Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 15.01.2010, Az.: 9 LB 256/08

Heranziehung zu einer Zweitwohnungsteuer für die Fälle der sog. Mischnutzung; Notwendiger Inhalt und Umfang einer Maßstabsregelung in einer Zweitwohnungsteuersatzung; Abgrenzung zwischen reiner Kapitalanlage und Vorhalten für die persönliche Lebensführung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
15.01.2010
Aktenzeichen
9 LB 256/08
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2010, 10568
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2010:0115.9LB256.08.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Braunschweig - 19.03.2007 - AZ: 8 A 9/06

Fundstelle

  • NZM 2011, 269

Amtlicher Leitsatz

§ 2 Abs. 1 Satz 2 NKAG setzt voraus, dass für alle im Erhebungsgebiet vorkommenden und von der Zweitwohungsteuersatzung erfassten Steuerfälle eine Maßstabsregelung vorhanden ist, die höherrangigem Recht, insbesondere auch Verfassungsrecht, entspricht. Eine die Erhebung der Zweitwohnungsteuer rechtfertigendes Verhalten für die persönliche Lebensführung ist bei vertraglichen Vereinbarungen gegeben, die zwar eine Selbstnutzung der Zweitwohnung durch den Eigentümer ausschließen, zugleich aber ein Anmieten der Wohnung durch den Eigentümer zu den für Fremdmieter geltenden Bedingungen zulassen.

Entscheidungsgründe

1

I.

Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zur Zweitwohnungsteuer für das Jahr 2004. Sie ist seit 1979 Eigentümerin eines im Gebiet der Beklagten gelegenen Appartements, das sie über ortsansässige Personen oder Unternehmen vermietet. Am 1. September 2001 schloss sie mit der Firma D. einen Vertrag über die Vermittlung von Ferienwohnungen. Ziffer 3 des Vertrags sieht vor, dass die (von der Vermittlungsagentur zu vereinbarende) Miete pro Vermietungstag 105,- DM bzw. 55,- EUR betrage und von diesem Betrag 12% Provision zuzüglich Mehrwertsteuer für die Vermietung seitens der Agentur einbehalten würden. Unter Ziffer 4 des Vertrags heißt es:

"Eine Selbstnutzung durch den Eigentümer ist ausgeschlossen. Es steht ihm jedoch frei, zu den gleichen Bedingungen wie bei fremden Mietern üblich die Wohnung über die Agentur D. anzumieten."

2

Für die Jahre 1998 bis 2003 hat die Beklagte das Appartement der Klägerin als zweitwohnungsteuerfreie Kapitalanlage behandelt, weil es jeweils an mehr als 100 Tagen vermietet gewesen sei. Die Klägerin gab für das Jahr 2004 an, ihr Appartement sei an 66 Tagen an wechselnde Gäste vermietet gewesen. Wegen Unterschreitens der 100-Tage-Grenze zog die Beklagte die Klägerin daraufhin mit Bescheid vom 20. Juni 2005 für 2004 zur Zweitwohnungsteuer in Höhe von 908,79 EUR heran.

3

Die Beklagte stützte sich dabei auf ihre Zweitwohnungsteuersatzung vom 7. Oktober 2003 in der Fassung vom 24. Februar 2004 (ZWStS). Nach deren § 1 Abs. 1 erhebt die Beklagte eine Zweitwohnungsteuer für das Innehaben einer Zweitwohnung im Stadtgebiet. § 1 Abs. 2 Satz 1 ZWStS bezeichnet als Zweitwohnung jede Wohnung, über die jemand neben seiner Hauptwohnung zu Zwecken der eigenen persönlichen Lebensführung oder der seiner Familienangehörigen verfügen kann. Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 3 ZWStS geht die Eigenschaft einer Zweitwohnung nicht dadurch verloren, dass sie vorübergehend anders oder nicht genutzt wird. § 4 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 ZWStS sieht - ohne nähere Differenzierung nach der Dauer des Vorhaltens für die Eigennutzung - vor, dass sich die Zweitwohnungsteuer nach dem Mietwert der Wohnung bemisst und als Mietwert die Jahresrohmiete gilt.

4

Die Klägerin hat gegen den Heranziehungsbescheid vom 20. Juni 2005 Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen: Ihre im Gebiet der Beklagten gelegene Ferienwohnung sei eine reine Kapitalanlage. Dies folge daraus, dass die Eigennutzung der Wohnung durch sie vertraglich ausgeschlossen sei, dass sie die Wohnung in den letzten Jahren weder selbst noch durch Familienangehörige genutzt habe und sie sich um ihren zu 90% schwerbeschädigten Ehemann in Berlin kümmern müsse. Allein der Umstand, dass die Vermietungszahlen im Jahre 2004 hinter den Zahlen der Vorjahre zurückgeblieben seien, reiche nicht aus, um bei im Übrigen unveränderter Sach- und Rechtslage die Wohnung nicht länger als reine Kapitalanlage anzusehen. Gehe man gleichwohl von einer sog. Mischnutzung aus, so fehle es an einer wirksamen Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid, weil die Zweitwohnungsteuersatzung der Beklagten nicht über eine die Fälle der Mischnutzung angemessen behandelnde Regelung verfüge.

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Die Klägerin hat beantragt,

den Zweitwohnungsteuerbescheid der Beklagten vom 20. Juni 2005 aufzuheben.

6

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

7

Sie hat den Standpunkt vertreten, gegen eine reine Kapitalanlage sprächen das Fehlen ganzjähriger erwerbsorientierter Vermietungsbemühungen, die hohen Leerstandszeiten von fast 300 Tagen und die geringen Einnahmen aus der Vermietung an Dritte. Der bestehende Vermittlungsvertrag schließe eine Eigennutzung durch die Klägerin nicht wirksam aus, weil sie ihre Wohnung zu den für Fremdmieter üblichen Bedingungen über die Vermittlungsagentur anmieten könne.

8

Das Verwaltungsgericht hat die gegen den Heranziehungsbescheid vom 20. Juni 2005 erhobene Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Zweitwohnungsteuersatzung der Beklagten sei wirksam. Das Fehlen einer die Fälle der Mischnutzung behandelnden Satzungsregelung führe nicht zur Unwirksamkeit der Satzung. Die Beklagte habe ihre Zweitwohnungsteuersatzung gegenüber der Klägerin auch fehlerfrei angewendet. Die Klägerin habe ihre Zweitwohnung im Jahr 2004 auch zu Zwecken des persönlichen Lebensbedarfs vorgehalten. Ihre Vermietungsbemühungen seien nicht ausreichend gewesen, um daraus auf das Vorliegen einer erwerbsorientierten, dauerhaften Vermietungsabsicht zu schließen, die für die Anerkennung als Kapitalanlage aber erforderlich sei. Im Jahr 2004 habe sie ihre Wohnung aufgrund des geschlossenen Vermittlungsvertrags, wenn auch gegen Entgelt, nach Absprache fast jeder Zeit, nämlich annähernd 300 Tage, selbst nutzen oder sie anderen (z.B. Freunden und Verwandten) zur Nutzung überlassen können. Für die Anerkennung der Zweitwohnung der Klägerin als Kapitalanlage seien Vermietungszeiten von wenigstens 100 Tagen erforderlich.

9

Auf den Antrag der Klägerin hat der Senat die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zugelassen. Als grundsätzlich bedeutsam hat er die Beantwortung der Frage angesehen, ob Regelungen über den Steuermaßstab wie in § 4 ZWStS wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Vollständigkeit unwirksam sind, weil sie nicht alle im Gebiet der Beklagten vorkommenden Nutzungstatbestände, wie etwa die Mischnutzung von Zweitwohnungen, erfassen.

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Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Klägerin vor: Die Zweitwohnungsteuersatzung der Beklagten sei wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Vollständigkeit unwirksam, weil sie den Tatbestand der Mischnutzung nicht regele und damit nicht über einen Steuermaßstab für alle relevanten Nutzungstatbestände verfüge. Bei der Regelung des Steuermaßstabs hätten Abstufungen hinsichtlich der Dauer der vorgehaltenen Eigennutzung vorgesehen werden müssen. Die Zweitwohnungsteuersatzung der Beklagten sei auf ihren Fall fehlerhaft angewendet worden. Ihre im Gebiet der Beklagten gelegene Wohnung diene nicht auch Zwecken des persönlichen Lebensbedarfs. Das Verwaltungsgericht habe die überwiegend für eine reine Kapitalanlage sprechenden objektiven Umstände nicht berücksichtigt. Zu diesen gehöre, dass die Klägerin ihren zu 90% schwerbeschädigten Ehemann ständig in Berlin betreuen müsse, dass weder sie noch ihre Verwandtschaft die Wohnung im Gebiet der Beklagten selbst genutzt hätten und dass die Selbstnutzung der Wohnung durch den Eigentümer im Vermittlungsvertrag ausgeschlossen worden sei. Bei Abschluss dieses Vertrags sei gewollt gewesen und vereinbart worden, dass die Klägerin wie jeder andere Mieter auch die Möglichkeit habe, die Wohnung über die Vermittlungsagentur gegen die dann fällig werdenden Gebühren anzumieten. Es habe ihr, der Klägerin, nicht das Recht eingeräumt werden sollen, die Wohnung für beliebige Dritte anzumieten. Sie habe mit der Beauftragung der Vermittlungsagentur und der Aufnahme ihrer Wohnung in das örtliche Gastgeberverzeichnis hinreichende Vermietungsbemühungen unternommen. Die von der Beklagten und vom Verwaltungsgericht gezogene 100-Tage-Grenze sei willkürlich und in ihrem Fall möglicherweise auch fehlerhaft angewendet worden.

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Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.

12

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

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Sie erwidert: Ihre Zweitwohnungsteuersatzung sei trotz Fehlens eines speziellen Maßstabs für die wenigen Fälle der Mischnutzung, also die Fälle, in denen eine Zweitwohnung teilweise selbst genutzt und teilweise vermietet werde, wirksam. Eine Staffelung des Maßstabs sei nicht geboten, weil eine Heranziehung zum vollen Jahresbetrag der Steuer nicht unverhältnismäßig sei, wenn für den Steuerpflichtigen eine rechtlich gesicherte Eigennutzungsmöglichkeit von mindestens zwei Monaten bestehe. Es habe in ihrem Gebiet keine Fälle gegeben, in denen sich Steuerpflichtige, z.B. vertraglich, eine Eigennutzung von lediglich weniger als zwei Monaten vorbehalten hätten. Die für die Anerkennung als reine Kapitalanlage erforderliche Vermietungsdauer liege in ihrem Gebiet bei mindestens rund 100 Tagen im Jahr.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und den vorgelegten Verwaltungsvorgang Bezug genommen.

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II.

Die zugelassene Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen den Heranziehungsbescheid der Beklagten vom 20. Juni 2005 zu Recht als unbegründet abgewiesen. Die Heranziehung der Klägerin zu einer Zweitwohnungsteuer für das Jahr 2004 in Höhe von 908,79 EUR ist rechtlich nicht zu beanstanden.

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Der angefochtene Bescheid beruht auf einer wirksamen Satzungsgrundlage. Dem steht nicht der von der Klägerin hervorgehobene Gesichtspunkt entgegen, dass die Zweitwohnungsteuersatzung der Beklagten vom 7. Oktober 2003 in der Fassung der 1. Änderungssatzung vom 24. Februar 2004 - ZWStS - für die Fälle der sog. Mischnutzung eine spezielle Maßstabsregelung nicht enthalte. Als Mischnutzung bezeichnet man die Fälle, in denen der Zweitwohnungsinhaber einerseits seine Wohnung selbst nutzt und andererseits sie zur Erzielung von Einkünften vermietet. Das Satzungsrecht der Beklagten unterwirft der Zweitwohnungsteuerpflicht auch Zweitwohnungen mit einer Mischnutzung, weil ihr Inhaber über sie ebenfalls zu Zwecken der eigenen persönlichen Lebensführung oder der seiner Familienangehörigen verfügen kann und die Eigenschaft als Zweitwohnung nicht dadurch verloren geht, dass sie vorübergehend anders oder nicht genutzt wird (§ 1 Abs. 2 Sätze 1 und 3 ZWStS). Gemäß der Maßstabsregelung in § 4 ZWStS wird bei einer Mischnutzung als maßgeblicher Mietwert der Wohnung ebenfalls die volle Jahresrohmiete zugrunde gelegt. Die Höhe der Zweitwohnungsteuer wird also nicht nach der Dauer des Vorhaltens für die persönliche Lebensführung gestaffelt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. vom 30.6.1999 - 8 C 6/98 - BVerwGE 109, 188 = DVBl 1999, 1655 = NJW 2000, 375 = KStZ 2000, 34; Urt. vom 26.9.2001 - 9 C 1/01 - BVerwGE 115, 165 = ZKF 2002, 60 = DVBl 2002, 483 = KStZ 2002, 73; Urt. vom 27.10.2004 - 10 C 2/04 -, KStZ 2005, 50 = ZKF 2005, 91 = NVwZ 2005, 828 [BVerwG 27.10.2004 - 10 C 2/04]) sowie des erkennenden Senats (Beschl. vom 3.3.2008 - 9 LA 30/07 - und Urt. vom 17.6.2008 - 9 LB 8/07 -, jeweils zitiert nach [...]) ist die Erhebung des vollen Jahresbetrags der Zweitwohnungsteuer in den Fällen der Mischnutzung noch verhältnismäßig und daher zulässig, wenn der Inhaber der Zweitwohnung mindestens zwei Monate im Jahr über die rechtlich gesicherte Möglichkeit zur Eigennutzung der Wohnung verfügt. Liegen die Möglichkeit zur Eigennutzung und das damit einhergehende Vorhalten für die persönliche Lebensführung hingegen unter zwei Monaten, kann der Inhaber einer Zweitwohnung gemäß der soeben zitierten Rechtsprechung nicht zur vollen, sondern nur zu einer geminderten Jahressteuer herangezogen werden.

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Aus dieser Rechtslage folgt für den notwendigen Inhalt und Umfang einer Maßstabsregelung in einer Zweitwohnungsteuersatzung: Wenn es im Satzungsgebiet einer die Zweitwohnungsteuer erhebenden Gemeinde auch Fälle gibt, in denen die Dauer des Vorhaltens der Zweitwohnung für die persönliche Lebensführung begrenzt ist auf unter zwei Monate im Jahr, so muss das Satzungsrecht die Höhe der geschuldeten Zweitwohnungsteuer - jedenfalls nach niedersächsischem Landesrecht - auch für diese Fälle regeln. Dies folgt aus § 2 Abs. 1 Satz 2 NKAG, wonach Satzungen über kommunale Abgaben u.a. den Maßstab bestimmen müssen bzw. sollen. Denn die Vorschrift setzt voraus, dass für alle im Erhebungsgebiet vorkommenden und von der Zweitwohnungsteuersatzung erfassten Steuerfälle eine Maßstabsregelung vorhanden ist, die höherrangigem Recht, insbesondere auch Verfassungsrecht, entspricht. Die Regelung betreffend den Steuermaßstab muss gewährleisten, dass alle nach der Satzung steuerpflichtigen Inhaber von Zweitwohnungen, also auch diejenigen mit einer Mischnutzung, unter Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes, des Verhältnismäßigkeitsprinzips und des Aufwandsbegriffs im Sinne von Art. 105 Abs. 2 a GG besteuert werden. Allerdings führt eine Unvollständigkeit der Maßstabsregelung entsprechend dem Rechtsgedanken des § 139 BGB nicht automatisch zu deren Gesamtunwirksamkeit, so dass es vom mutmaßlichen Willen des Satzungsgebers abhängt, ob von der Unvollständigkeit auch diejenigen Zweitwohnungsinhaber profitieren, für die eine wirksame Maßstabsregelung vorhanden ist.

18

Die Ermittlungen des Senats im Berufungsverfahren haben ergeben, dass es im Satzungsgebiet der Beklagten Fälle, in denen die Dauer des Vorhaltens der Zweitwohnung für die persönliche Lebensführung - vertraglich oder aus sonstigen Gründen - auf einen Zeitraum von unter zwei Monaten begrenzt ist, nicht gibt. Bei der Beklagten kommen nur die Fälle vor, in denen es sich entweder um eine (zweitwohnungsteuerfreie) Kapitalanlage oder aber um ein (zweitwohnungsteuerpflichtiges) Vorhalten für die persönliche Lebensführung von zwei Monaten und mehr handelt. Bei einer solchen Ausgangslage bedarf es einer die Höhe der Zweitwohnungsteuer staffelnden Satzungsregelung nicht, weil die Erhebung der vollen Jahressteuer in allen vorkommenden Fällen noch verfassungsrechtlich unbedenklich ist. Da die Dauer der Eigennutzungsmöglichkeit bei den Mischnutzungen zu Beginn des Veranlagungszeitraums offen ist, darf eine Typisierung der Bemessungsgrundlage erfolgen, die mit dem Steuermaßstab nach der Jahresrohmiete auf den Jahreszeitraum als Besteuerungsgrundlage abstellt (BVerwG, Urt. vom 30.6.1999 - 8 C 6.98 - sowie Beschl. des erkennenden Senats vom 3.3.2008 - 9 LA 30/07 -, jeweils a.a.O.).

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Der somit auf der Grundlage einer wirksamen Satzung erlassene Zweitwohnungsteuer-bescheid der Beklagten vom 20. Juni 2005 geht in rechtlich zutreffender Weise von der Zweitwohnungsteuerpflicht der Klägerin aus. Diese ist Inhaberin einer Zweitwohnung im Stadtgebiet der Beklagten. Sie hält ihre dortige Wohnung nämlich zu Zwecken der persönlichen Lebensführung im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 ZWStS vor. Die Wohnung stellt nicht nur eine - zweitwohnungsteuerfreie - reine Kapitalanlage dar.

20

Der erkennende Senat hat zur Abgrenzung zwischen reiner Kapitalanlage und Vorhalten für die persönliche Lebensführung in einem Beschluss vom 25. Januar 2008 (9 ME 322/07) ausgeführt:

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Zweitwohnungsteuerpflichtig ist das Vorhalten einer Zweitwohnung zu Zwecken der persönlichen Lebensführung, und zwar der eigenen oder derjenigen von Angehörigen. Ein Vorhalten in diesem Sinne bedeutet, dass der Inhaber der Zweitwohnung sich die Möglichkeit der - zumindest zeitweiligen - Eigennutzung offen hält. Der Steuertatbestand kann daher auch ohne eine tatsächliche Inanspruchnahme der Zweitwohnung erfüllt sein.

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Für die im Ausgangspunkt subjektive Bestimmung des Verwendungszwecks der Zweitwohnung ist nicht die - unüberprüfbare - innere Absicht des Zweitwohnungsinhabers maßgeblich. Diese innere Tatsache ist vielmehr auf der Grundlage objektiver, nach außen in Erscheinung tretender, verfestigter und von Dritten nachprüfbarer Umstände zu beurteilen. In diesem Sinn kommt es für den Nachweis der subjektiven Zweckbestimmung nur auf objektive äußere Kriterien an. Zwar kann - so hat das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 10. Oktober 1995 (a.a.O.) ausgeführt - das Vorhalten einer Zweitwohnung für die persönliche Eigennutzung nicht nur durch den Abschluss von Dauermietverträgen ausgeschlossen werden. Den Zweitwohnungsinhabern, die ihre Zweitwohnung ausschließlich als Kapitalanlage angeschafft haben und halten, muss der Nachweis gestattet werden, dass ihre Wohnung - entgegen einer möglicherweise zunächst begründeten Vermutung - nicht Zwecken der persönlichen Lebensführung dient. Die Steuer erhebende Gemeinde kann indessen zunächst von der tatsächlichen Vermutung der Vorhaltung einer Zweitwohnung auch für Zwecke der persönlichen Lebensführung ausgehen, solange der Zweitwohnungsinhaber keine Umstände vorträgt, die diese Vermutung erschüttern, wie etwa die Lage der Hauptwohnung innerhalb desselben Feriengebiets, der Abschluss eines Dauermietvertrags, die Übertragung der Vermietung an eine überregionale Agentur unter Ausschluss der Eigennutzung sowie unter Nachweis ganzjähriger Vermietungsbemühungen.

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Diese Rechtsprechung zur Abgrenzung zwischen reiner Kapitalanlage und Vorhalten für die persönliche Lebensführung hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 26. September 2001 (- 9 C 1/01 - BVerwGE 115, 165 = NordÖR 2002 79 = KStZ 2002, 73 = ZKF 2002, 483) dahingehend präzisiert, dass es wegen des Begriffs des Vorhaltens weder auf eine tatsächlich realisierte Eigennutzung noch auf das Ausmaß der tatsächlichen Vermietung ankomme, sondern konstitutiv allein auf die Dauer der rechtlich bestehenden Möglichkeit zur Selbstnutzung (bzw. zur unentgeltlichen Nutzung durch Dritte). Zur Aufrechterhaltung einer nur durch Typisierung und Pauschalierung zu gewährleistenden Praktikabilität sei auf objektive und vor allem verifizierbare Umstände abzustellen. Zeiten eines Wohnungs-leerstandes, für die eine Eigennutzungsmöglichkeit rechtlich nicht ausgeschlossen sei, seien in der Regel den Zeiträumen zuzurechnen, in denen die Wohnung für Zwecke des persönlichen Lebensbedarfs vorgehalten werde.

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Die Beklagte ist bei ihrer Annahme, die Klägerin sei zweitwohnungsteuerpflichtig, weil sie ihre Wohnung im Jahr 2004 nur an 66 Tagen vermietet habe, von Grundsätzen ausgegangen, die mit den dargelegten Maßstäben nicht vereinbar sind. Sie hat entscheidend auf die tatsächlich erzielten Vermietungszeiten abgestellt. Ihre grundsätzliche Erwägung, für die Anerkennung einer Zweitwohnung als reine Kapitalanlage sei eine Vermietungszeit von jährlich mindestens 100 Tagen erforderlich, weist keinen Bezug zu der für die Zweitwohnungsteuerpflicht allein erheblichen Frage auf, ob in der restlichen Zeit des Jahres (immerhin 265 Tage) eine Möglichkeit zur Eigennutzung der Wohnung und damit ein Vorhalten für die persönliche Lebensführung bestand. Konnte der Inhaber seine an mehr als 100 Tagen vermietete Zweitwohnung in den Leerstandszeiten nutzen, so stand ihm die Wohnung während dieser Zeiten für die persönliche Lebensführung zur Verfügung und war die Verneinung einer Zweitwohnungsteuerpflicht daher rechtswidrig, wie der Senat bereits in seinem sich mit der Verwaltungspraxis der Beklagten befassenden Beschluss vom 6. Februar 2009 (9 LA 335/07) ausgeführt hat. Da bereits die Möglichkeit zur zeitweiligen Eigennutzung während des Veranlagungszeitraums die Zweitwohnungsteuerpflicht begründet, kommt es nicht noch zusätzlich darauf an, ob der Inhaber seine Wohnung zeitweise tatsächlich genutzt hat (vgl. z.B. BVerwG, Urt. vom 10.10.1995 - 8 C 40.93 -, vom 30.6.1999 - 8 C 6.98 - und vom 26.9.2001 - 9 C 1/01 - sowie Beschl. des erkennenden Senats vom 3.3.2008 - 9 LA 30/07 -, jeweils a.a.O.).

25

Nach den bereits umschriebenen Maßstäben durfte die Beklagte bei der gebotenen einzelfallbezogenen Abwägung vom Ansatz her zunächst von der Vermutung ausgehen, die Klägerin halte ihre Wohnung auch zu Zwecken der persönlichen Lebensführung vor. Der gegenteiligen Ansicht der Klägerin, die unvereinbar ist mit der wiedergegebenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des erkennenden Senats, folgt der Senat nicht. Für eine reine Kapitalanlage mag vorliegend sprechen, dass die Klägerin und ihre Verwandtschaft sich - ihren Angaben zufolge - im Jahr 2004 und in anderen Jahren tatsächlich nicht in der Wohnung aufgehalten haben und dass die Klägerin in Berlin ihren zu 90% schwerbeschädigten Ehemann ständig betreuen musste. Der Senat nimmt zu Gunsten der Klägerin ferner an, dass sie ihre Zweitwohnung möglichst umfassend vermieten und insoweit als Kapitalanlage nutzen wollte. Er unterstellt auch das Vorliegen hinreichender Vermietungsbemühungen der Klägerin. Diese Umstände lassen ihre Zweitwohnungsteuer-pflicht indessen nicht entfallen. Wie bereits dargelegt, ist die Erhebung der Zweitwohnungsteuer bei der Kapitalanlage dienenden Wohnungen zulässig, soweit die Wohnungen zugleich zu Zwecken der persönlichen Lebensführung vorgehalten werden. Für den Begriff des Vorhaltens kommt es nicht auf tatsächliche Aufenthalte im Veranlagungsjahr bzw. in den Jahren davor oder danach an, sondern darauf, ob sich der Steuerpflichtige die Möglichkeit zur Nutzung seiner Wohnung - aus der Sicht zu Beginn des Veranlagungszeitraums, hier des Jahres 2004 (vgl. BVerwG, Urt. vom 30.6.1999 - 8 C 6.98 - sowie Beschl. des erkennenden Senats vom 3.3.2008 - 9 LA 30/07 -, jeweils a.a.O.) - offengehalten hat, was sich vor allem nach dem Inhalt der abgeschlossenen Verträge beurteilt. Ein Vorhalten für den persönlichen Lebensbedarf nimmt der Senat im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - wie bereits in dem die Zulassung der Berufung aussprechenden Beschluss vom 6. Juni 2008 (9 LA 296/07) dargelegt - bei vertraglichen Vereinbarungen an, die - wie vorliegend § 4 des Vermittlungsvertrags - zwar eine Selbstnutzung der Zweitwohnung durch den Eigentümer ausschließen, zugleich aber ein Anmieten der Wohnung durch den Eigentümer zu den für Fremdmieter geltenden Bedingungen zulassen (so z.B. Beschluss vom 25.1.2008 - 9 ME 322/07 -; ebenso bereits der 13. Senat des Nds. OVG, Beschluss vom 20.4.2006 - 13 LA 426/05 - und BVerwG, Beschluss vom 19.1.2000 - 11 B 29.00 -). Diese Rechtsprechung ist auch im Falle der Klägerin sachgerecht, weil ein von ihr als Mieterin gezahltes Entgelt (55,- EUR pro Tag) ihr nach Abzug von 12% Vermittlungsprovision zuzüglich Mehrwertsteuer wieder zufließt (Ziffern 3 und 4 des Vermittlungsvertrags) und die Eigennutzung also lediglich diesen Abzugsbetrag von 12% gekostet hat, während die Klägerin den Mietzins ansonsten quasi lediglich an sich selbst zahlt.

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Dass die Klägerin sich das Recht, ihre Wohnung zu den für Dritte geltenden Bedingungen anzumieten, ausdrücklich vertraglich eingeräumt hat, bringt deutlich ihren Willen zum Ausdruck, die Wohnung neben der Verwendung als Kapitalanlage auch für die persönliche Lebensführung vorzuhalten und zu nutzen. Diese Absicht wird bestätigt durch ihr Vorbringen in der Berufungsbegründungsschrift vom 8. Juli 2008, wo es auf Seite 3 zum Vermittlungsvertrag heißt: "Gewollt und vereinbart war, dass die Klägerin wie jeder andere Mieter auch, der die Wohnung selbst nutzen will, die Möglichkeit haben sollte, die Wohnung über die Vermittlungsagentur gegen die dann fällig werdenden Gebühren etc. anzumieten." Gerade diese Möglichkeit des Anmietens der Wohnung für sich selbst (wobei wirtschaftlich gesehen letztlich nicht die Miete, sondern nur die 12%ige Provision zu zahlen ist) begründet das Recht der Beklagten, von der Klägerin wegen des Aufwands, den sie in Form des Innehabens und Vorhaltens ihrer Zweitwohnung im Stadtgebiet der Beklagten betreibt, die Zweitwohnungsteuer zu erheben.