Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 15.01.2010, Az.: 8 OA 1/10

Statthaftigkeit einer Beschwerde gegen den eine Gegenvorstellung zurückweisenden verwaltungsgerichtlichen Beschluss; Gegenvorstellung als bloße Anregung an das Gericht zur Änderung einer unanfechtbaren Entscheidung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
15.01.2010
Aktenzeichen
8 OA 1/10
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2010, 10602
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2010:0115.8OA1.10.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Göttingen - 10.12.2009 - AZ: 1 A 154/09

Fundstellen

  • DVBl 2010, 397
  • DÖV 2010, 372
  • NVwZ-RR 2010, 375

Amtlicher Leitsatz

Eine Beschwerde gegen den eine Gegenvorstellung zurückweisenden verwaltungsgerichtlichen Beschluss ist unstatthaft. Denn die Gegenvorstellung ist eine bloße Anregung an das Gericht, eine unanfechtbare Entscheidung zu ändern. Weist das Verwaltungsgericht diese Anregung zurück, liegt hierin keine Entscheidung im Sinne des § 146 Abs. 1 VwGO.

Gründe

1

Die Beschwerde des Klägers bleibt ohne Erfolg.

2

I.

Nachdem das Verwaltungsgericht das Verfahren in der Hauptsache nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten durch Beschluss vom 18. Juni 2009 eingestellt und der Beklagten die Kosten des Verfahrens auferlegt hatte, hat der Kläger unter dem 22. Juni 2009 die Festsetzung der erstattungsfähigen Kosten beantragt, und zwar ausgehend von einem Gegenstandswert in Höhe von 5.950,00 EUR eine 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG in Höhe von 439,40 EUR unter Anrechnung einer 0,65 Geschäftsgebühr nachNr. 2300 VV RVG, eine 1,0 Erledigungsgebühr nach Nrn. 1003, 1002 VV RVG in Höhe von 338,00 EUR, eine Pauschale nach Nr. 7002 VV RVG und die gesetzliche Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG. Hierauf hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 16. Juli 2009 die von der Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten in Höhe von insgesamt 421,24 EUR festgesetzt, die Berücksichtigung der Erledigungsgebühr aber abgelehnt, da der Prozessbevollmächtigte des Klägers keine über die Führung des Verwaltungsrechtsstreits hinausgehenden Leistungen, die durch diese Erfolgsgebühr abzugelten wären, erbracht habe. Gegen diesen Beschluss hat der Kläger am 31. Juli 2009 Erinnerung erhoben. Diese hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 22. September 2009 zurückgewiesen. Hiergegen hat der Kläger am 8. Oktober 2009 "Gegenvorstellung. Hilfsweise ... den sonst statthaften Rechtsbehelf" eingelegt. Diese Gegenvorstellung hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 10. Dezember 2009 zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Gegenvorstellung sei als außerordentlicher Rechtsbehelf gegenüber regulären Rechtsmitteln subsidiär. Ein solches sei hier grundsätzlich statthaft gewesen, denn gegen den die Erinnerung zurückweisenden Beschluss vom 22. September 2009 habe der Kläger, worauf er in der Rechtsmittelbelehrung auch hingewiesen worden sei, die Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht erheben können. Eine solche Beschwerde habe der Kläger aber nicht erhoben. Es bestehe auch keine Veranlassung, den mit dem Hilfsantrag vom Kläger erhobenen "sonst statthaften Rechtsbehelf" als eine solche Beschwerde anzusehen. Denn der anwaltlich vertretene Kläger habe hiermit nicht eindeutig zum Ausdruck gebracht, welchen Rechtsbehelf er einlegen wolle. Auch aus dem klägerischen Vorbringen im Übrigen ergäbe sich nicht, dass eine Überprüfung durch die nächsthöhere Instanz, mithin die Einlegung einer Beschwerde gewollt sei.

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Am 28. Dezember 2009 hat der Kläger erneut Beschwerde erhoben, der das Verwaltungsgericht nicht abgeholfen hat. Zur Begründung macht der Kläger geltend, das Kostenbeschwerdeverfahren sei auch nach dem Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 10. Dezember 2009 noch nicht abgeschlossen. Insoweit werde "gegen den 'unanfechtbaren Beschluss' erneut und nochmals Beschwerde eingelegt". Das Verwaltungsgericht habe den hilfsweise erhobenen statthaften Rechtsbehelf zu Unrecht als unzulässig angesehen. Bei verständiger Würdigung aller Umstände, insbesondere des klägerischen Vorbringens zur Sache, ergäbe sich, dass der Kläger mit dem Hilfsantrag eine Kostenbeschwerde nach §§ 165, 151, 147, 148 Abs. 1 VwGO habe erheben wollen. Dass der Kläger seinen Rechtsbehelf nicht als Kostenbeschwerde bezeichnet habe, ändere daran nichts. Denn selbst die Verwaltungsgerichtsordnung verwende diesen Terminus nicht. Zumindest habe das Verwaltungsgericht den Kläger vor Erlass der ablehnenden Entscheidung auf seine Bedenken hinweisen müssen. In der Sache selbst erstrebe der Kläger mit der Beschwerde nunmehr einerseits den völligen Fortfall der anteiligen Anrechnung der durch die vorgerichtliche anwaltliche Tätigkeit entstandenen Geschäftsgebühr, mithin die ungekürzte Festsetzung der gerichtlichen Verfahrensgebühr, und andererseits die beantragte Festsetzung der Erledigungsgebühr.

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II.

Die vom Kläger gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 10. Dezember 2009 erhobene Beschwerde ist nicht statthaft und daher unzulässig. Das Verwaltungsgericht hat mit diesem Beschluss die gegen den vorausgehenden Beschluss vom 22. September 2009 gerichtete Gegenvorstellung des Klägers vom 8. Oktober 2009 zurückgewiesen. Gegenvorstellungen sind in der VwGO - und auch in den anderen Verfahrensordnungen - nicht vorgesehene Rechtsbehelfe. Ungeachtet der Frage, in welchen Fällen diese nach Einführung der Anhörungsrüge gemäß § 152a VwGO noch zulässig sind (vgl. Senatsbeschl. v. 9.9.2009 - 8 PA 128/09 -, [...], Rn. 2; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 28.8.2009 - 4 ME 165/09 -, NVwZ-RR 2009, 983), handelt es sich um bloße Anregungen an das Gericht, eine unanfechtbare Entscheidung zu ändern. Weist das Verwaltungsgericht diese Anregung zurück, liegt hierin keine Entscheidung im Sinne des§ 146 Abs. 1 VwGO. Gegen die Zurückweisung einer Gegenvorstellung ist daher kein Rechtsmittel statthaft (vgl. BFH, Beschl. v. 21.1.1998 - III S 11/96 -, [...], Rn. 9; Bayerischer VGH, Beschl. v. 27.12.1976 - 385 III 76 -, BayVBl. 1977, 157; Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 146 Rn. 8; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: 17. Erg.-Lfg., Vor § 124 Rn. 21).

5

Eine Umdeutung der danach unzulässigen Beschwerde vom 28. Dezember 2009 gegen den die Gegenvorstellung zurückweisenden Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 10. Dezember 2009 in eine grundsätzlich statthafte Beschwerde nach §§ 146 Abs. 1 und 3, 147 ff. VwGO i.V.m. §§ 165, 151 VwGO gegen den die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 16. Juli 2009 zurückweisenden Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 22. September 2009 kommt nicht in Betracht. Denn eine am 28. Dezember 2009 gegen den Beschluss vom 22. September 2009, dem Kläger zugegangen am 24. September 2009, erhobene Beschwerde würde die Beschwerdefrist des§ 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht wahren und wäre daher unzulässig. Für die Umdeutung des auf die Einlegung eines unzulässigen Rechtsmittels gerichteten Antrags in einen auf die Einlegung eines anderen unzulässigen Rechtsmittels gerichteten Antrags besteht indes kein Bedürfnis.

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Schließlich kann der Kläger nicht mit Erfolg geltend machen, er habe bereits am 8. Oktober 2009 eine Beschwerde nach §§ 146 Abs. 1 und 3, 147 ff. VwGO i.V.m. §§ 165, 151 VwGO gegen den die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 16. Juli 2009 zurückweisenden Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 22. September 2009 erhoben, über die noch nicht entschieden sei. Denn das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass den vom Kläger mit Schriftsatz vom 7. Oktober 2009 gestellten Anträgen nicht entnommen werden konnte, dass dieser eine Beschwerde nach §§ 146 Abs. 1 und 3, 147 ff. VwGO i.V.m. §§ 165, 151 VwGO erheben wollte. Trotz der zutreffenden Rechtsmittelbelehrung im angefochtenen Beschluss vom 22. September 2009, die auf die Möglichkeit der Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht hinweist, hat der anwaltlich vertretene Kläger mit seinem Hauptantrag ausdrücklich eine Gegenvorstellung erhoben und damit deutlich zum Ausdruck gebracht, lediglich einen Rechtsbehelf erheben zu wollen, der nur das Verwaltungsgericht zu einer Selbstüberprüfung der getroffenen Entscheidung veranlasst. Dieses, auch unter Einbeziehung der Ausführungen des Klägers zur Begründung seines Begehrens unverändert erkennbare Rechtsschutzziel ist bei der Auslegung des gestellten Hilfsantrags, "den sonst statthaften Rechtsbehelf" einlegen zu wollen, zu berücksichtigen. Ungeachtet der bei der Auslegung und Umdeutung von Anträgen anwaltlich vertretener Parteien bestehenden Grenzen (vgl. Eyermann, VwGO, 12. Aufl., § 88 Rn. 9 f.) kann der mit dem Hilfsantrag erhobene Rechtsbehelf damit nicht dahingehend ausgelegt werden, der Kläger habe ein Rechtsmittel mit Devolutiveffekt, wie hier die Beschwerde nach §§ 146 Abs. 1 und 3, 147 ff. VwGO i.V.m. §§ 165, 151 VwGO, einlegen wollen. Denn dies widerspräche dem aus dem Hauptantrag deutlich erkennbaren Rechtsschutzziel des Klägers.