Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 19.01.2010, Az.: 10 LC 96/09
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 19.01.2010
- Aktenzeichen
- 10 LC 96/09
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2010, 41816
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2010:0119.10LC96.09.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Stade - 17.06.2009 - AZ: VG 6 A 2077/06
- nachfolgend
- BVerwG - 27.01.2011 - AZ: BVerwG 3 C 14.10
In der Verwaltungsrechtssache
...
Streitgegenstand: Rindersonderprämie 1995
hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht - 10. Senat - auf die mündliche Verhandlung vom 19. Januar 2010 durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Rettberg, die Richter am Oberverwaltungsgericht Hüsing und Süllow sowie die ehrenamtliche Richterin B. und den ehrenamtlichen Richter C. für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade - 6. Kammer - vom 17. Juni 2009 geändert. Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die teilweise Rückforderung einer Rinder-Sonderprämie für das Jahr 1995 und gegen die teilweise Rücknahme der dieser Zahlung zugrunde liegenden Bescheide.
Er bewirtschaftet einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Rinderhaltung in D.. Am 21. Januar 1994 und am 18. Januar 1995 reichte er bei der Landwirtschaftskammer Hannover -Kreisstelle Osterholz - jeweils eine Beteiligungserklärung im Rahmen der Gewährung einer Sonderprämie für männliche Rinder für das betreffende Kalenderjahr ein. Am 22. Februar 1995, 10. April 1995 (zwei Anträge), 5. September 1995, 7. September 1995 und 21. November 1995 (zwei Anträge) beantragte der Kläger die Gewährung einer Sonderprämie für insgesamt 69 männliche Rinder, davon für 58 Tiere die Prämie für die 1. Altersklasse und für 11 Tiere die Prämie für die 1. und 2. Altersklasse zusammen.
Das Amt für Agrarstruktur (AfA) Bremerhaven bewilligte daraufhin mit Bescheid vom 15. Dezember 1995 eine Vorschusszahlung auf die Sonderprämie für Rindfleischerzeuger 1995 in Höhe von 4 774,25 DM für die Rinder aus den ersten drei Anträgen (21 Tiere der 1. Altersklasse und 3 Tiere der 1. und 2. Altersklasse zusammen). Mit Bescheid vom 8. Juli 1996 über die Abschlusszahlung der Sonderprämie für Rindfleischerzeuger bewilligte das AfA Bremerhaven dem Kläger einen weiteren Auszahlungsbetrag in Höhe von 9 660,47 DM, wobei es für 3 Tiere der 1. Altersklasse wegen Überschreitens der Altersgrenze (Kürzungsgrund K 11), für 2 Tiere der 1. und 2. Altersklasse zusammen wegen fehlenden Altersnachweises (Kürzungsgrund K 12) sowie für 11 Tiere der 1. Altersklasse und 4 Tiere der 1. Altersklasse und 2. Altersklasse zusammen als Folge der Sanktion eines anderen Tieres eine Sonderprämie ablehnte (Kürzungsgründe K 11 und K 12) bzw. kürzte (Kürzungsgrund K 18).
Der Kläger erhob hiergegen am 29. Juli 1996 Widerspruch.
Mit Rücknahme- und Rückforderungsbescheid vom 7. August 1996 nahm das AfA Bremerhaven den Bescheid über die Vorschusszahlung vom 15. Dezember 1995 in Höhe von 381,34 DM zurück und forderte die Rückzahlung dieses Betrages. Grund hierfür war die Ablehnung der Prämie für 4 Tiere der 1. Altersklasse aus dem ersten Antrag vom April 1995 (Kürzungsgrund K 11).
Der Kläger legte hiergegen unter dem 27. August 1996 Widerspruch ein.
Das AfA Bremerhaven bat mit Schreiben vom 24. und 28. April 1997 den Kläger um Mitteilung, ob er hinsichtlich seiner Widersprüche gegen die K 11- und die K 12- Kürzungen "das Musterverfahren abwarten" wolle, wenn dem Widerspruch nicht vollständig stattgegeben werden könnte. Daraufhin füllte der Kläger unter dem 29. Juli 1997 einen entsprechenden Vordruck aus und bat darum, "über den Widerspruch erst nach Abschluss der Musterverfahren zu entscheiden", falls diesem nicht vollständig stattgegeben werden könne. Zugleich reichte er für 2 Tiere der 2. Altersklasse Kopien aus dem Bestandsregister für den fehlenden Altersnachweis ein.
Daraufhin teilte das AfA Bremerhaven ihm mit Schreiben vom 2. September 1997 mit, dass seinem Widerspruch vom Juli 1996 hinsichtlich der K 12-Kürzungen für diese beiden Tiere und den daraus resultierenden K 18-Kürzungen abgeholfen werde. Eine Abhilfe erfolge auch hinsichtlich der K 11-Kürzung für ein weiteres Tier der 1. Altersklasse und den aus dieser Kürzung resultierenden Folgesanktionen (K 18). Hinsichtlich der übrigen K 11-Kürzungen werde das AfA "nach der Entscheidung im Musterverfahren" auf die Angelegenheit zurückkommen.
Mit Bescheid über die Abschlusszahlung der Sonderprämie für Rindfleischerzeuger vom 2. September 1997 bewilligte das AfA dem Kläger einen weiteren Auszahlungsbetrag in Höhe von 1 095,94 DM.
Mit Anhörungsschreiben vom 7. Juni 2006 teilte die Beklagte als Funktionsnachfolgerin des AfA dem Kläger mit, dass mehrere grundsätzliche gerichtliche Entscheidungen ergangen seien, die nunmehr eine endgültige Bearbeitung der Rindersonderprämie 1995 ermöglichten. Grundvoraussetzung für die Prämiengewährung sei danach ein ordnungsgemäß geführtes Bestandsregister, das mindestens die im "Merkblatt" niedergelegten Angaben enthalten müsse. Das Register müsse vom Gesamteindruck her schlüssig und die Antragstiere müssten in diesem enthalten sein. Vor allem müssten die Eintragungen kontinuierlich erfolgt sein, d.h. grundsätzlich müssten alle männliche Rinder entsprechend dem Ereignis (Geburt/Zukauf) eingetragen worden sein. Falls bereits diese Anforderungen nicht erfüllt würden, gelte das Bestandsregister als fehlerhaft. Die Prämienvoraussetzungen seien damit nicht erfüllt und jede weitere Prüfung von ergänzenden Unterlagen unterbleibe. Zur Bearbeitung seines Widerspruchs sei das in der Akte vorliegende Bestandsregister der Jahre 1992-1995 herangezogen worden. Aufgrund der unzureichenden Führung dieses Registers sei der Altersnachweis für männliche Rinder der 2. Altersklasse insgesamt nicht geführt und sämtliche Antragstiere für die 2. Altersklasse wären abzulehnen. Bereits ausgezahlte Prämien wären zurückzufordern. Hinsichtlich der Beanstandungen im Einzelnen wird auf das Anhörungsschreiben verwiesen.
Die Beklagte wies sodann mit Widerspruchsbescheid vom 25. Juli 2006 die beiden Widersprüche des Klägers zurück und änderte den Vorschussbescheid des AfA Bremerhaven vom 15. Dezember 1995 und dessen Abschlusszahlungsbescheide vom 8. Juli 1996 sowie 2. September 1997 dahingehend ab, dass diese in Höhe von insgesamt 1 386,63 € (2 712,02 DM) zurückgenommen wurden und ein entsprechender Betrag zuzüglich Zinsen zurückgefordert wurde. Nach Anlage 1 des Widerspruchsbescheides wurde für alle 11 Antragstiere der 2. Altersklasse die Prämie mit der Begründung abgelehnt, der Altersnachweis sei nicht erbracht worden (Kürzungsgrund K 12). Zur Begründung des Widerspruchsbescheides wiederholte und vertiefte die Beklagte ihre Ausführungen aus dem Anhörungsschreiben.
Der Kläger hat daraufhin am 24. August 2006 Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen geltend gemacht: Er habe die Voraussetzungen für die Gewährung der Rindersonderprämie für die 2. Altersklasse nachgewiesen. Fehler im Bestandsverzeichnis berührten den Prämienanspruch dann nicht, wenn diese nicht bei mindestens zwei Kontrollen innerhalb von 24 Monaten festgestellt worden seien. Zudem hätten bei Einführung der Pflicht zum Führen eines Bestandsregisters im Jahr 1992 keine besonderen gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben bestanden. Diese seien erst im Rahmen der sogen. BSE-Krise 1997 eingeführt worden. Die Beklagte verkenne das einschlägige abgestufte Sanktionssystem; eine Handhabung nach dem Prinzip "alles oder nichts" finde in den gemeinschaftsrechtlichen Regelungen keine Stütze. Zudem sei eine Rückforderung wegen eingetretener Verjährung unzulässig. Im Übrigen habe er im guten Glauben gehandelt. Bis zum Ergehen des Anhörungsschreibens im Jahre 2006 sei von keiner Behörde das Bestandsregister als problematisch im Hinblick auf die Prämienbewilligung angesehen worden. Es seien keine Gründe für eine Rückforderung der bewilligten Prämien erkennbar gewesen.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 25. Juli 2006 aufzuheben, soweit dieser ihn unter teilweiser Rücknahme der Bescheide des Amtes für Agrarstruktur Bremerhaven vom 15. Dezember 1995, 8. Juli 1996 und 2. September 1997 zur Rückzahlung von Rindersonderprämie 1995 für die zweite Altersklasse in Höhe von 1 386,63 € verpflichtet.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie im Wesentlichen erwidert: Der angefochtene Rücknahme- und Rückforderungsbescheid sei rechtmäßig. Das AfA habe dem Kläger in den entsprechenden Bewilligungsbescheiden zu Unrecht Rindersonderprämie für die 2. Altersklasse gewährt. Ein ordnungsgemäß geführtes Bestandsverzeichnis sei formelle und zugleich materielle Voraussetzung für die Gewährung der Rindersonderprämie. Im Bestandsregister des Klägers fehlten bei 64 Tieren die Jahresangaben bei den Abgangsdaten und bei 39 Tieren die Jahreszahlen bei den Zugängen bzw. Geburten. Ein ordnungsgemäß geführtes Bestandsregister liege mithin nicht vor. Aufgrund des fehlerhaften Bestandsregisters bestünden Zweifel an dem Alter der Antragstiere, die nicht mit weiteren Bescheinigungen ausgeräumt werden könnten, da es ausgeschlossen sei, Mängel des Bestandsregisters mit anderen Belegen auszugleichen. Von der Rückforderung könne auch unter Vertrauensschutzgesichtspunkten nicht abgesehen werden. Die vom Kläger erhobene Einrede der Verjährung greife nicht durch. Die in Art. 49 Abs. 5 Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 normierte 10-Jahres-Frist sei nicht verstrichen. Wegen des Grundsatzes der Spezialität trete Art. 3 Abs. 1 Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 hinter der vorgenannten Bestimmung zurück. Aber selbst bei Geltung des Art. 3 Abs. 1 Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 sei das Recht der Mitgliedstaaten zu berücksichtigen, eine längere nationale Verjährungsfrist anzuwenden. Diese nationale Verjährungsfrist sei die als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens angesehene 30jährige kenntnisunabhängige Verjährungsfrist.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Es könne dahinstehen, ob das AfA Bremerhaven dem Kläger die Sonderprämie der 2. Altersklasse zu Unrecht gewährt habe und die Bewilligungsbescheide insoweit rechtswidrig seien. Denn der Kläger könne sich gegenüber der (Teil-)Rücknahme und der Rückforderung im Bescheid der Beklagten vom 25. Juli 2006 auf Verfolgungsverjährung gemäß Art. 3 Abs. 1 Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 berufen. Diese Vorschrift gelte nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes sowohl für solche Unregelmäßigkeiten, die zur Verhängung einer Sanktion im Sinne von Art. 5 der Verordnung führten, als auch für diejenigen, die Gegenstand einer verwaltungsrechtlichen Maßnahme im Sinne von Art. 4 der Verordnung seien, die den Entzug des rechtswidrig erlangten Vorteils bewirken solle, aber nicht den Charakter einer Sanktion habe. Das dem Kläger zur Last gelegte nicht ordnungsgemäße Führen des Bestandsregisters und der Umstand, dass er einen Antrag für Rinder gestellt habe, für die er das erforderliche Alter nicht nachgewiesen habe, stellten - gesetzt den Fall, dieser Tatbestand liege vor - eine Unregelmäßigkeit i.S.v. Art. 1 Abs. 2 Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 dar. Unerheblich sei, dass diese Verordnung erst am 26. Dezember 1995 in Kraft getreten sei. Denn die in deren Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 geregelte Verjährungsfrist sei auf Unregelmäßigkeiten, die vor Inkrafttreten dieser Verordnung begangen worden seien, ebenso anwendbar und beginne in einem solchen Fall ab dem Zeitpunkt der Begehung der fraglichen Unregelmäßigkeit zu laufen.
Es könne offengelassen werden, ob die Verjährung i.S. von Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 3 Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 durch Ermittlungs- und Verfolgungshandlungen des Funktionsvorgängers der Beklagten oder durch die Zustimmung des Klägers, über seinen Widerspruch erst nach Abschluss der sog. Musterverfahren zu entscheiden, unterbrochen worden sei. Denn die Verjährung trete spätestens ein, nachdem eine Frist abgelaufen sei, die doppelt so lang sei wie die vierjährige Verjährungsfrist, ohne dass die Behörde eine Sanktion verhängt habe ( Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 4 Verordnung [EG, EURATOM] Nr. 2988/95 ). Diese Frist sei hier verstrichen. Sehe man die nicht ordnungsgemäße Führung des Bestandsregisters durch den Kläger als wiederholte Unregelmäßigkeit an, so sei diese mit der letzten Antragstellung zur Rindersonderprämie 1995 beendet worden. Die 8-jährige Frist sei demnach am 21. November 2003 abgelaufen.
Die Beklagte könne sich demgegenüber nicht auf die 10-jährige Frist des Art. 49 Abs. 5 Unterabs. 1 Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 der Kommission berufen. Letztere werde hier von der Regelung des Art. 3 Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 des Rates verdrängt. Diesem Ergebnis lasse sich nicht mit Erfolg entgegenhalten, Art. 49 Abs. 5 Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 als der später erlassenen Vorschrift komme gegenüber der aus dem Jahr 1995 stammenden Vorschrift des Art. 3 Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 nach dem Grundsatz "lex posterior derogat legi priori" ein Anwendungsvorrang zu bzw. Art. 49 Abs. 5 Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 sei gegenüber Art. 3 Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 die speziellere Regelung und daher vorrangig heranzuziehen ("lex specialis derogat legi generali"). Auf Art. 3 Abs. 3 Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95, wonach die Mitgliedstaaten die Möglichkeit behielten, eine längere Frist als die in Abs. 1 vorgesehene Frist anzuwenden, könne sich die Beklagte nicht berufen, weil die längere Frist des Art. 49 Abs. 5 Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 nicht auf einer Rechtssetzung durch den nationalen Gesetzgeber beruhe. Der Gemeinschaftsgesetzgeber habe im Bereich der Kontrollen und Sanktionen der auf dem Gebiet des Gemeinschaftsrechts begangenen Unregelmäßigkeiten mit dem Erlass der Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 eine Reihe allgemeiner Grundsätze aufgestellt und vorgeschrieben, dass grundsätzlich alle sektorbezogenen Verordnungen diese Grundsätze beachteten. Insbesondere Art. 54 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 sei deshalb dahin auszulegen, dass er der Anwendung des Grundsatzes aus Art. 2 Abs. 2 Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 nicht entgegenstehe. Auch die in Art. 49 Abs. 5 Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 vorgesehene Frist stehe deshalb der Anwendung der Verjährungsvorschrift des Art. 3 Abs. 1 Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 nicht entgegen.
Aus der Vorschrift des Art. 3 Abs. 3 Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95, wonach die Mitgliedstaaten zum einen längere Verjährungsfristen, die zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Verordnung bestanden, weiter anwenden könnten, und zum anderen nach diesem Zeitpunkt neue Verjährungsregelungen mit längeren Fristen einführen dürften, könne die Beklagte nicht die Anwendbarkeit der nationalen 30-jährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB a.F. ableiten. Denn der streitgegenständliche - dem Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Fall BGB entsprechende - öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch unterliege der dreijährigen Regelverjährungsfrist des § 195 BGB n.F. Auch könne die Beklagte nicht mit Erfolg geltend machen, dass die Kenntnis ihres Funktionsvorgängers von den anspruchsbegründenden Tatsachen erst im Jahr 2004 - nämlich nach Erlass bzw. Zustellung der Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 23. Juni 2004 (10 LB 33/03 und 10 LB 165/01 ) - eingetreten sei mit der Konsequenz, dass die mit Bescheid vom 25. Juli 2006 verfügte Rückforderung gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB n.F. rechtzeitig innerhalb der 3-jährigen Frist erfolgt sei. Denn hinsichtlich der Frage, wann die Beklagte von der Rechtswidrigkeit der Prämienzahlung infolge des nicht ordnungsgemäß geführten Bestandsregisters wusste bzw. hätte wissen müssen, könne kein anderer Maßstab gelten als der, der hinsichtlich der Frage eines etwaigen Vertrauensschutzes des Klägers anzulegen sei.
Die Pflicht zur Eintragung in das Bestandsregister spätestens am dritten Tag nach Zugang des Rindes aus Art. 14 Verordnung (EWG) Nr. 3886/92 habe gemäß Art. 61 Unterabs. 2 Verordnung (EWG) Nr. 3886/92 seit dem 1. Januar 1993 bestanden. Die Verpflichtung der ordnungsgemäßen Führung eines Bestandsregisters aufgrund der Regelung in § 5 der Rinder- und Schafprämienverordnung vom 5. Februar 1993 habe seit Februar 1993 bestanden. Seinen Willen, im Geltungsbereich dieser Bestimmungen Rindersonderprämie 1995 zu beantragen, habe der Kläger mit Übersendung der Beteiligungserklärung deutlich gemacht. Wenn aber den Landwirten, insbesondere auch wegen der "Merkblätter", die Rechtslage bekannt war bzw. hätte bekannt sein müssen, gelte dies für die Beklagte gleichermaßen, zumal die genannten Merkblätter vom Niedersächsischen Landwirtschaftsministerium - also der obersten Landesbehörde - herausgegeben worden seien. Damit hätte der Funktionsvorgänger der Beklagten von der Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Zahlungen aufgrund des - unterstellt - nicht ordnungsgemäß geführten Bestandsregisters ohne grobe Fahrlässigkeit bereits vor Inkrafttreten der Schuldrechtsreform Kenntnis erlangen müssen, so dass gemäß Art. 229 § 6 EGBGB die neue dreijährige Verjährungsfrist am 1. Januar 2002 zu laufen begonnen habe und mit Ablauf des Jahres 2004 Verfolgungsverjährung eingetreten sei.
Die Beklagte könne dem Kläger auch nicht entgegenhalten, dass die erhobene Einrede der Verjährung eine unzulässige Rechtsausübung darstelle. Treuwidrig sei die Erhebung der Einrede der Verjährung hier schon deshalb nicht, weil dem Widerspruch des Klägers im Hinblick auf die die 2. Altersklasse betreffenden Kürzungen der Rindersonderprämie 1995 bereits mit Bescheid des AfA Bremerhaven vom 2. September 1997 vollumfänglich abgeholfen worden sei. Der Abschlusszahlungsbescheid des AfA Bremerhaven vom 8. Juli 1996 in Gestalt des Bescheides vom 2. September 1997 erkenne dem Kläger im Hinblick auf alle 11 Antragstiere die Prämie für die 2. Altersklasse vollumfänglich zu. Nach Erlass des Abhilfebescheides vom 2. September 1997 habe sich mithin der Widerspruch des Klägers lediglich noch auf die K11-Kürzungen bezogen, d.h. auf die Kürzungen der Rindersonderprämie für die Antragstiere der 1. Altersklasse. Ein Widerspruchsverfahren im Hinblick auf die Prämie der 2. Altersklasse sei demnach nach Erlass des Bescheides vom 2. September 1997 nicht mehr anhängig gewesen.
Gegen das Urteil führt die Beklagte die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Berufung. Dazu trägt sie ergänzend im Wesentlichen vor:
Das Verwaltungsgericht habe der Klage zu Unrecht stattgegeben. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, bei der Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 handele es sich um eine Rahmenregelung, mit der alle sonstigen Vorgaben im europäischen Sekundärrecht in Einklang stehen müssten, überzeuge nicht. Es sei nicht davon auszugehen, dass im Vergleich zu der Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 längere Verjährungsvorschriften in anderen Verordnungen der Gemeinschaft stets unzulässig wären. Auch der Umstand, dass es sich bei der Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 um eine Verordnung des Rates handele, während die Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 von der Kommission stamme, begründe keine Vorrangigkeit der erstgenannten Verordnung. Zentrale Kategorie zur Systematisierung innerhalb einer Normebene bilde auch im Gemeinschaftsrecht der Grundsatz der Spezialität, so dass die Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 als speziellere Regelung vorrangig anzuwenden sei. Dies gelte auch bei Anwendung der lex-posterior-Regel, zumal der Anwendungsbereich auch auf Prämienzeiträume ausgedehnt worden sei, die vor dem 1. Januar 2002 begonnen hätten. Des Weiteren sei die Annahme des Verwaltungsgerichts, nach nationalem Recht sei die 30jährige Verjährungsfrist durch eine 3jährige Verjährungsfrist ersetzt worden, so dass alle Ansprüche mit Ablauf des Jahres 2004 verjährt seien, nicht richtig. Es sei weiterhin die 30jährige Verjährungsfrist anzuwenden. Daneben sei auch die 3jährige Verjährungsfrist nicht abgelaufen. Diese Verjährungsfrist beginne erst dann zu laufen, wenn der Gläubiger von den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt habe oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Unübersichtliche Rechtslagen schlössen bis zur rechtlichen Klärung den Verjährungsbeginn aus. Eine solche unübersichtliche Rechtslage habe hier vorgelegen, die erst mit Bekanntgabe der Entscheidungen des Senats vom 23. Juni 2004 geklärt worden sei, so dass zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheides der Rückforderungsanspruch nicht verjährt sei. Daneben stelle die vom Kläger erhobene Einrede der Verjährung eine unzulässige Rechtsausübung dar. Die betroffenen Landwirte hätten durch ihre ausdrückliche Bitte und die Zustimmung zur Durchführung von Musterverfahren dafür gesorgt, dass sie - die Beklagte - mit der Überprüfung der Prämiengewährung nicht fortgefahren sei. Ferner könne sich der Kläger nicht auf guten Glauben berufen. Die am Rindersonderprämienverfahren 1995 beteiligten Landwirte seien in einem Merkblatt auf die zu beachtenden rechtlichen Vorgaben hingewiesen worden. Der Inhalt der relevanten Vorschriften sei dem Kläger bekannt gewesen.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er entgegnet im Wesentlichen: Die von der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts gerichteten Beanstandungen seien unbegründet. Hinsichtlich der Verjährungsbestimmung des Art. 49 Abs. 5 Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 verkenne die Beklagte, dass diese Vorschrift allein auf die Rückforderung, nicht aber auf die Rücknahme des ursprünglichen Bewilligungsbescheides anwendbar sei. Auf die Rücknahme als verwaltungsrechtliche Maßnahme im Sinne von Art. 1 Abs. 1 und Art. 4 Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 sei Art. 3 Abs. 1 der Verordnung anzuwenden. Unabhängig davon finde Art. 49 Abs. 5 Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 wegen des Vorrangs der Rahmenregelung in Art. 3 Abs. 1 Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 keine Anwendung. Aber selbst bei Anwendung des Art. 49 Abs. 5 Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 gelte eine Verjährungsfrist von vier Jahren, weil er in gutem Glauben gehandelt habe. Unabhängig davon sei die Gewährung der Rindersonderprämie 1995 entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht rechtswidrig gewesen. Es sei nicht davon auszugehen, dass ein in jeder Hinsicht ordnungsgemäß geführtes Bestandsregister formelle und zugleich materielle Voraussetzung für die Gewährung der Rindersonderprämie sei. Allenfalls sei im Fall eines fehlerhaft geführten Bestandsregisters eine Kürzung, nicht aber eine Versagung der Rindersonderprämie gerechtfertigt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die in ihren wesentlichen Teilen Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Gründe
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Der Bescheid der Beklagten vom 25. Juli 2006, mit dem der Kläger unter teilweiser Rücknahme der Bescheide des Amtes für Agrarstruktur Bremerhaven vom 15. Dezember 1995, vom 8. Juli 1996 und vom 2. September 1997 zur Rückzahlung ihm gewährter Rindersonderprämien 1995 für die zweite Altersklasse in Höhe von 1 386,63 € verpflichtet worden ist, erweist sich als rechtmäßig.
1.
Die teilweise Rücknahme der Bescheide des Amtes für Agrarstruktur Bremerhaven vom 15. Dezember 1995 (Vorschussbescheid), vom 8. Juli 1996 (Abschlusszahlungsbescheid), und vom 2. September 1997 (Abschlusszahlungsbescheid) finden ihre rechtliche Grundlage in § 10 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisationen und der Direktzahlungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. Juni 2005 (BGBl. I S. 1847) - MOG -. Nach dieser Bestimmung sind rechtswidrige begünstigende Bescheide in den Fällen der §§ 6 und 8 MOG, auch nachdem sie unanfechtbar geworden sind, zurückzunehmen.
Grundsätzlich hindert ausschließendes vorrangiges Gemeinschaftsrecht die Anwendung des § 10 Abs. 1 Satz 1 MOG nicht. Das Gemeinschaftsrecht weist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ( Urteil vom 21. September 1983 - C-215/82 -; Urteil vom 20. September 1990 - C-5/89 -; Urteil vom 17. Mai 1993 - C-290/91 -, NVwZ 1993, 973; Urteil vom 13. März 2008 - C-383/06 -, juris) im gegenwärtigen Stand keine Rechtsvorschriften auf, die die Befugnis der Behörde dem Beihilfeempfänger gegenüber regeln, in der Durchführung des Gemeinschaftsrechts gewährte Prämien und Beihilfen zu widerrufen oder zurückzunehmen. Eine solche Befugnis lässt sich weder Art. 14 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 noch Art. 49 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 entnehmen, der sich auf ab dem 1. Januar 2002 beginnende Wirtschaftsjahre oder Prämienzeiträume bezieht. Nach diesen Bestimmungen ist der Betriebsinhaber bei zu Unrecht gezahlten Beträgen zwar zur Rückzahlung dieser Beträge zuzüglich Zinsen verpflichtet. Diese Norm gibt allerdings nur den äußeren Rahmen vor und überlässt es dem nationalen Gesetzgeber, unter welchen Voraussetzungen ein die Beihilfe gewährender rechtswidriger begünstigender Bescheid bei Nichtvorliegen der Bewilligungsvoraussetzungen zurückgenommen werden kann sowie wann die Verpflichtung zur Rückzahlung einer zu Unrecht gewährten Beihilfe erfüllt ist und durchgesetzt werden kann. Mithin kommt das nationale Recht zur Anwendung, jedoch unter Beachtung der durch das Gemeinschaftsrecht gezogenen Grenzen (vgl. EuGH, Urteil vom 13. März 2008, a.a.O. [Rdnr. 48]; BVerwG, Urteil vom 26. August 2009 - BVerwG 3 C 15.08 -, NL-BzAR 2009, 481 m.w.N. seiner Rechtsprechung; Senatsurteil vom 24. November 2004 - 10 LB 9/03 -, vom 7. Juli 2004 - 10 LB 3880/01 - und vom 21. Juni 2005 - 10 LB 156/02 -, n.v.).
Nach dem hier anzuwendenden § 10 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 MOG sind rechtswidrige begünstigende Bescheide, auch nachdem sie unanfechtbar geworden sind, in den Fällen der §§ 6 und 8 MOG zurückzunehmen. Bei der Bewilligung von Rindersonderprämie nach der Verordnung (EWG) Nr. 805/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch (ABl. Nr. L 148 S. 24) in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 2066/92 des Rats vom 30. Juni 1992 (ABl. Nr. L 215 S. 49) handelt es sich um eine Erzeugerprämie im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. f MOG.
Die genannten Bewilligungsbescheide des Amtes für Agrarstruktur Bremerhaven betreffend die Gewährung einer Rindersonderprämie für das Jahr 1995 sind rechtswidrig:
Nach Art. 4b der Verordnung (EWG) Nr. 805/68 können Erzeuger, die in ihrem Betrieb männliche Rinder halten, auf Antrag eine Sonderprämie für höchstens 90 Tiere der in Absatz 2 genannten Altersklassen erhalten. Die Sonderprämie wird höchstens zweimal im Leben jedes männlichen Rindes gezahlt, und zwar zum ersten Mal nach Erreichen eines Alters von 10 Monaten und zum zweiten Mal nach Erreichen eines Alters von 22 Monaten ( Art. 4b Abs. 2 Verordnung (EWG) Nr. 805/68 ). Mit der Verordnung (EWG) Nr. 3886/92 der Kommission vom 23. Dezember 1992 (ABl. Nr. L 391 S. 20) sind Durchführungsvorschriften für die Prämienregelung gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 805/68 erlassen worden, deren Regelungen unbeschadet der Vorschriften für das integrierte Verwaltungs- und Kontrollsystem gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 3508/92 des Rates vom 27. November 1992 zur Einführung eines integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen (ABl. Nr. L 355 S. 1) und der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 der Kommission vom 23. Dezember 1992 mit Durchführungsbestimmungen zum integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen (ABl. Nr. L 391 S. 36) gelten. Nach Art. 8 Verordnung (EWG) Nr. 3886/92 in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 538/93 der Kommission vom 9. März 1993 (ABl. Nr. L 57 S. 19) in Verbindung mit § 12 Rinder- und Schafprämien-Verordnung vom 5. Februar 1993 (BGBl. I S. 200) - RSVO - in der dem vorliegenden Rechtsstreit zugrunde zu legenden Fassung aufgrund der 4. Verordnung zur Änderung der Rinder- und Schafprämien-Verordnung vom 17. Dezember 1994 (BGBl. I S. 3846) wird die Sonderprämie für männliche Rinder als Schlachtprämie für die erste Altersklasse oder die zweite Altersklasse und für beide Altersklassen zusammen gewährt (Möglichkeit A des Art. 8 Verordnung (EWG) Nr. 3886/92 ).
Nach Art. 5 Abs. 1 Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 muss der Beihilfeantrag "Tiere" unbeschadet der in den Verordnungen für die einzelnen Sektoren enthaltenen Vorschriften alle erforderlichen Informationen enthalten, insbesondere die in dieser Vorschrift ausdrücklich genannten Informationen. Nach Art. 2 Abs. 1 Verordnung (EWG) Nr. 3886/92 enthält jeder Beihilfeantrag "Tiere" neben den Angaben, die im Rahmen des integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems vorgesehen sind, zum einen eine Aufschlüsselung der Tiere nach Altersklassen und zum anderen die Verweise auf die amtlichen Begleitdokumente der Tiere, die Gegenstand des Antrags sind. Nach Art. 14 Verordnung (EWG) Nr. 3886/92 muss unbeschadet der im Rahmen des integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems vorgesehenen Bestimmungen jedes im Betrieb gehaltene männliche Rind mit seiner Identifizierungsnummer spätestens am dritten Tag nach seinem Eintreffen im Betrieb in das besondere Register des Erzeugers eingetragen werden. Art. 3 Abs. 1 Verordnung (EWG) Nr. 3886/92 ermächtigt die Mitgliedsstaaten, die notwendigen Vorschriften zu erlassen, um sicherzustellen, dass für jedes Tier spätestens von der ersten Prämienbeantragung an ein amtliches Dokument ausgestellt wird. Mit diesem Dokument muss sichergestellt werden, dass je Tier und je Altersklasse nur eine Prämie gewährt wird. Nach Art. 3 Abs. 2 Verordnung (EWG) Nr. 3886/92 in Verbindung mit § 5 RSVO hat der Erzeuger ein Bestandsregister in der Form einer Globalliste zu führen, in der alle für das amtliche Dokument vorgesehenen Angaben enthalten sind. Dem nach diesen Bestimmungen zu führenden Bestandsregister kommt mithin für die Gewährung der Sonderprämie und die Überprüfung der Antragsvoraussetzungen sowohl nach dem Gemeinschaftsrecht als auch dem nationalen Recht eine zentrale Bedeutung zu (std. Rechtsprechung des Senats, vgl. Urteile vom 24. April 2008 - 10 LB 173/07 -, juris; vom 16. März 2005 - 10 LB 17/02 - und -10 LB 4086/01-, n.v.; vom 23. Juni 2004 - 10 LB 165/01 -, juris und - 10 LB 33/03 -, n.v.; vom 28. April 2004 - 10 LB 3968/01 -, n.v.).
Nach Art. 59 Verordnung (EWG) Nr. 3886/92 haben die Mitgliedsstaaten bis zur Anwendung des alphanumerischen Systems für die Identifizierung und geeignete Erfassung der Tiere Sorge zu tragen, für die ein Antrag auf die Sonderprämie gestellt wird. Gegebenenfalls haben sie sich dabei an die Bestimmungen des Art. 7 der Verordnung (EWG) Nr. 714/89 der Kommission vom 20. März 1989 zur Durchführung der Sonderprämienregelung für Rindfleischerzeuger (ABl. Nr. L 78 S. 38) bzw. des Art. 1 Abs. 5 der Verordnung (EWG) Nr. 1244/82 der Kommission vom 19. Mai 1982 zur Durchführung der Prämienregelung für die Erhaltung des Mutterkuhbestandes (ABl. Nr. L 143 S. 20) anzulehnen. Nach Art. 59 Buchst. b Verordnung (EWG) Nr. 3886/92 können die zuständigen Behörden das vom Erzeuger angegebene Alter zugrunde legen, wenn sich das Alter des Tieres anhand von Papieren nicht feststellen lässt. Sie sind jedoch verpflichtet, im Zweifelsfall auch auf andere Informationsquellen zurückzugreifen, insbesondere wenn Anträge auf die Sonderprämie für die zweite Altersklasse nicht kastrierter Rinder gestellt werden.
Nach § 4 RSVO hat der Erzeuger, wenn er die Sonderprämie beantragen will, alle männlichen Tiere, die älter als 30 Tage sind, nach § 19b Abs. 1 bis 3 und 5 der Viehverkehrsverordnung zu kennzeichnen und gemäß § 5 Abs. 1 RSVO ein nach Prämienarten getrenntes Bestandsverzeichnis für die von ihm gehaltenen Tiere zu führen. Das Bestandsregister muss für jedes Tier mindestens enthalten Angaben über die Kennzeichnung nach § 4, beim Ersatz von Ohrmarken die neue Kennzeichnung nach § 4 sowie die Zuordnung der neuen zur verloren gegangenen oder unleserlich gewordenen Kennzeichnung, bei Veränderungen des Bestands die Kennzeichnung der betroffenen Tiere nach § 4 unter Angabe des jeweiligen Datums und der Person, von der die betroffenen Tiere übernommen oder an die sie abgegeben worden sind, und bei männlichen Rindern deren Geburtsdatum und die Angabe, ob sie kastriert sind. Das Bestandsverzeichnis ist für das Kalenderjahr zu führen, für das die in § 1 Nr. 1 bis 3 genannten Prämien beantragt werden sollen ( § 5 Abs. 4 RSVO ).
Aus diesen gemeinschaftsrechtlichen und nationalen Vorschriften ergibt sich für Erzeuger, die eine Sonderprämie beantragen wollen, mit hinreichender Deutlichkeit, dass alle über 30 Tage alten männlichen Tiere des Bestandes zu ihrer Identifizierung mit Ohrmarken zu kennzeichnen sind, alle gekennzeichneten männlichen Tiere mit ihrer erstmaligen Kennzeichnung (Ohrmarke) bzw. bei einem Verlust der Ohrmarke mit der neuen Ohrmarke und deren Zuordnung, Veränderungen des Bestands mit dem Datum sowie dem Empfänger oder Lieferanten des Tieres und das Geburtsdatum der männlichen Tiere sowie die Angabe, ob sie kastriert worden sind, in das Bestandsverzeichnis einzutragen sind. Auf diese für ihre Beteiligung am Verfahren auf Gewährung einer Sonderprämie zur Identifizierung und Registrierung der Tiere zu erfüllenden Voraussetzungen sind die Antragsteller für das hier streitige Jahr in Niedersachsen mit dem Merkblatt für die Gewährung der Sonderprämie für männliche Rinder und der Saisonentzerrungsprämie für Ochsen im Jahre 1995 (Stand: 30. November 1994) hingewiesen worden. Ferner ergibt sich aus dem für die Antragstellung auszufüllenden Formular "Bestandsverzeichnis männliche Rinder: Bullen und Ochsen" welche antragserheblichen und gegebenenfalls vom Antragsteller nach § 11 MOG nachzuweisenden Angaben zu machen sind. Diesen Anforderungen unterlagen die Erzeuger mit der Umstellung der Sonderprämie von einer Bestandsprämie (§ 4 Rind- und Schaffleisch-Erzeugerprämienverordnung vom 5. Juni 1992 - BGBl. I S. 1011) auf eine Schlachtprämie ( § 12 RSVO ) seit dem 1. Januar 1993.
Anspruchsvoraussetzung für die Bewilligung der Sonderprämie ist danach, dass alle im Betrieb gehaltenen männlichen Tiere mit einer fortlaufenden Nummer, ihrer Ohrmarke nach der Viehverkehrsverordnung, dem Tag des Zuganges (Geburt oder Zukauf), ihrer Herkunft (Name und Adresse des Erzeugers), Datum der Geburt bei Zukauf, Art der Nutzung (Bulle oder Ochse), Tag des Abganges (Name und Adresse des Käufers des Tieres) sowie sonstigen Bemerkungen in das Bestandsregister aufgenommen worden sind.
Neben diesen zur Identifizierung und Registrierung der männlichen Rinder für die Beantragung und Gewährung der Sonderprämie formalen Voraussetzungen bestimmt u.a. Art. 15 Buchst. c Verordnung (EWG) Nr. 3886/92 in materieller Hinsicht, dass der Haltungszeitraum für Tiere, für die ein Antrag für die erste Altersklasse gestellt wird, zwei Monate vor der Schlachtung oder der ersten Vermarktung der Tiere und für Tiere, für die ein Antrag für beide Altersklassen gestellt wird, vier Monate ab dem ersten Tag des 20. Lebensmonats der Tiere beträgt. Daraus folgt, dass ein Anspruch auf die Gewährung einer Sonderprämie für Tiere der ersten und zweiten Altersklasse zusammen nur besteht, wenn sie im Zeitpunkt der Vermarktung mindestens 23 Monate alt gewesen sind. Diese Prämienvoraussetzungen hat der Antragsteller nach § 11 MOG nachzuweisen. Wie der Nachweis im Einzelnen zu führen ist, regeln das nationale Recht und das Gemeinschaftsrecht zwar nicht ausdrücklich. Nach Art. 59 Buchst. b Verordnung (EWG) Nr. 3886/92 können jedoch die zuständigen Behörden das vom Erzeuger angegebene Alter zugrunde legen, wenn sich das Alter des Tieres anhand von Papieren nicht feststellen lässt. Im Zweifelsfall haben die zuständigen Behörden auch auf andere Informationsquellen zurückzugreifen, insbesondere wenn Anträge auf die Sonderprämie für die zweite Altersklasse nicht kastrierter Rinder gestellt werden.
Danach wird entsprechend diesen gemeinschaftsrechtlichen Regelungen der Altersnachweis regelmäßig durch die Altersangabe in einem ordnungsgemäßen, den gemeinschaftsrechtlichen und den nationalen Vorschriften entsprechenden Bestandsregister geführt, wenn sich das Alter des Tieres anhand von Papieren (z.B. Zuchtbuch) nicht feststellen lässt. Nur in einem Zweifelsfall, der von der zuständigen Behörde zu benennen und zu belegen ist und der sich begründen lässt, sind die zuständigen Behörden verpflichtet, auf andere Informationsquellen zurückzugreifen. Als solche kommen z.B. im Falle des Zukaufs entsprechende Erklärungen der Kälbererzeuger in Betracht, die wegen des späteren Verlangens der zuständigen Behörde regelmäßig aber nicht zeitnah zur Geburt der Tiere ausgestellt sein können (vgl. auch Senatsurteil vom 28. April 2004, a.a.O.).
Der Kläger hat für keines der Antragstiere den Nachweis für die zweite Altersklasse (Lebensalter des Tieres zum Zeitpunkt der Schlachtung oder Vermarktung von mindestens 23 Monaten und Haltung des Tieres von mindestens vier Monaten seit dem 20. Lebensmonat des Tieres) erbracht. Das von ihm während des Verwaltungsverfahrens eingereichte Bestandsregister weist derart umfangreich Mängel auf, dass es insgesamt als Nachweis nicht geeignet ist. Der Kläger hat fünf Blätter Auszüge aus seinem Bestandsregister - ohne Kennzeichnung des Kalenderjahres - für Bullen mit den laufenden Nummern 1 bis 102 vorgelegt (Bl. 38 - 42 der Beiakte), die den Anforderungen des § 5 RSVO nicht genügen.
Der Kläger hat die o.a. notwendigen Angaben vielfach nicht vollständig in das Bestandsregister eingetragen. Er hat die männlichen Rinder vielfach nicht in chronologischer Reihenfolge, d.h. entsprechend ihrem Zugang in den Betrieb, in das Bestandsregister aufgenommen. Hieraus ist zu schließen, dass der Kläger sein Bestandsregister nicht stets auf den aktuellen Stand gehalten und Veränderungen im Bestand nicht fristgerecht eingetragen hat. Vielmehr hat er zahlreiche Eintragungen erst nach längerer Zeit nachgetragen. So folgen z.B. auf Zugänge im März 1993 solche im Monat Februar 1993 und auf Zugänge im Monat April 1993 solche im Monat Februar 1993. Des Weiteren hat der Kläger beim Datum des Abgangs der beantragten Rinder mit der lfd. Nr. 1 bis 62 und 76 keine Jahreszahl eingetragen. Auch bei den Zugängen/Geburten fehlt es hinsichtlich der lfd. Nr. 63 bis 102 an der Jahreszahl. Hinsichtlich weiterer Mängel im Einzelnen wird auf die Feststellungen im Anhörungsschreiben verweisen.
Diese Mängel beim Führen des Bestandsregisters kann der Kläger nach der o.a. Rechtsprechung des Senats nicht mit anderen Nachweisen über die Dauer der Haltung und das Alter der Tiere im Zeitpunkt der Schlachtung oder Vermarktung kompensieren, denn ein ordnungsgemäß geführtes Bestandsverzeichnis ist - wie Art. 14 VO (EWG) Nr. 3886/92 und § 5 RSVO zu entnehmen ist - materielle Voraussetzung für die Gewährung der Rindersonderprämie. Die vom Kläger beigebrachten weiteren Unterlagen mögen zur Führung des Altersnachweises im Einzelfall geeignet sein, wenn ein Bestandsregister zwar alle erforderlichen Eintragungen aufweist und chronologisch geführt worden ist, gleichwohl an dessen Inhalt und zeitnaher Erstellung Zweifel bestehen. In einem solchen Fall mögen derartige Unterlagen als andere Informationsquellen im Sinne von Art. 59 Buchst. b der VO (EWG) Nr. 3886/92 angesehen werden können, die Zweifel an dem vom Erzeuger angegebenen Alter des betr. Tieres beseitigen können. Insoweit ist es ohne Belang, dass die Bewilligungspraxis der Agrarverwaltung für die Jahre 1993 und 1994 mit Blick auf den Nachweis des Mindestalters der Rinder weniger streng gewesen ist. Eine unzulässige, rückwirkende Verschärfung der formellen und materiellen Anspruchsvoraussetzungen ist damit nicht verbunden. Nach den nationalen und gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften über die Gewährung einer Sonderprämie für männliche Rinder waren Antragsteller, die die Sonderprämie für die von ihnen vermarkteten männlichen Rinder zusätzlich zum Kaufpreis als öffentliche Leistung erhalten wollten, zu einer lückenlosen Führung eines Bestandsregisters mit den genannten Angaben verpflichtet. Vom Kläger sind mithin nicht nachträglich Angaben verlangt worden, zu deren Angabe er nicht schon vorher verpflichtet war (vgl. Senatsurteil vom 23. Juni 2004 - 10 LB 165/01 -, juris und Beschluss des 3. Senats des Gerichts vom 16. Dezember 1998 - 3 L 5301/98 -, n.v.). Folge dieser Unregelmäßigkeit im Zusammenhang mit dem Führen eines Bestandsregisters ist die Versagung der Sonderprämie ( Senatsurteil vom 23. Juni 2004 - 10 LB 33/03 -, n.v.).
Entgegen der Ansicht des Klägers kann nicht davon ausgegangen werden, dass das ordnungsgemäße Führen eines Bestandsregisters keine materielle Voraussetzung für die Gewährung der Rinder-Sonderprämie ist. Im Hinblick hierauf meint der Kläger, Fehler im Zusammenhang mit dem Führen des Bestandsregisters rechtfertigten allenfalls eine Kürzung, nicht aber eine Versagung der Prämie wie die Regelungen in Art. 10c Abs. 2 Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 2801/1999 der Kommission vom 21. Dezember 1999 (ABl. Nr. L 340 S. 29) und später Art. 39, 36 Abs. 4 Buchst. b Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 zeigten. Dem folgt der Senat weiterhin nicht. Zunächst regeln Art. 10c Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 und Art. 39 Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 nicht unmittelbar Prämienvoraussetzungen in Bezug auf die Rindersonderprämie. Vielmehr ist in den genannten Regelungen eine Kürzung des Gesamtbetrages der Beihilfe für den Fall vorgesehen, dass die Anzahl der im Betrieb anwesenden, nicht beantragten Rinder - sogen. Nichtantragstiere -, nicht der Anzahl der im Bestandsregister geführten Tiere entspricht. In diesen Regelungen ist gerade keine Sanktionierung aufgrund von Unregelmäßigkeiten in Bezug auf die beantragten Tiere vorgesehen. Dementsprechend hat der Senat in dem vom Kläger angeführten Urteil vom 28. Oktober 2004 - 10 LC 153/03 - gerade hervorgehoben, dass die Sanktionsvorschrift des Art. 10c der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 an die Anzahl der in das Bestandsregister eingetragen Nichtsantragstiere anknüpft und nicht das Register als Ganzes im Auge hat (vgl. auch Senatsurteil vom 24. April 2008, a.a.O.; VG Lüneburg, Urteil vom 20. November 2007 - 4 A 328/06 -, n.v.). Entgegen der Ansicht des Klägers steht die Rechtsprechung des Senats auch in Einklang mit der Regelung des Art. 10c Verordnung (EWG) Nr. 3887/92. Es ist nicht davon auszugehen, dass bei Zugrundelegen der Senatsrechtsprechung zu den Anforderungen an die Gewährung von Rindersonderprämie im Jahr 1995 für die Sanktionsbestimmung nach Art. 10c der genannten Verordnung kein Anwendungsbereich bliebe. Denn auch nach Gewährung von Rindersonderprämie in Fällen, in denen der betr. Antragsteller das Bestandsregister bis zum Antragstellung ordnungsgemäß geführt hat, kann es aufgrund von bei nachfolgenden Vor-Ort-Kontrollen festgestellten Fehlern und Versäumnissen im Sinne der vorgenannten Bestimmung zu einer Kürzung des Gesamtbetrages der in den vergangenen 12 Monaten gewährten Beihilfen kommen.
Der Kläger kann sich im Hinblick auf die Rücknahme der Rindersonderprämie bewilligenden Bescheide des Amtes für Agrarstruktur nicht auf Vertrauensschutz berufen.
Mit Inkrafttreten der Neufassung des Art. 14 Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 durch die Verordnung (EG) Nr. 1678/98 ist der Vertrauensschutz des Beihilfeempfängers mit dieser Bestimmung abschließend geregelt, so dass für nationale Regelungen zum Vertrauensschutz - etwa nach § 48 Abs. 2 und 4, § 49a Abs. 2 VwVfG - kein Raum mehr bleibt ( BVerwG, Beschluss vom 29. März 2005 - BVerwG 3 B 117.04 -, Buchholz 316 § 48 VwVfG Nr. 112). Da auf die zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 15. August 2006 über Art. 53 Abs. 1 Satz 2 Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 für Beihilfeanträge, die sich auf vor dem 1. Januar 2002 beginnende Wirtschaftsjahre oder Prämienzeiträume beziehen, geltende Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 abzustellen ist, kommt der durch Verordnung (EG) Nr. 1678/98 eingefügte Abs. 4 des Art. 14 Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 auch für den hier zugrunde liegenden Prämienzeitraum des Jahres 1995 in Fällen der Rücknahme und Rückforderung zur Anwendung (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Juni 2004 - 10 S 557/04 -, AUR 2005, 204 [VGH Baden-Württemberg 22.06.2004 - 10 S 557/04]; Bay. VGH, Urteil vom 2. Mai 2005 - 19 B 03.1726 -, RdL 2006, 26). Auch Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1678/1998 beschränkt die Anwendung des durch die vorgenannte Verordnung geänderten Art. 14 Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 nicht auf bestimmte Wirtschaftsjahre oder Prämienzeiträume. Soweit der Senat seinen Entscheidungen mit Urteil vom 24. April 2008 - 10 LB 156/07 - und Beschluss vom 1. September 2008 - 10 LA 55/07 - eine andere Rechtsauffassung zugrunde gelegt hat, hält er hieran nicht mehr fest.
Der Kläger kann keinen Vertrauensschutz nach Art. 14 Abs. 4 Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 für sich in Anspruch nehmen. Nach dieser Bestimmung gilt die Verpflichtung zur Rückzahlung der zu Unrecht gezahlten Beträge nach Abs. 1 der Bestimmung nur dann nicht, wenn die Zahlung auf einen Irrtum der zuständigen Behörde selbst oder einer anderen Behörde zurückzuführen ist, der vom Betriebsinhaber, der seinerseits in gutem Glauben gehandelt und alle Bestimmungen der geltenden Verordnung eingehalten hat, billigerweise nicht erkannt werden konnte.
Selbst wenn die Zahlung der Rindersonderprämie 1995 hinsichtlich des zurückgeforderten Betrages auf einen Irrtum des Amtes für Agrarstruktur als zuständiger Behörde über das Vorliegen der Prämienvoraussetzungen zurückzuführen wäre, ist aber festzustellen, dass der Kläger nicht alle Bestimmungen der geltenden Verordnung in Bezug auf die Prämiengewährung eingehalten hat. Denn er hat - wie bereits dargelegt - die Bestimmungen über die ordnungsgemäße Führung eines Bestandsregisters für männliche Rinder nach Art. 14 Verordnung (EWG) Nr. 3886/92 und § 5 RSVO nicht eingehalten und damit für nicht prämienfähige männliche Rinder einen Prämienantrag gestellt.
Dem kann der Kläger nicht entgegen halten, dass die Landwirte üblicherweise nicht die der Gewährung der Rindersonderprämie zugrunde liegenden Verordnungen des Gemeinschaftsrechts und des nationalen Rechts, sondern die Darstellungen in Fachzeitschriften der Landwirtschaft sowie die konkreten Vorgaben der damaligen Landwirtschaftskammern für die Antragstellung zur Kenntnis genommen hätten; ferner seien die Bestandsregister allein auf ihre Vollständigkeit in Bezug auf den gesamten Tierbestand, nicht aber darauf geprüft worden, ob der Landwirt die Eintragungen fristgerecht vorgenommen habe. Vielmehr muss sich der Kläger an seinen eigenen Erklärungen festhalten lassen. So erklärte er jeweils unter Nr. 5.1 der Beteiligungserklärungen vom Januar 1994 und vom Januar 1995, dass er die für die Prämiengewährung maßgeblichen Vorschriften sowie das betreffende Merkblatt zur Kenntnis genommen habe. In dem vorgenannten Merkblatt sind die maßgeblichen Rechtsgrundlagen des Gemeinschaftsrecht und des nationalen Rechts für die Gewährung der Rindersonderprämie genannt worden (Nr. 32 des Merkblatts). Im Hinblick auf das Bestandsregister finden sich unter Nr. 5 des Merkblatts weitere Hinweise. Die Landwirte werden darin auf die einzuhaltenden Fristen und die Mindestangaben aufmerksam gemacht. Es wird hervorgehoben, dass das Bestandsregister stets aktuell zu halten ist und aus dem Bestandsregister zu entnehmen sein muss, dass die vorgeschriebenen Haltungszeiträume eingehalten wurden. Unter Nr. 6 des Merkblatts werden die Landwirte darauf hingewiesen, dass das Alter des Rindes sich aus dem "sorgfältig geführten Bestandsverzeichnis" entnehmen lassen muss. Auch in Bezug auf die Haltungszeiträume wird unter Nr. 7 des Merkblattes wiederholt, dass die Einhaltung der betreffenden Zeiträume sich aus dem Bestandsregister ergeben muss. Weiterhin ist es ohne Belang, sollte die Bewilligungspraxis der Agrarverwaltung für die Jahre 1993 und 1994 mit Blick auf den Nachweis des Mindestalters der Rinder weniger streng gewesen sein. Eine unzulässige, rückwirkende Verschärfung der formellen und materiellen Anspruchsvoraussetzungen ist damit nicht verbunden. Nach den nationalen und gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften über die Gewährung einer Sonderprämie für männliche Rinder waren Antragsteller, die die Sonderprämie für die von ihnen vermarkteten männlichen Rinder zusätzlich zum Kaufpreis als öffentliche Leistung erhalten wollten, zu einer lückenlosen Führung eines Bestandsregisters mit den genannten Angaben verpflichtet. Vom Kläger wurden mithin nicht nachträglich Angaben verlangt, zu deren Angabe er nicht schon vorher verpflichtet war (vgl. Senatsurteile vom 24. April 2008, vom 23. Juni 2004, a.a.O. und Beschluss des 3. Senats des Gerichts vom 16. Dezember 1998, a.a.O.).
Der vom Kläger erhobene Einwand der Verjährung berührt die Rechtmäßigkeit der Rücknahme der Bewilligungsbescheide nicht. Die Aufhebung von Bescheiden, die Grundlage für die Erbringung von Leistungen sind, bewirkt den Wegfall des Rechtsgrundes für die Leistungserbringung zugunsten des Berechtigen sowie des Anspruches des Berechtigten auf Erbringung der Leistung mit der Folge, dass der Berechtigte zur Erstattung der bereits erbrachten Leistungen - bei Vorliegen ggf. weiterer Voraussetzungen - verpflichtet ist. Insoweit kommt Bescheiden über die Aufhebung von Verwaltungsakten allein eine rechtsgestalterische Wirkung zu, die im Falle von Leistungsbescheiden erst ein Erstattungsverlangen ermöglicht. Im Übrigen lässt die im Wege der Einrede geltend gemachte Verjährung den zugrunde liegenden Anspruch unberührt und stellt lediglich ein dauerndes Leistungsverweigerungsrecht des Schuldners und damit ein Hindernis im Hinblick auf die Durchsetzung des Anspruchs dar (vgl. § 214 BGB ). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der anzuwendenden Verjährungsregelung aufgrund von Sondervorschriften - etwa § 232 AO - eine rechtsaufhebende Wirkung zukommt; soweit derartige Sondervorschriften wie hier fehlen, begründet die Verjährung auch im öffentlichen Recht nur eine Einrede (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., 2008, § 53 Rdnr. 3; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., 2008, § 53 Rdnr. 2 f. m.w.N. der Rechtsprechung; Henneke, in: Knack/Henneke, VwVfG, 9. Aufl., 2010, vor § 53 Rdnr. 2 f.; Ellenberger, in: Palandt, BGB, 69. Aufl., 2010, § 214 Rdnr. 7).
Hiernach sind die angefochtene teilweise Rücknahme der Bescheide des Amtes für Agrarstruktur Bremerhaven vom 15. Dezember 1995, vom 8. Juli 1996 und vom 2. September 1997 rechtmäßig. Die dagegen gerichtete Klage ist unbegründet.
2.
Der angefochtene Bescheid ist auch rechtmäßig, soweit die Beklagte vom Kläger Rindersonderprämie in Höhe von 1 386,63 € zurückfordert.
Die aufgrund der Rücknahme sich ergebende Rückforderung der Beihilfe findet ihre rechtliche Grundlage in Art. 14 Abs. 1 Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 in Verbindung mit §§ 10 Abs. 1 Satz 1 MOG, 49a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwVfG. Die Rechtmäßigkeit der Rückforderung setzt voraus, dass diese nicht verjährt ist (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 9. Februar 2005 - 2 L 66/03 -, NordöR 2005, 160; OVG Brandenburg, Urteil vom 11. Februar 2004 - 2 A 680/03 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 12. August 2004 - 14 A 3559/02 -, KStZ 2009, 58).
Zu Unrecht hat das Verwaltungsgericht den Rückforderungsbetrag nach Art. 3 Abs. 1 Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 als verjährt angesehen. Vielmehr richtet sich die Verjährung der Rückforderung von Rindersonderprämie 1995 im Fall des Klägers nach Art. 49 Abs. 5 Verordnung (EG) Nr. 2419/2001, so dass aufgrund der Anfang Juni 2006 zugegangenen Mitteilung der Beklagten über die Unrechtmäßigkeit der Prämiengewährung allein die Rückforderung von Beihilfen verjährt ist, deren Zahlung zuvor erfolgte.
Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts ist Art. 49 Abs. 5 Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 als speziellere sektorbezogene Verjährungsbestimmung im Fall sektorbezogener Rückforderungen vorrangig vor den Verjährungsbestimmungen nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 anzuwenden.
a.
Zunächst findet die Verjährungsbestimmung des Art. 49 Abs. 5 Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 auf Rückforderungen nach Art. 14 Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 betreffend den Prämienzeitraum 1995 Anwendung. Zwar sieht die Verordnung (EWG) Nr. 3887/92, die nach Art. 53 Abs. 1 Satz 2 Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 weiterhin für Beihilfeanträge gilt, die sich auf vor dem 1. Januar 2002 beginnende Wirtschaftsjahre oder Prämienzeiträume beziehen, nicht vor, dass Rückzahlungsverpflichtungen verjähren können. Allerdings bestimmt der durch Verordnung (EG) Nr. 118/2004 der Kommission vom 23. Januar 2004 (ABl. Nr. L 17 S. 7) eingefügte Art. 52a Verordnung (EG) Nr. 2419/2001, dass abweichend von Art. 54 Abs. 2 der Verordnung und unbeschadet günstigerer, von den Mitgliedstaaten festgelegter Verjährungsbestimmungen Art. 49 Abs. 5 auch Anwendung in Hinblick auf Beihilfeanträge findet, die vor dem 1. Januar 2002 begonnen haben, es sei denn, der Begünstigte hat bereits vor dem 1. Februar 2004 von der zuständigen Behörde erfahren, dass die Beihilfe zu Unrecht gewährt wurde.
Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts liegen die Voraussetzungen des Art. 52a Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 vor. Zunächst ist festzustellen, dass die Beklagte den Kläger nicht vor dem 1. Februar 2004 darauf hingewiesen hat, dass die für das Antragsjahr 1995 gewährte Rindersonderprämie zu Unrecht gewährt wurde. Des Weiteren liegt keine nationale Regelung vor, mit der "günstigere Verjährungsbestimmungen festgelegt" worden sind. Dabei kann offen bleiben, ob es sich bei den Verjährungsbestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138), die allenfalls entsprechend angewendet werden können, um "festgelegte Bestimmungen" im Sinne der Verordnung handelt. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts kann eine abweichende "günstigere Verjährungsbestimmung" durch nationales Recht nur dann eine Anwendung des Art. 49 Abs. 5 Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 hindern, wenn sie im Einklang mit der Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 steht und deshalb ihrerseits zum Anwendung kommen kann. Dies ist in Fällen von Rückforderung von Agrarbeihilfen hinsichtlich der Verjährungsbestimmung in § 195 BGB n.F. zu verneinen. Nach Art. 3 Abs. 1 Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 beträgt die Verjährungsfrist vier Jahre ab Begehung der Unregelmäßigkeit; es darf nur in sektorbezogenen Regelungen eine kürzere Frist vorgesehen werden, die nicht weniger als drei Jahre betragen darf. Bei § 195 BGB n.F. handelt es sich aber nicht um eine sektorbezogene Regelung, so dass diese allgemeine nationale Verjährungsregelung nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 in den beschriebenen Fällen nicht zur Anwendung kommen kann und deshalb einer Anwendung des Art. 49 Abs. 5 Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 nicht entgegensteht.
Unabhängig davon ist in Fällen der Rückforderung von Agrarbeihilfen - unter der Annahme der ausschließlichen Anwendung nationaler Verjährungsregelungen - anzunehmen, dass der Anspruch auf Rückerstattung erst nach einer längeren Frist als drei oder vier Jahren verjährt. Zwar kann sich das Verwaltungsgericht auf die Rechtsprechung des 5. Senats des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 15. Mai 2008 - BVerwG 5 C 25.07 -, juris) berufen, nach der auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch, soweit sachnähere Regelungen fehlen, die Verjährungsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs n.F. entsprechend anzuwenden sind. Gerade mit Blick auf die aufgezeigten gemeinschaftsrechtlichen Bindungen bei Verjährungsbestimmungen überzeugt die Übertragung dieser Rechtsprechung auf Fälle der Rückzahlungsverpflichtung von Agrarbeihilfen nicht. Überdies hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 11. Dezember 2008 - BVerwG 3 C 37.07 -, BVerwGE 132, 324 [BVerwG 11.12.2008 - BVerwG 3 C 37.07] ) hinsichtlich einer analogen Anwendung des § 195 BGB n.F. auf öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche erhebliche Bedenken erhoben. Er hat vor allem darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber das Verjährungsrecht des bürgerlichen Rechts mit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz vom 26. November 2001 (BGBl I S. 3138) grundlegend verändert habe, bei seiner Neuregelung das öffentliche Recht aber bewusst ausgespart habe. Deshalb sei zunächst davon auszugehen, dass sich das neue Verjährungsrecht für das öffentliche Recht ausdrücklich keine Geltung beigelegt habe. Auch das Gesetz zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 9. Dezember 2004 (BGBl I S. 3214) habe den Bereich des öffentlichen Rechts bewusst ausgespart.
Eine Übertragung der neuen Verjährungsregeln für bürgerlich-rechtliche Bereicherungsansprüche auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch begegne deshalb erheblichen Bedenken, weil das Rechtsinstitut der Verjährung im öffentlichen Recht vor allem der Verwirklichung von Rechtssicherheit und Rechtsfrieden diene. Die bisherige gefestigte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts habe angenommen, dass die objektive dreißigjährige Verjährungsfrist des § 195 BGB a.F. eine zutreffende Konkretisierung dieser Grundsätze in Abwägung gegen den Grundsatz der gesetzmäßigen Verwaltung darstelle, der einer Verjährung öffentlich-rechtlicher Ansprüche widerstreite. Dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz lasse sich nichts dafür entnehmen, dass das Verhältnis von Rechtssicherheit und Rechtsfrieden einerseits und der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung andererseits neu bestimmt werden müsste. Die Neuregelung beabsichtige eine Vereinfachung des Verjährungsrechts und seine Angleichung an zwischenzeitlich erreichte internationale Standards im Interesse des Geschäftsverkehrs und akzentuiert dabei den Schuldnerschutz, dies mit Rücksicht auf und in Abstimmung mit vermehrten Verbraucherrechten (BTDrucks 14/6040 S. 98 ff.). Diese Gesichtspunkte seien typisch bürgerlich-rechtlicher Art; sie spielten im öffentlichen Recht allenfalls eine untergeordnete Rolle. Vor allem ließen sie die hier vorrangig wirksamen rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens unberührt. Diese Bedenken teilt der 7. Senat des Bundesfinanzhofs (Urteil vom 7. Juli 2009 - VII R 24/06 -) und wendet die Verjährungsbestimmung in § 195 BGB n.F. im Falle einer aufgrund einer dem Beihilfeempfänger zuzurechnenden Unregelmäßigkeit zu Unrecht gewährten Beihilfe (Ausfuhrerstattung) nicht entsprechend an, sondern sieht eine Rückforderung auch nach Ablauf von sechs Jahren als nicht verjährt an. Dem tritt der Senat bei.
b.
Die Verjährungsbestimmungen in Art. 49 Abs. 5 Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 gehen denen in Art. 3 Abs. 1 Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 vor. Durch die letztgenannte Bestimmung werden allgemeine Regelungen über die Verjährung für die Verfolgung von Unregelmäßigkeiten und die Vollstreckung einer Entscheidung getroffen, die aus Sicht des gemeinschaftlichen Verordnungsgebers die Anwendung unangemessen kurzer Verjährungsvorschriften ausschließen. Hingegen schließt Art. 3 Abs. 1 Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 nicht aus, dass durch sektorbezogenes Gemeinschaftsrecht längere Verjährungsfristen festgelegt werden können. Aus den nachstehenden Erwägungen schließt der Senat, dass in der vorgenannten Bestimmung keine abschließende Regelung über die Verjährung im Bereich des Gemeinschaftsrechts gesehen werden kann, so dass dieser Bestimmung nicht stets Anwendungsvorrang vor anderen gemeinschaftsrechtlichen Verordnungen zukommt:
Bereits dem Wortlaut des Art. 3 Abs. 1 Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 lässt sich nicht entnehmen, dass in sektorbezogenen Regelungen eine längere Verjährungsfrist unzulässig wären. So sieht die vorgenannte Bestimmung eine Verjährungsfrist für die Verfolgung von Unregelmäßigkeiten von vier Jahren ab Begehung der Unregelmäßigkeit nach Art. 1 Abs. 1 der Verordnung vor. Jedoch kann in den sektorbezogenen Regelungen eine kürzere Frist vorgesehen werden, die nicht weniger als drei Jahre betragen darf. Bei andauernden oder wiederholten Unregelmäßigkeiten beginnt die Verjährungsfrist an dem Tag, an dem die Unregelmäßigkeit beendet wird. Die Verfolgungsverjährung wird durch jede der betreffenden Person zur Kenntnis gebrachte Ermittlungs- oder Verfolgungshandlung der zuständigen Behörde unterbrochen, wobei nach jeder eine Unterbrechung der Verjährungsfrist bewirkenden Handlung die Verjährungsfrist von neuem beginnt. Die Verjährung tritt jedoch spätestens zu dem Zeitpunkt ein, zu dem eine Frist, die doppelt so lang ist wie die Verjährungsfrist, abläuft, ohne dass die zuständige Behörde eine Sanktion verhängt hat; ausgenommen sind die Fälle, in denen das Verwaltungsverfahren gemäß Art. 6 Abs. 1 der Verordnung ausgesetzt worden ist. Nach Art. 3 der Verordnung behalten die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, eine längere Frist als die in Abs. 1 vorgesehene Frist anzuwenden, wobei die von den Mitgliedstaaten angewandte längere Verjährungsfrist sich auch aus Auffangregelungen ergeben könne, selbst wenn sie vor Erlass der Verordnung ergangen sind (vgl. EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009, - C-278/07 [Vosding] -, juris, ABl. Nr. C 69 S. 6 [Leitsatz]). Der Anwendungsbereich dieser Verordnung umfasst alle Unregelmäßigkeiten in Bezug auf das Gemeinschaftsrecht, wobei der Tatbestand der Unregelmäßigkeit in jedem Verstoß gegen eine Gemeinschaftsbestimmung als Folge einer Handlung oder Unterlassung eines Wirtschaftsteilnehmers gegeben ist, die einen Schaden für den Gesamthaushaltsplan der Gemeinschaften oder die Haushalte, die von den Gemeinschaften verwaltet werden, bewirkt hat bzw. haben würde ( Art. 1 der Verordnung ). Die Verjährungsfrist nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung ist sowohl auf verwaltungsrechtliche Maßnahmen ( Art. 4 der Verordnung ) als auch auf verwaltungsrechtliche Sanktionen ( Art. 5 der Verordnung ) anwendbar, und zwar auch dann, wenn die Unregelmäßigkeit vor Inkrafttreten der Verordnung begangen oder beendet worden ist (vgl. EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009, a.a.O.).
Die Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 zielt vorrangig darauf ab, in allen Bereichen Handlungen zum Nachteil der finanziellen Interessen der Gemeinschaften zu bekämpfen. Um die Bekämpfung des Betrugs zum Nachteil der finanziellen Interessen der Gemeinschaften wirksam zu gestalten, muss ein in allen Bereichen der Gemeinschaftspolitik gemeinsamer rechtlicher Rahmen festgelegt werden. Die verwaltungsrechtlichen Sanktionen der Gemeinschaft müssen einen angemessenen Schutz der genannten Interessen gewährleisten (vgl. 3., 4. und 7. Erwägung der Verordnung). Auch in Art. 1 Abs. 1 der Verordnung kommt zum Ausdruck, dass zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften eine Rahmenregelung für einheitliche Kontrollen sowie für verwaltungsrechtliche Maßnahmen und Sanktionen bei Unregelmäßigkeiten in Bezug auf das Gemeinschaftsrecht getroffen wird. Aus Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 der Verordnung ist abzuleiten, dass mit dem Erlass der Verordnung der Gemeinschaftsgesetzgeber eine allgemeine Verjährungsregelung in Fällen der Einziehung von zu Unrecht geleisteten Zahlungen eingeführt worden ist, in der eine in allen Mitgliedstaaten geltende Mindestfrist festgelegt wird (vgl. EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 - C-278/07 -, a.a.O., Rdnr. 27). In den einleitenden Erwägungen der Verordnung findet sich kein Anhalt dafür, dass die Verjährungsfrist zugunsten des von der verwaltungsrechtlichen Maßnahme oder Sanktion Betroffenen auf ein bestimmtes Höchstmaß beschränkt werden soll. In diesem Zusammenhang zeigt auch Art. 3 Abs. 3 der Verordnung, dass die Verordnung die sich aus dem nationalen Recht ergebenden Verjährungsfristen nicht verkürzt, sondern nur die Anwendung aus der Sicht des gemeinschaftlichen Verordnungsgebers unangemessen kurzer Verjährungsfristen des nationalen Rechts ausschließt (vgl. BFH, Urteil vom 7. Juli 2009, a.a.O.). Eine Auslegung des Art. 3 der Verordnung dahin, dass eine Begrenzung der Verjährungsfrist auf ein bestimmtes Höchstmaß zugunsten des Rückerstattungspflichtigen bindend geregelt werden sollte, ließe sich mit Art. 3 Abs. 3 der Verordnung nicht in Einklang bringen.
Angesichts dessen ist mangels abweichender Regelung in der Verordnung davon auszugehen, dass auch der Gemeinschaftsgesetzgeber befugt ist, in sektorbezogenen Regelung nicht nur eine kürzere Verjährungsfrist ( Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 der Verordnung ), sondern auch eine längere Verjährungsfrist zu bestimmen. In diesem Sinne kann auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 15. Januar 2009 (C-281/07 [Bay. Hypotheken- und Vereinsbank AG], ZfZ 2009, 107) verstanden werden, indem er auf die Verjährungsbestimmung des Art. 3 Abs. 1 Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 deshalb zurückgreift, weil die "Verordnung 3665/87 die Verjährung für das Verfahren zur Rückforderung unrechtmäßig erhaltener Ausfuhrerstattungen nicht regelt". Die vorgenannte Entscheidung bietet keinen Anhalt für die Annahme, dass der Europäische Gerichtshof mit seiner Feststellung lediglich das Fehlen einer von Art. 3 Abs. 1 Unterabsatz 1 Satz 1 der Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 abweichenden kürzeren sektorbezogenen Regelung zum Ausdruck bringen wollte.
Für ein solches Verständnis streitet auch der Umstand, dass andernfalls nicht nur für Art. 49 Abs. 5 Verordnung (EG) Nr. 2419/2001, sondern auch für die später eingefügte Regelung in Art. 52a Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 ein Anwendungsbereich überhaupt nicht eröffnet wäre.
c.
In Anwendung des Art. 49 Abs. 5 Satz 1 Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 ist die Rückforderung der gezahlten Beihilfe nicht verjährt.
Nach der genannten Bestimmung gilt die Verpflichtung des Betriebsinhabers zur Rückzahlung zu Unrecht gezahlter Beträge nicht, wenn zwischen dem Tag der Zahlung der Beihilfe und dem Tag, an dem der Begünstigte von der zuständigen Behörde erfahren hat, dass die Beihilfe zu Unrecht gewährt wurde, mehr als zehn Jahre vergangen sind.
Auf die hiervon abweichende Frist von vier Jahren nach Zahlung der Beihilfe ( Art. 49 Abs. 5 Satz 2 der Verordnung ) kann sich der Kläger nicht berufen. Er hat nicht nachgewiesen, dass er als Begünstigter in gutem Glauben gehandelt hat. Zwar weist der Kläger zu Recht darauf hin, dass auch die damals zuständigen Ämter für Agrarstruktur zunächst davon ausgegangen sind, dass den Landwirten auch im Falle eines nicht ordnungsgemäß geführten Bestandsregisters Rindersonderprämie im Antragsjahr 1995 für die 1. und 2. Altersklasse bei Vorlage anderer Nachweise zustünden und dementsprechend Bewilligungsbescheide erließen. Auch Verwaltungsgerichte haben klagenden Landwirten in solchen Fällen Rindersonderprämie für das Jahr 1995 zugesprochen. Dies allein vermag aber nicht zu begründen, dass betroffene Landwirte stets im guten Glauben in Sinne des Art. 49 Abs. 5 Satz 2 der Verordnung gehandelt haben. Vielmehr setzt ein Handeln des Begünstigten im guten Glauben weiter voraus, dass er sich selbst redlich verhalten hat, d.h. die ihm bekannten Prämienbedingungen eingehalten hat, insbesondere seine Angaben vollständig und korrekt waren. Denn derjenige, der nicht vollständige und korrekte Angaben machte oder der seinen Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Beihilfegewährung nicht nachkam, hat nicht gutgläubig annehmen können, dass er die Beihilfe zu Recht erhalten hat und es deshalb zu einer Rückforderung nicht kommen wird.
Dies zugrunde gelegt, hat der Kläger nicht im guten Glauben gehandelt. Obwohl der Kläger erklärt hat, die Merkblätter über die Gewährung der Rindersonderprämie für die Jahre 1994 und 1995 und die darin enthaltenen Informationen, in welcher Weise ein Bestandsregister für männliche Rinder ordnungsgemäß zu führen ist, und die für die Prämiengewährung maßgeblichen Vorschriften zur Kenntnis genommen zu haben, hat er am 28. Januar 1995 die Beteiligungserklärung im Rahmen der Gewährung einer Sonderprämie für männliche Rinder und nachfolgend mehrere Anträge auf Gewährung dieser Prämie eingereicht, obwohl er wissen musste, dass er sein Bestandsregister nicht entsprechend den ihm bekannten Anforderungen geführt hat. In dem Merkblatt für die Gewährung der Sonderprämie für männliche Rinder im Jahr 1995 (Stand: 30. November 1994) ist er insbesondere darauf hingewiesen worden, dass das Führen des Bestandsregisters entsprechend den dargestellten Vorgaben für die Gewährung der Rindersonderprämie von Bedeutung ist. Aufgrund der Vielzahl der Unregelmäßigkeiten bei der Führung des Bestandsverzeichnisses über einen längeren Zeitraum musste dem Kläger ohne weiteres klar sein, dass er diese Anforderungen nicht beachtet hat. Sollte der Kläger hingegen weder die o.a. Merkblätter noch die für die Prämiengewährung maßgeblichen Vorschriften mit der gebotenen Sorgfalt, sondern allein die Informationen seiner berufsständischen Vertretung zur Kenntnis genommen haben, so scheidet ein Handeln im guten Glauben schon deshalb aus.
Ebenso wenig kann sich der Kläger auf die Verjährungsvorschrift des Art. 49 Abs. 6 Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 berufen. Nach dieser Bestimmung gilt für Beträge, die aufgrund von Kürzungen und Ausschlüssen gemäß den Bestimmungen des Art. 13 und des Titels IV zurückgezahlt werden müssen, eine Verjährungsfrist von vier Jahren. Diese Verjährungsvorschrift kommt bereits deshalb nicht zur Anwendung, weil sie nach Art. 54 Abs. 2 der Verordnung nur für Beihilfeanträge gilt, die sich auf ab dem 1. Januar 2002 beginnende Wirtschaftsjahre oder Prämienzeiträume beziehen. Auch Art. 52a der Verordnung eröffnet nach seinem eindeutigen Wortlaut eine Anwendung des Art. 49 Abs. 6 der Verordnung für Beihilfeanträge, die sich auf Wirtschaftsjahre oder Prämienzeiträume beziehen, die vor dem 1. Januar 2002 begonnen haben, nicht. Daneben forderte die Beklagte im Wesentlichen Beihilfen wegen fehlender Prämienvoraussetzungen zurück.
Maßgeblich für den Beginn der in Art. 49 Abs. 5 Satz 1 der Verordnung bestimmten Verjährungsfrist ist die Zahlung der Beihilfe. Zwar wird in dieser Vorschrift nicht ausdrücklich bestimmt, auf welchen Zahlungszeitpunkt abzustellen ist, wenn die gewährte Beihilfe in mehreren Zahlungen gewährt wird. Lediglich für Vorschüsse sieht Art. 49 Abs. 7 der Verordnung vor, dass die Regelung des Abs. 5 nicht zur Anwendung kommt. Da nach dem eindeutigen Wortlaut der Beginn des Fristlaufs auf den Zeitpunkt der Zahlung der Beihilfe abstellt, ist die Verjährungsbestimmung des Art. 49 Abs. 5 der Verordnung für jede Zahlung (mit Ausnahme von Vorschüssen) gesondert anzuwenden. Ein Hinausschieben des Fristbeginns auf einen ggf. später liegenden Zeitpunkt des Zugangs des Bescheides über die Bewilligung der Beihilfe findet in Art. 49 Abs. 5 der Verordnung keine rechtliche Grundlage.
Da der Kläger nach der - insoweit unbeachtlichen - Vorschusszahlung vom Dezember 1995 erstmals Anfang Juli 1996 eine Abschlusszahlung erhalten hat, ist aufgrund der mit Anhörungsschreiben vom 7. Juni 2006 erfolgten Information darüber, dass die Beihilfe für die 2. Altersklasse zu Unrecht gewährt wurde, nicht nach Art. 49 Abs. 5 Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 Verjährung eingetreten; die Rückforderung der Rindersonderprämie für das Jahr 1995 ist rechtmäßig.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision ist gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, weil der Beantwortung der höchstrichterlich noch nicht geklärten Frage, ob Art. 49 Abs. 5 Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 anwendbar ist, grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1 386,63 € festgesetzt ( §§ 52 Abs. 3, 47 Abs. 1 Satz 1 GKG ).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar ( §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG ).