Landgericht Hannover
Urt. v. 28.10.2008, Az.: 21 O 104/06
Bibliographie
- Gericht
- LG Hannover
- Datum
- 28.10.2008
- Aktenzeichen
- 21 O 104/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 43767
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHANNO:2008:1028.21O104.06.0A
Fundstelle
- IR 2009, 66
In dem Rechtsstreit
...
hat die 1. Kammer für Handelssachen (Kartellkammer) des Landgerichts Hannover auf die mündliche Verhandlung vom 10.04.2008 durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht ...,
den Handelsrichter ... und die Handelsrichterin ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Es wird festgestellt, dass die Preisanhebung der Beklagten im Rahmen der Gasversorgungsverträge zwischen den Parteien im Sondertarif I nach dem 30.08.2004 mit Ausnahme der Preisanpassung zum 01.01.2007 aufgrund der Mehrwertsteuererhöhung unwirksam sind und zwar
mit Wirkung vom September 2005 betreffend den Kläger zu 1., 39.,
mit Wirkung vom Februar 2006 betreffend den Kläger zu 2.-11., 13.-15., 19.-24., 28.-30., 32.-36., 38., 42.-44., 47.-49.,
mit Wirkung vom April 2006 betreffend den Kläger zu 53., 54., 59.-61.,
mit Wirkung vom Oktober 2004 betreffend den Kläger zu 12., 50.,
mit Wirkung vom August 2005 betreffend den Kläger zu 16., 17., 25., 26., 27., 40., 51.,
mit Wirkung vom Oktober 2005 betreffend den Kläger zu 18., 37.,
mit Wirkung vom September 2004 betreffend den Kläger zu 31., 41., 57., 63.,
mit Wirkung vom Dezember 2005 betreffend den Kläger zu 45.,
mit Wirkung vom März 2005 betreffend den Kläger zu 46.,
mit Wirkung vom Dezember 2004 betreffend den Kläger zu 52., 64.,
mit Wirkung vom November 2005 betreffend den Kläger zu 55.,
mit Wirkung vom November 2006 betreffend den Kläger zu 56., 65., 66.,
mit Wirkung vom Juni 2006 betreffend den Kläger zu 62.,
mit Wirkung vom Februar 2008 betreffend den Kläger zu 67.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Streitwert: bis zu 40 000 €.
Tatbestand
Die Kläger sind Kunden der Beklagten. Sie werden von ihr u.a. mit Gas versorgt. Die Kläger halten Preisanhebungen der Beklagten für unberechtigt.
Die Kläger werden von der Beklagten seit 2004 bzw. 2005 im sogenannten Sondertarif I mit Gas versorgt. Dieser wird von der Beklagten grundsätzlich angewandt, wenn Kunden einen Gasverbrauch von 5 000 kwh bis zu 374 000 kwh pro Jahr haben. Daneben bietet die Beklagte den Allgemeinen Tarif als Basistarif an. Dieser findet grundsätzlich bei Kunden mit einem Jahresverbrauch bis zu 4 999 kwh Anwendung. Über 364 000 kwh Jahres-verbrauch wendet die Beklagte grundsätzlich ihren Sondertarif II an.
Die Kläger zahlten im Sondertarif I bis zum 31.08.2004 einen Arbeitspreis von 3,0 cent pro kwh netto. Die Beklagte erhöhte die Arbeitspreise u.a. am 01.09.2004, 01.08.2005, 01.02.2006, 01.01.2007 (Umstellung MWSt.) und nach zwischenzeitlicher Senkung zum 01.04.2008.
In den Allgemeinen Bestimmungen der Beklagten zu den Sondertarifen I und II wird u.a. ausgeführt, dass diese Sondervereinbarungen nicht unter die Grund- und Ersatzversorgung im Sinne des Energiewirtschaftsgesetzes fallen, die Beklagte die Versorgung Sondertarif von bestimmten Bedingungen abhängig machen könne und ihr zustimmen müsse. In den Regelungen des von der Beklagten angebotenen Basistarifes heißt es u.a., dass dieser für die Grund- und Ersatzversorgung im Versorgungsgebiet der Beklagten gelte, je nach Größe der Kommune beinhalte er eine abzuführende Konzessionsabgabe. Eine inhaltliche Begrenzung des Basistarifes auf die Versorgung von Kunden mit einer Abnahmemenge von bis zu 5 000 kwh findet sich nicht.
Die Kläger halten die von der Beklagten seit dem 01.09.2004 vorgenommenen Preisanhebungen für unwirksam. Der zwischen den Parteien geltende Sondertarif I berechtige die Beklagte nicht zu Preisanhebungen. Ein Preisanpassungsrecht ergebe sich nicht aus der Regelung in § 4 AVB GasV. Zum einen sei die AVB GasV nicht wirksam in die Verträge einbezogen. Jedenfalls sei die Regelung wegen Verstoßes gegen § 307 BGB unwirksam.
Die Kläger beantragen,
- 1.
festzustellen, dass die zwischen den Klägern und der Beklagten jeweils bestehenden Gasversorgungsverträge über den 31.08.2004 hinaus zu einem nicht höheren als zu dem bis dahin von der Beklagten geltend gemachten Arbeitspreis im Sondertarif I bis zur nächsten auf die letzte mündliche Verhandlung folgenden Preisänderung der Beklagten gegenüber den Klägern fortbestehen;
- 2.
hilfsweise
- a)
festzustellen, dass die von der Beklagten seit dem 01.09.2004 bekannt gemachten Gaspreise unbillig sind und die von der Beklagten seither geforderten Gaspreise nicht dem Erfordernis des § 315 Abs. 3 BGB entsprechen;
- b)
festzustellen, dass die Kläger bis zur rechtskräftigen Klagabweisung oder bis zur Bestimmung eines der Billigkeit entsprechenden Gaspreises durch das Gericht nicht verpflichtet sind, die von der Beklagten seit dem 01.09.2004 bekannt gemachten Gaspreiserhöhungen zu zahlen.
- 3.
äußerst hilfsweise
- a)
festzustellen, dass die von der Beklagten seit dem 01.09.2004 bekannt gemachten Gaspreise unbillig sind, die von der Beklagten seither geforderten Gaspreise nicht dem Erfordernis des § 315 Abs. 3 BGB entsprechen und für den Zeitraum seit dem 01.09.2004 bis zur nächsten auf die letzte mündliche Verhandlung folgenden Preisänderung der Beklagten gegenüber den Klägerin einen der Billigkeit entsprechenden Gaspreis zu bestimmen;
- b)
festzustellen, dass die Klägerin bis zur rechtskräftigen Klagabweisung oder bis zur Bestimmung eines der Billigkeit entsprechenden Gaspreises durch das Gericht nicht verpflichtet sind, die von der Beklagten seit dem 01.09.2004 bekannt gemachten Gaspreiserhöhungen zu zahlen.
II. Namens und in Vollmacht des Klägers zu 48. wird beantragt werden,
- 1.
festzustellen, dass der zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehende Gas-versorgungsvertrag über den 31.07.2005 hinaus zu einem nicht höheren als zu dem bis dahin von der Beklagten mit Preisblatt zum 01.09.2004 bekannt gemachten Arbeitspreis im Sondertarif I bis zur nächsten auf die letzte mündliche Verhandlung folgenden Preisänderung der Beklagten gegenüber dem Kläger fortbesteht;
- 2.
hilfsweise
- a)
festzustellen, das die von der Beklagten seit dem 01.08.2005 bekannt gemachten Erhöhungen der Gaspreise unbillig sind und die von der Beklagten seither geforderten Gaspreise nicht dem Erfordernis des § 315 Abs. 3 BGB entsprechen;
- b)
festzustellen, dass der Kläger bis zur rechtskräftigen Klagabweisung oder bis zur Bestimmung eines der Billigkeit entsprechenden Gaspreises durch das Gericht nicht verpflichtet ist, die von der Beklagten seit dem 01.08.2005 bekannt gemachten Gaspreiserhöhungen zu zahlen.
- 3.
äußerst hilfsweise
- a)
festzustellen, dass die von der Beklagten seit dem 01.8.2005 bekannt gemachten Gaspreise unbillig sind, die von der Beklagten seither geforderten Gaspreise nicht dem Erfordernis des § 315 Abs. 3 BGB entsprechen und für den Zeitraum seit dem 01.08.2005 bis zur nächsten auf die letzte mündliche Verhandlung folgenden Preisänderung der Beklagten gegenüber dem Kläger einen der Billigkeit entsprechenden Gaspreis zu bestimmen;
- b)
festzustellen, dass die Kläger bis zur rechtskräftigen Klagabweisung oder bis zur Bestimmung eines der Billigkeit entsprechenden Gaspreises durch das Gericht nicht verpflichtet ist, die von der Beklagten seit dem 01.08.2005 bekannt gemachten Gaspreiserhöhungen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, sie sei zur Preisanpassung entsprechend § 4 AVB GasV bzw. der nachfolgenden Regelung berechtigt. Diese Regelung gelte auch im Bereich ihrer Sonderkunden. Die Kläger seien Normsonderkunden und die vertraglichen Vereinbarungen unterschieden sich nicht von denen betreffend allgemeine Tarifkunden; den Normsonderkunden würden lediglich günstigere Preise eingeräumt. Deshalb seien diese Preise ebenfalls allgemeine Tarifpreise, auf die die AVB GasV Anwendung finden. Ebenfalls sei die AVB GasV nach den von den Klägern unterzeichneten Antragsformularen zur Herstellung eines Hausgasanschlusses bzw. aufgrund der nachfolgenden Vertragsbestätigung, der die Verordnung beigefügt worden sei, Vertragsbestandteil geworden. Diese Regelung in § 4 AVB GasV enthalte ein Preisanpassungsrecht, welches der AGB-rechtlichen Kontrolle standhalte. Tarifkunden und Normsonderkunden seien gleich zu behandeln. Im übrigen stehe der Beklagten aufgrund vorzunehmender ergänzender Vertragsauslegung und der sich aus § 4 AVB GasV geltenden Leitbild-funktion dieser Regelung ein Preisanpassungsrecht zu. Die Preisanpassung sei gerechtfertigt, weil lediglich Bezugskostensteigerungen weitergegeben worden seien.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die protokollierten Erklärungen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klagen sind zulässig und überwiegend begründet.
1.
Die von den Klägern erhobenen negativen Feststellungsklagen sind zulässig. Ein Feststellungsinteresse gem. § 256 ZPO ist jedenfalls insoweit gegeben, als die Kläger ihr Begehren darauf stützen, die Beklagte sei bereits dem Grunde nach aufgrund der zwischen den Parteien geltenden vertraglichen Regelungen nicht berechtigt, Preisanpassungen vorzunehmen. Diese grundsätzliche Klärung begründet das Rechtsschutzinteresse der Kläger.
2.
Die Klagen sind grundsätzlich begründet. Die Beklagte kann ihre Preisanpassungen seit dem 01.09.2004 nicht auf ein Preisanpassungsrecht entsprechend § 4 AVB GasV bzw. der Nachfolgeregelung in § 5 Gas GVV stützen. Diese Regelung ist nicht Bestandteil des zwischen den Parteien geltenden Vertrages und wäre im übrigen bei unterstellter vertraglicher Vereinbarung wegen Verstoßes gegen § 307 BGB unwirksam.
a)
Der Beklagten steht eine Preisanpassungsrecht gem. § 4 AVB GasV nicht zu, weil diese Bestimmung nicht wirksam in die Sonderkundenverträge einbezogen wurde. Die Kläger sind nicht Kunden der Beklagten im Allgemeinen Tarif, sondern werden von der Beklagten aufgrund besonderer vertraglicher Vereinbarung außerhalb dieses Tarifes versorgt. Nach den ausdrücklichen Regelungen, die die Beklagte den Sondervereinbarungen mit den Klägerin zugrunde legt, fällt die Vereinbarung Sondertarif I ausdrücklich nicht unter die Grund- und Ersatzversorgung im Sinne des Energiewirtschaftsgesetzes. Allgemeiner Tarif im Sinne des Energiewirtschaftsgesetzes ist nur der Basistarif. Damit versorgt die Beklagte die Kläger nicht im Bereich ihrer Anschluss- und Versorgungspflicht, sondern zu besonderen Bedingungen bezüglich der Preisgestaltung und insbesondere auch bezüglich der aus der Versorgung resultierenden Konzessionsabgabepflicht gem. § 2 Konzessionsabgabenverordnung. Daher findet die AVB GasV als Regelung für die Versorgung der Tarifkunden im Rahmen der allgemeinen Versorgung keine unmittelbare Anwendung. Vielmehr könnte sie als Allgemeine Geschäftsbedingungen der Sonderkundenverträge dann gelten, wenn sie wirksam in den Vertrag einbezogen worden ist (vgl. BGH Urteil vom 29.04.2008, KZR 2/07, OLG Oldenburg, Urteil vom 05.09.2008, 12 U 49/07 m.w.N., de Wyl u.a., Handbuch zum Energiewirtschaftsrecht, § 10 Rdnr. 301 ff.m.w.N.). Auch wenn es Grenzfälle bei der Beantwortung der Frage, ob ein Kunde als Tarif- oder Sondervertragskunde anzusehen ist, geben mag, unterliegt dies vorliegend jedoch keinen Zweifeln. Die Beklagte führt in ihren Versorgungsbedingungen ausdrücklich aus, dass die Personen, die von ihr im Sonderkundenbereich I versorgt werden, gerade keine Tarifkunden im Sinne der allgemeinen Versorgung sind. Mithin ist die wirksame Einbeziehung der AVB GasV seitens der Kammer zu prüfen.
Zur Einbeziehung der AVG GasV als Allgemeine Geschäftsbedingungen ist erforderlich, dass die Beklagte bei Vertragsschluss unmißverständlich und für den jeweiligen Kunden klar und deutlich erkennbar geäußert hat, dass diese als Allgemeine Geschäftsbedingungen gelten sollen. Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass sie diese gesetzlichen Erfordernisse bei der Aufnahme der vertraglichen Beziehungen zu den Klägern eingehalten hat. Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob die jeweiligen Kläger die Beklagte beauftragt haben, die Gasversorgung aufgrund der Verordnung über die Allgemeinen Bedingungen für Elektrizitäts- und Gasversorgung von Tarifkunden aufzunehmen oder ob den Klägern von der Beklagten der Vertragsschluss noch einmal schriftlich bestätigt ist und die Beklagte darin noch einmal auf die AVB GasV hingewiesen hat. Dem Vortrag der Beklagten ist nicht zu entnehmen, dass die Beklagte vor Vertragsschluss den Klägern die AVB GasV als Allgemeine Geschäftsbedingungen ausgehändigt hat.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es nicht hinreichend, dass gem. § 305 Abs. 2 Nr. 1 BGB sie die AVB GasV in ihren Geschäftsräumen aushängt und vorgehalten hat. Es ist für die Beklagte ohne weiteres möglich, wenn sie Kunden im Sondertarif mit Gas versorgen möchte, den jeweiligen Kunden die Allgemeinen Geschäftsbedingungen zuvor zur Kenntnis zu bringen. Dagegen spricht nicht etwa, dass ein Gaslieferungs-vertrag in Einzelfällen möglicherweise allein durch die Aufnahme der Belieferung mit Gas zustande gekommen sein mag. Es bleibt der Beklagten in diesen Fällen unbenommen, im Falle eines konkludenten Vertragsschlusses, die jeweiligen Kunden zunächst im Basistarif, im Allgemeinen Tarif, zu versorgen und den Kunden sodann den Abschluss des Sondervertrages schriftlich mit sämtlichen Erfordernissen zur Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen anzubieten. Dieses Umsetzen zu können dient gerade, das von der Beklagten in den Allgemeinen Bestimmungen zu den Sonderkundenverträgen vorbehaltene Zustimmungserfordernis. Der Abschluss eines Sonderkundenvertrages durch Realofferte scheidet aus. Fernliegend ist im übrigen der Vortrag der Beklagten, mit der vorherigen Aushändigung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen bedurfte es nicht, weil die Kunden vor Vertragsschluss die Möglichkeit gehabt hätten, sich über die AVB GasV z.B. im Internet zu informieren. Eine derartige Informationspflicht, zumal im Internet, besteht nicht. Vielmehr ist von der Beklagten als Verwenderin der Allgemeinen Geschäftsbedingungen das Einhalten des § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB zu verlangen.
b)
Selbst bei unterstellter wirksamer Einbeziehung der AVB GasV steht der Beklagten kein Preisanpassungsrecht entsprechend § 4 AVB GasV bzw. nach § 5 Gas GVV zu. Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob aus diesen Regelungen überhaupt ein Preisanpassungsrecht des Gasversorgers abgeleitet werden kann (verneinend mit umfangreicher Herleitung und Begründung OLG Oldenburg a.a.O.).
Denn auch, wenn unterstellt wird, dass diese Regelungen grundsätzlich ein Preisanpassungsrecht des Gasversorgers im Tarifkundenbereich begründen, sind sie dennoch nicht geeignet, eine taugliche Preisanpassungsklausel im Rahmen von Sonder-kundenverträgen, für die die allgemeinen gesetzlichen Regelungen Geltung beanspruchen, zu begründen. Der Inhaltskontrolle dieser Regelungen steht nicht entgegen, dass gem. § 310 Abs. 2 Satz 1 BGB die §§ 308 und 309 BGB auf Verträge von Gasversorgungsunternehmen nicht anzuwenden sind, soweit die Versorgungsbedingungen nicht zum Nachteil der Abnehmer von Verordnungen über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden abweichen. Dies ist zwar vorliegend der Fall, weil die Beklagte gegenüber den Sondervertragskunden dieselben Bestimmungen anwenden will, die sie im Tarifkundenbereich anzuwenden hat. Aus einer fehlenden Überprüfbarkeit gem. §§ 308, 309 BGB folgt indes nicht, dass auch eine Inhaltskontrolle nach § 307 BGB ausscheidet. Vielmehr folgt gerade daraus, dass der Gesetzgeber § 307 BGB in der Ausnahmeregelung des § 310 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht aufgeführt hat, dass sie als Preisanpassungsklausel der vollen Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB unterliegen (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 2008, KZR 2/07, OLG Oldenburg a.a.O.m.w.N.). Dieser Inhaltskontrolle steht auch nicht § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB entgegen. Diese Regelung ist nur dann anwendbar, wenn die entsprechende Rechtsvorschrift, die der streitgegenständlichen Klausel entspricht, auf den Vertrag anzuwenden wäre, wenn man diese Klausel hinwegdenkt. Das ist vorliegend indes nicht der Fall. Die AVB GasV und die Gas GVV gelten unmittelbar für Tarifkunden. Hingegen bekommen sie bei Sondervertragskunden nur bei wirksamer vertraglicher Einbeziehung zur Anwendung. Mithin wäre im Sondervertragkundenbereich bei einen Wegdenken der vermeintlich einbezogenen AGB kein Raum für die Anwendung der Verordnungen.
Schließlich folgt aus der Ausnahmeregelung in § 310 Abs. 2 Satz 1 BGB keine mittelbare Beschränkung der Inhaltskontrolle der vermeintlich einbezogenen AVB GasV, denn der Gedanke des Gesetzgebers zur Gleichbehandlung von Tarif- und Sondervertragskunden hat, wie bereits ausgeführt, lediglich zur fehlenden Anwendbarkeit der §§ 308, 309 BGB geführt. Daher ist im Umkehrschluss davon auszugehen, dass bei der vom Gesetzgeber gewollten Anwendung des § 307 BGB keinerlei Einschränkung der Inhaltskontrolle vorzunehmen ist.
Wird § 307 BGB zur inhaltlichen Kontrolle des § 4 AVB GasV angewandt, führt dies zur Unwirksamkeit, weil ein daraus abgeleitetes Preisanpassungsrecht für den Vertragspartner der Beklagten nicht hinreichend transparent ist. Eine Preisanpassungsklausel ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur dann hinreichend transparent und damit zulässig, wenn der Verwender Preisänderungen von Kostenänderungen abhängig macht und die einzelnen Kostenelemente und deren Anteil am Gesamtpreis mittels Kalkulation offenbart wird. Denn der Vertragspartner muss auf ihn zukommende Preissteigerungen einschätzen können (vgl. BGH III ZR 247/06 Urteil vom 15.12.2007, Rdz. 10 ff. mit umfangreichen Nachweisen, so auch OLG Oldenburg a.a.O.m.w.N.). Diesen Anforderungen wird das aus § 4 AVB GasV abgeleitete Preisanpassungsrecht in keiner Weise gerecht. Hier steht die Preisanpassung in billigem Ermessen des Versorgers, ohne dass die geltenden Parameter erkennbar werden.
Dieses allgemeine Preisanpassungsrecht genügt entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht den Anforderungen in der Rechtsprechung bezüglich der Wirksamkeit relativ allgemein gehaltener Zinsanpassungsklauseln (vgl. BGH III ZR 194/84, Urteil vom 06.03.1986 ). In jenem Verfahren wurde die in den AGB vereinbarte Berechtigung zur Zinsanpassung nur aufgrund eines mittels Auslegung zu ermittelnden bestimmten Regelungsgehaltes der Klausel, nämlich der Anpassung der Vertragspreise aufgrund kapitalmarktbedingter Änderungen der Finanzierungskonditionen, für wirksam erachtet. Damit war die Preisanpassung lediglich auf ein Kostenelement des vertraglich vereinbarten Entgeltes/Zinssatzes beschränkt und deshalb bei Veränderungen aller anderen kostenträchtigen Rahmenbedingungen der diese Anpassungsklausel verwendenden Bank nicht möglich. Hingegen kann das Preisanpassungsrecht entsprechend § 4 AVB GasV umfassend bei Veränderungen sämtlicher Kostenbestandteile des Gaspreises durch den Versorger ausgeübt werden.
Entgegen der auf die Rechtsprechung des OLG Celle (13 U 215/07, Urteil vom 17.01.2008) gestützten Auffassung der Beklagten, ein Preisanpassungsrecht stehe ihr aus den §§ 4 AVB GasV bzw. 5 Gas GVV deshalb zu, weil diesen Regelungen in der Rechtsordnung eine Leitbildfunktion zukomme, begründet diese "Leitbildfunktion" kein Recht der Beklagten, die streitgegenständlichen Preisanpassungen vorzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 2008, KRZ 2/07, OLG Oldenburg a.a.O., Landgericht Dortmund, 6 U 241/06, Urteil vom 18.01.2008, OLG Hamm, Urteil vom 16. März 2008, 2 U 114/07 ). Da § 4 AVB GasV als vermeintliches Leitbild keinerlei Kriterien für eine ausgewogene Regelung, welche beiden Vertragsparteien gerecht wird, für Anpassung der Preise aufweist, würde im Ergebnis die Anwendung der § 4 AVB GasV dazu führen, dass bei Sondervertragskunden ohne jede Transparenz von Kostenelementen für den Kunden eine Preisanpassung möglich wäre. Dies würde im Ergebnis dazu führen, die gesetzlichen Vorgaben des § 307 BGB zu konterkarieren und vollständig zu mißachten. Dies Ergebnis würde nicht dem gesetzgeberischen Willen entsprechen, der in § 310 Abs. 2 BGB lediglich eine Überprüfung gem. §§ 308, 309 BGB jedoch nicht die nach § 307 BGB ausgeschlossen hat. Auch im übrigen kann aus der Inbezugnahme von Sonderverträgen in § 115 EnWG nicht abgeleitet werden, dass nach dem Willen des Gesetzgebers die Gas GVV nunmehr ohne weitere Prüfung anhand anderer gesetzliche Vorschriften gleichsam unmittelbar geltendes Recht für Sonderkunden entfalten solle. Vielmehr kann daraus, dass der Gesetzgeber sich nach wie vor nicht zu einer Gleichschaltung von Tarif- und Sonderkunden entschlossen hat, sondern lediglich zeitliche Anpassungen unter Beachtung der gesetzlichen Vorschriften statuiert hat, im Umkehrschluss abgeleitet werden, dass diese Prüfung ungeachtet von Wertungen für tariflich regulierte Rechtsverhältnisse zu erfolgen habe.
Nach Auffassung der Kammer spricht entscheidend gegen die Annahme einer Leitbild-funktion mit der Folge einer lediglich eingeschränkten Beurteilung der Preisanpassungsklausel, dass bei Betrachtung der Rechtsverhältnisse zwischen Gasversorger und Sonderkunden nicht nur und nahezu ausschließlich auf die vermeintlich vergleichbaren Rechtsverhältnisse zwischen Versorger und Tarifkunden abzustellen ist. Vielmehr darf nicht außer Betracht bleiben, dass der Gasversorger sich nach eigenen Darlegungen auf dem übergeordneten Wärmemarkt im Substitutionswettbewerb mit anderen Wärmeenergieträgern befinden will. Ein Mittel, im Wettbewerb Kunden zu gewinnen, ist der Preis des jeweils angebotenen Produktes. Um dieses günstiger als im Tarifkundenbereich anbieten zu können, bedient sich die Beklagte des Sondervertrages, indem sie im Vergleich zu Tarifkunden z.B. deutlich geringere Konzessionsabgaben als festen Kostenbestandteil bei Sondervertragskunden im Vergleich zu Tarifkunden in ihrer Preisgestaltung berücksichtigt. Gerade Sondervertragskunden sind für die Beklagte wirtschaftlich attraktiver, weil sie deutlich mehr Gas abnehmen, als die Kunden, die die Beklagte lediglich im Basistarif bei einer Jahresabnahme bis zu 5 000 kwh versorgen will.
Begibt sich die Beklagte damit nach eigenem Bekunden in einen relevanten Preis-wettbewerb mit Anbietern anderer Wärmeenergieträger, besteht kein Anlass, sie bei ihrer vertraglichen Ausgestaltung rechtlich anders zu behandeln, als ihren Wettbewerber, der beispielsweise Öl oder Holzpellets anbietet. Es steht außer Frage, dass eine längerfristige Bezugsbindung eines Kunden mit einem Anbieter von Heizöl oder Pellets bei der Ausgestaltung einer Preisanpassungsklausel den Regelungen des Transparenzgebotes gem. § 307 BGB unterworfen wäre. Dies hat zur Folge, dass diese Preisanpassung in dem Dauerschuldverhältnis berechtigenden Kostenelemente, die die Kalkulation der jeweiligen Anteile offenzulegen wäre (vgl. BGH a.a.O., Urteil vom 25.12.2007). Es wäre daher wettbewerbsfeindlich, die Beklagte als Gasversorger in einem Bereich, in dem sie den gesetzlich normierten Bereich der Grundversorgung freiwillig verlässt, bei der Ausgestaltung ihrer Vertragsverhältnisse, die sich im Wettbewerb bilden müssen, zu privilegieren. Ein Grund dieser Privilegierung darf nicht darin liegen, dass die Beklagte gleichartige Leistungen in gesetzlich normierten Rechtsverhältnissen anbietet. Vielmehr ist die Beklagte gehalten, wie jeder Vertragspartner eines Dauerschuldverhältnisses, außerhalb des gesetzlich strukturierten Preis der Grundversorgung ihr Preisanpassungsrecht transparent zu gestalten und bei Vertragsabschluss die einzelnen Kostenelemente, die jeweiligen Anteile bei der Kalkulation des Gesamtpreises offenzulegen. Dies ist der Beklagten, wie jedem anderen Wirtschaftsunternehmen, zumutbar und stellt sie vor keinerlei unlösbare Schwierigkeiten. Die Beklagte hat selbstverständlich ihre Preise unter Einbeziehung aller Kostenfaktoren kalkuliert und diese fortlaufend auf Wirtschaftlichkeit überprüft. Sollte die Beklagte feststellen müssen, dass ihre Preisanpassungsklausel für sie zu unwirtschaftlichen Ergebnissen führt, ist es ihr unbenommen, vertragliche Gestaltungen zu wählen, die es ihr ermöglichen, sich von ihrer unwirtschaftlichen vertraglichen Bindung zu lösen.
Der weitere Vortrag der Beklagten, sie wisse als Gasversorger häufig gar nicht, zu welchen Kunden sie in einer Vertragsbeziehung, die teilweise nur konkludent begründet werde, stehe, weil Nutzer wechseln und neue Nutzer nicht immer bekannt seien, rechtfertigt keine andere rechtliche Beurteilung. Kommt ein Vertrag zwischen dem Gasversorger und dem Nutzer konkludent durch Realofferte zustande, kann dies im Rahmen der Grundversorgung eine vertragliche Ausgestaltung finden. Jedoch immer dann, wenn ein Nutzer als Sonderkunde vertraglich gebunden werden kann oder soll, geschieht dies ohne jeglichen Zwang durch tatsächliche Verhältnisse, sondern durch Willensentscheidung seitens der Beklagten als Gasversorger. Die Beklagte hat bei der Begründung von Sonderkundenverhältnissen die Möglichkeit, Zeitraum und Inhalt des Sonderkundenvertrages mit jedem Nutzer ausdrücklich zu vereinbaren und Vertragsverhältnisse zu gestalten.
c)
Der Beklagten steht kein Anspruch auf Preisanpassung im Wege ergänzender Vertragsauslegung zu.
So ist grundsätzlich bei Unwirksamkeit einer Regelung in den allgemeinen schriftlichen Bedingungen eine ergänzende Vertragsauslegung denkbar, um eine durch die Unwirksamkeit herbeigeführte, den Interessen der Vertragspartner nicht gerecht erscheinende Wirkung zu beheben und eine erkennbare vertragliche Lücke zu schließen. Indes bedarf es vorliegend ungeachtet des Umstandes, dass eine ergänzende Vertragsauslegung daran scheitert, dass verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten zur Ersetzung der vertraglichen Regelungslücke in Betracht kommen können, deshalb keine ergänzende Auslegung, weil es der Beklagten ohne weiteres zumutbar ist, sich für die Zukunft von den Sonderkundenverträgen mit den Klägern zu lösen und wirksame Vereinbarungen zu treffen (vgl. BGH Urteil vom 29. April 2008 KZR 2/07, OLG Oldenburg a.a.O.).
3.
Seht damit fest, dass die Preiserhöhungen der Beklagten jedenfalls wie streitgegenständlich seit dem 01.09.2004 unwirksam sind, können die Kläger diese Unwirksamkeit gegenüber der Beklagten jedoch erst ab dem Zeitpunkt geltend machen, in dem sie der Preisbestimmung der Beklagten widersprochen haben. Bis zu diesem Zeitpunkt kann die Beklagte von den Klägern, die zu diesem Zeitpunkt laut ihren Preisblättern vorgelegten "Tarifpreise" bezahlt verlangen. Einem etwaigen Rückforderungsbegehren der Kläger für vor dem Widerspruch/Vorbehalt liegende Zeiträume ist verwirkt. Mit dem BGH (vgl. VIII ZR 36/06, Urteil vom 13.06.2007 ) geht die Kammer davon aus, dass die langjährige widerspruchslose Hinnahme von Preiserhöhungen und deren Zahlung zur Verwirkung des Anspruchs des Kunden auf Berücksichtigung ggf. unbilliger bzw. - wie vorliegend - dem Grunde nach unberechtigter Preiserhöhungen seitens des Gasversorgers führen kann. Verwirkung ist aufgrund der Besonderheiten der vertraglichen Beziehungen nach den allgemeinen Grundsätzen von Treu und Glauben zu bejahen, wenn die Kläger über längere Zeit ihr Recht nicht geltend gemacht haben und besondere Umstände vorliegen, aufgrund derer sich die Beklagte darauf einrichten durfte, die Kläger würden ihre nunmehr geltend gemachten Ansprüche nicht verfolgen. Vorliegend durfte sich die Beklagte bis zum Widerspruch gegenüber ihren Preiserhöhungen darauf einrichten, die jeweiligen Kläger würden entsprechend jahrelanger Übung die von ihr in entsprechender Anwendung des § 4 AVB GasV angepassten Preise akzeptieren und widerspruchsfrei zahlen. Zu beachten ist in diesem Fall zudem, dass bei Einräumung eines Rückforderungsrechts aufgrund unwirksamer Preisbestimmungen für den gesamten nicht verjährten Zeitraum denkbarer Weise erhebliche Rückforderungsansprüche auf die Beklagte zukommen, die ersichtlich die Vielzahl ihrer Kunden in den Sondertarifen I und II versorgt hat. Auf dieses Rückforderungsbegehren konnte und musste sich die Beklagte mangels Widersprüchen seitens ihrer Kunden nicht einrichten; ein umfassendes Rückforderungsverlangen aller Kunden, welche durchaus im Raume stehen dürfte, könnte nunmehr zu erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen bei der Beklagten führen, während der jeweilige einzelne Kunde lediglich vergleichsweise geringe Beträge zurückverlangen könnte. Bei Aufsummieren der einzelnen kleinen Einzelkundenbeträge wäre grundsätzlich zu besorgen, dass mangels Rückstellungen schnell die Liquidität und der Bestand der Beklagten und damit im Ergebnis auch die Versorgungssicherheit der Kläger in ihrem Gebiet gefährdet sein kann. Im Ergebnis ist daher jedem einzelnen Kunden, der für sich genommen keine wirtschaftliche Gefährdung der nicht individuell vorgewarnten Beklagten herbeizuführen mag, dennoch die Folge der Gleichbehandlung aller Einzelkunden der Beklagten und der sich darauf ggf. absehbaren Gefährdung mit der Folge der Einredung der Verwirkung entgegenzuhalten, soweit er die Beklagte nicht veranlasst hat, das aus seiner Vertragsbeziehung individuell abzuleitende Risiko zu bewerten und bei der Unternehmensführung zu berücksichtigen. Dieser Bewertung steht nicht entgegen, dass sich die Beklagte in Pressemitteilungen geäußert hat, sie werde alle Kunden im Falle der Unwirksamkeit von vertraglichen Vereinbarungen gleich behandeln. Diese Erklärungen haben keine rechtliche Kausalität für die einzelnen vertraglichen Beziehungen. Verwirkung ist ein von Amts wegen zu prüfender Einwand.
Abweichendes ergibt sich auch nicht daraus, dass einzelne Kläger Preiserhöhungen z.B. um 2 % anerkannt hätten und dementsprechend den Gasverbrauch bezahlt hätten. Auch diese Kläger haben die einseitigen Preiserhöhungen der Beklagten nicht teilweise anerkannt. Die Zahlungen sind lediglich unter Vorbehalt erfolgt, ggf. zur Vermeidung von Kündigungen oder anderen Nachteilen veranlasst von der Beklagten.
Dementsprechend unter Zugrundelegung der feststellbaren Widerspruchseinlegungen seitens der einzelnen Kläger ist die Feststellung der Unwirksamkeit der jeweiligen Preiserhöhungen ab diesem Zeitpunkt auszusprechen; soweit ein Widerspruchsschreiben der Kläger nicht feststellbar war, tritt die Wirkung der Unwirksamkeit der Preiserhöhungen mit dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit ein.
Auszunehmen von der Unwirksamkeit der Preiserhöhungen war die schlichte Weitergabe der MWSt -Erhöhung zum 1.1.2007, weil die auf den wirtschaftlich kalkulierten Nettopreis aufzuschlagende MWSt für die Beklagte lediglich ein durchlaufender Posten ist.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach § 709 ZPO.