andererseits ist der Grundflächenmaßstab naturgemäß "blind" dafür, wie lang die zu reinigende Straße ist, die an dem Grundstück entlangführt. Das hier aus der schlichten Anwendung des Maßstabes folgende Ergebnis könnte auch gewollt gewesen sein. Dies stünde im Einklang mit dem beschlossenen Verzicht auf eine Tiefenbegrenzung (Vergleichsmaßstab wäre dann ein sehr tiefes Grundstück mit nur einer kurzen Strecke auf der es an eine einzige Straße angrenzt). Dafür spricht auch, dass dieses Phänomen in der Ortsrandlage, wo die zu reinigende Straße endet, wegen der dort häufig vorkommenden großen landwirtschaftlichen Grundstücke häufiger auftreten dürfte, ohne dass dies satzungsrechtlich einer besonderen Regelung zugeführt wurde. Hier ist im Zweifel von einer Belastung auszugehen, die der Satzungsgeber bewusst in Kauf genommen hat bzw. in Kauf genommen hätte.

Geht man im Übrigen davon aus, dass die Verschmutzung der Straße durch landwirtschaftliche Grundstücke vor allem durch den Ziel- und Quellverkehr erfolgt (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 15.12.2015, aaO., Rn. 8, juris), ist die Kürze der Straßenstrecke vor dem Grundstück des Klägers ohnehin unerheblich. Denn für die Bemessung der Gebühr kommt es auf die Inanspruchnahme und Verschmutzung der Straße in ihrer gesamten Länge an.

Jedenfalls aber könnte ein etwaiger Erlass, der darauf beruht, dass - ausgehend von zwei die Straßenreinigungsgebühr tragenden Säulen - hinsichtlich einer dieser Säulen für eine von zwei Straßen von einem eingeschränkten, geringer zu gewichtenden Vorteil auszugehen ist, keine Herabsetzung der Gebühr von etwa 720 Euro auf unter 500 Euro und damit unter die Bagatelleschwelle rechtfertigen.

dd.

Liegt damit keine zulässige Typisierung und auch kein von den Ratsherren nicht bedachter und - hypothetisch im Bedenkensfalle - so nicht gewollter Regelungsfall vor, ist der Maßstab für das hier in Rede stehende Grundstück nicht hinreichend vorteilsgerecht und damit unwirksam. Ob dies - wegen des Grundsatzes der konkreten Vollständigkeit - auch zur Unwirksamkeit des Maßstabes insgesamt führt - wofür einiges spricht - (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29.1.2020 - OVG 9 A 3.17, Rn. 57, juris; OVG Lüneburg, Beschluss vom 19.8.2008 - 9 LA 406/06, Rn. 14, juris), kann offenbleiben. Der hiesige Bescheid ist jedenfalls rechtswidrig.

III.

Auch wegen der sich aus dem Urteil ergebenden Konsequenzen für die Wirksamkeit des Gebührenmaßstabes ist hier im Interesse der Beteiligten noch Folgendes auszuführen:

Nach Auffassung des Gerichts bestehen zwei herkömmliche und möglicherweise noch eine weitere - eher unübliche und allenfalls bei sehr groben Gebührenmaßstäben in Betracht kommende - Möglichkeit zur Herstellung eines vorteilsgerechten Gebührenmaßstabes ausgehend vom zuletzt gewählten Grundflächenmaßstab:

1.

Die erste Möglichkeit besteht darin, die Belastung aller besonders großen landwirtschaftlichen Grundstücke (mit Mehrfacherschließungsvergünstigung) durch generelle Vergünstigungsvorschriften unter die (hier mit 500 Euro pro Jahr angenommene) Bagatellschwelle abzusenken. Dann fiele die Unschärfe bezüglich des Vorteils wie bei den anderen anerkannten Straßenreinigungsgebührenmaßstäben nicht mehr ins Gewicht, so dass der Grundflächenmaßstab (im Verhältnis zur damit erzielten Belastungshöhe) als hinreichend vorteilsgerecht zu betrachten wäre. Diese Absenkung kann unter Beibehaltung des Grundflächenmaßstabes mit Kappungsgrenzen oder Tiefenbegrenzungsregelungen für solche Grundstücke geschehen. Da unter den landwirtschaftlich genutzten Grundstücken im Gebiet der Beklagten offenbar nur das des Klägers wegen der Mehrfacherschließung die genannte Schwelle überschreitet, könnte die Absenkung auch durch den Erlass einer Regelung zur Mehrfacherschließungsvergünstigung für Grundstücke ab einer bestimmten Größe mit landwirtschaftlicher Nutzung erfolgen. Die Absenkung kann auch durch den Wechsel zum Quadratwurzelmaßstab erreicht werden.

Im Einzelnen:

a.

Zur nur bagatellmäßigen - und damit auch bei groben (nicht qualifizierten) Maßstäben noch hinreichend vorteilsgerechten - Belastung besonders großer landwirtschaftlich genutzter Grundstücke (mit Mehrfacherschließung) erscheint dem Gericht eine - zulässige - Kappungsgrenze näherliegend als eine Tiefenbegrenzung (dazu unter aa.). Der damit verbundene Gebührenausfall kann - nach Auffassung der Kammer - den von der Kappungsgrenze nicht betroffenen Gebührenpflichtigen auferlegt und muss nicht von der Allgemeinheit getragen werden (dazu unter bb.).

aa.

Die Einführung einer (insbesondere auf landwirtschaftlich genutzte Grundstücke beschränkten) Kappungsgrenze ist möglich und zweckmäßig.

Eine Kappungsgrenze hat gegenüber einer Tiefenbegrenzung Vorteile. Die im Erschließungs- und Ausbaubeitragsrecht anerkannte (geographisch und nicht nur arithmetisch abgrenzende) Tiefenbegrenzung bereitet Schwierigkeiten bei der Bestimmung. Es liegt auch nicht auf der Hand, weshalb man so vorgehen müsste, wenn - anders als im Erschließungsbeitragsrecht - die Abgrenzung von Innen- und Außenbereich auf dem Grundstück keine insoweit vorteilsbegründende Bedeutung hat. Zwar besteht eine Sachnähe zur Lage im Ausbaubeitragsrecht, in dem Flächen im Außenbereich herangezogen werden, aber als geringer bevorteilt gelten (vgl. dazu auch § 6b Abs. 2 NKAG). Allerdings stehen hier - jedenfalls nach Schaffung von Vergünstigungsvorschriften für große landwirtschaftliche Grundstücke (mit Mehrfacherschließung) wieder - für alle Betroffenen Bagatellbelastungen (landwirtschaftlich genutzte Grundstücke) oder nach dem groben Maßstab hinreichend vorteilsgerechte Belastungen (große Gewerbegrundstücke und öffentliche Einrichtungen) in Rede, so dass die Verwaltungspraktikabilität auch eine rein arithmetische Kappungsgrenze, insbesondere für landwirtschaftlich genutzte Grundstücke, zulassen dürfte (dementsprechend keine Beanstandung sogar einer allgemeinen Kappungsgrenze im Fall des VG Stade, Urteil vom 23.3.2010 - 4 A 1432/08, juris). Auch diese Grenze ist freilich nicht einfach zu bestimmen. Die Mustersatzung des Niedersächsischen Städte- und Gemeindetages geht davon aus, dass eine (allgemeine) Kappungsgrenze nicht unter 10.000 qm angesetzt werden sollte. Im Einklang damit hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eine Vorschrift für unbedenklich erklärt, die der Sache nach - bei Anwendung des Quadratwurzelmaßstabes - eine Kappungsgrenze für land- und forstwirtschaftlich genutzte Grundstücke bei 1 ha (allerdings nur hinsichtlich der Winterdienstgebühr) vorsieht. Die Vorschrift wurde wegen eines Antragserfordernisses als Billigkeitsvorschrift verstanden (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10.10.2007, a.a.O., Rn. 41, juris).

Nach Einschätzung der Kammer dürfte bei der Festlegung der Kappungsgrenze - wie bei der Tiefenbegrenzung im Erschließungsbeitragsrecht und Ausbaubeitragsrecht anerkannt - ortsgesetzgeberisches Ermessen bestehen (vgl. OVG MV, Urteil vom 14.9.2010 - 4 K 12/07, 1. Leitsatz, juris).

bb.

Zur Finanzierung des Gebührenausfalls, der mit der Einführung einer auf außenbereichstypische Nutzungen beschränkten Kappungsgrenze verbunden ist:

Der Grund, weshalb eine Kappungsgrenze (wie auch eine Tiefenbegrenzung) wohl nur im Ausnahmefall Aufnahme in Gebührensatzungen findet, ist die Annahme, der dadurch bewirkte Gebührenausfall müsse auf Kosten der Gemeinde gehen. Diese Annahme findet sich in der oben genannten Mustersatzung des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes und stützt sich ausweislich der aufgeführten Fußnoten auf die Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts zum einen bei der Herausnahme von Hinterliegern aus dem fiktiven Benutzerkreis (§ 52 Abs. 3 Satz 2 NStrG) und zum anderen zur Gewährung von Mehrfacherschließungsvergünstigungen. Zum erstgenannten Aspekt wurde (zur früheren Fassung des Niedersächsischen Straßengesetzes ohne fixierten Anteil von 25 % für die Allgemeinheit) eine Erhöhung des Allgemeinteils bzw. eine entsprechende Reduzierung der Kosten der Einrichtung für bedenkenswert erklärt (Urteil vom 13.2.1990 - 9 L 113/89, Rn. 35, juris). Zum zweitgenannten Aspekt legt eine Entscheidung des 14. Senats des OVG Lüneburg vom 19.7.1990 (- 14 A 227/88, Rn. 7, juris) eine Erhöhung des Anteils der Allgemeinheit bzw. eine entsprechende Reduzierung der Kosten der Einrichtung nahe (eine Entscheidung des OVG NRW (Urteil vom 7.1.1982 - 2 A 1778/81 - NVwZ 1983, 491, beck-online) statuierte dies sogar definitiv).

Die Annahme der zwingenden Finanzierung einer Kappungsgrenze über allgemeine Haushaltsmittel erscheint dem Gericht allerdings - jedenfalls wenn sich die Kappungsgrenze auf außenbereichstypische Nutzungen beschränkt - aus nachfolgenden Gründen im Ergebnis nicht zwingend:

(1)

Zunächst zu der als Argument angeführten Rechtsprechung zur Mehrfacherschließungsvergünstigung:

(a)

Vorweggeschickt sei, dass im Erschließungs- und Ausbaubeitragsrecht anerkannt ist, dass die Mehrfacherschließungsvergünstigung zum Nachteil der übrigen Beitragspflichtigen gehen kann (Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27.9.2018 - OVG 5 B 63.16, Rn. 34, juris; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 10. Aufl. 2018, § 18 Rn. 85).

(b)

Zur Rechtslage im Straßenreinigungsgebührenrecht selbst ist Folgendes zu sagen:

(aa)

Bezüglich der Mehrfacherschließungsvergünstigung wird eine Belastung der übrigen Benutzer mit dem Gebührenausfall mitunter auch im Straßenreinigungsgebührenrecht für möglich gehalten (so wohl VerfGH Berlin, Beschluss vom 13.6.2003 - 161/00, Rn. 29, juris; wohl auch OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10.10.2007 - OVG 9 A 72.05, Rn. 41, juris; möglicherweise auch Hessischer VGH, Beschluss vom 16.10.1985 - 5 N 1/83, Rn. 142, juris; deutlicher Lohmann, HGZ 1999, 82, 85: ausgehend von der bei angenommen einzigen "Vorteilssäule" konsequent; Kohls, ZKF 1982, 104, 105).

Überwiegend wird aber wohl davon ausgegangen, dass eine Vergünstigung für mehrfach erschlossene Grundstücke im Straßenreinigungsgebührenrecht nur zulässig ist, wenn die Gemeinde den dadurch entstehenden Gebührenausfall trägt (VG Cottbus, Urteil vom 21.8.2013 - 6 K 552/12, Rn. 19, juris, mit zahlreichen Nachweisen, u.a. auf die soeben zitierten Entscheidungen: OVG Lüneburg, Urteil vom 19.7.1990 - 14 A 227/88, Rn. 7, juris und OVG NRW, Urteil vom 7.1.1982 - 2 A 1778/81 - NVwZ 1983, 491; Lenz, KStZ 2004, 110, 114). Die zuletzt zitierte Entscheidung des OVG NRW wurde in der Neuen Zeitschrift für Verwaltungsrecht veröffentlicht. Dort heißt es im vorletzten Absatz, dass die Vergünstigung auf Kosten der Gebührenpflichtigen schon im Ansatz gesetzeswidrig sei. Allerdings steht dieser Satz im Widerspruch zu den Ausführungen im Absatz danach: "In welchem Umfang Eckgrundstücksvergünstigungen (...) gewährt werden können, ohne dass die Gebührenpflichtigen außerhalb der Ecklage übermäßig beeinträchtigt (und nicht nur im Vergleich benachteiligt - Anmerkung des Gerichts) werden, lässt sich an dieser Stelle nicht sagen, zumal örtliche Verschiedenheiten ins Spiel kommen." Die Vermeidung einer übermäßigen Beeinträchtigung der übrigen Anlieger muss aber nicht erörtert werden, wenn diese gar nicht durch die Mehrfacherschließungsvergünstigungen für Dritte belastet werden dürfen.

Eine wirkliche Begründung für die Annahme der Unzulässigkeit der Mehrfacherschließungsvergünstigung im Straßenreinigungsgebührenrecht liefert - soweit ersichtlich nur - die Rechtsprechung des Bayerischen VGH, derzufolge eine Belastung der übrigen Gebührenpflichtigen ausscheiden soll, weil die Gebühr (wesentlich auch) den Ersatz für die Verpflichtung der Grundstückseigentümer zur Straßenreinigung darstelle und diese Verpflichtung sich ohne Unterschied auf beide Grundstücke erstrecke (Bay. VGH, Urteil vom 20.3.1992 - 8 B 91.2772, BeckRS 118384); Urteil vom 12.12.1986 - 4 CS 86.2823, n.v., zitiert nach VG Ansbach, Urteil vom 25.7.2005 - AN 1 K 05.01944, Rn. 27; Urteil vom 13.1.2004 - 1 K 03.0269, Rn. 34, juris). Diese Begründung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes ist für das Niedersächsische Straßenreinigungsgebührenrecht aber abzulehnen. Nach dem oben Gesagten liegt die Begründung der Straßenreinigungsgebühr in Niedersachsen nicht in der Entlastung von der andernfalls bestehenden oder vielmehr noch durch Satzung zu übertragenden, § 52 Abs. 4 Satz 1 NStrG, Pflicht der Anlieger zur Straßenreinigung, sondern - nach näherliegender Auffassung (s.o.) - einerseits in der vom Grundstück ausgehenden Verschmutzung und andererseits in dem Vorteil der möglichen Inanspruchnahme der gereinigten Straße. Während der erstgenannte Aspekt bei einfach und mehrfach erschlossenen Grundstücken für die unmittelbar vom Grundstück ausgehende Verschmutzung gleich ausfällt, dürfte bei - naheliegender (vgl. Annahmen im Erschließungs- und Ausbaubeitragsrecht) - geringerer verkehrlicher Inanspruchnahme einer bzw. beider Straßen weniger Verschmutzung durch den Ziel- und Quellverkehr selbst erfolgen. Bei der zweiten Säule - Möglichkeit der Inanspruchnahme der gereinigten Straße - ist dann ohnehin kein Unterschied zu Erschließungsbeitragsrecht und Ausbaubeitragsrecht zu erkennen, weil eine - ggf. pauschale - Betrachtung der Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme erfolgen muss.

(bb)

Da es nur eine von - mutmaßlich (s.o.) - zwei die Gebühr tragenden Säulen nahelegt, den durch eine Mehrfacherschließungsvergünstigung entstandenen Gebührenausfall der Allgemeinheit aufzuerlegen, erscheint die Schlussfolgerung, sie müsse ausschließlich der Allgemeinheit auferlegt werden, nicht zwingend. Dies spricht nach Auffassung der Kammer eher dafür, nicht nur die Einführung einer Eckgrundstücksvergünstigung ins Ermessen der Gemeinden zu stellen, sondern auch die Frage, ob die dadurch entstandenen Gebührenausfälle auf die übrigen Gebührenpflichtigen umgelegt werden oder von ihr getragen werden sollen. Zumindest müsste wegen des eingeschränkten Reinigungsvorteils und damit einer Einschränkung einer der - mutmaßlich - zwei Säulen eine Eckgrundstücksvergünstigung in eingeschränkter (bspw. halber) Höhe im Vergleich zu den im Erschließungs- und Ausbaubeitragsrecht zulässigen Höhen gewährt und der dadurch bewirkte Gebührenausfall auf die übrigen Benutzer abgewälzt werden können.

Als Kontrollüberlegung mag Folgendes dienen: Auch im Ausbaubeitragsrecht ändert sich durch die geringere Nutzung einer Straße durch einen mehrfach erschlossenen Anlieger nichts zum einen an der Nutzungsintensität durch die anderen Anlieger und zum anderen an der verkehrsmäßigen Einstufung der Straße, die letztlich den Anteil der Allgemeinheit bestimmt. Da die gesamten umlagefähigen Kosten bzw. der gesamte umlagefähige Aufwand verteilt werden muss und sich der Anteil der Allgemeinheit nicht erhöht, müssen die nicht mehrfach erschlossenen Anlieger mehr zahlen. Auch wird nicht der Anteil der Allgemeinheit erhöht. Im Erschließungsbeitragsrecht ist dies ohnehin nicht möglich, weil der Anteil der Allgemeinheit bei 10 % festgeschrieben ist. Im Ausbaubeitragsrecht dürfte es kaum vorkommen, dass die reduzierten Verkehrsbewegungen eines mehrfach erschlossenen Grundstücks für eine der Straßen zu einer abweichenden Einordnung des Straßentyps für diese Straße führen. Ein Grund für eine vom Erschließungs- und Ausbaubeitragsrecht abweichende Handhabung ist nicht ersichtlich.

(c)

Die Rechtsprechung zur Mehrfacherschließung wird - wie gesagt - als Argument dafür angeführt, dass Gebührenausfälle wegen einer Kappungsgrenze (oder einer Tiefenbegrenzung) zum Nachteil der Gemeinde gehen müssten. Nach dem oben Gesagten trifft aber die Annahme, dies müsse bei Mehrfacherschließungen so sein, nicht zu. Entsprechend gibt es kein auf die Kappungsgrenze übertragbares Ergebnis.

(2)

Zur als Argument angeführten Rechtsprechung zur Behandlung von Hinterliegern:

Auch die Betrachtung von § 52 Abs. 3 Satz 2 NStrG und der dazu ergangenen Rechtsprechung, dass bei Herausnahme der Hinterlieger aus der Gebührenpflicht die Kosten von der Allgemeinheit zu tragen sind, liefert kein abweichendes Ergebnis:

Heute ist ein erhöhter Anteil der Allgemeinheit ohnehin nicht mehr beim Prozentsatz für die Belastung der Allgemeinheit zu berücksichtigen, weil zwingend 25 Prozent vorgeschrieben sind, § 52 Abs. 3 Satz 4 Hs. 1 NStrG. Vielmehr könnte nur noch eine Herausrechnung der auf die nicht berücksichtigten Flächen entfallenden Kosten erfolgen (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 13.2.1990 - 9 L 113/89, Rn. 35, juris), was aber zu einer verdeckten Erhöhung des Gemeindeanteils führte, deren Vereinbarkeit mit dem nunmehr fixierten Anteil der Allgemeinheit fraglich wäre (OVG Lüneburg, Urteil vom 3.5.2021 - 9 KN 162/17, Rn. 265, juris).

Die Übertragung der Aussagen aus dem zitierten Urteil vom 13.2.1990 (a.a.O.) auf beim Grundflächenmaßstab mögliche Flächenvergünstigungen ist nach Auffassung des Gerichts aber - auch unter Außerachtlassung des nunmehr fixierten Anteils der Allgemeinheit - jedenfalls nicht geboten. Der Unterschied zwischen nicht einbezogenen Hinterliegern und Teilflächen großer Grundstücke ist, dass die Hinterlieger unzweifelhaft die gereinigten Straßen in Anspruch nehmen und jedenfalls über den Ziel- und Quellverkehr, aber wohl auch sonst (- wenn auch in geringerem Maße, OVG Lüneburg, Urteil vom 13.10.1990 - 9 L 113/89, Rn. 30, juris -), zu deren Verschmutzung beitragen. Gleichwohl gestattet der Gesetzgeber eine Herausnahme der entsprechenden Grundstücke, ohne dass maßgebliche Unterschiede zu den Anliegern bei dem Vorteil der Inanspruchnahmemöglichkeit der gereinigten Straße erkennbar wären. Dementsprechend ist bei Einbeziehung von Hinterliegergrundstücken auch eine Belastung in derselben Höhe wie bei Anliegergrundstücken möglich (OVG Lüneburg, Urteil vom 24.8.1994 - 9 K 5140/93, Rn. 30, juris; Driehaus/Brüning, a.a.O., § 6 Rn. 475, 51. EL 9/14). Hingegen gehen Kappungsgrenzen wie auch Tiefenbegrenzungen jedenfalls bei außenbereichstypischen Nutzungen von deutlich reduzierten Vorteilen für das Grundstück insgesamt und fehlenden Vorteilen für die betroffenen (fiktiven) Teilflächen aus, weil sich die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme der (gereinigten) Straße reduziert.

(3)

Die Ausgestaltung der Straßenreinigungsabgabe als Benutzungsgebühr, bei der eine Belastung anderer Benutzer mit durch die Besonderheiten der Benutzung Dritter reduziertem Abgabenaufkommen als fernliegender angesehen werden könnte als im Beitragsrecht, steht den obigen Ausführungen jedenfalls nicht entgegen, weil - die Straßenreinigungsgebühr mit dem Abstellen auf einen Vorteil beitragsähnlich ist.

(4)

Im Einklang mit der Annahme, Flächenbegrenzungen könnten auch der Vorteilskonkretisierung für die betroffenen Grundstücke dienen, steht, dass die Berücksichtigung von Gebührenausfällen zum Nachteil der Gebührenpflichtigen bei einer Kappungsgrenze für land- und forstwirtschaftlich genutzte Grundstücke - sogar wenn sie als generelle Billigkeitsvorschrift verstanden wird - anerkannt wird (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10.10.2007 - OVG 9 A 72.05, Rn. 41, juris).

b.

Damit ist nicht nur zur Kappungsgrenze, sondern auch zur Tiefenbegrenzung und zur Mehrfacherschließungsvergünstigung selbst bereits alles Erforderliche gesagt. Nach Auffassung des Gerichts können diese ebenfalls mit Wirkung zum Nachteil der übrigen Gebührenpflichtigen eingeführt werden. Bei der Tiefenbegrenzung gilt dies freilich nur, wenn sie - wie die Kappungsgrenze - als vorteilsbezogen anzusehen ist. Dies dürfte bei der Beschränkung auf außenbereichstypische Nutzungen der Fall sein, nicht hingegen bei einer allgemeinen, nutzungsunabhängigen Tiefenbegrenzung. Bei Mehrfacherschließungen spricht nach Auffassung der Kammer dagegen nichts gegen eine generelle, nutzungsunabhängige Regelung.

c.

Die Möglichkeit, vom Grundflächenmaßstab zum Quadratwurzelmaßstab zu wechseln, besteht ebenfalls und bedarf keiner weitergehenden Erörterung.

2.

Die zweite (eher theoretische) Möglichkeit besteht - unter Hinnahme von Belastungen oberhalb der Bagatellschwelle für große landwirtschaftlich genutzte Grundstücke - in einer Verfeinerung des Gebührenmaßstabes für derartige Grundstücke, wobei dafür nach naheliegender Auffassung zunächst zumindest beispielhaft zu ermitteln wäre, wie sich die Verschmutzungsverursachung und die dadurch entstehende höhere Belastung der Straßenreinigungsanstalt im Vergleich zwischen landwirtschaftlichen und Wohngrundstücken gleicher Fläche darstellt. Dann müsste auch unter Berücksichtigung der geringeren Wahrscheinlichkeit der verkehrlichen Inanspruchnahme der gereinigten Straße - bspw. mit einem Faktor wie im Ausbaubeitragsrecht - eine Relation zwischen den beiden Parametern, beispielsweise mittels Äquivalenzziffernrechnung, hergestellt werden. Dieses Vorgehen erscheint angesichts des Gebührenvolumens und der relativ geringen Zahl von - wegen der Grobheit des Grundflächenmaßstabs nicht vorteilsgerecht belasteten - Fällen landwirtschaftlicher Grundstücke, die in der geschlossenen Ortslage und über Bagatellbelastungen liegen, sehr aufwendig und wenig praktikabel.

3.

Die dritte Möglichkeit könnte - wiederum zur Absenkung der Belastung unter die Bagatellschwelle für besonders große landwirtschaftliche Grundstücke - darin bestehen, eine besondere Härtefallregelung in die Straßenreinigungsgebührensatzung aufzunehmen.

a.

Der Zweck einer solchen Härtefallregelung in Abgrenzung zu der Härtefallregelung nach den Vorschriften der Abgabenordnung bestünde darin, eine Regelung für Fälle zu schaffen, die der Satzungsgeber bislang mit dem satzungsgemäßen Ergebnis regeln wollte, bei denen aber die Belastungsbagatellschwelle von hier angenommenen 500 Euro pro Jahr überschritten wird. Dies wäre zwar im Kommunalabgabenrecht untypisch, allerdings zur Aufrechterhaltung eines derartig groben wie des hier in Rede stehenden Maßstabes bei Vermeidung weiteren größeren Verwaltungsaufwandes nach Auffassung der Kammer naheliegend. Insbesondere müsste dann gar keine Kappungsgrenze und bzw. oder eine Mehrfacherschließungsvergünstigung für alle landwirtschaftlich genutzten Grundstücke eingeführt werden. Die Regelung ist also zielgerichteter.

Diese Erlassvorschrift sollte als besondere Härte explizit eine Belastung von mehr als 500 Euro definieren. Sie könnte wegen der oben genannten Funktion naheliegenderweise explizit auf landwirtschaftliche Grundstücke beschränkt werden. Alternativ könnte die Vorschrift aber auch allgemein gehalten werden, ohne sich explizit auf landwirtschaftliche Grundstücke zu beschränken. Die einzufügende Erlassvorschrift könnte dann auf Fälle mit besonders niedrigem Reinigungsvorteil und bzw. oder mit besonders geringer Verschmutzungsverursachung abzielen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10.10.2007, a.a.O., Rn. 41, juris; VG Berlin, Urteil vom 27.6.2022 - 1 K 20.19, Rn. 31, juris). Der Sache nach wäre klar, dass die einzigen vom Satzungsgeber ursprünglich bedachten Fälle landwirtschaftlicher Grundstücke durch die Einführung der Vorschrift nunmehr mit anderem Ergebnis geregelt werden sollen. Für ursprünglich nicht mitbedachte Fälle wie atypischerweise niedrige Vorteilssituation und bzw. oder niedrige Verschmutzungsverursachung bei Gewerbegrundstücken (vgl. Flughafen Tempelhof: OVG Berlin, NVwZ-RR 2000, 463, 463 [OVG Berlin 02.12.1998 - 1 B 79/94]) oder Grundstücken mit öffentlichen Einrichtungen, genügen weiterhin die allgemeinen Vorschriften der Abgabenordnung.

Die Verschmutzungsverursachung lässt dabei Rückschlüsse auf die von der Straßenreinigungseinrichtung zu leistende Arbeit zu. Dies dürfte im Sinne von § 5 Abs. 3 NKAG (Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung, Leistungsproportionalität) maßgeblich sein. Auf die durch die Verschmutzung für die Straßenreinigungsanstalt verursachten Kosten (Kostenproportionalität) dürfte es dagegen jedenfalls in Niedersachsen nicht ankommen (vgl. auch: OVG Berlin, NVwZ-RR 2000, 463, 464 [OVG Berlin 02.12.1998 - 1 B 79/94]; anders aber OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10.10.2007, a.a.O., Rn. 41, juris: Kostenverursachung).

b.

Nach Auffassung der Kammer wäre es möglich, den entsprechenden Gebührenausfall zum Nachteil der übrigen Gebührenpflichtigen zu berücksichtigen. Dies wird zwar bei allgemeinen Erlassvorschriften nicht angenommen. Diese betreffen aber zum einen sachliche und persönliche Billigkeitsgründe gleichermaßen und zum anderen unter den sachlichen Billigkeitsgründen nicht nur solche, bei denen die Unbilligkeit auf einem reduzierten Vorteil beruht (vgl. etwa Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Söfker, BauGB, § 135 Rn. 11, 144. EL 10/2021, beck-online: sachliche Unbilligkeit aus Umständen außerhalb der Heranziehung zum Erschließungsbeitrag, u.a. Vertrauen auf Richtigkeit der Aussage einer Behörde). Hier liegt es dagegen anders. Die Billigkeitsvorschrift spiegelt ausschließlich einen reduzierten Vorteil für die betroffenen Grundstücke bzw. hier das betroffene Grundstück wieder. Sie stellt lediglich eine Vereinfachung gegenüber der Einführung einer besonderen Kappungsgrenze für landwirtschaftliche Grundstücke dar, die ebenfalls den Vorteil wiederspiegelt.

C.

Über ein in den Klageantrag hineinzulesendes hilfsweises Verpflichtungsbegehren zur Erreichung eines Billigkeitserlasses muss nach dem Erfolg des Hauptantrages nicht mehr eingegangen werden. Die aufschiebende Bedingung der Erfolglosigkeit des Hauptantrages ist nicht eingetreten.

D.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Berufung wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen. Andere Gerichtsentscheidungen zum Grundflächenmaßstab ohne Ausnahme für bestimmte, insbesondere landwirtschaftlich genutzte, Grundstücke, ohne Vergünstigungen für diese Grundstücke oder große Grundstücke im Allgemeinen und ohne Mehrfacherschließungsvergünstigung sind nicht ersichtlich. Dadurch ergeben sich jedenfalls für einzelne landwirtschaftlich genutzte Grundstücke in geschlossener Ortslage bei der Anwendung des Grundflächenmaßstabes mutmaßlich regelmäßig (in zahlreichen Gemeinden) erhebliche Belastungen. Von grundsätzlicher Bedeutung sind vor diesem Hintergrund folgende Fragen:

Bemisst sich - der Frage der Auswahl eines Wahrscheinlichkeitsmaßstabes vorgelagert - die Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung Straßenreinigung (entsprechend den aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleiteten bekannten Formulierungen zur sachlichen Beziehung des Grundstücks zur Straße) anhand des Vorteils, die gereinigte Straße wirtschaftlich und verkehrlich in Anspruch nehmen zu können, und der Verschmutzungsverursachung oder ist namentlich das Urteil des OVG Lüneburg vom 30.1.2017 (9 LB 194/16, Rn. 22, juris) dahingehend zu verstehen, dass es (ggf. wegen geringer Unterschiede bei der Verschmutzungsverursachung: auch bei landwirtschaftlich genutzten Grundstücken nicht pauschal zu unterstellende mehr als geringfügige Verschmutzung, OVG Lüneburg, Urteil vom 15.12.2015 - 9 LA 95/15, Rn. 8, juris) nur auf den Vorteil der Inanspruchnahmemöglichkeit der gereinigten Straße ankommt?

Inwieweit gelten die Ausführungen aus dem Urteil des Senats vom 29.8.1973 (III A 99/72, juris), das Interesse des Abgabepflichtigen an der Reinigung der Straße vor seinem Grundstück sei zum einen zwingend unabhängig von der Zahl der Geschosse und hänge zum anderen von der Lage der zu reinigenden Straßenstrecke oder der Größe der Reinigungsfläche, dem Verschmutzungsgrad und der nach Lage der Bedeutung der Straße unterschiedlichen Reinigungsbedürftigkeit ab, nach der Statuierung der Grundstücksbezogenheit des Gebührenmaßstabes, der Maßgeblichkeit der auf die Straße und nicht auf den Straßenabschnitt entfallenden Kosten und des o.g. Vorteilsbegriffs noch? Ist der Reinigungsaufwand nur wegen der auf die einzelne Straße entfallenden Kosten (hypothetische Einzelkalkulation) relevant oder spiegelt der Aufwand Interesse und Vorteil der Anlieger und Hinterlieger wieder?

Rechtfertigt sich das weite Ermessen bei der Auswahl unter den verfügbaren Wahrscheinlichkeitsmaßstäben für die Bemessung der Straßenreinigungsgebühr - faktisch ohne Betrachtung der Wirklichkeitsnähe der Maßstäbe und insoweit abweichend von der zu § 5 Abs. 3 Satz 2 NKAG unmittelbar ergangenen Rechtsprechung - aus der üblicherweise vorliegenden Bagatellbelastung, aus der Schwierigkeit, Art und Umfang der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung zu bestimmen oder aus einer Verbindung beider Umstände? Beruht die genannte Schwierigkeit darauf, dass die Gründe für die Erhebung von Straßenreinigungsgebühren einerseits die Möglichkeit der Inanspruchnahme der gereinigten Straße und andererseits die Verschmutzungsverursachung sind, und auf den Komplikationen für die Bewertung des Vorteils durch das Vorhandensein dieser beiden "Säulen"?

Ist der Grundflächenmaßstab regelmäßig in Gemeinden mit Straßenreinigungsgebührensatzung ohne Flächenbegrenzung ein nicht gegen das Gebot der Leistungsproportionalität verstoßender Maßstab auch bezüglich 1) besonders großer Grundstücke, 2) besonders großer landwirtschaftlich genutzter und 3) besonders großer landwirtschaftlich genutzter und mehrfach erschlossener Grundstücke? Wo könnte eine Grenze bei der Belastungshöhe landwirtschaftlich genutzter Grundstücke liegen, an der der (grobe) Grundflächenmaßstab - wegen der geringen Inanspruchnahme der Straße von landwirtschaftlich genutzten Grundstücken aus - als nicht mehr hinreichend vorteilsgerecht einzuordnen wäre?

Für den Fall, dass der Grundflächenmaßstab ohne Flächenbegrenzung für besonders große (landwirtschaftlich genutzte und ggf. mehrfacherschlossene) Grundstücke gegen das Gebot der Leistungsproportionalität verstößt bzw. je nach Gemeinde bei Erreichen einer gewissen Belastungshöhe verstoßen kann: Mit welchen Maßnahmen können Gemeinden die Wirksamkeit des (vollständigen) Maßstabes erreichen?

Müssen Gebührenausfälle wegen Vergünstigungen für große (Kappungsgrenze oder Tiefenbegrenzung) und mehrfach erschlossene landwirtschaftlich genutzte Grundstücke (Mehrfacherschließungsvergünstigung) im Straßenreinigungsgebührenrecht zwingend zum Nachteil der Gemeinde gehen oder können bzw. müssen die übrigen Gebührenpflichtigen damit belastet werden, wenn die Vergünstigungen geringere Vorteile aus der Straßenreinigung reflektieren? Ist diese Frage bei einer allgemeinen Kappungsgrenze, die sämtliche Nutzungen einschließt, anders zu beurteilen?