Landgericht Hannover
Urt. v. 20.02.2008, Az.: 11 O 397/05

Ersatz der Mehrkosten durch Verzögerungen eines Zuschlagsverfahrens im Zusammenhang mit der Ausschreibung von Straßenneubauarbeiten; Ersatz der Mehrkosten für Zement

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
20.02.2008
Aktenzeichen
11 O 397/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 38086
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHANNO:2008:0220.11O397.05.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
OLG Celle - 17.06.2009 - AZ: 14 U 62/08
BGH - 22.07.2010 - AZ: VII ZR 129/09
OLG Celle - 25.05.2011 - AZ: 14 U 62/08

Fundstelle

  • IBR 2008, 206 (Volltext mit red. LS u. Anm.)

...
hat die 11. Zivilkammer des Landgerichts Hannover
auf die mündliche Verhandlung vom 23.01.2008
durch
die Vorsitzende Richterin am Landgericht ...
den Richter am Landgericht ... und
den Richter am Landgericht ....
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 414.973,10 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.11.2005 zu zahlen.

  2. 2.

    Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

  3. 3.

    Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 31% und die Beklagte zu 69%.

  4. 4.

    Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% der jeweils zur Vollstreckung anstehenden Forderung vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Ende 2002 schrieb die Beklagte Straßenneubauarbeiten aus. Es handelte sich dabei um die Grunderneuerung der BAB 27, Baulos 2 von km 135,285 bis 117,147. Das Los war in mehreren Abschnitte unterteilt:

2

Teil 1 a = km 117,147 bis km 123,800

3

Teil 1 b = km 129,450 bis km 136,785.

4

Der Beginn der Bauarbeiten sollte insoweit der 01.04.2003 sein. Das Ende war auf den 17.10.2003 festgelegt.

5

Teil 2 = km 123,800 bis km 129,450.

6

Bezüglich dieses Teils war als Beginn der Arbeiten der 01.04.2004 vorgesehen.

7

Die endgültige Fertigstellung der Arbeiten sollte spätestens am 18.06.2004 erfolgen.

8

Die Bindungsfrist galt bis zum 25.03.2003.

9

An diesem Verfahren beteiligte sich auch die Klägerin am 27.01.2003 mit Haupt- und Nebenangeboten (Anlagen K1, K31). Im Rahmen des Zuschlagsverfahrens wollte die Beklagte zunächst einem anderen Anbieter den Zuschlag erteilen. Hiergegen erhob die Klägerin Einwendungen, die durch Beschluss der Vergabekammer bei dem Niedersächsischen Landesamt für Straßenbau vom 12.06.2003 teilweise für begründet erklärt wurden. Der Beklagten wurde der Zuschlag zu Gunsten des anderen Anbieters untersagt (Anlage K3). Gegen diesen Beschluss legte die Beklagte zunächst Beschwerde ein, die dann jedoch zurückgenommen wurde. Die Beklagte beabsichtigte nunmehr, den Zuschlag der Klägerin zu erteilen, wogegen die andere Anbieterin - die Firma ... - Einwendungen erhob. Diese Einwendungen wurden durch Beschluss der Vergabekammer bei dem Niedersächsischen Landesamt für Straßenbau vom 08.09.2003 zurückgewiesen (Anlage K5).

10

Während dieses Zeitraumes hatte die Beklagte ständig um Bindungsfristverlängerungen gebeten, die von der Klägerin auch bewilligt worden waren, zuletzt bis zum 17.11.2003.

11

Am 10.11.2003 erhielt die Klägerin den Zuschlag (Anlage K7). Als spätester Baubeginn war der 29.03.2004 genannt. Nach einem Vermerk vom 12.02.2004 (Anlage K25) sollten die Arbeiten am 01.03.2004 beginnen und am 18.10.2004 beendet sein.

12

Am 21.04.2004 (Anlage K12) zeigte die Klägerin Mehrkosten für Stahl und Zement an. Am 01.06.2004 erstellte sie Nachtragsangebote (Anlage K13), die seitens der Beklagten am 06.08.2004 zurückgewiesen wurden (Anlage K16). Ein weiteres Schreiben der Beklagten datiert vom 12.01.2005 (Anlage K18).

13

Am 02.02.2005 machte die Klägerin in ihrer 19. Abschlagsrechnung Mehrkosten für Stahl und Zement in Höhe von 638.945,35 EUR geltend (Anlage K19/Bl. 8 und 9). Gezahlt hierauf sind seitens der Beklagten insgesamt 120.547,47 EUR, wobei sie den Zeitraum November 2003 bis März 2004 für die Abschnitte 1 a. und 1 b. und die Erzeugerpreisindizes zugrunde gelegt hatte. Ein Betrag von 57.815,90 EUR entfiel dabei auf die Mehrkosten Stahl, ein Betrag von 62.731,57 EUR auf die Mehrkosten Zement.

14

Zwischenzeitlich sind die Arbeiten abgenommen. Am 20.09.2005 erstellte die Klägerin die Schlussrechnung, in der sie wiederum die Mehrkosten in Höhe von 95.124,40 EUR für Stahl und von 543.820,95 EUR für Zement = gesamt 638.945,35 EUR netto einsetzte.

15

Die Differenz zwischen diesem Betrag und dem von der Beklagten bei der Prüfung der 19. Abschlagsrechnung festgesetzten Betrag ist Gegenstand des Rechtsstreites.

16

Die Klägerin ist der Auffassung, dass sich ihr Anspruch auf Ersatz der Mehrkosten für Stahl und Zement aus einer zumindest analogen Anwendung des § 2 Abs. 5 VOB/B ergebe, was die Beklagte auch grundsätzlich anerkannt habe. Die Mehrkosten seien darauf zurückzuführen, dass die ursprünglich vorgesehenen Bauausführungszeiträume wegen der Verzögerungen des Zuschlagsverfahrens nicht hätten eingehalten werden können. Die Verzögerungen des Zuschlagsverfahrens seien nicht ihr, sondern der Beklagten zuzurechnen. Dass sie - die Klägerin - der Verlängerung der Bindungsfristen zugestimmt habe, habe keinerlei rechtliche Bedeutung, sei insbesondere auch nicht als Zustimmung zu geänderten Ausführungsfristen zu sehen. Diese Verzögerungen der Ausführungsfristen müsse sich die Beklagte insgesamt zurechnen lassen. Zu den Kostensteigerungen sei es gekommen, weil sich für Stahl die Preise seit dem Jahre 2003 zunächst moderat, dann ab November/Dezember enorm verteuert hätten. Die Folge seien erhebliche Mehrkosten gegenüber der ursprünglichen Kalkulation gewesen. Diese Kalkulation habe auf einem Angebot der Firma ...vom 22.01.2003 (Anlage K29) beruht. Die Kalkulation sei realistisch und zutreffend gewesen. Wegen der gestiegenen Preise sei es dann nicht mehr möglich gewesen, auf der Grundlage des Angebots vom 22.01.2003 den Stahl einzukaufen. Der Auftrag an die Firma ... sei dann aufgrund deren Angebots vom 29.03.2004 (Anlage 26) erfolgt. Eine frühere Auftragserteilung sei nicht möglich bzw. sinnvoll gewesen. Auf der Basis der neuen Preise habe dann auch die Kalkulation neu erstellt werden müssen, was insgesamt Mehrkosten von 95.124,40 EUR netto bei Stahl ausmache.

17

Bezüglich der Mehrkosten Zement beruft sich die Klägerin darauf, dass bei der Firma ... bzw. .... bereits am 24.01.2003 ein Angebot mit günstigen Konditionen eingeholt worden sei (Anlage K30). Auf dieser Grundlage habe dann aber im November 2003 kein Auftrag mehr erteilt werden können. Es habe zum 01.09.2003 und 01.02.2004 erhebliche Preissteigerungen gegeben, die sich in einem Angebot der Firma .... vom 18.12.2003 dargestellt hätten (Anlage K24). Auf der Basis dieses Angebotes sei dann am 03.05.2004 der Auftrag erteilt worden. Die sich hieraus ergebenden Mehrkosten seien in kalkulatorisch richtiger Weise ermittelt worden und machten insgesamt einen Betrag von 543.820,95 EUR aus. Auch diese Mehrkosten seien ihr - der Klägerin - nicht anzulasten.

18

Bei der Berechnung der Mehrkosten sei auch der Bauabschnitt 2 zu berücksichtigen. Denn die ursprünglich von dem Lieferanten angebotenen Preise hätten sich auf die Lieferung der für das gesamte Bauwerk erforderlichen Materialien (Bauabschnitte 1 und 2) während der gesamten ursprünglich vorgesehenen Bauzeit bezogen und seien mindestens bis zum Ablauf der ursprünglichen Bindungsfrist verbindlich gewesen. Darüber hinaus habe sie - die Klägerin - auch Nebenangebote abgegeben, die auf eine Durchführung der gesamten Baumaßnahmen im Jahre 2003 abzielten und bei der Zuschlagserteilung hätten berücksichtigt werden müssen.

19

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zur Zahlung von 601.347,34 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu verurteilen.

20

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

21

Sie stellt sich zunächst auf den Standpunkt, dass es keinen rechtlichen Ansatzpunkt für einen Anspruch der Klägerin auf Ersatz von Mehrkosten gebe. Auch aus § 2 Abs. 5 VOB/B lasse sich ein solcher Anspruch nicht herleiten. Im Übrigen komme ein Anspruch auch allenfalls für den Zeitraum nach Zuschlagserteilung am 10.11.2003 bis zum Beginn des geänderten Ausführungszeitraumes bezüglich des 1. Bauabschnittes in Betracht. Bei der Prüfung der 19. Abschlagsrechnung und der entsprechende Zahlung sei man von der Richtigkeit der Erklärung der Klägerin ausgegangen, dass die Angebote der Lieferanten "freibleibend" gewesen seien. Ein Anerkenntnis sei von ihr - der Beklagten - nicht erklärt worden. Darüber hinaus komme eine Erstattungspflicht für den 2. Bauabschnitt ohnehin nicht in Betracht, weil dieser von Anfang an erst im Jahre 2004 habe realisiert werden sollen. Des Weiteren beruft sich die Beklagte darauf, dass die geltend gemachten Mehrkosten auf der Basis der früheren und jetzigen Kalkulationsgrundlagen nicht hinreichend dargetan und belegt worden seien. Offensichtlich habe sich die Klägerin von Anfang an verkalkuliert. Zumindest ein Großteil der Kosten habe vermieden werden können, wenn die Klägerin unmittelbar nach dem Zuschlag die Materiallieferungen in Auftrag gegeben hätte. So ergebe sich aus dem Ursprungsangebot der Firma .... bzw. ...., dass sich diese Firma bis zum 31.12.2003 gebunden habe. Im Übrigen gebe es auch etliche Widersprüche und Ungereimtheiten des als Anlage K33 vorgelegten Aufforderungsschreibens der Klägerin vom 21.01.2003.

22

Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

23

Die zulässige Klage hat in der Sache auch teilweise Erfolg.

24

I.

Denn die Klägerin ist grundsätzlich berechtigt, Ersatz der Mehrkosten zu verlangen, die ihr durch die Verzögerungen des Zuschlagsverfahrens entstanden sind. Ausgangspunkt ist insoweit, dass die Zustimmung der Klägerin zu den Bindungsfristverlängerungen nicht auch den rechtsgeschäftlichen Erklärungsgehalt hatte, die alten Angebotspreise auch für verzögerte Ausführungsfristen aufrecht erhalten zu wollen. Dass dem Vergabeverfahren mit den Möglichkeiten der Inanspruchnahme von Rechtsschutz zum Zwecke der Überprüfung immanente Verzögerungsrisiko ist vielmehr grundsätzlich dem öffentlichen Auftraggeber als Initiator des Verfahrens aufzubürden. Ansonsten würden insbesondere einem kostengünstigen Anbieter unzumutbare und im Sinne des § 9 Abs. 2 VOB/A ungewöhnliche Wagnisse aufgebürdet werden (vgl. hierzu BayObLG NZBau 2002, S. 689 f. [BayObLG 15.07.2002 - Verg 15/02]; OLG Jena in NZBau 2005, S. 341 f. [BGH 14.10.2004 - VII ZR 33/04]; Kapellmann in "Zeitliche und geldliche Folgen eines nach Verlängerung der Bindungsfrist erteilten Zuschlags", NZBau 2003, S. 1 f.). Ob man den Anspruch auf Ersatz der verzögerungsbedingten Mehrkosten auf eine analoge Anwendung des§ 2 Nr. 5 VOB/B, der Heranziehung des Rechtsgedankens des § 2 Nr. 5 VOB/B oder - was die Kammer für sach- und interessengerecht hält - auf eine ergänzende Auslegung der vertraglichen Erklärung des Bieters (vgl. hierzu Kapellmann a.a.O.) stützt, ist im Ergebnis unerheblich. Eine solche ergänzende Vertragsauslegung verstößt auch nicht gegen § 24 Abs. 3 VOB/A. Es handelt sich gerade eben nicht um nachträgliche Verhandlungen über Preisänderungen, sondern lediglich um eine ergänzende Auslegung des ursprünglichen Angebotes, nämlich dahin, dass für die tatsächlich mögliche Ausführungszeit auch ein entsprechender Mehraufwand verlangt wird. Insoweit teilt die Kammer die in der vom Beklagten herangezogenen Entscheidung des OLG Hamm vom 05. Dezember 2006 (IBR 2007,179 [OLG Hamm 05.12.2006 - 24 U 58/05]) vertretene Auffassung nicht, in der im Übrigen auch gerade auf die Notwendigkeit des Schutzes eines Bieters für von ihn nicht zu vertretene zeitliche Verzögerungen hingewiesen wird. Aber selbst wenn man entsprechend den Ausführungen des OLG Hamm unter Bezugnahme auf § 150 BGB das Zuschlagsschreiben vom 10.11.2003 als Ablehnung des Angebotes der Klägerin vom 28.01.2003 und als gleichzeitiges neues Angebot sehen würde, kann entgegen der Auffassung der Beklagten das Schreiben der Klägerin vom 24.11.2003 (Anlage B3/Bl. 177 d.A.) nicht als eine Vertragsannahme des Inhaltes gewertet werden, dass die Arbeiten nunmehr zu geänderten Zeiten zu gleichen Preisen ausgeführt werden sollten. In dem Schreiben vom 24.11.2003 wird nämlich nur rein tatsächlich der Empfang des Auftrages bestätigt, wie es in Ziffer 12 des Zuschlagsschreibens vom 10.11.2003 gefordert worden ist. Einen rechtsgeschäftlichen Erklärungsgehalt konnte die Beklagte dem Schreiben vom 24.11.2003 alleine deshalb nicht zumessen, weil unter Ziffer 11 des Zuschlagsschreibens ausdrücklich ausgeführt ist, dass der Vertrag mit diesem Zuschlagsschreiben als geschlossen gilt. Bis zu den Schreiben der Klägerin vom 21.04.2004, mit dem sie Mehrkosten anzeigte, kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass ein Vertragsschluss mit geänderten Zeiten und den gleichen Preisen konkludent geschlossen worden ist.

25

II.

Die Klage ist aber der Höhe nach nicht in vollem Umfange begründet. Begründet ist lediglich ein Anspruch auf Ersatz der Mehrkosten für Zement, und zwar bezogen auf den 1. Bauabschnitt. Im Einzelnen gilt insoweit Folgendes:

26

1.

Bezüglich des Zementes hatte die Firma ... auf Anfrage der Klägerin am 24.01.2003 ein Angebot zu bestimmten Preisen - 71,00 bzw. 40,00 EUR - abgegeben (Anlage K30). Dass dieses Angebot auch tatsächlich erstellt und der Klägerin übermittelt worden ist, ist durch den Zeugen Witt nachvollziehbar und überzeugend begründet worden und ist auch von der Beklagten selbst nicht mit Substanz in Abrede gestellt worden. Die Einwendungen der Beklagten gegen das auf den 21. Januar 2003 datierte Aufforderungsschreiben der Klägerin (Anlage K33) sind daher schon aus diesem Grunde ohne Belang. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist auch davon auszugehen, dass es der Klägerin nach Erhalt des Zuschlages im November 2003 nicht mehr möglich war, den Auftrag zu den in diesem Angebot vom 24.01.2003 genannten Bedingungen zu erteilen. Zwar heißt es auf Seite 2 dieses Angebotsschreibens: "Preisgültigkeit: Dieses Angebot besitzt Gültigkeit bis zum 31.12.2003. Wir behalten uns bei Veränderungen der gesetzlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen, insbesondere bei Einführung einer entfernungsabhängigen Lkw-Maut, eine dementsprechende Preisveränderung vor". Der Zeuge ... hat hierzu aber in seiner zeugenschaftlichen Vernehmung ausgeführt, dass seine Firma im Jahre 2003 bei Erstellung des Angebotes in einer marktzerrütteten Situation gewesen sei. Es habe ein regelrechter Preiskrieg - verbunden mit Angeboten auf sehr niedrigem Niveau - geherrscht. Ab Mitte 2003 sei dann wegen erheblicher Geschäftsverluste durch den Vorstand der Firma beschlossen worden, die Preise in 2 Schritten anzuheben. Diese neue Preispolitik sei sehr streng und strikt eingehalten worden. Er könne sich deshalb nicht vorstellen, dass seine Firma, wenn die Klägerin im November 2003 einen Auftrag auf der Grundlage des Angebotes aus Januar mit den entsprechenden Preisen hätte erteilen wollen, dies akzeptiert hätte. Man hätte sich gegebenenfalls auch auf eine juristische Auseinandersetzung eingelassen. Die Firmenleitung habe strikte Anweisungen gegeben, die Preisanhebungen auf jeden Fall durchzusetzen. Es habe praktisch keinen Verhandlungsspielraum gegeben. Er - der Zeuge - sei auch davon ausgegangen, dass das Angebot nur zeitnah von der Klägerin habe angenommen werden können, und zwar auch deshalb, weil der Zeitraum der Arbeiten und der Beginn am 01.04.2003 ja auch Gegenstand der Anfrage gewesen sei. Soweit in dem Angebot eine Bindungsfrist bis zum 31.12.2003 genannt worden sei, könne er - der Zeuge - sich dies im Wesentlichen nur damit erklären, dass man sich damit habe die Möglichkeit offen lassen wollen, für den 2. Bauabschnitt im Jahre 2004 unter Umständen doch noch Preiserhöhungen durchzusetzen. Man habe das Angebot "ja nicht in alle Ewigkeit offen" halten wollen.

27

Die Aussage des Zeugen ist in sich schlüssig, stimmig und widerspruchsfrei. Er hat sich erkennbar um eine richtige und wahrheitsgemäße Darstellung des damaligen Geschehens bemüht und auch deutlich gemacht, dass er auch Einsicht in alte Vertragsunterlagen genommen hat, um die Erinnerungsfähigkeit zu verbessern. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Zeuge aufgrund persönlicher oder wirtschaftlicher Bindungen an eine der Parteien ein Interesse am Ausgang des Rechtsstreits hat. Bedenken gegen die Glaubhaftigkeit der Aussage und die Richtigkeit der Bekundungen des Zeugen sind deshalb nicht zu erheben.

28

Auch ohne die Vernehmung des im Termin vom 23.01.2008 als Zeugen benannten Herrn Werner steht deshalb fest, dass die Klägerin im November/Dezember 2003 einen Lieferungsauftrag bezüglich des Zementes zu den Preisen aus dem Angebot vom 24.01.2003 nicht mehr hätte realisieren können. Die Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 12.02.2008 ändern an dieser Bewertung nichts. Es blieb der Klägerin deshalb nichts anderes übrig, als die Bestellung auf der Basis des neuen Angebotes vom 18.12.2003 (Anlage K24) anzunehmen, auch weil ansonsten weitere Zeitverzögerungen eingetreten wären und der geplante Termin für den Baubeginn nicht einzugehalten gewesen wäre. Im Ergebnis kann der Klägerin auch nicht angelastet werden, dass sie die Bestellung nicht unter Vorbehalt erklärt und nicht - auch durch Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens - versucht hat, die Berechtigung der von der Firma ... gestellten erhöhten Preise klären zu lassen. Dies gilt auch, wenn man - wohl zutreffend - davon ausgeht, dass die Klägerin zu einem solchen Vorgehen berechtigt gewesen wäre, also auch das Angebot vom 24.01.2003 noch in rechtlich wirksamer Weise hätte annehmen können. Offensichtlich hat die Klägerin das Angebot vom 24.01.2003 wie der Zeuge .... verstanden. Dass dieses Verständnis der Bindungsklausel unvertretbar war, ist nicht ersichtlich. Immerhin stand die Klausel im Absatz "Preisgültigkeit". Dafür, dass die Klägerin und die Firma ..... beabsichtigten, im kollusiven Zusammenwirken höhere Preise zu Lasten der Beklagten durchzusetzen, gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Bei dieser Sachlage kann es der Klägerin deshalb auch nicht angelastet werden, wenn sie eine mit Sicherheit notwendig werdende gerichtliche Auseinandersetzung mit der Firma ...- auch wegen der verbleibender Risiken - unterlassen hat. Soweit die Beklagte der Klägerin vorwirft, erst im April 2004 den Zement bestellt zu haben, kann dies dahinstehen. Denn hierdurch sind keine Preiserhöhungen entstanden, da die Bestellung zu den Bedingungen des Angebotes vom 18.12.2003 erfolgt ist, worauf die Klägerin zutreffend hingewiesen hat.

29

2.

Der Erstattungsanspruch der Klägerin ist aber auf die Mehrkosten für den 1. Bauabschnitt beschränkt. Ob es der Klägerin nämlich tatsächlich möglich gewesen wäre, auch für den 2. Bauabschnitt, der ursprünglich ab dem 01.04.2004 ausgeführt werden sollte, die Preise aus dem ursprünglichen Angebot durchzusetzen, ist nicht mit ausreichender Sicherheit feststellbar. Zwar hat insoweit der Zeuge ... auf der einen Seite bekundet, dass im Falle eine zeitnahen Auftragserteilung auch für die Lieferungen für das Jahr 2004 die angebotenen Preise vereinbart worden wären. Auf der anderen Seite hat der Zeuge aber bekundet, dass man sich sicher schon im Sommer 2003 über die Preise von Anfang 2003 geärgert habe. Er hat auch ausgeführt, dass er aufgrund der Preisbindungsklausel bis zum 31.12.2003 davon ausgegangen sei, dass man für Lieferungen im Jahre 2004 die Preisgestaltung noch einmal überprüfen könne. Berücksichtigt man weiter die Ausführungen des Zeugen dazu, dass die Firmenleitung auf einer rigorosen und konsequenten Durchführung der ab Mitte 2003 beschlossenen Preissteigerungen bestanden hat, erscheinen sichere Aussagen dazu, zu welchen konkreten Preisgestaltungen es für diese Lieferungen im Jahre 2004 gekommen wäre, nicht möglich.

30

Ohne Erfolg beruft sich insoweit die Klägerin darauf, dass sie Nebenangebote abgegeben habe, die auf die Durchführung auch des Bauabschnittes 2 im Jahre 2003 gerichtet gewesen seien. Die sich hierauf beziehenden Nebenangebote 3 und 4 wären nämlich ausweislich des Beschlusses der Vergabekammer vom 12.06.2004 gerade nicht berücksichtigungsfähig gewesen (Seite 14 des Beschlusses).

31

3.

Die Mehrkosten - nur für den 1. Bauabschnitt - belaufen sich auf 420.462,00 EUR netto = 487.735,92 EUR brutto. Soweit die Beklagte im Rahmen der Prüfung der 19. Abschlagsrechnung insoweit auf einen abstrakten Erzeugerpreisindex abgestellt hat, ist dies unzutreffend. Maßgeblich sind vielmehr die konkreten Kalkulationsgrundlagen der Klägerin. Gegen die von ihr auf der Basis des Nachtragsangebots vom 01.06.2004 (Anlage K13) erstellte Kalkulation der nunmehrigen Preise von 93,06 EUR pro Tonne bzw. 20,95 EUR pro Quadratmeter sind auch seitens der Beklagten keine substantiierten Einwendungen erhoben worden. Es gibt auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die ursprüngliche Kalkulation der Klägerin von vornherein in unrealistischer Weise zu niedrig war und dies nunmehr nachgebessert werden soll.

32

4.

Von dem oben genannten Betrag von 487.735,92 EUR ist die bereits von der Beklagten erbrachte Zahlung von 72.762,82 EUR brutto abzusetzen, was insgesamt einen Betrag von 414.973,10 EUR ergibt.

33

5.

Mehrkosten für die Position Stahl entsprechend dem Nachtrag 6 kann die Klägerin dagegen nicht verlangen. Nach ihrem eigenen Vortrag hat es die entscheidenden Preisanstiege erst im November bzw. Dezember 2003 gegeben. Entgegen der Auffassung der Klägerin war sie auch verpflichtet, unverzüglich nach Erteilung des Zuschlages am 10.11.2003 die notwendigen Aufträge für Stahllieferungen zu erteilen. Dass ein solcher Auftrag zu festen Preisen nicht möglich war, obwohl die Lieferzeit nur wenige Monate später lag, ist von der Klägerin nicht nachvollziehbar dargelegt worden. Ihr Vorbringen ist insoweit widersprüchlich und substanzlos. So ist in der Klagschrift vorgetragen worden, bei genauer Festlegung der Gesamtmengen und der Lieferzeiten sei eine verbindliche Bestellung für das Gesamtobjekt möglich gewesen. Wieso dies im Dezember 2003 keine Geltung mehr haben und eine Gesamtbestellung zu den geltenden Preisen nicht möglich gewesen sein soll, ist auch in den Schriftsätzen vom 24.02.2006 und 05.04.2007 nicht nachvollziehbar erklärt worden. Zwar mag es sein, dass Preiserhöhungen in einem gewissen Umfange nicht zu vermeiden gewesen wären. Insoweit ist aber zu berücksichtigen, dass die Beklagte schon einen Betrag von 57.815,90 EUR netto auf Mehrkosten für Stahl gezahlt hat. Die Differenz zu den streitgegenständlichen 95.124,00 EUR ist nicht mit ausreichender Substanz dargelegt worden, zumal auch in diesem Falle nicht ersichtlich ist, dass Anfang des Jahres 2003 bindende Preise auch für den 2. Bauabschnitt möglich gewesen wären.

34

III.

Die Zinsentscheidung beruht auf den §§ 288, 291 BGB.

35

IV.

Die Nebenentscheidungen folgen im Übrigen aus den §§ 92, 709 ZPO.