Landgericht Hannover
Urt. v. 17.12.2008, Az.: 6 O 212/08

allgemeines Persönlichkeitsrecht; Anordnungsanspruch; Behauptung; einstweilige Verfügung; Erforderlichkeit; Erstbegehungsgefahr; Glaubhaftmachung; Konkretisierung; Meinungsäußerung; Mietzusage; Persönlichkeitsrecht; Persönlichkeitsrechtsverletzung; Presseartikel; Presseveröffentlichung; Rechtsverletzung; städtebaulicher Rahmenvertrag; Tatsachenbehauptung; Unterlassung; Unterlassungsanspruch; Unwahrheit; Verfügungsverfahren; Verkehrskonzept; Verletzung; Wahrheit; Wiederholungsgefahr; Wochenzeitung

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
17.12.2008
Aktenzeichen
6 O 212/08
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 55021
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die mit Beschluss vom 28.7.2008 erlassene einstweilige Verfügung wird, soweit sie sich gegen den Antragsgegner zu 3) richtet, aufgehoben. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird, soweit er sich gegen den Antragsgegner zu 3) richtet, zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin tragen diese zu 66%, die Antragsgegnerin zu 1) zu 17% und der Antragsgegner zu 2) zu 17%. Die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin zu 1) und des Antragsgegners zu 2) tragen diese jeweils selbst. Die außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners zu 3) trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Antragstellerin darf die Vollstreckung durch den Antragsgegner zu 3) durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Antragsgegner zu 3) vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

1

Die Antragstellerin macht im Wege der einstweiligen Verfügung Ansprüche wegen Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts geltend.

2

Die Antragstellerin ist die Deutsche Tochtergesellschaft …  , einem internationalen tätigen Spezialunternehmen für das Planen, Einrichten und Betreiben von Einkaufszentren. Die Antragstellerin beabsichtigt den Bau eines neuen Einkaufszentrums in der Stadtmitte von ... mit dem Projektnamen ... Die Antragstellerin schloss mit der Stadt ... am 13.2.2006 einen städtebaulichen Rahmenvertrag (Bl. 78 d. A.). Gemäß Ziffer 1 der Präambel des städtebaulichen Rahmenvertrages ist der Beschluss des Rats der Stadt vom 14.2.2005 (entsprechend der Beschlussvorlage gemäß Anlage B 4, Bl. 89 d. A.) Grundlage des städtebaulichen Rahmenvertrages, in dessen § 2 zudem ausdrücklich auf den Beschluss des Rates der Stadt ... vom 14.2.2005 Bezug genommen wird. Gemäß Ziffer 1 des Beschlusses vom 14.2.2005 beauftragte der Rat der Stadt ... die Verwaltung, Verhandlungen mit der Klägerin zu führen und u.a. die Punkte

3

-„Festlegung des Branchenmixes mit Nachweis möglichst konkreter Mietzusagen sogenannter Ankermieter,

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- Konkretisierung des städtebaulichen, gestalterischen und Verkehrskonzeptes,

5

- Räumlich-funktionale Verknüpfung mit dem Einzelhandelsstandort

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zu klären (Bl. 98 d. A.). Gemäß Beschlussvorlage Nr. 027/2007 vom 25. Januar 2007 (Anlage AS 12, Bl. 48 d. A.) wurden dem Rat der Stadt ... vier verschiedene planerische Vorschläge zur Änderung der Verkehrsinfrastruktur gemacht. Eine Beschlussfassung hierüber seitens der Stadt ... erfolgte nicht. Mit E-Mail des Bürgermeisters der Stadt ... vom 27. Februar 2007 an verschiedene Empfänger teilte dieser mit, dass er heute die telefonische Information seitens des Expansionsleiters von ... erhalten habe, dass dieses Unternehmen die Prüfung von Standortalternativen für eine Fachmarktansiedlung in abgeschlossen habe. Man interessiere sich für eine geeignete Fläche innerhalb des projektierten Shoppingcenters von am Rathausplatz. Damit wäre eine wichtige Bedingung aus dem Ratsbeschluss des vergangenen Jahres, dass nämlich ... einige der wichtigsten Ankermieter benennt, erstmals erfüllt (Anlage B 6, Bl. 101 d. A.). Ferner teilte der Bürgermeister ... in dieser E-Mail mit, dass nach Mitteilung der Region eine Verkaufsflächenerweiterung des Planetencenters, einem weiteren, bereits existierenden Einkaufszentrum in , dazu führe, dass eine regionalplanerische Zustimmung zu dem ... nicht mehr erteilt werden könne.

7

Am 16. Juli 2008 erschien in der Umschau Wochenzeitung für ... ein Artikel unter der (Bl. 26 d. A.), der von dem Antragsgegner zu 3) verfasst worden war. Das Begehren der Antragstellerin richtet sich dabei gegen folgende Textpassage:

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„Wie der Zufall es will: Einen Tag vorher war das erste Jahr des Vertrages zwischen der Stadt und für das ... abgelaufen und musste verlängert werden, denn wichtige Bedingungen aus dem Vertrag waren nicht erfüllt: Das Verkehrskonzept fehlte, ebenso war noch kein einziger Mieter benannt. Auch die städtebauliche Verbindung zu ... war ungeklärt.“

9

Die Klägerin behauptet, die hierin enthaltenen Behauptungen seien falsch. Die genannten Punkte seien keine Vertragsbedingung für die Verlängerung des Vertrags gewesen. Vielmehr sei die Antragstellerin gemäß § 6 des städtebaulichen Rahmenvertrages berechtigt gewesen, eine Option zur Vertragsverlängerung auszuüben, wenn das Planungsrecht nicht innerhalb des genannten Zeitraums von 12 Monaten geschaffen werden konnte. Die angegriffene Äußerung sei deshalb falsch, weil die Laufzeit des städtebaulichen Rahmenvertrages überhaupt nicht habe verlängert werden müssen, da es sich lediglich um ein Optionsrecht der Antragstellerin gehandelt habe. Die genannten Bedingungen seien für die Ausübung der Verlängerungsoption ohne Bedeutung. Die Antragstellerin behauptet, zu dem Verkehrskonzept, welches vorgelegen habe, habe auch die städtebauliche Anbindung an gehört. Ferner behauptet sie, dass bereits vor dem 14. Februar 2007 dem Bürgermeister ein großer Elektronikkonzern als Ankermieter mitgeteilt worden sei.

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Gemäß Beschluss vom 28.7.2008 hat die Kammer im Wege der einstweiligen Verfügung den Antragsgegner zu 3) zur Unterlassung der Behauptung verpflichtet, „Die Laufzeit des Vertrages zwischen der Stadt und ... für das musste verlängert werden, da wichtige Bedingungen aus dem Vertrag nicht erfüllt waren: Das Verkehrskonzept fehlte, ebenso war noch kein einziger Mieter benannt. Auch die städtebauliche Verbindung zur war ungeklärt.“ Hiergegen richtet sich der Widerspruch des Antragsgegners zu 3).

11

Die Antragstellerin beantragt,

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die einstweilige Verfügung vom 28. Juli 2008 aufrechtzuerhalten und den Widerspruch des Antragsgegners zu 3) zurückzuweisen.

13

Der Antragsgegner zu 3) beantragt,

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die einstweilige Verfügung vom 28.7.2008 aufzuheben.

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Der Antragsgegner zu 3) behauptet, die beanstandeten Äußerungen seien wahr. So seien die streitigen Punkte Voraussetzung des Rahmenvertrags gewesen. Es habe das Verkehrskonzept gefehlt, da sich der Rat der Stadt unstreitig für keine der vier Varianten entschieden hat. Zudem sei eine Sammlung von Ideen oder Planungsvarianten keine Konkretisierung des Verkehrskonzepts im Sinne des Ratsbeschlusses vom 14.2.2005. Es sei auch am 13.2.2007 noch kein Mieter benannt worden. Vielmehr ergebe sich aus der E-Mail des Bürgermeisters vom 27.2.2007, dass dies erst am 27.2.2007 der Fall gewesen sei. Er habe die Aussage des Bürgermeister zutreffend übernommen. Schließlich sei auch die räumlich-funktionale Verknüpfung mit dem Einzelhandelsstandort ... bis zum 13.2.2007 ungeklärt gewesen.

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Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

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Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beschluss vom 19.11.2008 (Bl. 148 d. A.) durch Vernehmung des Zeugen ... . Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 19.11.2008 (Bl. 348 d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Der Widerspruch des Antragsgegners zu 3) ist begründet, so dass die einstweilige Verfügung in dem tenoriertem Umfang aufzuheben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen war.

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Es fehlt an dem für die einstweilige Verfügung erforderlichen Anordnungsanspruch. Die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass ihr der geltend gemachte Unterlassungsanspruch wegen Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus § 823 BGB, Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. § 1004 BGB gegen den Antragsgegner zu 3) zusteht. Denn es fehlt an der für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch erforderlichen Wiederholungsgefahr, da sich diese nicht aus dem beanstandeten Artikel vom 16. Juni 2008 ergibt; für das Vorliegen einer Erstbegehungsgefahr bestehen keine Anhaltspunkte. Es kann offen bleiben, ob im vorliegenden Fall die beanstandeten Äußerungen insgesamt als Meinungsäußerung oder als Tatsachenbehauptungen zu werten sind. Denn selbst wenn man zu Gunsten der Antragstellerin von Tatsachenbehauptungen ausgeht, sind diese nicht falsch, so dass die Antragsstellerin durch diese nicht in ihren Rechten verletzt wird.

20

1. Die Behauptung, dass das Verkehrskonzept fehlte, ist nicht falsch. Nach dem städtebaulichen Rahmenvertrag sollte der Punkt „Konkretisierung des städtebaulichen, gestalterischen und Verkehrskonzeptes“ geklärt werden. Von einer solchen Klärung kann angesichts der vier verschiedenen Vorschläge zum Verkehrskonzept, von denen keines die Zustimmung des Rates der Stadt erhalten hat, nicht gesprochen werden. Der Umstand, dass die Antragstellerin die verschiedenen Verkehrskonzepte erarbeitet hat, ist nicht dahin zu würdigen, dass damit auch schon das Verkehrskonzept geklärt war. Denn dieser Punkt musste nicht nur konkretisiert, sondern auch geklärt werden. Dies erfordert damit eine Einigung hierüber, woran es angesichts der nicht erfolgten Zustimmung des Rates fehlt.

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2. Die Behauptung, es sei noch kein einziger Mieter bis zum 13. Februar 2007 benannt worden, ist ebenfalls nicht falsch. Der Beklagte hat durch Vorlage der E-Mail des Bürgermeisters ... vom 27. Februar 2007 glaubhaft gemacht, dass eine Benennung der sogenannten Ankermieter zu diesem Zeitpunkt noch nicht erfolgt war. Aus dieser ergibt sich nämlich, dass die Bedingung der Benennung eines der wichtigsten Ankermietern erstmals mit der Mitteilung der Firma ... vom 27. Februar 2007 an den Bürgermeister , dass sie sich für eine geeignete Fläche innerhalb des projektierten Shoppingcenters der Antragstellerin interessiere, erfüllt war. Dem steht die Aussage des Zeugen nicht entgegen. Der Zeuge ... hatte keine eigene Wahrnehmung von einer Benennung von Ankermietern gegenüber dem Bürgermeister ... , sondern lediglich Informationen durch Herrn ... . Daher konnte er auch keine sicheren zeitlichen Angaben dazu machen, ob eine Benennung des Ankermieters durch Herrn ... gegenüber Herrn ... schon vor dem 13. Februar 2007 erfolgt ist. Zudem konnte er auch nicht ausschließen, dass die Mitteilung insoweit möglicherweise auch nur dahin ging, dass mit dem Ankermieter verhandelt werde, so dass durch die Aussage des Zeugen ... auch nicht glaubhaft gemacht worden ist, dass ... als fester Mieter benannt wurde, dass also eine konkrete Mietzusage zum Zeitpunkt des von dem Zeugen bekundeten Gesprächs zwischen Herrn und Bürgermeister ... vorlag. Dies wäre aber erforderlich gewesen, da die angegriffene Äußerung von der durch den Bürgermeister ... in seiner e-mail vom 27. Februar 2007 vorgenommenen rechtlichen Bewertung überlagert wird, die auch dem beanstandeten Artikel zugrunde liegt, wonach die Benennung eines Ankermieters erst mit der eindeutigen Bekundung des Interesses von ... am Einzug in das Projekt der Antragstellerin vorlag.

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2. Die Behauptung, die städtebauliche Verbindung zur ... sei ungeklärt gewesen, ist ebenfalls nicht falsch. Soweit die Antragstellerin behauptet, dass die städtebauliche Anbindung an die von dem städtebaulichen Verkehrskonzept enthalten sei, gelten die obigen Ausführungen entsprechend. Da im Ergebnis von einer Klärung eines solchen städtebaulichen Konzeptes nicht gesprochen werden kann, gilt dies auch für den nach dem städtebaulichen Rahmenvertrag zu klärenden Punkt „Räumlichfunktionale Verknüpfung mit dem Einzelhandelsstandort .

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3. Schließlich besteht kein Anspruch auf Unterlassung der in dem Artikel enthaltenen Äußerung, der Vertrag zwischen der Stadt und ... für das habe verlängert werden müssen, da wichtige Bedingungen aus dem Vertrag nicht erfüllt gewesen seien. Diese Behauptung ist nicht falsch. Denn aus dem Rahmenvertrag in Verbindung mit dem Beschluss des Rates der Stadt vom 14.2.2005 ergibt sich unzweifelhaft, dass die oben genannten Punkte Bedingungen des Vertrages waren. Diese waren aus den vorstehenden Gründen nicht erfüllt.

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Der Vortrag der Antragstellerin, sie habe lediglich ein Optionsrecht ausgeübt, ist unerheblich. Denn ersichtlich wird mit dem Artikel nicht behauptet, dass die Antragstellerin rechtlich verpflichtet gewesen wäre, ihr vertragliches Optionsrecht auszuüben, sondern es geht darum, dass der Vertrag insbesondere seitens der Stadt ... verlängert werden musste, um die Realisierbarkeit des Projekts nicht zu gefährden. Dies wird auch deutlich u.a. durch die Zusammenfassung der angegriffenen Passage, die lautet: „Mit anderen Worten: Die Stadt und … mussten Zeit gewinnen. Sonst bestand die Gefahr, dass die Firma einen zulässigen Bauantrag für ein zweigeschossiges ... stellt. Dem musste ein Riegel vorgeschoben werden, denn die Region würde neben einem großen ... kein Center im … genehmigen.“ Insoweit gehen die Angriffe der Antragstellerin an dem Inhalt der angegriffenen Äußerung vorbei.

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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 92, 708 Nr. 6, 711 Abs. 1 ZPO.