Landgericht Hannover
Urt. v. 13.02.2008, Az.: 6 O 4/07

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
13.02.2008
Aktenzeichen
6 O 4/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 43749
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHANNO:2008:0213.6O4.07.0A

In dem Rechtsstreit

...

hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Hannover auf die mündliche Verhandlung vom 12. Dezember 2007 durch

die Vorsitzende Richterin am Landgericht ...,

die Richterin am Landgericht ... und ...

den Richter am Landgericht ...

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Die Klage wird abgewiesen.

  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt die Beklagte als Versicherer der ... aufgrund von Bargeldentsorgungen am 16. und 17. Februar 2006 auf Entschädigung und Schadensersatz in Anspruch.

2

Die ... GmbH, Hannover, und andere zur ... gehörende Unternehmen unterhielten bei der Beklagten unter der Police Nr. 7265 eine als "Transportversicherung" überschriebene Versicherung, an der die Beklagte und andere Versicherer beteiligt waren. Zum 01.12.2001 oder zum 01.12.2002 (insoweit besteht zwischen den Parteien Streit) traten die Regelungen der Police Nr. 7509 in Kraft, welche die Überschrift "Valorenversicherung" trägt. Führender Versicherer unter dieser Police war die Beklagte mit einem im Februar 2006 aktuellen Anteil von 62,5 %. Die ... GmbH, Hannover (im Folgenden: ...), war neben anderen zur ... gehörenden Unternehmen Versicherungsnehmerin sowohl der Police Nr. 7509 als auch der Police 7265.

3

Auf Seite 2 der Police-Nr. 7509 heißt es:

"Gegenstand der Versicherung: Hartgeld, Banknoten, Schecks, Wertpapiere, Briefmarken, sämtliche Edelmetalle (ausgenommen reine Edelmetalltransporte), Schmuck, handelsübliches Beleggut, Datenträger bzw. Belege und sonstige Wertgegenstände sowie Behältnisse wie Kassetten, Taschen, usw. im Gewahrsam von ... sowie im Gewahrsam von von ... eingesetzten Subunternehmen, einerlei, ob die Sache Eigentum des Versicherungsnehmers oder Dritter ist während sämtlicher Transporte, Lagerungen, Bearbeitung und sonstiger vom Versicherungsnehmer vertraglich übernommenen Tätigkeiten"

4

Ferner ist unter Ziffer 2 "Umfang der Versicherung" bestimmt:

"2.1 Versicherte Gefahren und Schäden

2.1.1 Gedeckt sind, soweit unter Ziffer 2.2 nicht etwas anderes bestimmt ist:

2.1.1.1 jegliche Verluste und/oder Schäden gleichviel aus welcher Ursache einschließlich Veruntreuung und/oder Unterschlagung durch die Versicherungsnehmerin. Mitversichert sind Schäden verursacht durch einen früheren Angestellten der Versicherungsnehmerin, der Güter abholt und übernimmt und sich hierbei als Angestellter der Versicherungsnehmerin ausgibt, soweit ... hierfür nach gesetzlichen oder vertraglichen Bestimmungen zu haften hat.

2.1.1.2 Schäden durch Streik, Aussperrung, Arbeitsunruhen, terroristische und politische Gewalthandlungen, unabhängig von der Anzahl der daran beteiligten Personen, Aufruhr und sonstige bürgerliche Unruhe;

2.1.2 die gesetzliche Haftung von ... gegenüber den Auftraggebern

2.1.3 die von ...übernommene darüber hinausgehende vertragliche Haftung nach vorheriger ausdrücklicher Genehmigung durch den führenden Versicherer".

5

Ziffer 3 "Dauer der Versicherung" enthält folgende Regelung:

"3.1 Die Versicherung beginnt mit Übergabe der versicherten Güter an die Versicherungsnehmerin.

3.2 Die Versicherung endet, wenn die versicherten Güter bei der vom Auftraggeber vorher bezeichneten Stelle einer autorisierten Person übergeben wurden".

6

Bis auf die Punkte 2.1.2 sowie 2.1.3 enthält die dem Gericht aus verschiedenen Parallelverfahren bekannte Police Nr. 7265 identische Regelungen.

7

Zwischen der Klägerin, seinerzeit firmierend als ..., und ... wurde am 23./27.02.1998 ein Rahmenvertrag über Geldtransportleistungen nebst Anlage 1 zum Rahmenvertrag vom "11.03.1998" (hierbei handelt es sich um einen Schreibfehler) geschlossen (Anlage B 3, Bl. 151 d.A.). Bezogen auf das Hartgeld und die Banknoten war ... gegenüber der Klägerin verpflichtet, die Einzahlung auf das ...konto der ...vorzunehmen, um es von dort an die Klägerin weiterzuleiten (S. 7 d. Schriftsatzes v. 11.06.2007, Bl. 222 d.A.; S. 1 d. Schriftsatzes v. 27.12.2007, Bl. 332 d.A.). Die ... GmbH übersandte der Klägerin unter dem 16.07.2003 eine Versicherungsbestätigung (Anlage K 2, Bl. 30 d.A.). ... holte am 16.02.2006 8 427,10 € und am 17.02.2006 749 498,75 € bei der Klägerin ab. In den von der ... unterhaltenen Cash-Centern wurden am 17.02.2006 Durchsuchungen vorgenommen. Am 20.02.2006 wurde die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaften der ... beantragt und Rechtsanwalt ... zum zunächst vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Am gleichen Tag stellte die Bundesbank die Weiterleitung der von den ...-... bei ihr eingezahlten Gelder ein und buchte einen Betrag von ca. 140 Mio. EUR auf ein Asservatenkonto. Am 28.04.2006 wurden die Insolvenzverfahren eröffnet. Die Gelder aus den Abholungen vom 16.02.2006 und 17.02.2006 wurden nicht auf dem Geschäftskonto der Klägerin gutgeschrieben. Mit Schreiben vom 22.02.2006 meldete die Klägerin einen Schaden in Höhe von 759 436,10 € (Bl. 34 d.A.). Der Insolvenzverwalter zahlte 36 288,77 € an die Klägerin. Mit Schreiben vom 8. Januar 2007 erklärte die Beklagte gegenüber dem Insolvenzverwalter auch im Namen der Mitversicherer die Anfechtung und den Rücktritt vom Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung. Zur Begründung führte sie aus, die ... habe bereits lange vor Abschluss des Versicherungsvertrages im Jahre 2001 ein "Schneeballsystem" betrieben, innerhalb dessen Kundengelder zweckfremd verwendet worden seien; über die daraus resultierende und bereits 2001 bestehende erhebliche Liquiditätslücke und sämtliche Begleitumstände seien die Versicherer der Police Nr. 7509 nicht informiert worden. Ferner erklärte die Beklagte gegenüber der Klägerin die Anfechtung der Versicherungsbestätigung. Mit Schreiben vom 23.05.2007 erteilte der Insolvenzverwalter der Klägerin die Zustimmung gem. § 75 Abs. 2 VVG (Anlage K 6).

8

Die Klägerin meint, es liege ein Versicherungsfall vor, weil die von ihr eingezahlten Gelder nicht auf ihrem Geschäftskonto gutgeschrieben worden seien. Die Versicherung sei nicht gemäß Ziffer 3.2 des Versicherungsvertrages mit einer Einzahlung der Gelder bei der ... beendet worden, da es, selbst wenn man die ... als autorisiert i.S.d. Ziffer 3.2 des Versicherungsvertrages ansehen wollte, an der Benennung einer konkreten Person fehle. Die Klägerin ist der Ansicht, eine vertragsgemäße Einzahlung hätte nur dann vorgelegen, wenn ...bei der Einzahlung den Vorsatz gehabt hätte, das Geld an die Klägerin weiterzuleiten. Ein solcher Vorsatz habe jedoch nicht bestanden. Denn es sei offen gewesen, was mit dem Geld geschehen werde. Die Klägerin behauptet, ... habe gewusst, dass die Gelder nicht mehr an die Klägerin hätten weitergeleitet werden können, da der Zusammenbruch der ... unmittelbar bevorgestanden habe. Darüber hinaus sei der Versicherungsfall durch Unterschlagung eingetreten. Hierfür genüge ein Gefährdungsschaden im Rahmen des § 266 StGB. Selbst bei einer Einzahlung der Gelder auf das Konto der ... liege eine Veruntreuung vor, da ... damit andere Verbindlichkeiten habe tilgen wollen. Darüber hinaus meint die Klägerin, dass nach dem Versicherungsvertrag auch sogenanntes Buchgeld versichert sei. Dafür spreche unter anderem, dass die Beklagte nach Mitteilung anderer Schadensfälle im Zusammenhang mit verzögerten Zahlungen an andere Kunden nicht darauf hingewiesen habe, dass solche Verzögerungen nicht versichert seien. Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe schon vor dem 8. Januar 2006 Kenntnis von der angeblichen Täuschung durch ... gehabt, sodass die Anfechtungsfrist zur Zeit der Anfechtung bereits abgelaufen gewesen sei. Sie vertritt zudem die Auffassung, dass nach Ziffer 13.4 des Versicherungsvertrages die Anfechtung ausgeschlossen sei. Darüber hinaus ist die Klägerin der Ansicht, dass die Beklagte zu 100 % hafte, da keine Zeichnungsliste vorgelegen habe und da die anderen Mitversicherer nicht hinreichend bestimmt bezeichnet seien.

9

Die Klägerin beantragt,

  1. 1.

    die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 721 637,08 € nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz (höchstens jedoch 10 % absolut) seit dem 08.03.2006 zu zahlen,

  2. 2.

    die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 4 477,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

10

Die Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

11

Die Beklagte behauptet, die ... habe seit den 90er Jahren laufend Kunden-gelder dazu verwendet, eigene Verbindlichkeiten zu begleichen und den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten. Zur Auszahlung der den Kunden zustehenden Beträge sei im Wege eines sogenannten Schneeballsystems von anderen Kunden abgeholtes Geld benutzt worden. Infolgedessen sei es bei den Auszahlungen zu Verspätungen gekommen. Der gesamte Geschäftsbetrieb der ... sei u.a. wegen unauskömmlicher Entgelte darauf angewiesen gewesen, für den Eigenbedarf laufend Beträge aus den Kundengeldentsorgungen abzuzweigen. Es habe Prioritätenlisten gegeben, nach deren Reihenfolge die Kunden befriedigt worden seien. Mindestens einmal täglich sei nach Zählung und Vermengung der Gelder ein "Kassensturz" vorgenommen worden, um festzustellen, welche Beträge an dem Tag eingesammelt worden seien und zur Einzahlung auf ausstehende Kundenforderungen zur Verfügung gestanden hätten. Alles Bargeld, das ... an den Schadenstagen von der Klägerin erhalten habe, sei bei der ... abgeliefert worden. Die Beklagte meint, mit dieser Ablieferung habe der bei ihr unterhaltene Versicherungsschutz für das transportierte Bargeld geendet. Etwaige Verluste, die bei nachfolgenden Überweisungsvorgängen entstanden sein könnten, seien nicht Gegenstand der Versicherung, da diese sich nur auf Bargeld, nicht auf Giralgeld erstrecke. Die Beklagte behauptet, sie sei von ... arglistig getäuscht worden. Vor Abschluss der Police Nr. 7509, die am 01.12.2001 in Kraft getreten sei, habe bei der ... eine Liquiditätslücke bestanden, die etwa die Höhe eines 3-stelligen Millionenbetrages erreicht hatte. Die ... sei insolvent gewesen. Die ...GmbH, Hannover, sei spätestens seit dem 13.02.2001 insolvent gewesen und habe schon zum 31.12.1998 einen Fehlbetrag von mindestens 3 784 877,92 DM ausgewiesen, der in der Folgezeit weiter angestiegen sei. Über diese Umstände sei sie nicht informiert gewesen. Sie seien ihr erst im Zuge der Ermittlungen nach Beantragung der Insolvenzverfahren bekannt geworden. Wenn sie davon gewusst hätte, hätte sie den Vertrag Nr. 7509 nicht abgeschlossen. Die Beklagte ist der Ansicht, dass nach der Arglistanfechtung nicht nur die Police Nr. 7509, sondern auch die Police Nr. 7265 nicht mehr fortbestehe. Sie behauptet, zwischen den Vertragsparteien sei immer klar gewesen sei, dass es sich bei der Police 7509 um einen neuen Vertrag handele.

12

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

14

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung von 721 637,08 € gegen die Beklagte aus §§ 1 Abs. 1 S. 1, 49 i.V.m. 75 Abs. 2 VVG, Ziffer 2.1.1 der vereinbarten Versicherungsbedingungen.

15

Es kann im vorliegenden Fall offen bleiben, ob die von der Beklagten erklärte Anfechtung berechtigt ist und ob sie zur Nichtigkeit des gesamten Versicherungs-vertrags oder lediglich zur Nichtigkeit der Vereinbarungen auf der Grundlage der Police Nr. 7509 führt. Denn sowohl nach den Bestimmungen der Police Nr. 7509 als auch nach denjenigen der Police Nr. 7265 fehlt es aufgrund der insoweit gleichlautenden Versicherungsbedingungen an einem Versicherungsfall.

16

Ein Versicherungsfall läge hier nur dann vor, wenn in Bezug auf die der ... übergebenen Einnahmen der Klägerin während des versicherten Zeitraumes ein Bargeldverlust eingetreten wäre. Nach den Regelungen in den Policen 7509 und 7265 ist nämlich nicht Buchgeld, sondern nur Bargeld versichert.

17

1.

Für die Annahme, dass nur der Verlust von Bargeld und nicht der von Giralgeld, d.h. von Forderungen, versichert ist, spricht die im wesentlichen übereinstimmende Bezeichnung des Gegenstandes der Versicherung in der Police 7509 (Seite 2 des Versicherungsscheins Nr. 7509) bzw. der "versicherten Interessen" in der Police 7265 (Seite 1 des Versicherungsscheins Nr. 7265). Danach sind nämlich "Gegenstand der Versicherung" bzw. "versicherte Interessen" insbesondere Hartgeld, Banknoten sowie andere Wertgegenstände im Gewahrsam der Versicherungsnehmerin (oder im Gewahrsam von von dieser eingesetzten Subunternehmern beziehungsweise Dritten) während sämtlicher Transporte, Lagerungen, Bearbeitung und sonstiger vom Versicherungsnehmer vertraglich übernommenen Tätigkeiten.

18

Auch die Bestimmungen über die Dauer der Versicherung (Ziffer 3 der Policen) sprechen gegen die Annahme, dass Versicherungsschutz auch für Giralgeld besteht. Denn sie stellen auf die Übergabe der versicherten Güter ab und beziehen sich damit ihrem Wortlaut nach auf Bargeld und nicht auf Buchgeld, d.h. Forderungen.

19

Die Auslegung der Versicherung als Bargeld- und nicht auch als Giralgeldversicherung wird weiter gestützt durch die Bezeichnung als Valorenversicherung für die Police 7509 und als Transportversicherung für die Police 7265, die Verweisung auf die für die Transportversicherung geltenden Vorschriften der ADS pp. sowie durch die Bestimmungen über die Höhe der Deckungssummen, die sich nur an dem Transport und der Lagerung/Bearbeitung von Bargeld orientieren (Ziffer 4 der Policen) und die Prämienberechnung, die ebenfalls an den Umgang mit Bargeld anknüpft (Ziffer 5 der Policen).

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Nach dem klaren Wortlaut und dem Sinn und Zweck der Versicherungsbedingungen umfasst die Versicherung allein einen Verlust an den versicherten Wertgegenständen, insbesondere an Bargeld, und nicht an Giralgeld. Ob die Beklagte nach Mitteilung anderer Schadensfälle wegen verzögerter Zahlungen nicht darauf hingewiesen hat, dass solche Verzögerungen nicht versichert seien, ist unerheblich. Denn für die Auslegung der Versicherungsbestimmungen kommt es darauf nicht an. Entscheidend ist vielmehr die Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers, auf die hier zu Gunsten der Klägerin abzustellen ist, und damit in erster Linie die eindeutige Bestimmung über den Gegenstand der Versicherung (Hartgeld, Banknoten...), in der Giralgeld nicht erwähnt ist. Die weiteren in Bezug genommenen Regelungen zeigen, dass diese Annahme zutrifft und der Vertrag insgesamt darauf basiert.

21

Daran ändert der Umstand nichts, dass gemäß Ziffer 2.1.1.1 der Policen auch die Veruntreuung und/oder Unterschlagung durch die Versicherungsnehmerin versichert ist, dass es sich bei der Versicherung um eine Allgefahrenversicherung handelt und dass nach der Police 7509 auch die gesetzliche Haftung von ... abgesichert ist. Denn er betrifft nur die - vom Gegenstand der Versicherung zu unterscheidenden - versicherten Gefahren. Die dafür geltenden Regelungen bestimmen nur, für welche (die versicherten Gegenstände (das Bargeld) betreffenden) Risiken, aber nicht, für welche Gegenstände Versicherungsschutz gewährt wird. Sie enthalten keine Aussage über diese Gegenstände und können nicht im Wege der Auslegung zu einer über die Beschreibung in der Police hinausgehenden Ausdehnung des Versicherungsschutzes auf weitere Gegenstände führen.

22

Die zitierten Versicherungsbedingungen sind in keiner Hinsicht unklar. Soweit in der Entscheidung des ...vom 20.09.2007 (Az...) die Auffassung vertreten wird, zu berücksichtigen sei, dass das Geld stets auf ein Konto eingezahlt worden sei, ergibt sich daraus keine andere Beurteilung. Denn diese Einzahlung setzt - auch für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer ersichtlich - den Transport und die Übergabe des transportierten Bargeldes an eine Bank voraus. Sie schließt auch die Bestimmung einer Stelle - wie etwa der Einzahlungsbank - für die Übergabe des Bargeldes im Sinne von Ziffer 3.2. der Police 7509 nicht aus.

23

2.

Ein Versicherungsfall ist nicht bereits deshalb anzunehmen, weil ... das abgeholte Geld nicht auf das Konto der Klägerin überwiesen hat (Punkt 2.a.). Er wird auch nicht durch die von der Beklagten behauptete Einzahlung des Geldes auf das ...-Konto bei der ... begründet (Punkt 2.b.). Weiter ist unerheblich, ob ... die Absicht gehabt hat, das Geld an die Klägerin weiterzuleiten (Punkt 2.c.). Schließlich hat die Klägerin einen anderen in Betracht kommenden Versicherungsfall weder konkret dargelegt noch unter Beweis gestellt (Punkt 2.d.).

24

a) Allein der Umstand, dass ...der Klägerin das von ihren Filialen abgeholte Geld nicht überwiesen hat, genügt nicht für die Annahme eines Versicherungsfalls. Denn das bedeutet nicht ohne weiteres, dass während der in Ziffer 3.2 der Policen geregelten Dauer des Versicherungsschutzes ein Bargeldverlust eingetreten ist. Denkbar ist nämlich, dass ... das Geld zwar ihrem ... hat gutschreiben lassen, es anschließend jedoch nicht an die Klägerin weitergeleitet hat. In diesem Fall wäre es nicht als Bargeld verloren gegangen, sondern lediglich als nicht versichertes Giralgeld. Ferner wäre der Verlust erst nach Ablauf des Versicherungsschutzes eingetreten. Denn dieser wäre mit der geschuldeten Einzahlung auf dem Bundesbankkonto von ...nach Ziffer 3.2 der Versicherungsbedingungen in jedem Fall beendet gewesen. Denn mit der Vereinbarung, die Gelder bei der ... einzuzahlen, hat die Klägerin diese auch als Stelle zur Übergabe der versicherten Güter bezeichnet. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin darüber hinaus eine autorisierte Person angegeben hat. Nach dem klaren Wortlaut der o.g. Klausel war nämlich lediglich die Stelle und nicht eine autorisierte Person zu bezeichnen. Dass es sich bei dem Kassierer der ... ... um eine autorisierte Person i.S. der Bestimmung der Ziffer 3.2. handelt, liegt auf der Hand.

25

Der danach bestehende bloß vertragliche Anspruch der Klägerin gegen ... auf Überweisung des Geldes ist nicht vom Versicherungsschutz gedeckt, da die Beklagte die nach Ziffer 2.1.3 der Police 7509 dafür erforderliche ausdrückliche Genehmigung nicht erteilt hat.

26

b) Die (von der Beklagten behauptete) Einzahlung der abgeholten Gelder bei der Deutschen Bundesbank ist nicht als Versicherungsfall anzusehen. Sie stellt nämlich keinen Verlust der versicherten Gegenstände dar.

27

Unter Verlust ist nur die Zerstörung der Güter und ihr Abhandenkommen ohne Aussicht auf Wiedererlangung zu verstehen, wobei Abhandenkommen wie bei § 935 Abs. 1 BGB der unfreiwillige Verlust des Besitzes ist ( OLG Frankfurt NJW-RR 1998, 1327, 1328 m.w.N.). Die Einzahlung auf ein ... bei der ... ist kein solcher unfreiwilliger Besitzverlust, da sie sowohl mit dem Willen des unmittelbaren Besitzers, nämlich der ..., als auch mit dem Willen der Klägerin als versicherter Auftraggeberin erfolgte. Denn ... war gegenüber der Klägerin verpflichtet, die Einzahlung auf das ... vorzunehmen, um es von dort unmittelbar an die Klägerin weiterzuleiten (S. 7 d. Schriftsatzes v. 11. Juni 2007, Bl. 222 d.A.; S. 1 d. Schriftsatzes v. 27. Dezember 2007, Bl. 332 d.A.). Daraus ergibt sich, dass die Klägerin wollte, dass ...das Geld bei der ... zur Gutschrift auf das ...-eigene Konto abgab.

28

c) Der Auffassung der Klägerin, ein Versicherungsfall sei deswegen anzunehmen, weil ... nicht die Absicht gehabt habe, die geschuldeten Überweisungen vorzunehmen, vermag sich die Kammer nicht anzuschließen.

29

aa) Allein das Fehlen der subjektiven oder der objektiven Bereitschaft der Versicherungsnehmerin, ihre Pflichten aus dem Transport-vertrag zu erfüllen, begründet keinen Versicherungsfall. Denn versichert sind nach Ziffer 2.1.1.1 der Policen nur Verluste und/oder Schäden gleichviel aus welcher Ursache einschließlich Veruntreuung und/oder Unterschlagung durch die Versicherungsnehmerin sowie nach Ziffer 2.1.2. der Police 7509 die gesetzliche Haftung der ... gegenüber den Auftraggebern. Allein die Absicht, das abgeholte Geld nicht an die Klägerin weiterzuleiten, ist einem unfreiwilligen Besitzverlust ohne Aussicht auf Wiedererlangung nicht gleichzusetzen und damit kein Verlust im Sinne der Ziffer 2.1.1.1 der Versicherungsbedingungen.

30

bb) Ein unfreiwilliger Besitzverlust wird durch eine fehlende Vertragserfüllungsabsicht der ... nicht begründet.

31

Der tatsächliche Wille der Klägerin, dass das Bargeld an die Bundesbank zur Einzahlung auf das ...-eigene ... übergeben wird, wird durch die entsprechende Vereinbarung zwischen der Klägerin und ..., nach der diese verpflichtet war, die Einzahlung auf das ...-eigene ... vorzunehmen, indiziert. Nicht ersichtlich ist, dass die Klägerin ihre Übergabebestimmung unter Vorbehalt abgegeben und ausdrücklich oder konkludent ihren Willen zum Ausdruck gebracht hat, dass die Einzahlungsvereinbarung für den Fall eines von ... bei der Abholung der Gelder beabsichtigten oder zumindest in Kauf genommenen vertragswidrigen Verhaltens nicht gelten sollte. Allein die bei der Durchführung eines Vertrages bestehende Gefahr vertragswidrigen Verhaltens vermag die Annahme eines konkludent erklärten Vorbehalts ordnungsgemäßer Vertragserfüllung nicht zu rechtfertigen. Das erhellt bereits der Umstand, dass andernfalls im Ergebnis kaum ein Vertrag bindend wäre, weil in den meisten Fällen davon auszugehen wäre, dass der Vertragschluss nur unter einem solchen Vorbehalt, d.h. unter einer Bedingung erfolgte. Denn das Risiko vertragswidrigen Verhaltens ist bei fast jedem, insbesondere bei den meisten - wie hier - auf längere Dauer angelegten Verträgen gegeben.

32

Ob die Klägerin der Einzahlung auf ein ... nicht zugestimmt hätte, wenn sie vom Fehlen der Vertragserfüllungsabsicht gewusst hätte, und ob sie die Zustimmung dazu nur erteilt hat, weil sie von einer vertragsgemäßen Weiterleitung des Geldes ausging, ist unerheblich. Eine insoweit durch ... verübte Täuschung und ein Irrtum der Klägerin führten nämlich gegebenenfalls nicht zur Annahme eines unfreiwilligen Besitzverlustes. Denn davon würde der in der Einzahlungsbestimmung zum Ausdruck gekommene tatsächliche Wille der Klägerin nicht berührt.

33

Die für die Annahme eines Verlustes erforderliche Unfreiwilligkeit ist nach allgemeinen besitzrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen (Münchener Kommentar zum BGB/Quack, 4. Auflage 2004, § 935 Rn 8.) Da der Besitzwille das tatsächliche Machtverhältnis betrifft, ist er kein rechtsgeschäftlicher, sondern ein natürlicher Wille (Münchener Kommentar zum BGB/Joost, 4. Auflage 2004, § 854 Rn 9, Rn 8), so dass sich die Bewertung im Hinblick auf diesen Willen nicht nach den für Willenserklärungen geltenden Regeln richtet (Münchener Kommentar zum BGB/Quack, 4. Auflage 2004, § 935 Rn 8; Palandt/Bassenge, BGB, 65. A., § 935 RN 5 m.w.N.). Es ist daher für den Besitzaufgabewillen nicht von Bedeutung, ob ein Geschäft wegen Geschäftsunfähigkeit des Vertragspartners unwirksam, wegen Irrtums oder wegen Täuschung angefochten oder, etwa als Scheingeschäft, sonst mit Mängeln behaftet ist.

34

Dementsprechend stünde ein Irrtum der Klägerin über die Erfüllungsbereitschaft der ... auch nicht der Annahme entgegen, dass der Versicherungsschutz mit der geschuldeten Einzahlung des Geldes auf dem ... bei der ... endete.

35

d) Einen anderen in Betracht kommenden Versicherungsfall hat die Klägerin weder konkret dargelegt noch unter Beweis gestellt.

36

Grundsätzlich trägt die Klägerin die Darlegungs- und Beweislast für den Eintritt des Versicherungsfalls, d.h. für einen während der Dauer des Versicherungsschutzes eingetretenen Verlust des an ... übergebenen Geldes. Er wäre aus den oben genannten Gründen hier nur dann anzunehmen, wenn dieses Geld nicht - wie geschuldet - auf das ... bei der ... eingezahlt worden wäre. Dass das der Fall ist, hat die Klägerin jedoch weder substantiiert dargelegt noch unter Beweis gestellt. Vielmehr ist sie dem diesbezüglichen Vortrag der Beklagten trotz des Hinweises gemäß dem Sitzungsprotokoll vom 12. Dezember 2007 weder konkret entgegengetreten noch hat sie für ein etwaiges gegenteiliges Vorbringen Beweis angeboten.

37

Die von ihr behauptete Unterschlagung der Gelder hat die Klägerin ebenfalls nicht hinreichend konkret dargelegt. Denn auch dazu hätte sie konkret vortragen (und unter Beweis stellen) müssen, dass sich ... die übergebenen Gelder vor der Einzahlung auf ihr ... rechtswidrig zugeeignet hat. Auch insoweit genügt es nicht, lediglich zu behaupten, dass die Gelder an ... ausgehändigt worden und bei der Klägerin anschließend nicht wieder eingegangen sind. Denn aus den oben genannten Gründen wäre nur eine vor dem Ende des Versicherungsschutzes, d.h. vor der Einzahlung des Geldes bei der ... auf das ... begangene Unterschlagung/Veruntreuung des Bargeldes ein entschädigungspflichtiger Versicherungsfall und würde es sich bei einer anschließenden Veruntreuung um den nicht versicherten Verlust von Giralgeld nach Ende des Versicherungsschutzes handeln.

38

Auch unter dem Gesichtspunkt der Deckung der gesetzlichen Haftung der Versicherungsnehmerin unter der Police Nr. 7509 ergibt sich keine andere Beurteilung. Denn diese bezieht sich bei dem gebotenen Verständnis der Versicherungsbedingungen nur auf die versicherten Gegenstände, d.h. hier auf das ... übergebene Bargeld. Da die Klägerin nicht konkret dargelegt hat, dass ...dieses nicht bei der ... eingezahlt, sondern zuvor unterschlagen oder veruntreut hat, liegt kein versicherter Fall der gesetzlichen Haftung vor.

39

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 S. 1 und 2 ZPO.