Landgericht Hannover
Urt. v. 02.05.2008, Az.: 13 S 85/07

Zahlungsanspruch im Garantiefall auf der Grundlage einer Reparaturkostenversicherung; Garantieversicherung beim Kauf eines Gebrauchtwagens; Fälligkeit im Versicherungsrecht

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
02.05.2008
Aktenzeichen
13 S 85/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 37416
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHANNO:2008:0502.13S85.07.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hannover - 17.10.2007 - AZ: 533 C 4591/07
nachfolgend
BGH - 14.10.2009 - AZ: VIII ZR 354/08

In dem Rechtsstreit
...
hat die 13. Zivilkammer des Landgerichts Hannover
auf die mündliche Verhandlung vom 09. April 2008
durch
die Richterin am Landgericht ...,
die Richterin am Landgericht ... und
die Richterin am Landgericht ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 17. Oktober 2007 verkündete Urteil des Amtsgerichts Hannover - 533 C 4591/07 - wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.3.2007 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger schloss beim Kauf eines Gebrauchtwagens eine Garantieversicherung bei der Beklagten ab. Gegenstand der Versicherung waren die Garantiebedingungen. Der Inhalt der Garantie ist in §1 geregelt und in §1 Abs. 2 heißt es:

"Ein Garantiefall liegt vor, wenn eines der garantierten Teile innerhalb der Garantielaufzeit unmittelbar und nicht in Folge eines Fehlers oder Versagens nicht garantierter Teile seine Funktionsfähigkeit verliert und dadurch eine Reparatur erforderlich wird".

2

In §4 Abs. 1 sind die Pflichten des Garantienehmers vor dem Schadenfall geregelt. Nach §4 Abs. 1 Ziffer 1 a hat der Garantienehmer u.a.

"an seinem Fahrzeug die vom Hersteller vorgeschriebenen oder empfohlenen Wartungs- oder Pflegearbeiten ausschließlich beim Verkäufer/Garantiegeber durchzuführen und sich darüber eine Bestätigung in Form der Originalrechnung ausstellen zu lassen. Ist es z.B. aus Entfernungsgründen nicht zumutbar, die Wartungs- und Pflegearbeiten bei dem Verkäufer/Garantiegeber durchführen zu lassen, ist vorher von dem Verkäufer/Garantiegeber die Freigabe einzuholen."

3

In §4 Abs. 3 sind die Folgen einer Pflichtverletzung geregelt, wonach der Verkäufer/Garantiegeber von der Entschädigungspflicht befreit ist, wenn der Käufer/Garantienehmer die Pflichten vor oder nach dem Schadenfall verletzt, es sei denn die Verletzung war nachweislich unverschuldet und für Eintritt, Höhe und Feststellung des Schadens und der Eintrittspflicht weder kausal noch relevant.

4

§6 Abs. 1 lautet:

"Die GGG übernimmt für den Verkäufer/Garantiegeber im Garantiefall die Schadenregulierung in Umfang und Leistung nach den angeführten Bedingungen. Der GGG ist eine Reparaturrechnung einzureichen, aus der die ausgeführten Arbeiten, die Ersatzteilpreise und die Lohnkosten mit Arbeitszeitwerten im einzelnen zu erkennen sein müssen."

5

Der Gebrauchtwagen des Klägers, ein Mercedes Benz C 280, wies beim Kauf am 19.4.2006 einen Kilometerstand von 88.384 km auf.

6

Der Kläger verlangt wegen eines bei der 100.000 km-Inspektion im Dezember 2006 festgestellten Motorschadens eine Reparaturkostenerstattung gemäß dem Kostenvoranschlag des Autohauses ... vom 11.12.2006.

7

Der Kläger hat behauptet, die 90.000 km-Inspektion mit Ölwechsel sei auf den Zeitpunkt des Kaufes des Fahrzeuges vorgezogen worden. Er sei finanziell nicht in der Lage, den Reparaturauftrag zu erteilen. Er hat gemeint, die Beklagte sei zur Erstattung von 100 % der Lohnkosten (805,74 €) und 40 % der Materialkosten (271,81 €) verpflichtet. §6 Nr. 1 der Garantiebedingungen sei unwirksam.

8

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.077,55 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.3.2007 zu zahlen.

9

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

10

Sie hat gemeint, sie müsse keine Leistungen aus der Garantieversicherung erbringen, da keine 90.000 km-Inspektion durchgeführt worden sei. Sie hat behauptet, bei ordnungsgemäßer Durchführung der Inspektion bei 90.000 km wäre es nicht zu dem festgestellten Schaden gekommen. Sie hat darauf verwiesen, dass die Höchstregulierung bei einem Fahrzeug, das wie das Fahrzeug des Klägers älter sei als 7 Jahre, nur 1.000,00 € betrage. Gemäß §6 der Garantiebedingungen finde eine Regulierung nur statt, wenn die Reparatur durchgeführt worden sei.

11

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen mit der Begründung, ein Anspruch auf Kostenerstattung gemäß §5 der Garantiebedingungen setze gemäß §6 Ziffer 1 der Garantiebedingungen voraus, dass der Beklagten eine Reparaturrechnung eingereicht werde, die der Kläger nicht vorgelegt habe. Er habe eine Reparatur bislang auch nicht durchgeführt.

12

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, der mit der Berufung lediglich Zahlung eines Betrages von 1.000,00 € begehrt. Er meint, die Garantiebedingungen seien überraschend und benachteiligten den Garantienehmer unangemessen.

13

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Hannover, Aktenzeichen: 533 C 4591/07, die Beklagte zu verurteilen an den Kläger ? 1.000,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.3.2007 zu zahlen.

14

Die Beklagte beantragt,

  1. 1.

    die Berufung zurückzuweisen;

  2. 2.

    die Revision zuzulassen.

15

Sie meint, die Garantiebedingungen seien wirksam und bestreitet den Schadenseintritt. Ferner verweist sie darauf, dass bestimmte Teile nicht von der Garantie umfasst seien.

16

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 9. April 2008 verwiesen.

Entscheidungsgründe

17

Die zulässige Berufung ist begründet.

18

Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Zahlungsanspruch in Höhe von 1.000,00 € auf Grundlage der zwischen den Parteien geschlossenen Reparaturkostenversicherung zu.

19

1.

Es ist unerheblich, ob die 90.000 km-Inspektion durchgeführt worden ist. Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg auf ihre Leistungsfreiheit nach §4 Ziffer 3 der Garantiebedingungen berufen, weil die Klausel in §4 Ziffer 1 a der Garantiebedingungen gegen §307 BGB verstößt. Diese Klausel enthält insoweit eine unzumutbare und für den Zweck einer besonders sorgfältigen Durchführung der Wartungsarbeiten nicht erforderliche Einschränkung der Vertragsfreiheit, als dass die Pflege und Wartung des gebraucht erworbenen Fahrzeuges nur beim Verkäufer durchgeführt und nur in Fällen besonderer Unzumutbarkeit nach vorheriger Genehmigung durch den Verkäufer/Garantiegeber eine Mercedes-Vertragswerkstatt mit den entsprechenden Arbeiten beauftragt werden darf. Ein Bedürfnis der Garantiegeberin für eine derartige vorherige Genehmigung ist nicht ersichtlich. Wegen des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion ist die Klausel daher insgesamt unwirksam.

20

2.

Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass gemäß §6 Abs. 1 eine Reparaturrechnung einzureichen ist, denn diese Klausel ist gemäß §307 Abs. 1 und Abs. 2 Ziffer 1 BGB als unwirksam anzusehen. Denn sie ist mit dem wesentlichen Grundgedanken des §11 VVG, von dem abgewichen wird, nicht zu vereinbaren und benachteiligt den Versicherungsnehmer unangemessen. Nach §11 VVG sind Geldleistungen des Versicherers mit Beendigung der zur Feststellung des Versicherungsfalls und des Umfangs der Leistungen des Versicherers nötigen Erhebungen fällig. Auf die Instandsetzung kommt es nach dieser Bestimmung für den Eintritt der Fälligkeit nicht an. Der Grund für diese Fälligkeitsregelung im Versicherungsrecht liegt darin, dass Versicherungsleistungen kein Ersatz für einen eingetretenen Schaden im klassischen Sinn sind, sondern dazu dienen, dem Versicherungsnehmer im Versicherungsfall eine Entschädigung für erlittene Einbußen zu gewähren. Dabei kommt es - wenn man von den bei Gebäudeversicherungen üblichen Neuwertklauseln absieht - nicht darauf an, ob der Versicherungsnehmer Reparaturen vornimmt oder nicht. Die unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers liegt darin, dass dieser Reparaturen in Auftrag geben und vorfinanzieren muss, ohne zu wissen, ob er einen adäquaten Ausgleich durch seinen Versicherer erhält. Auch die Erhebung einer Feststellungsklage gegen seinen Versicherer stellt für den Versicherungsnehmer in diesem Zusammenhang kein ausreichendes Hilfsmittel dar, da er keine Sicherheit hinsichtlich der Höhe der Entschädigung hat.

21

3.

Der Versicherungsfall ist eingetreten. Nach §1 Ziffer 1 der Garantiebedingungen gibt der Garantiegeber dem Käufer eine Garantie, die die Funktionsfähigkeit der in §2 Nr. 1 genannten Baugruppen für die vereinbarte Laufzeit umfasst. Ein Garantiefall liegt nach §1 Ziffer 2 vor, wenn eines der genannten Bauteile innerhalb der Garantielaufzeit unmittelbar seine Funktionsfähigkeit verliert und dadurch eine Reparatur erforderlich wird.

22

Das ist hier der Fall, denn der Hydrostößel ist defekt und es ist ein starker Ölverlust am Zylinderkopf aufgetreten. Das war in erster Instanz zwischen den Parteien unstreitig.

23

Insoweit liegt auch ein Geständnis der Beklagten vor, an das diese in zweiter Instanz gebunden ist. Denn die Beklagte hat selbst vorgetragen, dass es zu dem Motorklappern aus dem Zylinderkopf und dem starken Ölverlust nicht gekommen wäre, wenn der Kläger die Inspektion vorgenommen hätte, und dass die Inspektion verhindert hätte, dass es zu diesem Schaden gekommen wäre.

24

4.

Die Beklagte kann sich auch nicht auf einen Garantieausschluss nach §3 der Garantiebedingungen berufen. Hierzu liegt kein substantiierter Vortrag der Beklagten vor.

25

5.

Der Garantiefall ist auch innerhalb der Garantiezeit von 1 Jahr aufgetreten. Am 19.4.2006 wurde der Kaufvertrag und die Garantieversicherung abgeschlossen. Der Kostenvoranschlag, anlässlich dessen der Schaden festgestellt wurde, datiert vom 11. Dezember 2006. Die Beklagte hat bereits vor Ablauf der Jahresfrist am 1.2.2007 eine Schadensregulierung abgelehnt.

26

6.

Die Beklagte hat dem Kläger 1.000,00 € zu erstatten. Dies ist gemäß §5 die Höchstregulierung für Fahrzeuge, die bei Schadenseintritt älter als 7 Jahre sind. Da die Kilometerleistung des Fahrzeuges des Klägers bereits 100.000 km überstieg, hat die Beklagte 100 % der Lohnkosten, dies sind 787,77 € und 40 % der Materialkosten, dies sind 221,76 € zu erstatten. Die Addition beider Beträge ergibt 1.009,53 €, wovon 1.000,00 € zu zahlen sind. Die Positionen: Motorblock auf Verzug prüfen und vermessen (17,97 €), Ölfilter (8,00 €), Zündkerze V-Linie 17 (16,20 €), Motoröl Synthetik Motul 8100 (90,93 €) und Kleinteile (10,00 €) sind entsprechend den Angaben der Beklagten nicht berücksichtigt worden.

27

7.

Der Zinsanspruch ist gemäß §§286, 288 BGB begründet.

28

8.

Die Kostenentscheidung beruht auf §92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§708 Nr. 10, 711 ZPO.

29

Die Kammer hat die Revision zugelassen, da sie von der Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle (Urteil vom 15. November 2007, 8 U 91/07) hinsichtlich der Frage, ob der Kläger auch ohne Vorlage einer Reparaturkostenrechnung Versicherungsschutz durch Zahlung begehren kann, abweicht (§543 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO).