Landgericht Hannover
Urt. v. 17.01.2008, Az.: 19 O 196/02
Bibliographie
- Gericht
- LG Hannover
- Datum
- 17.01.2008
- Aktenzeichen
- 19 O 196/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 43754
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHANNO:2008:0117.19O196.02.0A
In dem Rechtsstreit
...
wegen Produkt - und Arzthaftung
hat die 19. Zivilkammer des Landgerichts Hannover auf die mündliche Verhandlung vom 17.01.2008 durch den
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage gegen die Beklagten zu 2), 3), 4), 5), und 6) wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2), 3), 4), 5) und 6) zu tragen.
Im Übrigen bleibt die Kostenentscheidung dem Schlussurteil vorbehalten.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die am 24.09.1953 geborene Klägerin verunfallte am 17.08.1999 gegen 12.40 Uhr mit ihrem im September 1998 von der Beklagten zu 1) hergestellten PKW ... auf der Landstraße zwischen Meine und Rethen im Landkreis Gifhorn in Höhe Kilometer 7,55, Dabei kam ihr Fahrzeug ins Schleudern und von der Straße ab und stieß gegen eine Erdbarriere. Im Laufe des Unfallgeschehens öffnete sich der Front-Airbag. Die Klägerin erlitt u.a. eine Halswirbelsäulenfraktur. Sie ist seitdem querschnittsgelähmt. Nach der Notversorgung an der Unfallstelle wurde die Klägerin mit dem Rettungshubschrauber in die Unfallchirurgische Klinik der Beklagten zu 2) eingeliefert, deren Chefarzt der Beklagten zu 3) war. Der Beklagte zu 4) war diensthabender Oberarzt, die Beklagten zu 5) und 6) wären Assistenzärzte. Laut Protokoll des Notarztes am Unfallort ist eine primäre Tetraplegie beschrieben. Es wird dann auf eine doch nachweisbar mögliche Beugung der Arme hingewiesen. Die Klägerin war ansprechbar und konnte sich an das Unfallereignis erinnern. Der Notarzt leitete gegen 13.00 Uhr eine Cortisontherapie ein. In der unfallchirurgischen Klinik der Beklagten zu 2), in der die Klägerin gegen 14.00 Uhr aufgenommen wurde, erfolgte nach radiologischer Abklärung von Schädel, Halswirbel-, Brustwirbel- und Lendenwirbelsäule sowie der linken Schulter und des Beckens und einer neurologischen Konsiliaruntersuchung unter der Diagnose Luxation HWK 5/6 mit komplettem Querschnittsyndrom gegen 15.20 Uhr die geschlossene Reposition HWK 5/6 unter Bildwandlerkontrolle mit Anlage eines Halofixateurs durch die Beklagten zu 5) und 6). Im Anschluss daran wurde eine weitere CT-diagnostische Abklärung durchgeführt. Am 20.08.1999 wurde eine MRT-Untersuchung durchgeführt. Am 27.08.1999 erfolgte die definitive operative Versorgung der Verletzung durch die Beklagten zu 4) und 5) im Sinne einer geschlossenen und offenen Reposition, Dekompression und Bandscheibenentfernung, ventraler Spondylodese HWK 4/5 und 5/6 mit Spänen vom rechten Beckenkamm und 41 Haarplättchen. Im Anschluss an die Operation hat der Beklagte zu 5) eine Tracheotomie durchgeführt. Eine am 09.09.1999 durchgeführte postoperative CT-Untersuchung ergab eine insgesamt gute Wiederaufrichtung und ein gutes Alignement der Hinterkanten der Wirbelkörper. Allerdings zeigte sich eine verharkte Luxation im Segment C4/C5 linksseitig und eine Bogenfraktur von 05 und auch von C6 mit Stufenbildung und Dislokation im kleinen Wirbelgelenk linksseitig. Am 04.10.1999 wurde die Klägerin in die Werner-Wickert-Klinik verlegt. Der Ehemann der Klägerin hat nach dem Unfall kraftfahrzeugtechnische Untersuchungsberichte anfertigen lassen. Auf das Gutachten der Sachverständigen ... vom 21.09.1999 (Bl. 73 ff.dA) und den Untersuchungsbericht des ... vom 13.10.1999 (Bl. 126 ff.dA) wird verwiesen.
Die Klägerin wirft den Beklagten zu 2) bis 6) Behandlungsfehler und den Beklagten zu 1) und 7) einen Produktfehler des im streitgegenständlichen Fahrzeugs vorhandenen Airbags vor und nimmt die Beklagten als Gesamtschuldner auf Zahlung von Schmerzensgeld, Schmerzensgeldrente und Feststellung der Einstandspflicht für alle materiellen und nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden in Anspruch.
Die Klägerin behauptet, sie sei mit ihrem Fahrzeug mit einer Endgeschwindigkeit von ca. 30-40 km/h gegen die Erdbarriere gestoßen. Obwohl die Frontbeschädigungen des Fahrzeuges gering gewesen seien, habe sich der Front-Airbag geöffnet. Dadurch sei es zu einer Fraktur der Halswirbelsäule gekommen.
Den Beklagten zu 1) und 7) wirft die Klägerin eine fehlerhafte Konstruktion des Insassenrückhaltesystems im Unfallfahrzeug vor. Sie ist der Auffassung, dass seit Mitte der neunziger Jahre von den Herstellern der Insassenrückhaltesysteme verlangt werde, keine "aggressiven" Front-Airbags zu konstruieren. Einerseits müsse eine Sitzbelegungszustandserkennung vorhanden sein, andererseits müsse die Sensorik des Airbags so eingestellt sein, dass das System erst aktiv werde, wenn absehbar eine Schutzfunktion ausgelöst werde. Andernfalls gefährde der Airbag die Insassen in hohem Maße. Die Klägerin behauptet unter Hinweis auf von ihr zitierte und vorgelegte Literatur, dass im Zeitpunkt der Fertigstellung des streitgegenständlichen Fahrzeuges im September 1998 der Stand der Technik der Airbags ein anderer gewesen sei, als von der Beklagten zu 1) konstruiert und eingebaut. Der Airbag sei fehlerhaft konstruiert gewesen; er hätte nicht aktiv werden dürfen, weil die Aufprallgeschwindigkeit des Fahrzeuges einen Schutz durch den Airbag gar nicht erforderlich gemacht habe. Dadurch, dass der Airbag mit einer für die Aufprallgeschwindigkeit viel zu großen Energie aktiv geworden sei, sei es zu der Halswirbelsäulenverletzung bei der Klägerin gekommen. Darüber hinaus wirft die Klägerin den Beklagten zu 1) und 7) eine Verletzung der Produktbeobachtungspflicht und Instruktionsfehler vor. Sie, behauptet, dass die Beklagten zu 1) und 7) eine dauerhafte Verpflichtung zur Produktbeobachtung und ggf. eine Verpflichtung zum Produktrückruf treffe und diese die Konsumenten über alle Risiken des Airbags bei Überschlag oder Aufprall mit geringer Geschwindigkeit hätten aufklären müssen. Zur Verjährung trägt die Klägerin vor, dass die notwendige Kenntnis bzgl. der geltend gemachten Schadensersatzansprüche erst im Juli/August 2002 gegeben gewesen sei, als der Ehemann der Klägerin nach anwaltlicher Beratung zu der Überzeugung gelangt sei, dass die Körperverletzung der Klägerin durch das fehlerhafte Produkt der Beklagten zu 1) ausgelöst worden sei.
Zu den, den Beklagten zu 2) bis 6) vorgeworfenen Behandlungsfehlern, trägt die Klägerin vor, dass bei Ankunft in der Unfallchirurgischen Klinik der Beklagten zu 2) der Beklagte zu 6), der die Untersuchung in der Aufnahme gemacht habe und eine Instabilität diagnostiziert habe, die Hinzuziehung der Beklagten zu 3) und 4) hätte veranlassen müssen. Sodann hätte eine sofortige autologe Spondylodese durchgeführt werden müssen und nicht erst 10 Tage später. Dies hätte die dauerhafte Querschnittslähmung mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit verhindern können. Über diese Abweichung von der in der gesamten unfallchirurgischen Schulmedizin aufgestellten Forderung sei weder die Klägerin, noch ihr Ehemann aufgeklärt worden. Die Klägerin hätte bei entsprechender Aufklärung auf eine sofortige autologe Spondyodese bestanden. Auch sei die am 27.08.1999 durchgeführte Operation fehlerhaft durchgeführt worden. Der Operationsbericht sei unzulässig verkürzt. Dem Beklagten zu 3) wirft die Klägerin eine fehlerhafte Organisation und Überwachung vor. Zur Höhe des Schmerzensgeldes, welches die Klägerin mit einen Kapitalbetrag in Höhe von mindestens 400 000,- € und einer monatliche Rente von 750,- € für angemessen hält, verweist sie darauf, dass die an allen vier Extremitäten gelähmte Klägerin rund um die Uhr ... betreut ... werden ... müsse.
Die Klägerin beantragt,
- 1.
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin zu zahlen
- a)
ein der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeldkapital, wenigstens jedoch 400 000,- € nebst 4 % Zinsen seit dem 17.08.1999, sowie
- b)
eine der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellte monatliche Schmerzensgeldrente, mindestens jedoch 750,- €, zahlbar ab dem 01.09.1999 monatlich im voraus bis zum 03. eines jeden Kalendermonats und den Abänderungsmöglichkeiten des § 323 ZPO unterliegend, und
- 2.
festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin allen materiellen und, soweit nicht vorhersehbar, immateriellen Zukunftsschaden aus Anlass des Kraftfahrzeugsunfalls der Klägerin vom 17.08.1999 gegen 12.40 Uhr auf der Landstraße zwischen Meine und Rethen, Samtgemeinde Papenteich, Landkreis Gifhorn, zu erstatten, soweit ein öffentlich-rechtlicher Forderungsübergang nicht stattfindet.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte zu 1) beruft sich auf Verjährung und trägt insoweit vor, die Klägerin habe bereits am Unfalltag von den maßgeblichen Umständen ausreichende Kenntnis gehabt. Außerdem habe ihr Ehemann kurz nach dem Unfallgeschehen technische Gutachten in Auftrag gegeben.
Die Verjährungsfrist sei auch nicht durch Klageerhebung gehemmt worden, insbesondere sei die Zustellung aufgrund eines nachlässigen Verhaltens der klagenden Partei nicht demnächst erfolgt. Im Übrigen sei der geltend gemachte Anspruch auch nicht begründet, weil die Beklagte zu 1) nicht der richtige Anspruchsgegner sei, ein Fehler im Sinne des § 3 des ProdhaftG nicht vorliege und es zudem an dessen Kausalität für die Gesundheitsverletzung der Klägerin mangele. Der konkret geltend gemachte Schaden sei der Beklagten zu 1) nicht zuzurechnen. Im Übrigen treffe die Klägerin ein Mitverschulden. Die Beklagte zu 1) sei nicht Hersteller im Sinne des ProdhaftG, sondern lediglich als nationale Vertriebsgesellschaft tätig. Der Airbag habe einwandfrei funktioniert, ein Konstruktionsfehler liege nicht vor. Er entspreche den objektiven und berechtigten Sicherheitserwartungen der durchschnittlichen Produktnutzer. Eine Sitzbelegungszustandserkennung habe zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Fahrzeugs nicht dem Stand der Technik entsprochen. Die Sensorik des Airbags sei ausreichend abgestimmt gewesen. Im Übrigen beträfe diese Forderung die Beifahrer - Airbag - Problematik. Die Fraktur im Halswirbelsäulenbereich sei nicht auf die Airbag-Auslösung sondern vielmehr auf das Einknicken des Daches auf der Fahrerseite zurückzuführen. Vorsorglich beruft sich die Beklagte zu 1) auch auf die Ausschlusstatbestände des § 1 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 5 ProdhaftG. Der angebliche Fehler habe nicht beim Inverkehrbringen des Fahrzeugs bestanden und sei nach Stand der Wissenschaft und Technik seinerzeit nicht erkennbar gewesen. Die dauerhafte Querschnittslähmung sei allein auf das schwerwiegende Fehlverhalten der behandelnden Ärzte zurückzuführen, die die noch am Unfalltag, jedoch spätestens am darauffolgenden Tag, erforderliche Spondylodese viel zu spät durchgeführt hätten. Auch bestreiten sie, dass die Anlage des Halo-Fixateurs und die Operation am 27.08.1999 ordnungsgemäß erfolgt seien. Wegen der groben Behandlungsfehler seien die Folgen der Beklagten zu 1) jedenfalls nicht zurechenbar. Die Beklagte zu 1) bestreitet die Höhe des geltend gemachten Kapitalbetrages und der geltend gemachten Rente und verweist darauf, dass die Klägerin den Unfall selbst verschuldet hatte. Auch sei davon auszugehen, dass die Klägerin den Fahrersitz entgegen den Anweisungen des Herstellers nicht korrekt eingestellt hatte. Instruktionspflichten seien nicht verletzt worden. Nach § 1 ProdhaftG sei ein Schmerzensgeld nicht ersatzfähig. Ebenso sei eine Haftung aus § 823 BGB zu verneinen. Weder liege eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vor, noch sei ein Verschulden der Beklagten zu 1) vorgetragen bzw. ersichtlich; außerdem fehle die Kausalität. Auch die Beklagte zu 7) beruft sich auf Verjährung etwaiger Ansprüche gegen sie. Die Beklagten zu 1) und 7) seien selbständige voneinander unabhängige juristische Personen, so dass die bereits rechtshängige Klage gegen die Beklagte zu 1) nicht geeignet sei, die Verjährung zu hemmen. Im Übrigen gelte das Vorbringen der Beklagten zu 1) entsprechend.
Die Beklagten zu 2) bis 6) bestreiten einen Behandlungsfehler. Nach Aufnahme in der Klinik der Beklagen zu 1) sei eine geschlossene Reposition und Stabilisierung der Halswirbelsäule durch Anlage eines Halo-Fixateurs erfolgreich erfolgt. Die Klägerin habe bereits bei Ankunft in der Klinik eine vollständige Querschnittssymtomatik im Bereich C5/C6 aufgewiesen. Eine Besserung oder Heilung sei daher nicht zu erwarten gewesen. Die Stabilisierung diene dazu, weiteren Schäden vorzubeugen. Wegen pulmonaler Zusatzverletzungen der Klägerin sei eine sofortige Spondylodese wegen zu großer vitaler Risiken nicht angezeigt gewesen. Die Operation am 27.08.1999 sei ausreichend dokumentiert worden. Am Unfalltag seien genügend erfahrene Ärzte anwesend gewesen. Die Ursache der Verletzung liege entweder in einem fehlerhaften Airbag-System oder in der Schwere des Unfalls. Im Übrigen berufen sich die Beklagten zu 2) bis 6) auf Verjährung.
Die Kammer hat zur Arzthaftungsproblematik Beweis erhoben gemäß Beschluss vom 15.09.2003 (Bl. 564 f.d.A.) i.V.m. dem Beschluss vom 20.02.2004 (Bl. 768 f.A.) durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen .... Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das unfallchirurgische Gutachten vom 13.02.2005 und die Ausführungen des Sachverständigen im Termin am 13.12.2007 (Bl. 1623 ff.) verwiesen.
Darüber hinaus hat die Kammer Beweis erhoben gemäß Beschluss vom 30.03.2005 (Bl. 1107 d.A.) durch Einholung eines unfallanalytischen und biomechanischen Gutachten. Auf das Gutachten des Sachverständigen ... vom 30.08.2006 und die ergänzende Stellungnahme vom 24.05.2007 wird Bezug genommen. Die Beweiserhebung insoweit ist noch nicht abgeschlossen.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage gegen die Beklagten zu 2) bis 6) ist nicht begründet; gegen die Beklagten zu 1) und 7) ist die Sache noch nicht entscheidungsreif.
Die Beweisaufnahme hat den von der Klägerin behaupteten Vorwurf einer vorwerfbaren fehlerhaften Behandlung in der Klinik der Beklagten zu 2) nicht bestätigt. Die Kammer folgt insoweit den nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen ... in seinem Gutachten vom 13.02.2005 und in der mündlichen Verhandlung am 13.12.2007.
Danach war es insbesondere nicht fehlerhaft, am 17.08.1999 anstelle einer definitiven operativen Versorgung - wie sie am 27.08.1999 erfolgt ist - die Fraktur zunächst mit der Anlage eines Halo-Fixateurs zu behandeln. Der Sachverständige hat hierzu ausgeführt, dass die Behandlung von knöchernen bzw. diskoligamehtären Verletzungen der Wirbelsäule mit bestehenden neurologischem Defizit/partieller oder kompletter Querschnittssymptomatik heute und im Jahre 1999 auf zwei Therapiesäulen basiert. Zum einen ist die Einleitung einer möglichst sofortigen medikamentösen Cortisontherapie notwendig, die ausweislich des Notarztprotokolls und des Verordnungsplanes der Intensivstation erfolgt ist. Zum anderen bedarf es der schnellen Reposition/Einrenkung des verletzten Wirbelsäulenabschnittes mit anschließender Stabilisierung. Hierzu ist die ausweislich des in den Behandlungsunterlagen vorliegenden handschriftlichen Kurzarztprotokolls gegen 15.20 Uhr des Unfalltages von den behandelnden Ärzten vorgenommene Anlage eines Halo-Fixateurs geeignet und zunächst auch ausreichend gewesen. Entscheidend war in der konkreten Situation, dass bei dem vorliegenden Verrenkungsbruch, der bei der Klägerin zu einer inkompletten Tetraplegie (inkomplett, weil eine Restbewegung noch vorhanden ist) geführt hat, eine sofortige Dekompression und Stabilisation vorgenommen wird, um überhaupt die gewisse Chance einer Erholung zu nutzen. Diesen Anforderungen ist durch die Anlage des Halo-Fixateurs, also der geschlossenen Reposition, genüge getan worden. Der Sachverständige hat dies damit begründet, dass ausweislich der vorhandenen Röntgenaufnahme des während des operativen Eingriffs eingesetzten Bildwandlers und der nach der Operation erfolgten CT-Aufnahmen eine sichere Reposition der Halswirbelsäule stattgefunden hat, bei der von Seiten der Knochenfragmentstellung bzw. der Stellung der Halswirbelkörper zueinander eine Kompression des Rückenmarkes durch selbige ausgeschlossen ist. Im Ergebnis ist also die aufgrund der Verletzung notwendige Dekompression/Druckentlastung des Rückenmarkes adäquat erfolgt. Dieses gute Repositionsergebnis wird nochmals durch die am 20.08.1999 erfolgte MRT-Untersuchung, mit der eine kompressionsbedingte Einengung des Rückenmarkes ausgeschlossen werden konnte, bestätigt. Dies gilt auch angesichts der Tatsache, dass eine geschlossene Reposition immer ein Risiko von sogenannten Sekundärschäden beinhaltet. Der behandelnde Arzt hat hier abzuwägen, ob er sich für eine möglichst schnelle Dekompression mit der Möglichkeit von Sekundärschäden entscheidet oder für eine sofortige offene Operation, deren Vorteil bedingt durch die andere Lagerungsmöglichkeit in der schnelleren Rehabilitation des Verletzten liegt. Beide Verfahren sind nach den Ausführungen des Sachverständigen, soweit es um die notwendige Dekompression des Rückenmarkes und Stabilisierung geht, gleichwertig. Zu bedenken ist auch, dass selbst wenn sofort offen operiert worden wäre, die neurologischen Folgen überwiegend nicht hätten reduziert werden können.
Dies liegt daran, dass es durch das traumatische Erlebnis zu einer Kontusion des Rückenmarkes gekommen ist, welches anschwillt. Mit der Dekompression und Reposition versucht man diese Anschwellung zu stoppen und durch die Kortisontherapie zu minimieren. Dies schließt jedoch nicht aus, dass egal bei welchem Vorgehen, die Anschwellung wieder beginnt oder sich fortsetzt. Zwar reicht die Anlage eines Halo-Fixateurs nicht als definitive Versorgung aus. Vielmehr war im Folgenden eine Versorgung des Bruches mittels Verplattung notwendig, um die Repostion für das weitere Leben zu sichern. Diese ist hier am 27.08.1999 im Wege der offenen Operation erfolgt. Die hier zunächst angewandte Methode stellt daher keinen vorwerfbaren Behandlungsfehler dar.
Dass mit der Repostion der Halswirbelsäulenluxationsfraktur erst gegen 15.20 Uhr begonnen wurde, stellt keinen Behandlungsfehler dar. Der Sachverständige hat darauf hingewiesen, dass der Therapie erst eine adäquate Diagnostik vorgehen musste, die mit der Anfertigung von konventionell radiologischen Aufnahmen und mit der neurologischen Abklärung entsprechend erfolgt ist. Dass zum Zeitpunkt der neurologischen Untersuchung Röntgenaufnahmen bereits vorgelegen haben müssen, folgt aus dem handschriftlichen neurologischen Kurzbericht vom 17.09.1999, in dem auf eine radiologisch bestätigte Schädigung C 5/C 6 hingewiesen wird. Auch ist zu bedenken, dass die Anlage eines Halo-Fixateurs eine Operation darstellt, die ebenfalls einer entsprechenden Vorbereitung bedarf. Laut Anästhesieprotokoll vom 17.08.1999 beginnen die dortigen Aufzeichnungen um 14.35 Uhr.
Es war auch nicht fehlerhaft, vor Anlage des Halo-Fixateurs auf eine Computertomographie (CT) und/oder Magenetresonanztomographie (MRT) zu verzichten. Für einen Verzicht spricht nach den Angaben des Sachverständigen bei bereits nachgewiesener Tetraplegie insbesondere der zeitliche Gewinn. Die Anfertigung eines CT's hätte seinerzeit ca. 30 Minuten in Anspruch genommen. Außerdem wäre die erforderliche Umlagerung mit weiteren Gefahren für die Klägerin verbunden gewesen. Entsprechendes gilt für die Anfertigung eines MRT's. Ein vorwerfbarer Behandlungsfehler lässt sich auch aus dieser getroffenen Entscheidung nicht ableiten.
Ebenso wenig war es fehlerhaft, dass die endgültige Versorgung des Bruches mittels einer Plattenosteosynthese erst 10 Tage später am 27.08.1999 erfolgt ist. Der Sachverständige hat hierzu ausgeführt, dass der Halo-Fixateur die geforderte Reposition und Stabilisierung ausweislich der bildgebenden Materialien erbracht hat und er deshalb auch temporär bei Schädigungen im Bereich der Halswirbel C4, C5 und C6 eingesetzt werden darf. Eine wesentliche Verschlechterung des Befindens der Klägerin durch das Zuwarten bis zum 27.08.1999 bis zur definitiven Versorgung ist nach den Angaben des Sachverständigen nicht eingetreten. Am Neurostatus, der vor den Maßnahmen erstellt worden ist, hat sich nichts wesentliches verändert. Wenn es im Folgenden zu einer inkompletten Lähmung von C 4 gekommen ist, so ist das nicht auf ein fehlerhaftes Verhalten der behandelnden Ärzte zurückzuführen, sondern mit der mit dem Schädigungsprozess im Rückenmark einhergehenden Schwellung zu erklären, die auch nach einer Dekompression wieder beginnen oder sich fortsetzen kann. Dies ist dann schicksalhaft.
Die Operationen am 17.08.1999 und am 27.08.1999 selbst sind nicht fehlerhaft durchgeführt worden. Zwar liegt ein Operationsprotokoll für den 17.08.1999 nicht vor. Dass die Operation erfolgreich durchgeführt worden ist, ergibt sich - wie bereits ausgeführt - aus dem nachfolgenden bildgebenden Material. Die Operation am 27.08.1999 ist nach dem vorliegenden Operationsprotokoll korrekt durchgeführt worden. Der Sachverständige hat hierzu ausgeführt, dass der Operationsbericht gut nachvollziehbar ist und bezüglich des operationstechnischen Vorgehens keine Fragen offen lässt. Das regelhafte Operationsergebnis ist in einer GT-Untersuchung der HWS vom 09.09.1999 dokumentiert. Darauf lässt sich erkennen, dass das Osteosynthesematerial gut platziert ist und die Wirbelsäule weiterhin achsgerecht reponiert ist.
Den behandelnden Ärzten ist hinsichtlich der Möglichkeit einer sofortigen offenen Operation ein Aufklärungsverschulden nicht zur Last zu legen. Die Klägerin war bei Aufnahme in die Klinik ansprechbar. Bei einer volljährigen und mündigen Patientin ist eine Aufklärung des Ehemannes nicht erforderlich. Der Sachverständige hat hierzu ausgeführt, dass aus medizinischer Sicht unter Würdigung der Verletzung eine schnellstmögliche Dekompression des Rückenmarks notwendig war und deshalb auf eine umfangreiche Aufklärung verzichtet werden konnte. Der Sachverständige hat hierzu in der mündlichen Verhandlung weiter erklärt, dass in so einem Fall, in dem sich der Behandler für die geschlossene Reposition entschieden hat und die Zeit drängt, eine Aufklärung über die alternative Möglichkeit einer offenen Reposition nicht angemessen ist, weil die Patienten weder die Tragweite erkennen noch die Entscheidung treffen können und dieses zu einer Verzögerung des Entscheidungsprozesses führen kann. Dem schließt sich die Kammer an, zumal beide Methoden zur Erreichung des vorrangigen Ziels einer Dekompression und Stabilisierung gleichermaßen geeignet sind.
Der Schriftsatz der Klägerin vom 11.01.2008 gibt keine Veranlassung, erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten. Soweit darin darauf hingewiesen wird, dass der Beklagte zu 5) am 27.08.1999 ohne Einwilligung der Klägerin und gegen die Anweisung des Beklagten zu 4) eine Tracheotomie durchgeführt habe, sich dadurch die pulmonale Situation drastisch verschlechtert habe und Handhabungsfehler beim Absaugen mehrfach zu einem Herzstillstand geführt haben sollen, sodass für mehr als 6 Wochen keine Rehaklinik bereit gewesen sei, die Patientin zu übernehmen, entspricht dieses im Wesentlichen dem Vorbringen im Schriftsatz vom 07.11.2005 (Bl. 1215 ff.dA; Bl. 1258, 1259), mit dem die Klägerin ihre Einwendungen gegen das schriftliche Gutachten des Sachverständigen vorgebracht hat. Die Kammer hat dieses Vorbringen nicht als weiteren Vorwurf einer fehlerhaften Behandlung in der Klinik der Beklagten zu 2) angesehen. Zum einen hat die Klägerin dieses Vorbringen weder in dem Schriftsatz vom 07.11.2005 noch in dem Schriftsatz vom 11.01.2008 ausdrücklich als Behandlungsfehler gerügt, noch unter Beweis gestellt. Zum anderen hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin diesen Themenkomplex in der mündlichen Verhandlung am 13.12.2007, in der der Sachverständige ausführlich befragt wurde, nicht angesprochen.
Die Klage gegen die Beklagten zu 2), 3), 4), 5) und 6) war daher durch Teilurteil mit der Kostenfolge des § 91 ZPO, soweit es ihre außergerichtlichen Kosten betrifft, abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 ZPO.