Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 15.01.2010, Az.: 8 OA 225/09
Voraussetzungen für das Unterbleiben einer eigenständigen Ermittlung und anschließenden Zusammenrechnung der Werte mehrerer selbstständiger Streitgegenstände
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 15.01.2010
- Aktenzeichen
- 8 OA 225/09
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 10560
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2010:0115.8OA225.09.0A
Rechtsgrundlage
- § 39 Abs. 1 GKG
Amtlicher Leitsatz
Eine eigenständige Ermittlung und anschließende Zusammenrechnung der Werte mehrerer selbständiger Streitgegenstände nach § 39 Abs. 1 GKG unterbleibt nur dann, wenn verschiedene Anträge keine selbständige Bedeutung haben, sondern das gleiche Interesse betreffen und somit von einer ideellen Identität auszugehen ist. Hierbei ist sowohl das konkrete Rechtsschutzziel des Rechtsschutzsuchenden als auch das materiell-rechtliche Verhältnis der prozessualen Ansprüche zueinander zu berücksichtigen. An einer solchen ideellen Identität fehlt es regelmäßig dann, wenn in getrennten Verwaltungsakten ein Grabnutzungsrecht ("Graburkunde") festgestellt und eine Grabnutzungsgebühr festgesetzt wird und diese Verwaltungsakte Gegenstand verschiedener Anträge einer Anfechtungsklage sind.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung im Beschluss des Verwaltungsgerichts, über die nach § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i.V.m. § 66 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 2 GKG der Berichterstatter des Senats als Einzelrichter entscheidet, hat keinen Erfolg.
Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Festsetzung des Streitwertes in Höhe von 5.950,00 EUR ist nicht zu beanstanden.
Nach § 52 Abs. 1 GKG ist in Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Ausweislich der insoweit eindeutigen Klageschrift vom 4. Juni 2009 hat der Kläger in zwei getrennten Sachanträgen begehrt, einerseits "den als 'Graburkunde' bezeichneten Bescheid der Beklagten - Friedhofsverwaltung - vom 11.05.2009 aufzuheben" und anderseits auch "den Gebührenbescheid der Beklagten - Friedhofsverwaltung - vom 11.05.2009 insoweit aufzuheben, als a) die Verlängerung des Nutzungsrechts an der Urnenwahlgrabstätte ... für die Zeit vom 30.11.2010 bis 29.11.2029 festgesetzt ist, b) für dieses verlängerte Nutzungsrecht eine Gesamtgebühr von 950,00 EUR erhoben wird, c) diese Gesamtgebühr einen Monat nach Bekanntgabe des Gebührenbescheides fällig gestellt wird". Das Verwaltungsgericht hat zutreffend das sich aus dem erstgenannten Sachantrag ergebende Interesse des Klägers mangels genügender Anhaltspunkte für die Bestimmung eines individuellen Streitwertes gemäß § 52 Abs. 2 GKG mit dem Auffangwert in Höhe von 5.000,00 EUR (vgl. Ziff. 15.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom 7./8.7.2004) und das sich aus dem letztgenannten Sachantrag ergebende Interesse des Klägers gemäß § 52 Abs. 3 GKG entsprechend der festgesetzten Gebührenforderung in Höhe von 950,00 EUR bewertet und diese Beträge gemäß § 39 Abs. 1 Hs. 1 GKG zusammengerechnet.
Eine solche eigenständige Ermittlung und anschließende Zusammenrechnung der Werte mehrerer selbständiger Streitgegenstände unterbleibt nur dann, wenn die verschiedenen Anträge keine selbständige Bedeutung haben, sondern das gleiche Interesse betreffen und somit von einer ideellen Identität auszugehen ist (vgl.Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 17.6.2008 - 2 OA 312/08 -, [...], Rn. 5; Bayerischer VGH, Beschl. v. 14.2.2007 - 5 C 07.369 -, [...], Rn. 3). Hierbei ist sowohl das konkrete Rechtsschutzziel des Rechtsschutzsuchenden als auch das materiell-rechtliche Verhältnis der prozessualen Ansprüche zueinander zu berücksichtigen (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 17.6.2008, a.a.O.; OVG Münster, Beschluss vom 15.11.2007 - 19 E 220/07 -, [...], Rn. 13).
Ziel des Verfahrens war hier einerseits, die Gebührenforderung aus dem mit dem Klageantrag zu 2. angefochtenen Gebührenbescheid der Beklagten vom 11. Mai 2009 zu beseitigen. Dieses Ziel mag der Kläger vordergründig verfolgt haben. Daneben hat der Kläger aber ein weiteres, mit dem Klageantrag zu 1. deutlich formuliertes Ziel verfolgt; das offenbar ohne Antrag des Klägers begründete Nutzungsrecht an einer (Wahl-)Grabstätte zu beenden und den dieses Nutzungsrecht auch dokumentierenden Verwaltungsakt (sog. Graburkunde, vgl. Barthel, Nds. BestattG, 2006, Einf. Anm. 6.2.2.2.) aufzuheben. Hierbei handelt es sich nicht um ideell identische, sondern um differenziert zu betrachtende Streitgegenstände, die für den Kläger selbständige Bedeutung hatten und für deren materiellrechtliche Würdigung auch verschiedene Rechtsgrundlagen heranzuziehen sind. So beurteilt sich die Rechtmäßigkeit des ein Nutzungsrecht an einer Grabstätte begründenden Verwaltungsaktes maßgeblich nach §§ 12 ff. der Friedhofssatzung der Beklagten, die Rechtmäßigkeit des Gebühren für die Nutzung der Grabstätte festsetzenden Verwaltungsaktes hingegen maßgeblich nach den Bestimmungen derGebührensatzung für die Friedhöfe der Beklagten. Zudem ist einerseits ein bloßes Recht zur Nutzung einer öffentlichen Einrichtung zu beurteilen. Die Erhebung von Gebühren ist hingegen - abgesehen von der Rechtmäßigkeit der Gebührensatzung - maßgeblich abhängig von der tatsächlichen Benutzung eineröffentlichen Einrichtung (vgl. Senatsbeschl. v. 25.9.2001 - 8 L 637/99 -). Diese getrennte Betrachtung ist im Übrigen auch von der Beklagten selbst vorgenommen worden, als sie mit Bescheid vom 8. Juni 2009 eben nicht nur den Gebührenbescheid vom 11. Mai 2009 (teilweise) aufgehoben hat, sondern ausdrücklich auch die Graburkunde vom 11. Mai 2009.