Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 06.01.2010, Az.: 11 ME 588/09
Statthaftigkeit der Beschwerde gegen die vorläufige Abschiebung in den nach § 27a Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat bis zur Zustellung der Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylVfG an den Ausländer
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 06.01.2010
- Aktenzeichen
- 11 ME 588/09
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 10005
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2010:0106.11ME588.09.0A
Verfahrensgang
Rechtsgrundlagen
- § 27a AsylVfG
- § 34a AsylVfG
- § 80 AsylVfG
Amtlicher Leitsatz
Gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, die Abschiebung in den nach § 27a AsylVfG für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat bis zur Zustellung der Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylVfG an den Ausländer vorläufig zu untersagen, ist eine Beschwerde unstatthaft.
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig und deshalb zu verwerfen.
Dabei wird zu Gunsten der Antragsgegnerin entsprechend ihren telefonischen Angaben vom 5. Januar 2010 davon ausgegangen, dass der umstrittene Bescheid vom 22. Oktober 2009 dem Antragsteller nach § 31 Abs. 1 Satz 4 und 5 AsylVfG unverändert nicht förmlich zugestellt worden und die Antragsgegnerin damit durch die angegriffene Entscheidung weiterhin beschwert ist.
Die Beschwerde ist aber nach § 80 AsylVfG ausgeschlossen. Danach können Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach dem Asylverfahrensgesetz - wie hier - grundsätzlich nicht mit der Beschwerde angefochten werden. Der in § 80 AsylVfG gesetzlich geregelte Ausnahmefall des § 133 Abs. 1 VwGO ist nicht gegeben. Entgegen der Annahme der Antragsgegnerin sind weitere, ungeschriebene Ausnahmen auch für die vorliegende Fallgestaltung nicht (mehr) anzuerkennen. In der aktuellen obergerichtlichen Rechtsprechung wird vielmehr - soweit ersichtlich einheitlich - zutreffend davon ausgegangen, dass der Beschwerdeausschluss nach § 80 AsylVfG umfassend ist und sich selbst auf Entscheidungen des Verwaltungsgerichts bezieht, die imAsylverfahrensgesetz, insbesondere nach § 34a Abs. 2, nicht vorgesehen sind (vgl. OVG Bautzen, Beschl. v. 11.8.2009 - A 5 E 78/09 -; OVG Münster, Beschl. v. 2.12.2008 - 15 B 1730/08 A -; VGH Mannheim, Beschl. v. 17.11.2008 - A 2 S 2867/08 -, NVwZ 2009, 792 f.; VGH München, Beschl. v. 10.11.2008 - 13a CE 08.30301 -, BayVBl. 2009, 476 f.; OVG Hamburg, Beschl. v. 2.10.2008 - 3 Bs 182/08 -, NVwZ 2009, 62 f.). Die in älterer, von der Antragsgegnerin zitierter obergerichtlicher Rechtsprechung (OVG Münster, Beschl. v. 17.6.1996 - 13 B 410/96 A -, OVGE 46, 4 ff:, VGH München, Beschl. v. 28.10.1993 - 24 CE 93.31582 und 31632 -, DVBl. 1994, 61 ff.) insoweit sinngemäß noch für statthaft gehaltene "außerordentliche Beschwerde" ist spätestens seit dem Inkrafttreten des Anhörungsrügengesetzes vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3220) ausgeschlossen (vgl. nunmehr ausdrücklich auch VGH München, Beschl. v. 10.11.2008, a.a.O.). Denn ein solcher außerhalb des geschriebenen Rechts geschaffener "außerordentlicher" Rechtsbehelf wegen sogenannter greifbarer Gesetzeswidrigkeit oder eines vergleichbar schwerwiegenden Fehlers einer an sich unanfechtbaren gerichtlichen Entscheidung ist mit dem verfassungsrechtlichen Gebot der Rechtsmittelklarheit unvereinbar (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 14.9.2009 - 12 OB 242/08 -, [...], m.w.N.).
Im Übrigen ist der Beschluss des Verwaltungsgerichts auch nicht "greifbar gesetzeswidrig". Nach § 34a Abs. 2 AsylVfG darf "nur" die nach Absatz 1 dieser Bestimmung angeordnete Abschiebung nicht verwaltungsgerichtlich ausgesetzt werden. Damit wird jedoch die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine Abschiebung bzw. Überstellung nicht zugleich auch für den hier vom Verwaltungsgericht angenommenen Fall ausgeschlossen, dass die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG noch nicht wirksam zugestellt, die Abschiebung also i.S.d. § 34a AsylVfG noch nicht angeordnet worden ist. § 31 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG schreibt ausdrücklich vor, dass die Entscheidung des Bundesamtes unverzüglich zuzustellen ist. Wenn daher - wie hier nach Aktenlage - aus Sicht des Bundesamtes feststeht, dass die Abschiebung in den zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) durchgeführt werden kann, so ist die diesbezügliche Abschiebungsanordnung auch dem betroffenen Ausländer zuzustellen.