Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 05.01.2010, Az.: 7 KS 212/06

Vorbehalt von Einzelheiten des naturschutzrechtlichen Kohärenzausgleichs einer ergänzenden Entscheidung in einem straßenrechtlichen Planfeststellungsbeschluss

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
05.01.2010
Aktenzeichen
7 KS 212/06
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2010, 10004
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2010:0105.7KS212.06.0A

Fundstellen

  • BauR 2010, 660
  • DVBl 2010, 323
  • NuR 2010, 194-195
  • UPR 2010, 458

Amtlicher Leitsatz

In einem straßenrechtlichen Planfeststellungsbeschluss dürfen nur die Einzelheiten des naturschutzrechtlichen Kohärenzausgleichs einer ergänzenden Entscheidung vorbehalten werden. Die Maßnahmen müssen nach Art, Ausmaß und Zeitdauer bereits weitgehend feststehen (wie BVerwG, Beschl. v. 31.01.2006 - 4 B 49.05 -, DVBl. 2006, 579). Nachträgliche Änderung der Sach- oder Rechtslage können im Anfechtungsprozess gegen einen straßenrechtlichen Planfeststellungsbeschluss zugunsten der Behörde berücksichtigt werden (im Anschluss an Nds. OVG, Urt. v. 01.12.2004 - 7 LB 44/02 -, Nds. VBl. 2006, 10 <14> und BVerwG, Urt. v. 09.07.2008 - 9 A 14.07 -, BVerwGE 131, 274, Rn. 87).

Gründe

1

Nachdem der Kläger am 26. November 2009 die Hauptsache für erledigt erklärt und die Beklagte sich dem am 7. Dezember 2009 angeschlossen hat, ist das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 S. 1 VwGO einzustellen und nach § 161 Abs. 2 S. 1 VwGO lediglich noch über die Kosten zu entscheiden.

2

Unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands entspricht es dem dafür maßgeblichen billigen Ermessen, dass die Gerichtskosten geteilt werden und jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt (vgl. § 155 Abs. 1 S. 2 VwGO). Denn die Erfolgsaussichten der Klage waren bis zur Einleitung des Planfeststellungsverfahrens für den 3. Bauabschnitt der A 26 am 25.03.2009 und der damit verbundenen konkreten Ausweisung von Kohärenzmaßnahmen im Vogelschutzgebiet V 59 offen.

3

Ein Fehler im Anhörungsverfahren im Rahmen von § 73 Abs. 8 VwVfG wäre aus den von der Beklagten dargelegten Gründen allerdings nicht festzustellen gewesen; zumindest hätte er nicht zu der beantragten Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses führen können.

4

Ebenso ließ sich übersehen, dass das vor allem mit der Unverhältnismäßigkeit der Mehrkosten gerechtfertigte Absehen von einer Tunnellösung bei der Kreuzung mit der Bahnlinie Hamburg-Cuxhaven auf der Grundlage von § 8 NNatG gerichtlich nicht zu beanstanden gewesen wäre.

5

Es war nach § 74 Abs. 3 VwVfG ferner grundsätzlich möglich, die Kompensationsmaßnahme E 13 im Vogelschutzgebiet 59 einem ergänzenden Verfahren vorzubehalten und dafür zwischenzeitlich den Gauensieker Sand des Vogelschutzgebiets V 18 "Unterelbe" bereitzuhalten. Dass dieser nach seiner Beschaffenheit und trotz der Entfernung vom Eingriffsort als Kompensationsraum für Wiesenvögel und Langstreckenzieher wie den Wachtelkönig geeignet war bzw. ist, hat der Senat in seinem Beschluss vom 12.12.2005 - 7 MS 91/05 - ([...], Rn. 47) in einem anderen Zusammenhang bereits festgestellt; er hätte dies bei einer streitigen Entscheidung vorliegend voraussichtlich nicht anders beurteilt.

6

§ 74 Abs. 3 VwVfG erlaubt allerdings lediglich, "Einzelheiten" des naturschutzrechtlichen Kohärenzausgleichs einem ergänzenden Planfeststellungsbeschluss vorzubehalten (BVerwG, Beschl. v. 31.01.2006, - 4 B 49.05 -, [...], LS 2 u. Rn. 21 =DVBl. 2006, 579<583>). Die Durchführung der Sicherungsmaßnahmen darf danach nicht ungewiss sein, die Maßnahmen müssen nach Art, Ausmaß und Zeitdauer weitgehend feststehen und dem Planungsträger vorgegeben werden. Es ist zweifelhaft, ob der Planfeststellungsbeschluss dem im Erlasszeitpunkt genügt hat. Denn er thematisierte lediglich die Aussicht, im - damals künftigen noch nicht eingeleiteten - Planfeststellungsverfahren für den 3. Bauabschnitt der A 26 und dem damit verbundenen Flurbereinigungsverfahren geeignete Flächen zu erhalten, dafür einen freihändiger Flächenerwerb "anzustreben" und auf dieser Basis voraussichtlich einen ausreichenden Zeitvorlauf zu haben (BI.2 a.E.). Auch A.I.3.2 des Planfeststellungsbeschlusses verweist ohne weitere Vorgaben für den Vorhabensträger auf das künftige A-26-Verfahren und ein dies einschließendes künftiges "Gesamtkonzept". Ohne weitergehende vertiefende Untersuchungen dieses Konzepts und seiner erforderlichen Verfestigung schon zum damaligen Zeitpunkt lassen sich Aussagen dazu, ob der Kohärenzausgleich damit in ausreichender Weise sichergestellt war, nicht treffen. Ein zur Fehlerhaftigkeit der Anordnung von Kohärenzsicherungsmaßnahmen nach § 34c Abs. 5 S. 1 NNatG führendes Defizit wäre auch nicht unerheblich nach § 17e Abs. 6 S. 1 FStrG (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.03.2008 - 9 A 3.06 -, BVerwGE 130, 299, Rn. 155 = [...] Rn. 155), weil in der Abwägung von der Durchführbarkeit solcher Maßnahmen ausgegangen wird und der Begründung nicht entnommen werden kann, dass der Planfeststellungsbeschluss auch wie geschehen erlassen worden wäre, wenn es dazu nicht kommen sollte.

7

Zutreffend argumentiert die Beklagte allerdings, dass aktuell inzwischen geeignete Kohärenzflächen konkret festgelegt worden sind und ein eventuelles Defizit damit behoben ist, weiter, dass diese Änderung auch im Anfechtungsprozess zu berücksichtigen gewesen wäre (BVerwG, a.a.O., LS 18 u. Rn. 255 ; BVerwG, Urt. v. 09.07.2008 - 9 A 14.07 -, BVerwGE 131, 274, Rn. 87 = [...] Rn. 87; zuvor so bereits zu dieser Frage Nds.OVG, Urt. v. 01.12.2004 - 7 LB 44/02 -, Nds.VBl. 2006, 10 <14>). Das kommt der Beklagten im Rahmen der Billigkeitsentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO jedoch nicht zugute, weil der Kläger hierauf gerade mit seiner Erledigungserklärung reagiert hat, so dass eine darin liegende die Klageaussichten verschlechternde Veränderung der Sach- und Rechtslage nicht zu seinen Lasten gehen kann (vgl. Rechtsgedanke des§ 156 VwGO).

8

Hingegen ließe sich der Umstand, dass im parallelen Planfeststellungsverfahren bzw. im Zusammenhang mit diesem ausreichende Flächen im Vogelschutzgebiet V 59 nunmehr tatsächlich gefunden werden konnten, als nachträgliche Bestätigung der ausreichenden Bestimmtheit und Validität des Vorbehalts im Planfeststellungsbeschluss werten.

9

Insgesamt entspricht es damit billigem Ermessen, die Kosten wie geschehen zu teilen.

10

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG.