Sozialgericht Lüneburg
Beschl. v. 16.05.2011, Az.: S 45 AS 183/11 ER
Angemessene Wohnfläche für Alleinerziehende und für jeden schwerbehinderten Menschen erhöht sich um jeweils 10 m²; Erhöhung der angemessenen Wohnfläche für Alleinerziehende und für jeden schwerbehinderten Menschen um jeweils 10 m²
Bibliographie
- Gericht
- SG Lüneburg
- Datum
- 16.05.2011
- Aktenzeichen
- S 45 AS 183/11 ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 24152
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGLUENE:2011:0516.S45AS183.11ER.0A
Rechtsgrundlagen
- § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II
- § 12 WoGG
Tenor:
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller für den Zeitraum ab dem 5. Mai 2011 vorläufig und unter dem Vorbehalt der Rückforderung für den Fall des Unterliegens in der Hauptsache, längstens bis zum 31. Oktober 2011, weitere Kosten der Unterkunft in Höhe von 115,-- EUR zu gewähren, mithin Kosten der Unterkunft in Höhe von insgesamt 473,-- EUR monatlich.
Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Gewährung höherer Kosten der Unterkunft.
Der am D. geborene Antragsteller, der aufgrund einer Sehbehinderung einen Grad der Behinderung von 90 aufweist und in seinem Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen G trägt, bewohnt eine 68 m2 große Wohnung in der E. in F ... Er zahlt dort eine monatliche Kaltmiete von 383,-- EUR zuzüglich Mietnebenkosten in Höhe von 90,-- EUR und leistet an die G. monatliche Heizkostenabschläge on Höhe von 69,-- EUR.
Der Antragsteller steht im laufenden Bezug von Leistungen nach dem SGB II. Der Antragsteller wurde mit Schreiben vom 7. Dezember 2009 auf die Unangemessenheit der von ihm entrichteten Miete hingewiesen und zur Kostensenkung aufgefordert. Zunächst bewilligte die Antragsgegnerin weiterhin Kosten der Unterkunft in der tatsächlich anfallenden Höhe.
Zuletzt wurden dem Antragsteller mit Bescheid vom 14. April 2011 für den Zeitraum vom 1. Mai 2011 bis 31. Oktober 2011 Leistungen in Gesamthöhe von 784,53 EUR monatlich bewilligt. Darin enthalten waren Regelleistungen in Höhe von 364,-- EUR monatlich sowie Kosten der Unterkunft in Höhe von 420,53 EUR monatlich, bestehend aus anerkannten Mietkosten inklusive Nebenkosten in Höhe von 358,-- EUR zuzüglich angemessener Heizkosten unter Berücksichtigung einer Warmwasserpauschale von 62,53 EUR monatlich.
Gegen den Bescheid vom 14. April 2011 legte der Antragsteller unter Berufung auf einen angemessenen Zuschlag zur Wohngeldtabelle sowie eines Zuschlages für Schwerbehinderte am 28. April 2011 Widerspruch ein. Diesem gab die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 5. Mai 2011 insofern statt, als nunmehr die Heizkosten in voller Höhe von 69,-- EUR monatlich, d.h. ohne Abzug einer Warmwasserpauschalen, bewilligt wurden. Im Übrigen wies die Antragsgegnerin den Widerspruch als unbegründet zurück.
Der Antragsteller hat am 5. Mai 2011 die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beantragt und zeitgleich Klage erhoben (25 AS 536/11).
Der Antragsteller macht geltend, aufgrund seiner Schwerbehinderung müssten ihm zusätzliche 10 m2 Wohnfläche als angemessen zugestanden werden. Bei Anwendung der Wohngeldtabelle sei daher auf einen Zwei-Personen-Haushalt abzustellen. Zu dem sich für einen Zwei-Personen-Haushalt aus der Wohngeldtabelle als angemessen ergebenden Mietpreis sei zudem ein Sicherheitszuschlag von 10% erforderlich.
Der Antragsgegner beantragt,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, dem Antragsgegner vorläufig bis zum 31. Oktober 2011, hilfsweise bis zur Entscheidung in der Hauptsache, Kosten für die Miete und kalte Nebenkosten in Höhe von monatlich 473,-- EUR zzgl. Heizkosten zu zahlen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie verweist auf die Rechtsprechung der Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen zum Mehrbedarf für Alleinerziehende, aus der sich ergebe, dass ein Zuschlag von 10 m2 für den angemessenen Wohnraum nicht zu erhöhten Kosten der Unterkunft führe. Auch ein Sicherheitszuschlag zu den Werten der Wohngeldtabelle sei nicht angezeigt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat Erfolg.
Nach § 86 b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszuges.
Voraussetzung für den Erlass der hier vom Antragsteller begehrten Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG, mit der er die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II begehrt, ist neben einer besonderen Eilbedürftigkeit der Regelung (Anordnungsgrund) ein Anspruch des Antragstellers auf die begehrte Regelung (Anordnungsanspruch). Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 3 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Dabei ist, soweit im Zusammenhang mit dem Anordnungsanspruch auf die Erfolgsaussichten der Hauptsache abzustellen ist, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 -). Die einstweilige Anordnung des Gerichts darf wegen des nur vorläufigen Charakters des Eilverfahrens grundsätzlich nicht die endgültige Entscheidung in der Hauptsache vorwegnehmen, weil sonst der auf einer umfassenden Sachaufklärung beruhenden Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorgegriffen und die dort für einen Klageerfolg zu erfüllenden Beweisanforderungen umgangen würden. Eine die Hauptsache vorwegnehmende Entscheidung ist nur dann zu treffen, wenn ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine spätere Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BVerfG, Beschl. v. 25.10.1998 - 2 BvR 745/88 -). Die Glaubhaftmachung bezieht sich im Übrigen auf die reduzierte Prüfungsdichte und die lediglich eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordernde Überzeugungsgewissheit für die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes (vgl. LSG Nds.-Bremen, Beschl. v. 05.11.2005 - L 9 AS 1207/10 B ER -).
Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund stehen in einem funktionalen Zusammenhang. Die rechtlichen Anforderungen an die Sicherheit, mit welcher das Bestehen eines Anordnungsanspruchs festgestellt oder ausgeschlossen werden kann, sind davon abhängig, wie schwer die dem Antragsteller drohenden Nachteile wiegen und mit welchem Grad an Wahrscheinlichkeit sie sich ohne den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung einstellen werden. Ist etwa die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund, wobei wegen des Vorrangs der Rechtsverwirklichung im Klageverfahren und des hieraus folgenden Ausnahmecharakters des Eilverfahrens nicht gänzlich auf sein Vorliegen verzichtet werden kann.
Ist demgegenüber, wie es insbesondere bei Leistungen der Grundsicherung für Arbeitslose in Betracht kommt, im Einzelfall damit zu rechnen, dass ohne die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes bis zu einer bestands- oder rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache unzumutbare und irreparable Nachteile entstehen, erfordert die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes nach Art 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) eine besondere Ausgestaltung des Verfahrens auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes. Zweifel am Bestehen eines Anordnungsanspruchs führen in diesem Fall lediglich dann zu einer Antragsablehnung, wenn bereits im Anordnungsverfahren abschließend festgestellt werden kann, dass ein Anordnungsanspruch nicht besteht. Ist hingegen ein Erfolg im Hauptsacheverfahren nicht bereits auszuschließen, weil insbesondere eine abschließende Sachaufklärung im Eilverfahren nicht möglich ist, bedarf es einer Folgenabwägung, in welche die Sozialgerichte die grundrechtlichen Belange des Antragstellers, namentlich die verfassungsrechtliche Gewährleistung eines die Menschenwürde wahrenden Existenzminimums, umfassend einzustellen haben. Dabei haben sie sich schützend und fördernd vor die Wahrung der Menschenwürde zu stellen und eine Verletzung dieser grundgesetzlichen Gewährleistung, auch wenn sie nur möglich erscheint, zu verhindern.
Nach diesen Maßstäben sind hier die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erfüllt.
Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Dieser ergibt sich aus § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Leistungen für Unterkunft und Heizung werden danach in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Die vom Antragsteller geltend gemachten Kosten der Miete inklusive Nebenkosten in Höhe von 473,-- EUR sind angemessen.
Die Angemessenheit von Unterkunftskosten ist in mehreren Schritten zu prüfen: Bei der abstrakten Angemessenheitsprüfung ist zunächst die angemessene Wohnungsgröße zu bestimmen. Anschließend ist der nach den örtlichen Verhältnissen angemessene Mietzins je Quadratmeter zu ermitteln. Die Prüfung der abstrakten Angemessenheit muss die örtlichen Verhältnisse erfassen und beurteilen, damit auf dieser tatsächlichen Grundlage eine Mietpreisspanne für die im unteren Bereich der für vergleichbare Wohnungen am Wohnort des Hilfebedürftigen marktüblichen Wohnungsmieten festgesetzt werden kann. Die Darlegung dieser Entscheidungsgrundlage im Prozess obliegt allein den Behörden und nicht den Hilfebedürftigen. Liegen für die örtlichen Gegebenheiten auf dem Wohnungsmarkt kein Mietspiegel bzw. keine validen Mietdatenbanken vor, so ist der Grundsicherungsträger gehalten, für den jeweiligen Zuständigkeitsbereich eigene - grundsicherungsrelevante - Tabellen bzw. ein schlüssiges Konzept zu erstellen (BSG, Urt. v. 19.03.2008 - B 11b AS 41/06 R - ; Urt. v. 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - und - B 4 AS 27/09 R -, [...]).
In einer zweiten "konkreten Angemessenheitsprüfung" ist dann zu prüfen, ob dem Hilfebedürftigen eine andere bedarfsgerechte und kostengünstigere Wohnung konkret verfügbar und zugänglich ist. Auf dieser zweiten Ebene ist der Hilfebedürftige auch verpflichtet, darzulegen und ggf. zu beweisen, dass er trotz intensiver Bemühungen keine preisgünstigere Wohnung gefunden hat. Besteht im Einzelfall eine solche konkrete günstigere Unterkunftsalternative nicht, sind die tatsächlichen Aufwendungen für die gemietete Wohnung als angemessen anzusehen. Die angemessene Höhe der Unterkunftskosten ergibt sich sodann als Produkt aus der für den Leistungsempfänger abstrakt angemessenen Wohnungsgröße und dem nach den örtlichen Verhältnissen angemessenen Mietzins pro Quadratmeter ("Produkttheorie"). Das bedeutet, dass nicht jeder einzelne Faktor wie Wohnungsgröße, Ausstattungsstandard oder Quadratmeterpreis für sich isoliert angemessen sein muss, weil es im Ergebnis allein auf die Kostenbelastung des Grundsicherungsträgers ankommt. Entscheidend ist daher das Ergebnis aus der Quadratmeterzahl und der Miete je Quadratmeter, sodass der Hilfebedürftige sich bei einem besonders günstigen Mietzins auch eine größere Wohnung leisten oder Ausstattungsmerkmale mit gehobenem Wohnstandard durch andere Elemente ausgleichen kann, wenn die Unterkunftskosten im Ergebnis noch angemessen sind (LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 24.04.2007 - L 7 AS 494/05 -).
Die berücksichtigungsfähige Wohnfläche ist in Niedersachsen nach den Richtlinien über die soziale Wohnraumförderung (Wohnraumförderungsbestimmung - WFB - 2003) in dem Runderlass vom 27. Juni 2003 zu ermitteln (Nds. MinBl 2003, 580, zuletzt geändert durch Runderlass vom 19. Oktober 2006, Nds. MinBl. 2006, 973). Danach gilt für Mietwohnungen bei einem Ein-Personen-Haushalt grundsätzlich eine Wohnfläche bis 50 m2 als angemessen.
Gemäß Ziffer 11.4 der WFB 2003 erhöht sich die angemessene Wohnfläche für Alleinerziehende und für jeden schwerbehinderten Menschen jedoch um jeweils weitere 10 m2, so dass zur Ermittlung der angemessenen Wohnfläche auf den Wert von 60 m2 abzustellen ist. Die Kammer weist darauf hin, dass das Sozialgericht Lüneburg mit Entscheidungen vom 29. August 2006 (S 25 AS 55/06), vom 29. September 2006 (S 25 AS 963/06 ER) und vom 21. Mai 2010 (S 48 AS 243/10 ER) unter Verweis auf die Richtlinie über die soziale Wohnraumförderung nicht nur einen Wohnraummehrbedarf für behinderte Menschen, sondern auch eine damit einhergehende Erhöhung des Miethöchstbetrages anerkannt hat. Dem hat sich das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen ausdrücklich angeschlossen (Beschl. v. 29.06.2010 - L 15 AS 176/10 B ER - und vom 14.01.2010 - L 8 SO 336/09 B ER). In dem Beschluss vom 29. Juni 2010 (Az. L 15 AS 176/10 B ER) hat das Landessozialgericht ohne weitere Begründung ausgeführt, zu Recht habe das Sozialgericht "in Anwendung der Ziffern 11.2 - 11.5 der niedersächsischen Wohnraumförderungsbestimmungen eine angemessene Wohnungsgröße von 70 qm (60 qm für einen Zwei-Personen-Haushalt zuzüglich 10 qm wegen der Schwerbehinderung des Antragstellers zu 2) zugrunde gelegt". Die Kammer folgt dieser Rechtsprechung. Sie schließt sich demgegenüber den von der Antragsgegnerin zitierten Ausführungen des 7. Senats des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen im Beschluss vom 13. Juli 2010 (Az. L 7 AS 1258/09 B ER) - jedenfalls für den hier vorliegenden Fall der Schwerbehinderung - nicht an. Bei einer Schwerbehinderung schlägt sich regelmäßig der abstrakt erhöhte Wohnflächenbedarf auch in einem konkret erhöhten angemessenen Mietzins pro Quadratmeter nieder. In dieser Konstellation ist daher, um der oben erörterten Produkttheorie gerecht zu werden, nicht nur die abstrakt angemessene Wohnfläche zu erhöhen, sondern regelmäßig auch bei der Bestimmung des angemessenen Mietzinses ein Zuschlag vorzunehmen. Nichts anderes als diese Regelmäßigkeit des erhöhten Wohnflächenbedarfs im Falle der Schwerbehinderung kommt in Ziffer 11.4 der WFB 2003 zum Ausdruck. Es obliegt dann dem Leistungsträger darzulegen und ggf. nachzuweisen, dass und aus welchen Gründen der regelmäßig - auch konkret - erhöhte Wohnraummehrbedarf in Einzelfall trotz Schwerbehinderung nicht bestehen sollte. Dazu hat die Antragsgegnerin nichts vorgetragen. Im Gegenteil hat der Antragsteller plausibel und nachvollziehbar dargelegt, dass seine Sehbehinderung und das daraus resultierende Erfordernis einer besonderen Wohnungsgestaltung und Wohnungseinrichtung einen erhöhten Wohnraumbedarf zur Folge haben. Es ist damit auf eine angemessene Wohnfläche von 60 m2 abzustellen, was im Sinne der Ziffer 11.2 der WFB 2003 der angemessenen Wohnfläche für einen Zwei-Personen-Haushalt entspricht.
Im Rahmen der konkreten Angemessenheitsprüfung kann hier mangels hinreichender Datengrundlagen zur Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten auf die Werte der Tabelle zu § 12 WoGG zurückgegriffen werden (zu § 8 WoGG a.F. s. BSG, Urt. v. 07.11.2006 - B 11b AS 18/06 R -). Zwar sind die Tabellenwerte kein von vornherein geeigneter Maßstab für die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft, weil für das Wohngeld rechtlich ohne Bedeutung ist, inwieweit die Wohnung als solche im Sinne eines notwendigen Bedarfs angemessen ist. Die Tabelle des WoGG stellt aber mangels anderer Erkenntnismöglichkeiten und -mitteln den einzig normativen Ansatzpunkt dar, an den die Angemessenheitsprüfung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II angelehnt werden kann (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 11.03.2008 - L 7 AS 332/07-, Beschl. v. 13.07.2010 a.a.O.). Für Lüneburg gilt die Mietenstufe IV. Nach § 12 WoGG ergibt sich für einen Zwei-Personen-Haushalt dieser Mietenstufe ein Miethöchstbetrag von 435,-- EUR. Die von dem Antragsteller zu tragende Miete i.H.v. 473,-- EUR liegt über diesem Betrag. Allerdings ist der Wert nach § 12 WoGG um einen Zuschlag in Höhe von 10% zu erhöhen (vgl. u.a.: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl. v. 13.07.2010 - L 7 AS 1258/09 B ER -; Beschl. v. 13.09.2010 - L 11 AS 1015/10 B ER -). Insoweit folgt die Kammer nicht der Auffassung, der Zuschlag auf die Werte der Wohngeldtabelle habe für die Zeit ab dem 1. Januar 2009 zu unterbleiben, weil dieser Zuschlag nach der Rechtsprechung des BSG (Urt. v. 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R -) ausschließlich im Hinblick auf die bis zum 31. Dezember 2008 nicht erfolgte Anpassung der Tabelle an Preissteigerungen der vorhergehenden Jahre anzusetzen sei. Vielmehr hat das BSG in der genannten Entscheidung ausgeführt, der Zuschlag zum jeweiligen Tabellenwert stelle einen "Sicherheitszuschlag" dar, der im Interesse des Schutzes des elementaren Bedürfnisses des Hilfebedürftigen auf Sicherung des Wohnraumes erforderlich sei, weil beim Fehlen eines schlüssigen Konzept nicht mit Sicherheit beurteilt werden könne, wie hoch die angemessene Referenzmiete tatsächlich sei. Der Zuschlag beruht damit nicht auf fehlenden Anpassungen an Preissteigerungen, sondern auf Unwägbarkeiten bei Fehlen eines schlüssigen Konzepts (so auch LSG Hessen, Beschl. v. 25.11.2010 - L 6 AS 423/10 B ER -). Diese Unwägbarkeiten haften aber der neuen Wohngeldtabelle in gleicher Weise an wie die der alten Tabelle. Es bleibt der Antragsgegnerin unbenommen, durch die Vorlage eines der Rechtsprechung des BSG genügenden Wohnungsmarktgutachtens die angemessenen Unterkunftskosten nachzuweisen, soweit den Zuschlag zur Wohngeldtabelle für nicht sachgerecht erachtet. Unter Berücksichtigung des Sicherheitszuschlages von 10% ergibt sich eine noch angemessene Miete einschließlich Nebenkosten in Höhe von 478,50 EUR, so dass ein Abzug von den geltend gemachten tatsächlichen Mietkosten von 473,-- EUR nicht gerechtfertigt ist.
Der erforderliche Anordnungsgrund ergibt sich bereits aus der Erwägung, dass dem Antragsteller die ihm zustehenden existenzsichernden Leistungen nicht länger, d.h. bis zum Abschluss eines Hauptsacheverfahrens, vorenthalten werden können. Das gilt auch mit Blick auf die Kosten der Unterkunft. Der Zweck des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II liegt darin, die existenziell notwendigen Bedarfe der Unterkunft und Heizung sicherzustellen. Dem Antragsteller kann nicht zugemutet werden, zunächst das Hauptsacheverfahren abzuwarten, in der Zwischenzeit zu geringe Mietzahlungen zu leisten und damit die Kündigung des Mietverhältnisses sowie die Räumung der Wohnung zu riskieren. Da es um die Gewährleistung des grundrechtlich verbürgten Existenzminimums geht, kann dessen Verletzung nicht durch eine nachträgliche Leistungsgewährung im Falle eines Obsiegens im Hauptsacheverfahren beseitigt werden. Die Kammer folgt daher nicht der in der Rechtsprechung vereinzelt vertretenen Auffassung, hinsichtlich der Leistungen für Unterkunft und Heizung könne ein Anordnungsgrund nur dann bejaht werden, wenn der Hilfesuchende glaubhaft macht, dass ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung unmittelbar mit einer Kündigung oder Räumungsklage zu rechnen ist (wie hier auch LSG Nds.-Bremen, Beschl. v. 23.02.1011 - L 9 AS 1287/10 B ER -). Die einstweilige Anordnung ist auch zur vorläufigen Regelung mit Blick auf ein streitiges Rechtsverhältnis notwendig, da der streitgegenständliche Bescheid vom 14. April 2011 nicht in Bestandskraft erwachsen ist.
Leistungen für den Zeitraum vor Antragstellung bei Gericht konnten dem Antragsteller nicht zugesprochen werden. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kommt eine Verpflichtung des Leistungsträgers zu einer Leistungserbringung für Zeiträume vor Stellung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bei Gericht nicht in Betracht, weil das einstweilige Rechtsschutzverfahren nur der Behebung einer akuten Notlage dienen soll. In der Verwendung des Wortes "Abwendung" wesentlicher Nachteile in § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kommt zum Ausdruck, dass die Rechtsbeeinträchtigung noch andauern oder unmittelbar bevorstehen muss. Eine Ausnahme kommt lediglich bei einem sog. Nachholbedarf in Frage, d.h. wenn die Nichtgewährung von Leistungen in der Vergangenheit in die Gegenwart fortwirkt und eine gegenwärtige Notlage bewirkt. Das kann etwa dann anzunehmen sein, wenn Mietschulden aus der Vergangenheit beglichen werden müssen, um für die Zukunft die Wohnung zu erhalten, oder wenn Zwangsvollstreckungsmaßnahmen wegen der rückständigen Schulden im Hinblick auf die Nichtgewährung der Leistungen nach dem SGB II zu erwarten sind. Für einen solchen Sachverhalt hat der Antragsteller nichts vorgetragen. Die Kammer legt daher den - insofern nicht klar formulierten - Antrag des Antragstellers dahingehend aus, dass er nur Leistungen ab Antragstellung begehrt, so dass eine Ablehnung des Antrages "im Übrigen" nicht erforderlich war. Hinsichtlich des Endzeitpunktes der vorläufigen Leistungsgewährung folgt die Kammer dem Antrag des Antragstellers und geht darüber nicht hinaus.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Der Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar, weil die Beschwerde im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen ist, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre (§ 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG). Der Beschwerdewert in Höhe von 750,-- EUR (§ 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG) ist hier für die Beteiligten jeweils nicht erreicht. Angesichts der Verpflichtung der Antragsgegnerin zur vorläufigen Gewährung weiterer Unterkunftskosten in Höhe von 115,-- EUR monatlich für einen Zeitraum von knapp sechs Monaten wird der Beschwerdewert hier nicht erreicht.