Landgericht Hannover
Urt. v. 15.02.2008, Az.: 16 O 329/07

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
15.02.2008
Aktenzeichen
16 O 329/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 43752
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHANNO:2008:0215.16O329.07.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - AZ: 30.10.2007

Fundstelle

  • BauR 2008, 1038 (red. Leitsatz)

In dem Rechtsstreit

...

wegen Sicherung einer Bauhandwerkersicherungshypothek

hat die 16. Zivilkammer des Landgerichts Hannover auf die mündliche Verhandlung vom 17.01.2008 durch

die Vorsitzende Richterin am Landgericht ...

die Richterin am Landgericht ... und

die Richterin ...

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hannover vom 30.10.2007 wird aufgehoben.

  2. 2.

    Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

  3. 3.

    Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Verfügungsklägerinnen als Gesamtschuldner.

  4. 4.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungsklägerinnen können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

  5. 5.

    Der Streitwert wird auf 369 470,51 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Verfügungsklägerinnen, jeweils Bauunternehmen, verlangen als Gesellschaft bürgerlichen Rechts unter der Bezeichnung "Arbeitsgemeinschaft ..." die Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung einer Bauhandwerkersicherungshypothek wegen einer Abschlagsrechnung.

2

Der Verfügungsbeklagte zu 1) erteilte der Gesellschaft am 28.06.2005 einen Auftrag über den Neubau des Büro- und Geschäftshauses in der ... in ... zum Pauschalpreis von 7 514 000,- €. Als Auftraggeber ist die "Grundstücksgemeinschaft ..." im Auftrag aufgeführt. Vereinbart wurde die Geltung von VOB/B 2002. Wegen der genauen Einzelheiten wird auf den Auftrag (Bl. 32 ff d.A.) Bezug genommen. Die Verfügungsbeklagte zu 2) hatte zuvor mit notarieller Urkunde vom 13.06.2005 (Bl. 28 d.A.) dem Verfügungsbeklagten zu 1) umfassende Vollmacht hinsichtlich aller mit dem Abriss und Neubau des Objektes zusammenhängenden Angelegenheiten erteilt. Die Verfügungsbeklagten sind Eigentümer des im Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 26.10.2007 näher bezeichneten Grundstücks je zur ideellen Hälfte.

3

Die Verfügungsklägerinnen rechneten die erbrachten Leistungen in Abschlagsrechnungen ab. Am 13.08.2007 erteilten sie die 23. Abschlagsrechnung für die hauptvertraglich erbrachten Leistungen bis zum 15.07.2007. Aus der 23. Abschlagsrechnung ergibt sich nach Abzug der bereits geleisteten Zahlungen sowie nach Abzug von 10 % Sicherheitseinbehalt in Höhe von 787 798,96 € eine offene Forderung in Höhe von 403 912,56 €. Wegen der genauen Einzelheiten wird auf die Aufstellung in der Antragsschrift (Bl. 5 d.A.) und die Abschlagsrechnung (Bl. 185 d.A.) Bezug genommen. Auf diese Rechnung zahlten die Verfügungsbeklagten 83 300,- € wegen Einbehalt von 10 % Sicherheitsleistung und etwaiger Gegenrechte in Höhe von 390 000,- €. Wegen des restlichen offenen Betrages zuzüglich der zuvor abgezogenen 10 %-igen Sicherheit in Höhe von 787 798,96 €, insgesamt 1 108 411,52 €, verlangen die Verfügungsklägerinnen die Eintragung einer Vormerkung gemäß §§ 648, 885, 883 Abs. 1 BGB, 935 ZPO.

4

Die Verfügungsbeklagten kündigten den Vertrag mit Schreiben vom 18.10.2007 (Anlage Ag. 1). Zwischen den Parteien ist streitig, ob es sich um eine freie oder um eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund handelt.

5

Das Gericht hat mit Beschluss vom 30.10.2007 (Bl. 189f d.A.) dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 26.10.2007 stattgegeben und angeordnet, dass auf dem im Antrag bezeichneten Grundstück der Verfügungsbeklagten zur Sicherung eines Anspruchs auf Einräumung einer Bauhandwerkersicherungshypothek wegen einer Forderung in Höhe von 1 108 411,52 € aus dem Bauvertrag vom 28.06.2005 gemäß der 23. Abschlagsrechnung vom 13.08.2007 sowie wegen einer Kostenpauschale in Höhe von 7 211,60 € eine Vormerkung einzutragen ist. Die Verfügungsbeklagten haben dagegen mit Schriftsatz vom 27.11.2007 (Bl. 211 d.A.) Widerspruch eingelegt.

6

Die Verfügungsklägerinnen behaupten, ihre hauptvertraglichen Leistungen ordnungsgemäß und frei von wesentlichen Mängeln erbracht zu haben. Daher stünde ihnen ein Anspruch gemäß § 648 BGB zu. Trotz der zwischenzeitlich erfolgten Kündigung seien sie nach wie vor berechtigt, die Sicherung des Anspruchs auf Einräumung einer Bauhandwerkersicherungshypothek wegen der 23. Abschlagsrechnung durch Eintragung einer Vormerkung zu verlangen. Auch wenn grundsätzlich nach erfolgter Kündigung Schlussrechnungsreife eintrete, hindere dies vorliegend ihren Anspruch nicht, da der zu sichernde Anspruch nicht fällig sein müsse. Der Anspruch für die bereits erbrachten Leistungen laut Abschlagsrechnung sei nach wie vor sicherbar.

7

Die Verfügungsbeklagten seien auch passivlegitimiert, da beide - aufgrund der Vollmacht der Verfügungsbeklagten zu 2) - den Auftrag erteilt hätten und als Miteigentümer im Grundbuch eingetragen seien.

8

Sie beantragen,

  1. die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hannover vom 30.10.2007 zur Geschäftsnummer 16 O 329/07 zu bestätigen.

9

Die Verfügungsbeklagten beantragen,

  1. die einstweilige Verfügung vom 30.10.2007 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

10

Sie rügen ihre Passivlegitimation. Auftraggeberin sei ausweislich des Antrags die Grundstücksgemeinschaft ... eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, Grundstückseigentümer jedoch die Verfügungsbeklagten persönlich, so dass es an der nach § 648 BGB erforderlichen Identität zwischen Besteller und Grundstückseigentümer fehle.

11

Die Verfügungskläger hätten auf die Gestellung von Sicherheiten insgesamt verzichtet, weil sie laut protokollierten Bietergesprächen - unstreitig - zugesichert hätten, im Auftragsfall keine Bürgschaft zu fordern. Dies sei als Verzicht auf sämtliche Sicherheiten zu verstehen.

12

Ferner sei wegen der Kündigung des Vertrages die Sicherung einer Bauhandwerkersicherungshypothek wegen einer Abschlagsrechnung nicht mehr möglich. Nach §§ 8 Nr. 6, 16 Nr. 3 VOB/B müsse nach erfolgter Kündigung eine Schlussrechnung erstellt werden. Allein Ansprüche aus einer Schlussrechnung könnten gemäß § 648 BGB gesichert werden.

13

Wegen des weitergehenden Parteivortrags wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

14

Der Widerspruch der Verfügungsbeklagten gemäß §§ 936, 924 ZPO ist begründet, die einstweilige Verfügung vom 30.10.2007 war aufzuheben.

15

Ein Anspruch auf Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Einräumung einer Bauhandwerkersicherungshypothek wegen der 23. Abschlagsrechnung vom 13.08.2007 gemäß §§ 648, 885, 883 BGB, 935 ZPO besteht nicht. Zum Zeitpunkt der Antragstellung war das Vertragsverhältnis bereits gekündigt, was die Verfügungsklägerinnen in ihrer Antragsschrift nicht mitgeteilt hatten und was dem Gericht bei Erlass der einstweiligen Verfügung nicht bekannt war. Die Verfügungsklägerinnen können nach erfolgter Kündigung den durch die Vormerkung gesicherten Anspruch auf Einräumung einer Bauhandwerkersicherungshypothek zur Sicherung der Forderungen aus der 23. Abschlagsrechnung nicht mehr erfolgreich geltend machen, da mit der Kündigung Schlussrechnungsreife eingetreten ist und Abschlagsforderungen nicht mehr durchgesetzt werden können.

16

I.

Entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten sind diese vorliegend passivlegitimiert. Auch wenn man wegen der in der Auftragserteilung aufgeführten Bezeichnung "Grundstücksgemeinschaft ..." davon ausgeht, dass Auftraggeberin insofern eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts war und nicht die beiden im Grundbuch eingetragenen Verfügungsbeklagten, so sind beide dennoch als "Besteller" im Sinne des § 648 BGB anzusehen. Als persönlich haftende Gesellschafter haften sie analog § 128 HGB mit ihrem persönlichen Vermögen für Ansprüche gegen die Gesellschaft. Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung gelten die Vorschriften der Haftung der persönlich haftenden Gesellschafter einer OHG für diejenigen einer GbR entsprechend. Diese akzessorische Haftung betrifft nach ständiger Rechtsprechung neben dem Werklohnanspruch auch die Sicherung dieses Anspruchs durch eine Bauhandwerkersicherungshypothek nach § 648 BGB, da sie insofern die Bebauung ihres Grundstücks durch die Gesellschaft gestattet haben und die Ergebnisse der Werkleistung auch für sich nutzen können (vgl. BGHZ 102, 95; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 12. Aufl. Rn. 257; Ingenstau/Korbien, 16. Aufl., Anhang 2, Rn. 37 m.w.N.). Andernfalls würde der Schutzzweck des § 648 BGB umgangen werden können, da Grundstückseigentümer stets eine GbR bilden könnten, um der Inanspruchnahme nach § 648 BGB zu entgehen.

17

II.

Die Verfügungsklägerinnen haben auch nicht auf ihre Rechte aus § 648 BGB verzichtet. Eine ausdrückliche Erklärung in den Auftragsunterlagen fehlt, allein der Verzicht auf die Gestellung einer Bürgschaft lässt sich mangels weiterer Anhaltspunkte nicht als Verzicht auf sämtliche Sicherungsrechte auslegen, zumal es sich bei Bürgschaft und Sicherungshypothek um verschiedene Sicherungsmöglichkeiten handelt.

18

III.

Die Verfügungsklägerinnen können jedoch die Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung einer Bauhandwerkersicherungshypothek aus einer Abschlagsrechnung, die vor einer ausgesprochenen Kündigung erstellt worden ist, nach Zugang der Kündigung nicht mehr verlangen. Die Entscheidung des OLG München, BauR 2005, 1960, steht der Auffassung des Gerichts nicht entgegen. Im dort entschiedenen Fall hatte der Auftragnehmer selbst gemäß § 648a Abs. 5 BGB gekündigt, weil der Auftraggeber keine gemäß § 648a BGB geforderte Bauhandwerkersicherung erbracht hatte, nicht wie vorliegend die Auftraggeber. Das Schutzinteresses des Auftragnehmers ist in diesem Fall anders zu bewerten als im Fall einer Kündigung durch den Besteller, da insoweit eine verlangte Sicherheit bereits nicht erbracht worden ist. Aus der Entscheidung geht nicht hervor, dass die Beantragung der Eintragung einer Vormerkung wegen einer Abschlagsrechnung generell auch bei Eintritt der Schlussrechnungsreife für den Fall der Kündigung durch den Auftraggeber begründet ist.

19

Auch aus der zitierten Entscheidung des OLG Brandenburg, BauR 2003, 578, lässt sich nicht ableiten, dass auch nach erfolgter Kündigung ein Vorgehen nach § 648 BGB aus einer Abschlagsrechnung berechtigt sein kann. In den dortigen Entscheidungsgründen führt das lediglich OLG aus, dass § 648 BGB auch dann Anwendung findet, wenn die Vergütungsforderung noch nicht fällig ist, weil es beispielsweise der Schlussrechnung an der Prüffähigkeit fehlt. Damit ist aber keine Aussage getroffen worden, ob grundsätzlich auch ein Vorgehen aus einer Abschlagsrechnung trotz zwischenzeitlicher Schlussrechnungsreife zulässig wäre.

20

Die Erteilung einer Schlussrechnung ist nach Auffassung des Gerichts aus folgenden Erwägungen erforderlich: Nach § 8 Nr. 6 VOB/B kann der Auftragnehmer Aufmass und Abnahme der von ihm ausgeführten Leistungen alsbald nach der Kündigung verlangen; er hat unverzüglich eine prüfbare Rechnung über die ausgeführten Leistungen vorzulegen. Das bedeutet, unabhängig davon, ob eine freie Kündigung nach § 8 Nr. 1 VOB/B erfolgt ist oder die Verfügungsbeklagten zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 8 Nr. 3 VOB/B berechtigt waren, müssen die Verfügungsklägerinnen als Auftragnehmer eine Schlussrechnung vorlegen. Die Kündigung beendet den Bauvertrag, der Auftragnehmer kann keine Abschlagszahlungen mehr verlangen, sondern muss seine Vergütung im Rahmen einer Schlussrechnung geltend machen gemäß § 16 Nr. 3 Abs. 1 S. 1 VOB/B (vgl. Ingenstau/Korbien, 16. Aufl., § 8 Nr. 6 Rn. 3, BGH NJW-RR 1987, 724).

21

Aus diesem Grund ist auch eine Vormerkung zur Sicherung einer Abschlagsrechnung nicht eintragungsfähig. Die zu sichernde Forderung muss zwar nach allgemeiner Auffassung noch nicht fällig sein (vgl. Palandt, 66. Aufl. § 648 Rn. 4 m.w.N.; Weise, Sicherheiten im Baurecht, Rn. 521). Aus dem Sinn und Zweck der Vormerkung als Sicherungsinstrument folgt jedoch, dass die zu sichernde Forderung zumindest fällig werden können muss. Forderungen, denen eine dauerhafte Einrede entgegensteht, sind nicht sicherbar (vgl. Palandt, 66. Aufl. § 648 Rn. 4). Aufgrund der Kündigung mit der Folge der Schlussrechnungspflicht ist die Möglichkeit der Fälligkeit gerade nicht mehr gegeben. Im Hauptsacheverfahren kann die Einräumung einer Sicherungshypothek wegen der Forderung aus der 23. Abschlagsrechnung nicht mehr verlangt werden. Allein die Erlangung einer rangwahrenden Vormerkung für später geltend gemachte Ansprüche ist vor diesem Hintergrund nicht gerechtfertigt.

22

Eine einmal zur Sicherung eines Anspruchs aus einer Abschlagsrechnung eingetragene Vormerkung kann auch nicht zur Sicherung von Forderungen aus einer später erstellten Schlussrechnung dienen. Auch aus diesem Grund ist ein Sicherungsbedürfnis vorliegend nicht ersichtlich, denn die Vormerkung sichert nur denjenigen Anspruch, auf den sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung erstreckt, nicht den Gesamtanspruch aus dem Vertragsverhältnis (vgl. Werner/Pastor, Der Bauprozess, 12. Aufl., Rn. 279 m.w.N.). Die vorliegend beantragte einstweilige Verfügung würde lediglich und ausdrücklich die Forderung aus der 23. Abschlagsrechnung sichern. Die Verfügungsklägerinnen sind durch das Erfordernis einer Schlussrechnung, auch nicht unbillig benachteiligt. Ihre erbrachte Vorleistung, die Wertsteigerung des Grundstücks, ist auch trotz des Erfordernisses der Schlussrechnung ausreichend geschützt.

23

Eine Schlussrechnung ist zwar grundsätzlich erst dann fällig, wenn sie prüffähig ist, § 16 Nr. 3 VOB/B. Die hohen Anforderungen an eine prüffähige Schlussrechnung sind vorliegend jedoch nicht erforderlich, da die zu sichernde Forderung im Rahmen der §§ 648, 885, 880 BGB, 935 ZPO noch nicht fällig zu sein braucht. Ausreichend ist eine glaubhaft gemachte und nachvollziehbare Abrechnung. Die tatsächlich vorhandene Wertsteigerung ist im Übrigen auch erst nach erfolgter Schlussrechnung ermittelbar.

24

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert wird gemäß §§ 48 GKG, 3 ZPO auf 1/3 der zu sichernden Forderung (1 108 411,52 €), mithin auf 369 470,51 € festgesetzt.