Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 12.01.2010, Az.: 20 LD 13/07

Aberkennung des Ruhegehalts als disziplinarische Höchstmaßnahme nach dem sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Jugendlichen; Voraussetzungen für eine Lösung von den bindenden strafgerichtlichen Feststellungen

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
12.01.2010
Aktenzeichen
20 LD 13/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2010, 10559
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2010:0112.20LD13.07.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Stade - 26.03.2007 - AZ: 9 A 2204/06

Fundstelle

  • DVBl 2010, 324

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Die Aberkennung des Ruhegehalts kann gegen einen verbeamteten Lehrer als disziplinarische Höchstmaßnahme verhängt werden, wenn sich dieser mehrfach des Missbrauchs von Schutzbefohlenen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Jugendlichen als Dienstvergehen schuldig gemacht hat. Ein Lehrer, der die gebotene körperliche Distanz zu seinen Schülern vermissen lässt und sich nicht entsprechend seiner hohen Verantwortung in sexueller Hinsicht absolut korrekt verhält, indem er die ihm anvertrauten Schüler sexuell missbraucht oder sich auf sonstige unpassende und unangemessene Weise den Schülern körperlich nähert, begeht schwere Verletzungen der Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten. Das Dienstvergehen des Beamten kann nicht milder bewertet werden, weil er zum Zeitpunkt der Disziplinarmaßnahme nicht mehr im aktiven Dienst tätig ist.

  2. 2.

    Eine Lösung von den bindenden strafgerichtlichen Feststellungen kommt für das Disziplinargericht nach §§ 60 Abs. 1 S. 1, 52 Abs. 1 S. 2 NDiszG nur dann in Betracht, wenn es sonst gezwungen wäre, auf der Grundlage offensichtlich unrichtiger oder inzwischen als unzutreffend erkannter Feststellungen zu entscheiden, wenn etwa Feststellungen im Widerspruch zu den Denkgesetzen oder jeder Lebenserfahrung stehen oder aus sonstigen Gründen offenkundig unrichtig sind.

Tatbestand

1

Der Beklagte wendet sich mit seiner Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade vom 26. März 2007, mit dem dieses den Beklagten eines Dienstvergehens für schuldig befunden und ihm das Ruhegehalt aberkannt hat.

2

Der am geborene Beklagte wurde 1969 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Lehrer z. A. ernannt. Im Jahr 1973 wurde er unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Lehrer ernannt. Im Jahr 1976 wurde der Beklagte zum Realschullehrer (Besoldungsgruppe A 13) ernannt. Er wurde zunächst in der Haupt- und Realschule mit Orientierungsstufe F. und seit 1989 in der Haupt- und Realschule mit Orientierungsstufe G. eingesetzt. Im Schuljahr 1999/2000 war er an die Haupt- und Realschule mit Orientierungsstufe H. abgeordnet. Mit Wirkung vom 2007 trat der Beklagte auf eigenen Antrag in den Ruhestand.

3

Der Beklagte hat zwei volljährige Kinder aus erster Ehe. Er ist in zweiter Ehe verheiratet.

4

Disziplinarmaßnahmen sind gegen den Beklagten bisher nicht verhängt worden.

5

Im Januar 2002 wurde der damaligen Bezirksregierung bekannt, dass der Beklagte im Schuljahr 1999/2000 während seiner Abordnung an die Haupt- und Realschule mit Orientierungsstufe H. mit der von ihm damals unterrichteten und am geborenen Schülerin I. ein sexuell geprägtes Verhältnis unterhalten und dies auch nach dem Ende seiner Abordnung fortgesetzt haben solle. Daraufhin wurde der Beklagte am . Januar 2002 von der Bezirksregierung zu einem Dienstgespräch geladen, das am Februar 2002 stattfand. Am . Februar 2002 leitete die Bezirksregierung ein förmliches Disziplinarverfahren gegen den Beklagten ein und erstattete bei der Staatsanwaltschaft J. Anzeige.

6

Mit Verfügung vom . März 2002 enthob die Bezirksregierung den Beklagten vorläufig des Dienstes und ordnete die Einbehaltung von 25 vom Hundert seiner Dienstbezüge an. Der bei dem Verwaltungsgericht Stade gestellte Antrag des Beklagten,

die genannte Verfügung aufzuheben,

7

wurde durch Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 23. Mai 2002 (9 A 518/02) abgelehnt. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Beklagten wurde durch Beschluss des Niedersächsischen Disziplinarhofs vom 11. Juni 2003 (2 NDH M 6/02) zurückgewiesen.

8

Nachdem die Staatsanwaltschaft J. gegen den Beklagten ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet hatte, setzte die Bezirksregierung mit Verfügung vom . April 2002 das Disziplinarverfahren aus.

9

Durch Urteil des Landgerichts J. vom . Juni 2006 ( ) wurde der Beklagte des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Jugendlichen in zwölf Fällen sowie des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen in weiteren vier Fällen schuldig befunden. Der Beklagte wurde zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Außerdem wurde er verurteilt, an die damalige Nebenklägerin I. 1.500,-- EUR zu zahlen. Der Beklagte erklärte unmittelbar nach der Verkündung des Urteils, dass er auf Rechtsmittel verzichte. Auch die Nebenklägerin und die Staatsanwaltschaft verzichteten auf Rechtsmittel.

10

Das Landgericht J. führte in seinem Urteil unter anderem das Folgende aus:

"II.
Der Angeklagte war in der Zeit vom 01.08.1999 bis 31.07.2000 an der Haupt- und Realschule H. als Lehrer tätig. Zu seinen Schülerinnen an dieser Schule gehörte auch die Geschädigte I., welche sich zu dieser Zeit bereits wegen persönlicher Probleme in psychotherapeutischer Behandlung befand. Der Angeklagte baute zu der Geschädigten eine Beziehung auf, im Rahmen derer er von den persönlichen Problemen der Geschädigten erfuhr, da diese sich ihm anvertraute. Der Angeklagte entschloss sich, das somit entstandene Vertrauensverhältnis zu nutzen, um sich aus diesem Verhältnis auch sexuelle Befriedigung zu verschaffen und begann mit der Geschädigten Körperlichkeiten auszutauschen. Das Vertrauensverhältnis und die sexuell geprägte Beziehung hatten über die Zeit seiner Tätigkeit an der Schule der Geschädigten hinausgehend Bestand.

Während der Tätigkeit als Lehrer an der Schule der Geschädigten kam es im Einzelnen zu folgenden Vorfällen:

1.
Am .02. oder .04.2000 nahm er die zu dem Zeitpunkt 15jährige Geschädigte vor dem Klassenzimmer im der benannten Schule in den Arm und gab ihr zunächst einen Kuss auf die Wange, welchen die Geschädigte erwiderte. Daraufhin küsste er sie auf den Mund und drang dabei mit seiner Zunge in den Mund der Geschädigten ein.

2.
In der Zeit vom . bis .05.2000 absolvierte die Geschädigte ein Praktikum bei der in H.. Der Angeklagte suchte sie dort auf, obgleich er nicht der das Praktikum betreuende Lehrer war, verließ mit ihr den Kindergarten und entfernte sich ein Stück, wo er ihr dann erneut einen Zungenkuss gab und ihr unter dem T-Shirt an die Brust griff.

3.
Ebenfalls im Mai 2000 zeigte er in der Klasse der Geschädigten einen Film über Propaganda. Während der Film lief, setzte er sich in dem abgedunkelten Raum auf den freien Platz neben der Geschädigten, nahm ihre Hand und strich damit über der Bekleidung über seinen Oberschenkel und seinen Genitalbereich. Hierbei konnte die Geschädigte deutlich den erigierten Penis des Beschuldigten wahrnehmen. Der Vorgang wurde letztlich unterbrochen, weil die dahintersitzenden Schüler darauf aufmerksam wurden.

4.
An einem nicht näher feststellbaren Tag in der Zeit von April bis Mai 2000 küsste der Angeklagte die Geschädigte nach dem Unterricht und führte ihre Hand oberhalb der Kleidung an seinen erigierten Penis.

5.
Am .05.2000 sollten der Angeklagte und die Geschädigte beide an einer Englischkonferenz teilnehmen. Sie nahmen die Konferenz jedoch nicht wahr, sondern trafen sich stattdessen an der "K. " in L.. Hier sprachen sie darüber, dass der Angeklagte gerne mit der Geschädigten schlafen wolle, dies ginge allerdings erst, wenn sie 16 Jahre alt sei, da er dann dafür nicht strafrechtlich belangt werden könne. Während des Gesprächs lagen der Angeklagte und die Geschädigte nebeneinander auf dem Boden, der Angeklagte zog mit dem Finger die Gesichtskonturen der Geschädigten nach und fragte sie, in welcher Stellung sie den Geschlechtsverkehr denn am liebsten ausübe. Daraufhin setzte sie sich auf sein Becken, er zog ihr T-Shirt hoch und schob den BH nach oben, küsste und streichelte sie und manipulierte schließlich mit Händen, Mund und Zunge an ihren Brustwarzen, bis diese sich aufrichteten. Abschließend nahm er ihre Hand und führte sie zu seinem erigierten Penis.

6.
Bei einem zweiten Treffen an der "K. " im Juni 2000 ließ der Angeklagte die Geschädigte erneut auf seinem Becken sitzen. Dieses Mal war die Geschädigte mit einem langen Sommerkleid bekleidet, unter dem sie keine Unterwäsche trug, was dem Angeklagten bekannt war. Er ließ sie das Kleid bis zum Schambereich hochschieben, beide pressten ihre Unterleibe aneinander, umarmten und küssten sich. Der Angeklagte fuhr wiederum die Konturen ihres Gesichtes nach, dieses Mal jedoch mit der Zunge, und drang mit der Zunge in ihr Ohr ein, während er sie mit den Händen am nackten Po und dem Rücken streichelte und ihr über der Bekleidung an die Brust griff.

7.
Am .06.2000 besuchte die Geschädigte ihn erstmals bei ihm zuhause in G.. An der Eingangstür begrüßte er sie mit einem Zungenkuss.

8.
Am .06.2000 besuchte er gemeinsam mit der Geschädigten die Expo in Hannover. Dort kam es zu einer Begegnung der Geschädigten mit dem Angeklagten vor den dortigen Toilettenräumen, welche der Angeklagte dazu nutzte, sich ihr von hinten zu nähern, sie zu küssen und ihr über der Kleidung an die Brust zu fassen.

9.
Auf der Rückfahrt von dem Besuch der Expo an dem gleichen Tag streckte der Angeklagte, welcher sich auf dem Fahrersitz befand, seine Hand nach der hinten sitzenden Geschädigten aus und streichelte sie zunächst am Bein über der Hose. Dann drang er von unten in das Hosenbein ein und streichelte ihr nacktes Bein, sowie schließlich, über der Hose, die Innenseite der Oberschenkel zu streicheln.

10. und 11.
In der Zeit vom .04. bis .07.2000 schloss er sich in zwei Fällen mit der Geschädigten während der Rausgehpause im Klassenraum ein, um einer Entdeckung vorzubeugen, tauschte in dieser Zeit mit ihr Zungenküsse, leckte ihr im Ohr und am Hals entlang und führte ihre Hand zu seinem erigierten Penis.

12.
Am .07.2000 holte der Angeklagte die Geschädigte vom Bahnhof ab und beide begaben sich zum dritten Mal an die "K. ". Erneut küsste und streichelte der Angeklagte die Geschädigte und ließ sie auf seinem Becken sitzen, wobei sie deutlich seine Erektion spüren konnte und er erneut ihr T-Shirt hochzog, ihren BH öffnete und mittels Händen, Mund und Zunge an ihren Brustwarzen manipulierte.

Auch nachdem er nicht mehr Lehrer an der Schule der Geschädigten war, hielt er den persönlichen und sexuellen Kontakt zu der 15-jährigen aufrecht. Bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres der Geschädigten kam es zu folgenden Vorfällen:

13.
Am .08.2000 besuchte die Geschädigte den Angeklagten und seine Ehefrau in ihrem Haus. In von der Ehefrau unbeobachteten Momenten tauschte er mit der Geschädigten Zungenküsse und Umarmungen aus.

14.
Am .09.2000 traf die Geschädigte sich erneut mit dem Angeklagten bei ihm zuhause. Der Angeklagte hatte für sie ein Kunstreferat über ausgearbeitet, welches sie abschreiben sollte. Sie suchten daher ohne die Ehefrau des Angeklagten dessen Arbeitszimmer auf, wo er der Geschädigten das T-Shirt auszog, ihren BH öffnete, Zungenküsse austauschte und erneut ihre Brust mit Hand und Zunge liebkoste. Dann setzte sich der Angeklagte auf einen Schreibtischstuhl, zog die Geschädigte so zu sich auf den Schoß, dass sie sich ansahen, er widmete sich erneut mit Hand, Mund und Zunge ihrer Brust und ließ sie in seine Hose eindringen, wo sie sein erigiertes Glied umfasste. Der Angeklagte äußerte sich weiter dahingehend, dass durch die Einnahme der Pille die Brust der Geschädigten tatsächlich größer geworden sei und diese gut in der Hand liege. Schließlich verlagerte er die sexuellen Handlungen auf den Schreibtisch, indem er die Geschädigte auf den Tisch setzte und mit der Zunge ihre Augenbrauen nachfuhr.

15.
Am .10.2000 besuchten der Angeklagte, seine Ehefrau und die Geschädigte erneut die Expo. Während der dortigen Abendvorstellung saß der Angeklagte zwischen den beiden Frauen. Er nutzte die Gelegenheit, um seine Hand über der Bekleidung an den Schritt der Geschädigten zu legen.

16.
Am selben Tag griff der Angeklagte auf der Rückfahrt von dem Expo-Besuch wiederum nach hinten und rieb der Geschädigten, welche in die Mitte der Rückbank gerückt war, am Schritt und drang mit der Hand in die Hose ein, welche zwei bis drei Knöpfe weit geöffnet war, um sie weiter im Genitalbereich zu berühren.

III.
Die Feststellungen zur Person beruhen auf den glaubhaften Angaben des Angeklagten und den Angaben des Verteidigers sowie auf dem verlesenen Bundeszentralregisterauszug vom .11.2003. Die Feststellungen zum Tatgeschehen beruhen auf der geständigen Einlassung des Angeklagten, der die Vorwürfe eingeräumt hat.

IV.
Der Angeklagte hat sich des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Jugendlichen in 12 Fällen sowie des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen in weiteren 4 Fällen schuldig gemacht. Er hat in allen insgesamt 16 Fällen an der Geschädigten I. sexuelle Handlungen vorgenommen oder an sich von ihr vornehmen lassen, wobei diese Handlungen - im Einzelnen oder mit anderen Handlungen in einem Gesamtzusammenhang verknüpft - daraus bestanden, dass er sie unter Einsatz der Zunge küsste (Fälle 1., 2., 5., 6., 7., 10., 11., 12., 13., 14.), sie gezielt an der Brust (Fälle 2., 5., 6., 8., 12., 14.) oder an bzw. in der Nähe ihres Genitalbereiches (Fälle 9., 15., 16) sowie am Po (Fall 6.) berührte und streichelte, ihre Hand an seinen Genitalbereich führte bzw. sie seinen Penis umfassen ließ (Fälle 3., 4., 5., 10., 11., 14.) und sie auf seinem Becken oder Schoss sitzen ließ (Fälle 5., 6., 12., 14.).

In den Fällen 1. bis 12. hat der Angeklagte gehandelt, während er als Lehrer der Geschädigten I. tätig war, er hat dabei das ihm bekannte und bewusste besondere Verhältnis zu ihr aus seiner Stellung als Lehrer ausgenutzt, um sexuelle Handlungen mit ihr durchzuführen. Weiter machte er es sich zunutze, dass die Geschädigte zur Zeit der Taten stark mit persönlichen Problemen zu kämpfen hatte. Es war ihm bewusst und er nahm billigend in Kauf, dass die Angeklagte in ihrer sexuellen Selbstbestimmung noch nicht gefestigt war und er sie hierdurch begründet dahingehend beeinflussen konnte, mit ihm sexuelle Kontakte aufzunehmen und aufrechtzuerhalten. Auch nachdem er nicht mehr Lehrer an ihrer Schule war, nutzte er in den Fällen 13. bis 16. die weiterhin bestehende persönliche Verbindung und die ihm bewusste mangelnde Festigung der Geschädigten I. in ihrer Persönlichkeit und sexuellen Selbstbestimmung, um sich durch sexuelle Handlungen mit ihr Befriedigung zu verschaffen.

Zur Zeit der Taten hatte die Geschädigte I. ihr sechzehntes Lebensjahr noch nicht vollendet, was dem Angeklagten bekannt war.

Die Delikte stehen zueinander teils im Verhältnis der Tateinheit, § 52 StGB, wie oben dargestellt, im Übrigen im Verhältnis der Tatmehrheit, § 53 StGB.

V.
Die Kammer hat hinsichtlich der Fälle 1. bis 12. den Strafrahmen des § 174 Absatz 1 StGB in der vom 01.01.2000 bis 31.03.2004 geltenden Fassung, sowie hinsichtlich der Fälle 13. bis 16. den Strafrahmen des § 182 Absatz 2 StGB zugrunde gelegt, welche jeweils Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu fünf Jahren vorsehen.

a.
In Bezug auf § 174 Absatz 1 StGB war wegen § 2 Absatz 3 StGB das Gesetz in der vom 01.01.2000 bis 31.03.2004 geltenden Fassung anzuwenden, da dieses bei Beendigung der Taten galt und gegenüber der nunmehr geltenden Fassung wegen der geringeren Strafandrohung das mildere Gesetz darstellt.

b.
Die Kammer hat von der Möglichkeit, von einer Bestrafung nach § 174 Absatz 4 bzw. § 182 Absatz 4 StGB abzusehen, in keinem der Fälle Gebrauch gemacht, da die Voraussetzungen hierfür zur Überzeugung der Kammer nicht vorliegen. Bei Berücksichtigung des Verhaltens der Geschädigten ist das Unrecht der Taten nicht als gering einzustufen. Die Kammer hat insoweit berücksichtigt, dass es sich nicht um eine einmalige Grenzübertretung handelte, sondern der Angeklagte das Vertrauensverhältnis zu der Geschädigten gezielt und auf einen längeren Zeitraum angelegt dazu nutzte, sich an dieser sexuelle Befriedigung zu verschaffen.

c.
Bei der Strafzumessung hat die Kammer folgendes berücksichtigt:

Strafschärfend musste sich auswirken, dass es sich nicht lediglich um eine Grenzüberschreitung im Einzelfall handelt, sondern dass das sexuelle Verhältnis auf einen längeren Zeitraum ausgerichtet war. Der Angeklagte ist insofern planmäßig vorgegangen, was schon daran ersichtlich ist, dass er mit der Geschädigten bereits Monate vor deren Vollendung des sechzehnten Lebensjahres darüber sprach, dass er dann mit ihr auch den Geschlechtsverkehr ausüben wolle. Zu Lasten des Angeklagten musste sich weiter auswirken, dass durch seine Taten eine Gefährdung der psychisch nicht stabilen Geschädigten hervorgerufen wurde. Er kannte ihren insoweit bestehenden Hintergrund und nahm billigend in Kauf, dass sich ihre mentale Verfassung aufgrund des Verhältnisses verschlechtern könnte.

Mildernd musste sich auswirken, dass der Angeklagte bereits erhebliche beamtenrechtliche Konsequenzen hinnehmen musste und gegebenenfalls weitere dienstrechtliche Maßnahmen zu erwarten sind, wegen seiner noch andauernden Stellung als Beamter ist er daher strafempfindlicher als andere Täter, welche neben dem Strafausspruch nicht zusätzlich in ihrer beruflichen Stellung betroffen werden. Insbesondere hat der Angeklagte seit ca. fünf Jahren erhebliche finanzielle Einbussen in Kauf zu nehmen und ist von der Tätigkeit als Lehrer dauerhaft suspendiert. Letzteres fällt auch insoweit ins Gewicht, als dass eine Gefährdung weiterer Schülerinnen aus diesem Grund nicht zu erwarten ist. Weiterhin war zugunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass er die Taten gestanden hat und somit zu einer Abkürzung der Hauptverhandlung beigetragen sowie die Zeugenaussage der Geschädigten I. vor Gericht entbehrlich gemacht hat, welche sich zur Überzeugung der Kammer in Anbetracht der betroffenen Straftaten und der zu erwartenden Nachfragen als außerordentlich belastend für die Zeugin ausgewirkt hätte. Auswirken musste sich auch, dass der Angeklagte nicht vorbestraft ist sowie die Tatsache, dass seit Begehung der Taten bereits ein Zeitraum von mehr als fünf Jahren verstrichen ist und er seither durch das gegen ihn laufende Verfahren belastet war.

d.
Die Kammer hat nach Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Strafzumessungskriterien folgende Einzelstraftaten für die oben genannten Fälle als tat- und schuldangemessen erkannt:

7., 8., 9., 13., 15.) jeweils 1 (einen) Monat,

1., 2., 16.) jeweils 2 (zwei) Monate,

3., 4., 10., 11.) jeweils 3 (drei) Monate,

6., 12., 14.) jeweils 5 (fünf) Monate,

5., 6.) (sechs) Monate.

In Bezug auf die Fälle 1. bis 4. und 6. bis 16. war jeweils die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe unerlässlich zur Verteidigung der Rechtsordnung nach § 47 Absatz 1 StGB. Ohne Verhängung einer Freiheitsstrafe ist wegen der Umstände der vorliegenden Taten, insbesondere wegen der Schwere der Schuld und der hierdurch entstandenen Gefährdung der Geschädigten I., ernstlich zu befürchten, dass die Allgemeinheit ihr Vertrauen in die Wirksamkeit der Strafrechtspflege verliert und dadurch das allgemeine Rechtsbewusstsein nachhaltig beeinträchtigt wird. Wegen der besonderen Umstände des Gesamtbildes der Taten ist das gewichtigere Unwerturteil erforderlich, welches im Ausspruch einer Freiheitsstrafe liegt.

Bei nochmaliger Abwägung aller vorgenannten Strafzumessungsgesichtspunkte hat die Kammer aus den Einzelstrafen unter Erhöhung der Einsatzstrafe von sechs Monaten gemäß § 53 StGB auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von

11 (elf) Monaten

als tat- und schuldangemessen erkannt. Bei der nochmaligen Gesamtabwägung fiel zugunsten des Angeklagten insbesondere sein Geständnis ins Gewicht sowie die beamtenrechtlichen Folgen, die der Angeklagte bereits in Kauf nehmen musste und welche weiterhin, eventuell auch in noch höherem Ausmaß als bisher, zu erwarten sind. Ferner hat die Kammer zugunsten des Angeklagten gewertet, dass er den Schmerzensgeldantrag der Geschädigten anerkannt hat.

Die Freiheitsstrafe war gemäß § 56 Absatz 1 StGB zur Bewährung auszusetzen. Zur Überzeugung der Kammer ist zu erwarten, dass der Angeklagte sich bereits die Verurteilung zur Warnung dienen lassen wird und auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Hierbei hat die Kammer berücksichtigt, dass der Angeklagte nicht mehr als Lehrer tätig sein wird, so dass davon auszugehen ist, so dass schon hierdurch der Gefahr der Begehung weiterer Taten in der Art der abgeurteilten Taten entgegengewirkt ist. Der Angeklagte ist ansonsten strafrechtlich unbescholten und zeigt keinerlei Tendenzen einer Neigung zur Begehung von Straftaten.

VI.
Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung den Antrag der Geschädigten I., den Angeklagten im Rahmen des Adhäsionsverfahrens zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 1.500,- EUR zu verurteilen, anerkannt. Der Forderung ist daher stattzugeben, sie ist insoweit einer rechtlichen Bewertung durch das Gericht gem. § 307 Satz 1 ZPO entzogen."

11

Die Klägerin setzte das Disziplinarverfahren am . Juli 2006 fort.

12

Am 6. September 2006 hat die Klägerin Disziplinarklage erhoben. Sie hat dem Beklagten die folgenden Pflichtverletzungen zur Last gelegt:

13

1.

Am . Februar oder . April 2000 habe der Beklagte die zu diesem Zeitpunkt 14-jährige Schülerin I. vor dem Klassenzimmer im der Haupt- und Realschule mit Orientierungsstufe H. in den Arm genommen und ihr zunächst einen Kuss auf die Wange gegeben, welchen die Schülerin erwidert habe. Daraufhin habe er sie auf den Mund geküsst und sei dabei mit seiner Zunge in den Mund der Schülerin gedrungen.

14

2.

In der Zeit vom . bis . Mai 2000 habe die Schülerin I. ein Praktikum bei der in H. absolviert. Der Beklagte habe sie dort aufgesucht, obgleich er nicht der das Praktikum betreuende Lehrer gewesen sei, habe mit ihr den Kindergarten verlassen und sich ein Stück entfernt, wo er ihr dann erneut einen Zungenkuss gegeben und ihr unter dem T-Shirt an die Brust gegriffen habe.

15

3.

Ebenfalls im Mai 2000 habe der Beklagte der Schülerin I. in der Klasse einen Film über Propaganda gezeigt. Während der Film gelaufen sei, habe er sich in dem abgedunkelten Raum auf den freien Platz neben der Schülerin gesetzt, habe ihre Hand genommen und damit über der Bekleidung über seinen Oberschenkel und seinen Genitalbereich gestrichen. Hierbei habe die Schülerin deutlich den erigierten Penis des Beklagten wahrgenommen. Der Vorgang sei letztlich unterbrochen worden, weil die dahinter sitzenden Schüler darauf aufmerksam geworden seien.

16

4.

An einem nicht näher feststellbaren Tag in der Zeit von April bis Mai 2000 habe der Beklagte die Schülerin I. nach dem Unterricht geküsst und ihre Hand oberhalb der Kleidung an seinen erigierten Penis geführt.

17

5.

Am . Mai 2000 hätten der Beklagte und die Schülerin I. an einer Englischkonferenz teilnehmen sollen. Sie hätten die Konferenz jedoch nicht wahrgenommen, sondern sich stattdessen in der "K. " in L. getroffen. Hier hätten sie darüber gesprochen, dass der Beklagte gerne mit der Schülerin schlafen wolle, dies ginge allerdings erst, wenn sie 16 Jahre alt sei, da er dann dafür nicht strafrechtlich belangt werden könne. Während des Gesprächs hätten der Beklagte und die Schülerin nebeneinander auf dem Boden gelegen. Der Beklagte habe mit dem Finger die Gesichtskonturen der Schülerin nachgezogen und sie gefragt, in welcher Stellung sie den Geschlechtsverkehr denn am liebsten ausübe. Daraufhin habe sie sich auf sein Becken gesetzt. Er habe ihr T-Shirt hochgezogen und den BH nach oben geschoben, sie geküsst und gestreichelt und schließlich mit Händen, Mund und Zunge an ihren Brustwarzen manipuliert, bis diese sich aufgerichtet hätten. Abschließend habe er ihre Hand genommen und sie zu seinem erigierten Penis geführt.

18

6.

Bei einem zweiten Treffen an der "K. " im Juni 2000 habe der Beklagte die Schülerin I. erneut auf seinem Becken sitzen lassen. Dieses Mal sei die Schülerin mit einem langen Sommerkleid bekleidet gewesen, unter dem sie keine Unterwäsche getragen habe, was dem Beklagten bekannt gewesen sei. Er habe die Schülerin das Kleid bis zum Schambereich hochschieben lassen, beide hätten ihre Unterleiber aneinandergepresst, sich umarmt und geküsst. Der Beklagte habe wiederum die Konturen ihres Gesichts nachgezogen, dieses Mal mit der Zunge, und sei mit der Zunge in ihr Ohr eingedrungen, während er sie mit den Händen am nackten Po und Rücken gestreichelt und ihr über der Bekleidung an die Brust gegriffen habe.

19

7.

Am . Juni 2000 habe die Schülerin I. den Beklagten erstmals bei ihm zuhause in G. besucht. An der Eingangstür habe er sie mit einem Zungenkuss begrüßt.

20

8.

Am . Juni 2000 habe der Beklagte gemeinsam mit der Schülerin I. die Expo in Hannover besucht. Dort sei es zu einer Begegnung des Beklagten mit der Schülerin vor den Toilettenräumen gekommen, die der Beklagte dazu genutzt habe, sich ihr von hinten zu nähern, sie zu küssen und über der Bekleidung an ihre Brust zu fassen.

21

9.

Auf der Rückfahrt von dem Besuch der Expo am gleichen Tag habe der Beklagte, der sich auf dem Fahrersitz befunden habe, seine Hand nach der hinten sitzenden Schülerin I. ausgestreckt und sie zunächst am Bein über der Hose gestreichelt. Dann sei er von hinten in das Hosenbein eingedrungen und habe ihr nacktes Bein gestreichelt, um schließlich, über der Hose, die Innenseite ihrer Oberschenkel zu streicheln.

22

10.

23

und 11. In der Zeit vom . April bis . Juli 2000 habe der Beklagte sich in zwei Fällen mit der Schülerin I. während der Rausgehpause im Klassenraum eingeschlossen, um einer Entdeckung vorzubeugen, habe in dieser Zeit mit ihr Zungenküsse ausgetauscht, in ihrem Ohr und am Hals entlang geleckt und ihre Hand zu seinem erigierten Penis geführt.

24

12.

25

Am . Juli 2000 habe der Beklagte die Schülerin I. am Bahnhof abgeholt und sich mit ihr an die "K. " begeben. Er habe die Schülerin erneut geküsst und gestreichelt und sie auf seinem Becken sitzen lassen, wobei sie deutlich seine Erektion habe spüren können und er erneut ihr T-Shirt hochgezogen habe, ihren BH geöffnet und mittels Händen, Mund und Zunge an ihren Brustwarzen manipuliert habe.

26

13.

27

Am . August 2000 habe die Schülerin I. den Beklagten und seine Ehefrau in ihrem Haus besucht. In von der Ehefrau unbeobachteten Momenten habe er mit der Schülerin Zungenküsse und Umarmungen ausgetauscht.

28

14.

29

Am . September 2000 habe die Schülerin I. sich erneut mit dem Beklagten bei ihm zuhause getroffen. Der Beklagte habe für sie ein Kunstreferat über ausgearbeitet, welches sie habe abschreiben sollen. Sie hätten daher ohne die Ehefrau des Beklagten dessen Arbeitszimmer aufgesucht, wo er der Schülerin das T-Shirt ausgezogen, ihren BH geöffnet, Zungenküsse ausgetauscht und erneut ihre Brust mit Hand und Zunge liebkost habe. Dann habe sich der Beklagte auf einen Schreibtischstuhl gesetzt, die Schülerin so zu sich auf den Schoß gezogen, dass sie sich angesehen hätten, sich erneut mit Hand, Mund und Zunge ihrer Brust gewidmet und sie in seine Hose eindringen lassen, wo sie sein erigiertes Glied umfasst habe. Der Beklagte habe sich dahingehend geäußert, dass durch die Einnahme der Pille die Brust der Schülerin tatsächlich größer geworden sei und diese gut in der Hand liege. Schließlich habe er die sexuellen Handlungen auf den Schreibtisch verlagert, indem er die Schülerin auf den Schreibtisch gesetzt habe und mit der Zunge ihre Augenbrauen nachgefahren sei.

30

15.

31

Am . Oktober 2000 hätten der Beklagte, seine Ehefrau und die Schülerin I. erneut die Expo besucht. Während der dortigen Abendvorstellung habe der Beklagte zwischen seiner Ehefrau und der Schülerin gesessen. Er habe die Gelegenheit genutzt, um seine Hand über der Bekleidung an den Schritt der Schülerin zu legen.

32

16.

33

Am selben Tag habe der Beklagte auf der Rückfahrt vom Expo-Besuch wiederum nach hinten gegriffen und der Schülerin I., die in die Mitte der Rückbank gerückt sei, am Schritt gerieben. Er sei mit der Hand in ihre Hose eingedrungen, die zwei bis drei Knöpfe weit geöffnet gewesen sei, um sie weiter im Genitalbereich zu berühren.

34

17.

35

Der Beklagte habe bei einem Dienstgespräch am . Februar 2002 gegenüber seinem Dienstherrn die unter 1. bis 16. angeführten Sachverhalte wahrheitswidrig bestritten, obwohl er auf die Pflicht zur wahrheitsgemäßen Aussage und auf das Recht, die Aussage zu verweigern, verwiesen worden sei.

36

Im Verlaufe des erstinstanzlichen Verfahrens hat der Beklagte einen Bescheid des Landesamtes für Soziales, Jugend und Familie vom 2006 vorgelegt. Mit diesem ist festgestellt worden, dass der Grad der Behinderung (GdB) des Beklagten ab dem 2006 60 betrage. Als Funktionsbeeinträchtigungen sind in dem genannten Bescheid der Verlust der Vorsteherdrüse (Einzel-GdB: 50) sowie Schäden der Wirbelsäule mit operativer Behandlung und schmerzhaften Bewegungsstörungen (Einzel-GdB: 20) festgestellt worden. Zu der Funktionsbeeinträchtigung des Verlustes der Vorsteherdrüse heißt es in dem Bescheid, sie befinde sich zurzeit noch im Stadium der Heilungsbewährung. Daher werde die Funktionsbeeinträchtigung, obwohl dies durch die derzeitigen tatsächlichen Auswirkungen nicht gerechtfertigt sei, zunächst mit einem höheren GdB als zustehend bewertet. Nach Ablauf der Heilungsbewährung, die im Falle des Beklagten im 2011 ende, werde der GdB überprüft und entsprechend der dann noch verbliebenen tatsächlichen Funktionsbeeinträchtigung gegebenenfalls neu festgestellt.

37

In der mündlichen Verhandlung hat das Verwaltungsgericht den oben unter 17. aufgeführten Vorwurf gemäß § 51 Sätze 1 und 2 NDiszG aus dem Disziplinarverfahren ausgeschieden.

38

Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ausgeführt, er räume das angeschuldigte Verhalten ein, ohne dass er es noch verstehen könne.

39

Die Klägerin hat beantragt,

die Ruhestandsbezüge des Beklagten abzuerkennen.

40

Der Beklagte hat beantragt,

von der Verhängung der disziplinaren Höchstmaßnahme abzusehen und nach Ermessen des Gerichts auf eine geringere Maßnahme zu erkennen.

41

Mit Urteil vom 26. März 2007 hat das Verwaltungsgericht den Beklagten eines Dienstvergehens für schuldig befunden und ihm das Ruhegehalt aberkannt. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht unter anderem ausgeführt, nach den gemäß § 52 Satz 1 NDiszG bindenden tatsächlichen Feststellungen des rechtskräftigen Strafurteils des Landgerichts J. vom 13. Juni 2006 stehe fest, dass der Beklagte die unter 1. bis 16. der Disziplinarklage vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen begangen habe. Er habe diese Dienstpflichtverletzungen auch eingeräumt. Die von ihm aufgeworfene Frage, ob seine Aussagen bei der Anhörung am 7. Februar 2002 verwertet werden könnten, stelle sich angesichts des Umstandes, dass das Gericht an die Feststellungen des rechtskräftigen Strafurteils gebunden sei, nicht. Der strafbare sexuelle Missbrauch einer minderjährigen Schülerin sei eines der schwersten Dienstvergehen, dessen sich ein Lehrer schuldig machen könne. Der darin liegende Verstoß gegen die Kernpflichten eines Lehrers erfordere in der Regel die disziplinare Höchstmaßnahme. Die Gesamtwürdigung aller be- und entlastenden Umstände führe im Falle des Beklagten zu keinem anderen Ergebnis. Da der Beklagte durch das von ihm begangene Dienstvergehen das Vertrauen seines Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren habe, sei es erforderlich, ihm das Ruhegehalt abzuerkennen. Bis zur Gewährung einer Rente aufgrund einer Nachversicherung, längstens jedoch für die Dauer von sechs Monaten, sei ihm ein Unterhaltsbeitrag in Höhe von 70% des ihm bei Eintritt der Unanfechtbarkeit der Entscheidung zustehenden Ruhegehaltes zu zahlen.

42

Der Beklagte hat gegen das ihm am 28. September 2007 zugestellte Urteil am 24. Oktober 2007 Berufung eingelegt. Er wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen, dass er bei der Einleitung des Disziplinarverfahrens nicht ordnungsgemäß über die Aussagefreiheit belehrt worden sei. Ihm dürfe deshalb nicht vorgeworfen werden, bei einem Dienstgespräch am 7. Februar 2002 wahrheitswidrige Angaben gemacht zu haben. Die tatsächlichen Feststellungen des rechtskräftigen Urteils des Landgerichts J. vom 13. Juni 2002 seien gemäß § 52 Satz 1 NDiszG zwar bindend. Es müsse jedoch berücksichtigt werden, dass das Urteil nach einer zwischen dem Strafgericht, dem Staatsanwalt, seinem Verteidiger und ihm getroffenen Absprache getroffen worden sei. Er habe sich auf die Absprache eingelassen, weil er einen zeitaufwändigen Strafprozess, der seinem guten Ruf geschadet hätte, habe vermeiden wollen. Die Absprache habe jedoch zur Folge gehabt, dass der Wahrheitsgehalt der tatsächlichen Feststellungen des Strafurteils noch zu keinem Zeitpunkt überprüft worden sei. Die genaue Betrachtung einzelner Vorwürfe zeige, dass die ihm vorgeworfenen Handlungen, die er an der Schülerin vorgenommen haben solle, schon "rein technisch" nicht möglich gewesen seien.

43

Das ihm vorgeworfene Dienstvergehen erfordere jedenfalls aber nicht die Aberkennung des Ruhegehalts. Das Verwaltungsgericht habe bei der Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme das ihm eingeräumte Ermessen nicht pflichtgemäß angewandt. Es treffe entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts nicht zu, dass er die Schülerin I. in ein Abhängigkeitsverhältnis zu sich gebracht habe, was nach Auffassung des Verwaltungsgerichts wiederum zu Selbstmordversuchen der Schülerin und deren vorübergehender Einweisung in die Kinder- und Jugendpsychiatrie geführt habe. Er bestreite diese Feststellung des Verwaltungsgerichts und beantrage,

Beweis zu erheben durch Vernehmung der I. als Zeugin sowie durch Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens zu der Tatsache, dass I. nicht in einem Abhängigkeitsverhältnis zu ihm gestanden habe und dass ihre Selbstmordversuche und die vorübergehende Einweisung in die Kinder- und Jugendpsychiatrie nicht kausal auf die Beziehung zu ihm zurückzuführen gewesen seien.

44

Das Verwaltungsgericht habe bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme seine Persönlichkeit sowie die Folgen der Disziplinarmaßnahme für ihn und seine Ehefrau nicht angemessen berücksichtigt. Er habe seinen Beruf seit 1969 bis zu den Vorfällen, die Gegenstand des Disziplinarverfahrens seien, stets vorbildlich und beanstandungsfrei ausgeübt. Er habe wiederholt Schülerinnen in Notlagen geholfen. Die Ausgangssituation im Falle der Schülerin I. sei vergleichbar gewesen. Sie habe ihm unter anderem die Lieblosigkeit ihres Elternhauses und das Verhältnis zu ihren Brüdern beschrieben. Dieses sei insbesondere von der Erinnerung der Schülerin an Ereignisse aus der Kindheit geprägt gewesen, die darin bestanden hätten, dass sie von einem der Brüder sexuell missbraucht worden sei.

45

Zu berücksichtigen sei auch, dass seine Ehefrau Hausfrau sei und weder eigene Einkünfte noch eine Krankenversicherung habe. Auch sein Verhalten in der Verhandlung vor dem Landgericht J. sei angemessen zu würdigen. Er habe durch seine Einlassung seinerzeit maßgeblich dazu beigetragen, dass der Schülerin I. eine belastende Zeugenvernehmung erspart geblieben sei. Dies habe das Landgericht J. bei seiner Urteilsfindung angemessen gewürdigt.

46

Das Verwaltungsgericht habe auch seine Zukunftsangst nicht hinreichend gewürdigt. Er könne im Falle der Aberkennung des Ruhegehalts nicht in die gesetzliche Krankenversicherung aufgenommen werden. Ob und mit welchen Kosten eine private Absicherung möglich sei, sei offen. Es sei mit Sicherheit davon auszugehen, dass seine Krebserkrankung als Vorerkrankung von jedem Versicherungsschutz ausgeschlossen werde.

47

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und auf eine mildere Disziplinarmaßnahme zu erkennen.

48

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

49

Sie schließt sich der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts an und trägt hierzu vor, dass keine Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestünden. Das von dem Beklagten begangene Dienstvergehen erfordere die disziplinarische Höchstmaßnahme.

50

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten, die Verwaltungsvorgänge der Klägerin und die Strafakten der Staatsanwaltschaft J. ( ) verwiesen.

Entscheidungsgründe

51

Die Berufung des Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet.

52

1.

Die von dem Beklagten in formeller Hinsicht erhobene Rüge führt nicht zu einer Änderung des angefochtenen Urteils. Die Rüge betrifft den mit der Disziplinarklage erhobenen und im Tatbestand dieses Urteils unter 17. aufgeführten Vorwurf, den das Verwaltungsgericht mit seinem unanfechtbaren Beschluss vom 26. März 2007 gemäß § 51 Satz 2 NDiszG aus dem Disziplinarverfahren ausgeschieden hat. Der von dem Beklagten geltend gemachte Verfahrensmangel hat sich mithin nicht zu seinen Lasten auf das angefochtene Urteil ausgewirkt.

53

2.

Das Verwaltungsgericht hat in materiell-rechtlicher Hinsicht zu Recht auf die disziplinarische Höchstmaßnahme, die Aberkennung des Ruhegehalts, erkannt.

54

Die Berufung ist unbeschränkt eingelegt worden. Denn mit ihr hat der Beklagte nicht nur die Feststellungen des Verwaltungsgerichts zur Bemessung der Disziplinarmaßnahme angegriffen, sondern auch die Feststellungen des Gerichts zu den ihm vorgeworfenen Pflichtverletzungen. Der Senat hat deshalb den Sachverhalt selbst festzustellen und disziplinarrechtlich zu würdigen.

55

a.)

Hinsichtlich der gegen den Beklagten erhobenen Vorwürfe geht der Senat in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht von den tatsächlichen Feststellungen aus, die das Landgericht J. in seinem Urteil vom . Juni 2006 getroffen hat. Der Gegenstand der disziplinarischen Anschuldigung wird in vollem Umfang von dem strafgerichtlichen Urteil erfasst. Die strafgerichtlichen Feststellungen sind gemäß §§ 60 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1 Satz 1 NDiszG für den Senat bindend.

56

Die Voraussetzungen für eine Lösung von den bindenden strafgerichtlichen Feststellungen nach §§ 60 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1 Satz 2 NDiszG sind nicht gegeben. Eine Lösung von bindenden strafgerichtlichen Feststellungen ist hiernach nur ausnahmsweise und nur unter eng begrenzten Voraussetzungen möglich. Das Disziplinargericht darf die eigene Entscheidung nicht an die Stelle derjenigen des Strafgerichts setzen. Strafgerichtliche Feststellungen sind daher auch dann für die Disziplinargerichte bindend, wenn diese aufgrund eigener Würdigung abweichende Feststellungen für möglich halten. Eine Lösung kommt nur dann in Betracht, wenn das Disziplinargericht sonst gezwungen wäre, auf der Grundlage offensichtlich unrichtiger oder inzwischen als unzutreffend erkannter Feststellungen zu entscheiden, wenn etwa Feststellungen im Widerspruch zu den Denkgesetzen oder jeder Lebenserfahrung stehen oder aus sonstigen Gründen offenkundig unrichtig sind. Nur dies soll durch die Lösungsmöglichkeit verhindert werden; die bloße Möglichkeit, dass das Geschehen auch anders gewesen sein könnte, reicht zu einem Lösungsbeschluss nicht aus (vgl. BVerwG, Urt. v. 04.05.1993 - 1 D 52.91 -, DokBer B 1993, 206, m.w.N.; Nds. OVG, Urt. v. 27.05.2008 - 20 LD 5/07 -).

57

Gemessen hieran sind die in dem Urteil des Landgerichts J. vom . Juni 2006 getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht offenkundig unrichtig im Sinne der §§ 60 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1 Satz 2 NDiszG. Der Beklagte hat die im Strafverfahren angeklagten Vorwürfe in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht J. am . Juni 2006 ausdrücklich eingeräumt (vgl. S. 3 der Sitzungsniederschrift vom .6.2006 [Bl. 185 BA-H] und S. 8 des Strafurteils vom .6.2006 [Bl. 198 BA-H]). In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat der Beklagte die Vorwürfe ebenfalls ausdrücklich eingeräumt (vgl. S. 2 der Sitzungsniederschrift vom 26.3.2007 [Bl. 63 GA]). Soweit der Beklagte demgegenüber in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat mit der Begründung, die genaue Betrachtung einzelner Vorwürfe zeige, dass die ihm vorgeworfenen Handlungen, die er an der Schülerin vorgenommen haben solle, schon "rein technisch" nicht möglich gewesen seien, versucht hat, dem Senat die offenkundige Unrichtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Strafurteils vor Augen zu führen, ist ihm dies nicht gelungen. Der Beklagte hat den Senat nicht davon zu überzeugen vermocht, dass die strafgerichtlichen Feststellungen im Widerspruch zu den Denkgesetzen oder jeder Lebenserfahrung stehen oder aus sonstigen Gründen offenkundig unrichtig sind. Der Senat hält es entgegen der Behauptung des Beklagten durchaus biomechanisch für möglich, dass dieser die Handlungen in der ihm vorgeworfenen und strafrechtlich rechtskräftig geahndeten Weise begangen hat.

58

Der Beklagte hat durch das festgestellte Verhalten, das strafrechtlich als sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Jugendlichen in zwölf Fällen sowie als sexueller Missbrauch von Jugendlichen in weiteren vier Fällen eingestuft worden ist, ein Dienstvergehen im Sinne des § 85 Abs. 1 NBG a.F. (vgl. jetzt § 47 Abs. 1 BeamtStG) begangen. Er hat schuldhaft gegen die sich aus § 62 Satz 3 NBG a.F. (vgl. jetzt § 34 Satz 3 BeamtStG) ergebende Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten verstoßen. Auch die Voraussetzungen des § 85 Abs. 1 Satz 2 NBG a.F. (vgl. jetzt§ 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG) sind gegeben.

59

Zu den Dienstpflichten der Lehrer, die den umfassenden Bildungsauftrag der Schule (§ 2 NSchG) zu erfüllen haben, gehören der Unterricht und die Erziehung der ihnen anvertrauten Schüler unter Beachtung der Elternrechte. Die Lehrer sollen die Schüler mit dem geltenden Wertesystem und den Moralvorstellungen der Gesellschaft bekannt machen und sie zu deren Einhaltung anhalten. Damit der Erziehungsauftrag mit der notwendigen Überzeugung und Glaubwürdigkeit erfüllt werden kann, ist von einem Lehrer besondere Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit auf sittlichem Gebiet zu verlangen. Diesen Anforderungen wird ein Lehrer nicht gerecht, wenn er gravierend gegen geltende Moralvorstellungen verstößt und Straftaten begeht. Hierdurch macht er sich als Erzieher und Vorbild der ihm anvertrauten Schüler untragbar (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 27.5.2008 - 20 LD 5/07 -; Urt. v. 17.7.2007 - 19 LD 13/06 -; NDH, Beschl. v. 21.2.2005 - 1 NDH M 10/04 -, NJW 2005, 1387; Urt. v. 1.12.1999 - 2 NDH L 12/97 -). Das Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern ist hierbei durch körperliche Distanz geprägt; das heißt, es besteht für den Lehrer die Pflicht, die Distanz zu wahren, die - bei aller zulässigen Zuwendung und Hilfsbereitschaft - zur Erfüllung des Bildungsauftrags und der Wahrung der Elternrechte unerlässlich ist (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 27.5.2008 - 20 LD 5/07 -; Urt. v. 17.7.2007 - 19 LD 13/06 -). Ein Lehrer, der die gebotene körperliche Distanz zu seinen Schülern vermissen lässt und sich nicht entsprechend seiner hohen Verantwortung insbesondere für die sittlichen Wertempfindungen in sexueller Hinsicht absolut korrekt verhält, indem er die ihm anvertrauten Schüler sexuell missbraucht, zu ihrem Nachteil den Straftatbestand der Körperverletzung erfüllt oder sich auf sonstige unpassende und unangemessene Weise den Schülern körperlich nähert, begeht daher schwere Verletzungen der Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 27.5.2008 - 20 LD 5/07 -).

60

b.)

Das von dem Beklagten begangene Dienstvergehen macht die von dem Verwaltungsgericht ausgesprochene Maßnahme der Aberkennung des Ruhegehalts erforderlich.

61

Dem Ruhestandsbeamten wird gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 NDiszG das Ruhegehalt aberkannt, wenn er als aktiver Beamter aus dem Beamtenverhältnis hätte entfernt werden müssen. Ein Beamter, der sich noch im aktiven Dienst befindet, ist gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 NDiszG aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, wenn er durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat.

62

Das von dem Beklagten begangene Dienstvergehen wäre, wenn er sich noch im aktiven Dienst befände, mit der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu ahnden. Dem Beklagten ist deshalb das Ruhegehalt abzuerkennen (§ 14 Abs. 2 Satz 2 NDiszG). Die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme ergeht nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 14 Abs. 1 Satz 1 NDiszG). Die Disziplinarmaßnahme ist nach der Schwere des Dienstvergehens zu bemessen (§ 14 Abs. 1 Satz 2 NDiszG), wobei nach § 14 Abs. 1 Satz 3 NDiszG das Persönlichkeitsbild des Beamten einschließlich seines bisherigen dienstlichen Verhaltens angemessen zu berücksichtigen ist und ferner berücksichtigt werden soll, in welchem Umfang der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit beeinträchtigt hat (§ 14 Abs. 1 Satz 4 NDiszG). Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich nach den objektiven und subjektiven Handlungsmerkmalen der Verfehlung, den besonderen Umständen der Tatbegehung und den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.10.2005 - 2 C 12.04 -, BVerwGE 124, 242, 259; Urt. v. 30.11.2006 - 1 D 6.05 -, [...]; Nds. OVG, Urt. v. 23.4.2009 - 20 LD 8/07 -). Bei der Bemessung von Art und Maß der Disziplinarmaßnahme ist eine disziplinarische Gesamtwürdigung aller be- und entlastenden Umstände vorzunehmen (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 23.4.2009 - 20 LD 8/07 -). Ergibt die Gesamtwürdigung, dass das für die Aufrechterhaltung des Beamtenverhältnisses unerlässliche Vertrauensverhältnis zwischen dem Dienstherrn und dem Beamten endgültig zerstört ist, ist ein aktiver Beamter aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen (§ 14 Abs. 2 Satz 1 NDiszG). Einem Ruhestandsbeamten ist in einem solchen Fall das Ruhegehalt abzuerkennen (§ 14 Abs. 2 Satz 2 NDiszG). So verhält es sich hier.

63

Der Beruf des Lehrers verlangt, wie schon ausgeführt wurde, eine besondere Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit auf sittlichem Gebiet. Den Lehrern sind Kinder und Jugendliche anvertraut, die sich durchweg noch in einer starken Prägungsphase befinden und besonders nach emotionaler Zuwendung, Anerkennung, Verständnis und Zuneigung suchen. Die Lehrer sollen die geistigen, seelischen und körperlichen Fähigkeiten der heranwachsenden jugendlichen Menschen fördern und ihre Persönlichkeit weiterentwickeln. Diesen Erziehungsauftrag können die Lehrer glaubwürdig und überzeugend nur erfüllen, wenn sie ihr Verhältnis zu den Schülern von sexuellen Beziehungen und Handlungen jeder Art ausnahmslos freihalten. Ein Lehrer, der sich - wie der Beklagte - sexuell mit einer minderjährigen Schülerin einlässt, schädigt sein Ansehen und das seines Berufsstandes schwer; er schädigt unheilbar die an einen Lehrer in dieser Beziehung zu stellenden Erwartungen und ist in diesem Beruf nicht mehr tragbar. Er ist - unabhängig von der Reaktion einzelner Eltern oder Schüler - den Eltern und Schülern allgemein (deren Personenkreis sich zeitlich bedingt ändert) als Lehrer nicht mehr zuzumuten. Die Eltern, die ihre Kinder den vom Staat eingestellten Lehrern anvertrauen müssen, haben einen Anspruch darauf, dass das Verhältnis ihrer Kinder zu den Lehrern von sexuellen Handlungen der Lehrer freigehalten wird. Ein vom Vertrauen der Elternschaft getragener Schulbetrieb wäre sonst nicht denkbar (vgl. NDH, Urt. v. 1.12.1999 - 2 NDH L 12/97 -; Nds. OVG, Urt. v. 27.5.2008 - 20 LD 5/07 -).

64

Bei der im Rahmen der Bemessung der Disziplinarmaßnahme gebotenen Würdigung des Verhaltens und der Persönlichkeit des Beklagten kommt erschwerend hinzu, dass er nicht nur einmalig in eklatanter Weise gegen die ihm obliegenden Dienstpflichten verstoßen hat, sondern während eines sehr langen Zeitraums.

65

Das Verwaltungsgericht hat weiter erschwerend berücksichtigt, dass der Beklagte die Schülerin I. in ein Abhängigkeitsverhältnis zu sich gebracht habe, was wiederum zu Selbstmordversuchen der Schülerin und deren vorübergehender Einweisung in die Kinder- und Jugendpsychiatrie geführt habe. Der Beklagte bestreitet demgegenüber, die Schülerin in ein Abhängigkeitsverhältnis zu sich gebracht zu haben und dass ihre Selbstmordversuche sowie die vorübergehende Einweisung in die Kinder- und Jugendpsychiatrie auf die Beziehung zu ihm zurückzuführen gewesen seien. Er bringt insoweit vor, die Schülerin habe schon zuvor mindestens eine Psychotherapie absolviert, weil sie von ihrem Bruder sexuell missbraucht worden sei. Sie habe auch bereits vor den von ihm begangenen Verfehlungen zu autoaggressivem Verhalten geneigt. Die Selbstmordversuche hätten aus der Situation heraus resultiert, dass ihr der Missbrauch des Bruders erst zu diesem Zeitpunkt bewusst geworden sei.

66

Es kann zugunsten des Beklagten als wahr unterstellt werden, dass er die Schülerin I. nicht in ein Abhängigkeitsverhältnis zu sich gebracht hat und dass ihre Selbstmordversuche sowie die vorübergehende Einweisung in die Kinder- und Jugendpsychiatrie nicht kausal auf die Beziehung zu ihm zurückzuführen gewesen sind. Der von dem Beklagten beantragten Vernehmung der Schülerin I. als Zeugin und der Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens bedarf es deshalb nicht. Die Wahrunterstellung bewirkt allerdings nicht, dass das Dienstvergehen des Beklagten in einem milderen Licht erscheint. Als besonders erschwerend bleibt vielmehr der Umstand, dass der Beklagte - wie das Landgericht J. in seinem rechtskräftigen Urteil vom . Juni 2006 zutreffend ausgeführt hat - es sich zunutze gemacht hat, dass die Schülerin I. zurzeit der Taten erheblich mit persönlichen Problemen zu kämpfen hatte. Der Beklagte hat das Vertrauen, das die Schülerin zu ihm entwickelt hatte, ausgenutzt, um sexuelle Handlungen mit ihr durchzuführen. Es ist besonders verwerflich und in gravierender Weise zu Lasten des Beklagten zu berücksichtigen, dass er die Schülerin, die ihm anvertraut hatte, schon einmal sexuell missbraucht worden zu sein, selbst in zwölf Fällen und während eines langen Zeitraums in seiner Eigenschaft als Lehrer in strafrechtlich relevanter Weise sexuell missbraucht hat. Der Beklagte hat die zwischen den einzelnen Handlungen liegenden Zeiten nicht etwa für ein Überdenken seines Fehlverhaltens genutzt, sondern den sexuellen Missbrauch sogar noch fortgesetzt, als er schon nicht mehr Lehrer der Geschädigten war.

67

Erschwerend kommt weiter hinzu, dass der Beklagte das sexuelle Verhältnis zu I. bewusst auf einen längeren Zeitraum ausgerichtet hatte. Er ist planmäßig vorgegangen, was - wie das Landgericht J. zu Recht in seinem Urteil vom . Juni 2006 ausgeführt hat - schon daran ersichtlich ist, dass er mit der Geschädigten bereits Monate vor deren Vollendung des 16. Lebensjahres darüber sprach, dass er dann mit ihr auch den Geschlechtsverkehr ausüben wolle (Vorwurf zu 5. der Disziplinarklage).

68

Es kann auch nicht außer Acht bleiben, dass das dem Beklagten vorgeworfene Verhalten zumindest die regionale Presse zu einer Berichterstattung veranlasst hat (vgl. die Zeitungsartikel Blatt 292, 347 und 348 BA-A), bei der eine Schädigung sowohl des Ansehens des gesamten Berufsbeamtentums als auch eine erhebliche Beeinträchtigung der eigenen Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit des Beklagten unausbleiblich waren (vgl. zu diesem Gesichtspunkt BVerwG, Urt. v. 27.9.1978 - 2 WD 43.78 -, BVerwGE 63, 141 ; Nds. OVG, Urt. v. 10.2.2009 - 20 LD 6/07 -). Zu einem Ansehensverlust hat insbesondere der Pressebericht vom . Juni 2006 (Bl. 347 BA-A) beigetragen, der im Anschluss an die Verurteilung des Beklagten zu einer Freiheitsstrafe von elf Monaten veröffentlicht worden ist. In dem Pressebericht ist ausgeführt worden, dass sich das Strafgericht, die Staatsanwaltschaft, der Verteidiger des Beklagten und der Vertreter der Nebenklägerin nach längerer Beratung auf ein Strafmaß geeinigt hätten. In dem Bericht heißt es weiter, der Staatsanwalt habe nicht verhehlt, "dass bei der Übereinkunft beamtenrechtliche und damit auch versorgungsrechtliche Belange hineingespielt hätten. Hier sei die 'magische Grenze' von zwölf Monaten Freiheitsstrafe unterschritten worden". Der folgende Absatz des Presseberichts ist mit der Überschrift "Gemauschel" versehen worden. Sodann heißt es, die Staatsanwaltschaft habe "den naheliegenden Verdacht" zurückgewiesen, dass hier "übereinstimmendes Gemauschel" zugunsten des Angeklagten vorläge.

69

Durchgreifende Milderungsgründe, die es rechtfertigen könnten, von der disziplinarischen Höchstmaßnahme abzusehen, sind nicht gegeben. Die von dem Verwaltungsgericht ausgesprochene Disziplinarmaßnahme erweist sich auch nicht bei einer prognostischen Gesamtwürdigung aller im vorliegenden Fall be- und entlastenden Gesichtspunkte als unangemessen. Dem aus den bereits dargestellten Gründen als schwerwiegend einzustufenden Dienstvergehen des Beklagten stehen keine entlastenden Gesichtspunkte gegenüber, die bei der prognostischen Gesamtwürdigung die Annahme zuließen, dass ein endgültiger Vertrauensverlust noch nicht eingetreten ist.

70

Das Dienstvergehen des Beklagten kann nicht deshalb milder bewertet werden, weil er nicht mehr im aktiven Dienst tätig ist. Der Maßnahme der Aberkennung des Ruhegehalts liegen generalpräventive Erwägungen zugrunde. Es wären Rückwirkungen auf das Vertrauen in die Integrität des Berufsbeamtentums zu erwarten, wenn ein Ruhestandsbeamter, der wegen eines schweren Dienstvergehens als aktiver Beamter nicht mehr tragbar wäre, weiterhin sein Ruhegehalt beziehen könnte und berechtigt bliebe, die Amtsbezeichnung und die im Zusammenhang mit dem früheren Amt verliehenen Titel zu führen. Es kommt hinzu, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung gemäß Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, dass ein Beamter, der nach Begehung eines zur Auflösung des Beamtenverhältnisses führenden Dienstvergehens in den Ruhestand tritt, nicht besser gestellt wird als ein Beamter, der bis zum Abschluss des Disziplinarverfahrens im aktiven Dienst verbleibt (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 27.5.2008 - 20 LD 5/07 -, m. w. Nachw.).

71

Die Erwägungen, die das Landgericht J. in seinem Urteil vom . Juni 2006 veranlasst haben, auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von lediglich elf Monaten zu erkennen (vgl. S. 10 - 12 des Strafurteils [Bl. 200 - 202 BA-H]), lassen es nicht zu, von der Verhängung der disziplinarischen Höchstmaßnahme abzusehen. Die Strafzumessungserwägungen des Strafgerichts haben für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme keine ausschlaggebende Bedeutung. Denn die mit dem Strafverfahren einerseits und dem Disziplinarverfahren andererseits verfolgten Zwecke unterscheiden sich in deutlichem Maße. Während die Kriminalstrafe neben Abschreckung und Besserung der Sühne für begangenes Unrecht gegen den allgemeinen Rechtsfrieden dient, ist die disziplinarische Ahndung darauf ausgerichtet, die Funktionsfähigkeit und das Ansehen des öffentlichen Dienstes aufrechtzuerhalten (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 27.5.2008 - 20 LD 5/07 -; Urt. v. 22.3.2007 - 19 LD 4/06 -). Der Unterschied zeigt sich daran, dass ein Beamter bei einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten kraft Gesetzes entlassen ist, und zwar ohne dass es darauf ankommt, ob der jeweilige Strafrahmen des Strafgesetzes auch eine Freiheitsstrafe von weit über einem Jahr vorsieht und damit andere Handlungen, die zu einer Ausschöpfung des Strafrahmens führen, abdeckt. Das Strafmaß, soweit es unter einem Jahr Freiheitsstrafe liegt, mag allenfalls ein Indiz für die Schwere des Dienstvergehens sein, ausschlaggebend ist es indes nicht (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 27.5.2008 - 20 LD 5/07 -).

72

Angesichts der Schwere des von dem Beklagten begangenen Dienstvergehens erweist sich die disziplinarische Höchstmaßnahme auch nicht bei Würdigung des Umstandes, dass der Beklagte seine Dienstpflichten zuvor ordnungsgemäß wahrgenommen hatte, als unangemessen. Denn es ist im Grunde genommen selbstverständlich und nicht besonders hervorzuheben, dass ein Lehrer im Dienst normalerweise gesetzliche Vorschriften einhält. Die schwerwiegenden Verfehlungen, die dem Beklagten in diesem Verfahren vorgeworfen werden, rücken dadurch nicht etwa in ein milderes Licht (vgl. i. d. S. auch Nds. OVG, Urt. v. 10.2.2009 - 20 LD 6/07 -).

73

Von der disziplinarischen Höchstmaßnahme kann auch nicht deshalb abgesehen werden, weil der Beklagte befürchtet, dass er und seine Ehefrau nach der Aberkennung des Ruhegehalts nicht mehr ausreichend versorgt sein werden. Etwaige Einbußen, die der Beklagte bezüglich des Krankenversicherungsschutzes hinzunehmen haben könnte, wären allein Folge des ihm zurechenbaren Verhaltens und deshalb nicht unverhältnismäßig. Insoweit kommt es nicht auf die finanziellen, sozialen oder sonstigen Auswirkungen der Disziplinarmaßnahme für den Beklagten an. Auch sind nicht die Auswirkungen auf die Familie des Beklagten in den Blick zu nehmen. In das Verhältnis zu setzen sind vielmehr die Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zum Dienstherrn, zu der das Fehlverhalten geführt hat, und die dementsprechend verhängte Maßnahme. Hat ein Beamter - wie hier - durch ein vorwerfbares Verhalten die Vertrauensgrundlage zerstört, ist im Falle eines aktiven Beamten die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis die einzige Möglichkeit, das durch den Dienstherrn sonst nicht lösbare Beamtenverhältnis einseitig zu beenden. Einem Ruhestandsbeamten ist in einem solchen Fall das Ruhegehalt abzuerkennen. Die damit verbundenen Härten sind nicht unverhältnismäßig (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 27.5.2008 - 20 LD 5/07 -). Hinsichtlich der wirtschaftlichen Folgen ist im Übrigen zu berücksichtigen, dass der Beklagte mit der Aberkennung des Ruhegehalts nicht ohne Versorgung dastehen wird. Denn er wird in der gesetzlichen Rentenversicherung nachzuversichern sein und nach Maßgabe der §§ 72, 13 Abs. 2 NDiszG einen Unterhaltsbeitrag erhalten.

74

Von der Verhängung der disziplinarischen Höchstmaßnahme kann auch nicht wegen der Dauer des Disziplinarverfahrens abgesehen werden. Denn in den Fällen, in denen es - wie hier - wegen des Verhaltens des Beamten zu einer Zerstörung des Vertrauensverhältnisses gekommen ist, ist es nicht möglich, aufgrund der Dauer des Disziplinarverfahrens eine mildere Disziplinarmaßnahme auszusprechen (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 27.5.2008 - 20 LD 5/07 -, m. w. Nachw.).