Landgericht Hannover
Urt. v. 26.02.2008, Az.: 2 O 265/07
Bibliographie
- Gericht
- LG Hannover
- Datum
- 26.02.2008
- Aktenzeichen
- 2 O 265/07
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 55162
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHANNO:2008:0226.2O265.07.00
In dem Rechtsstreit
xxx, xxx, xxx,
Kläger
- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte xxx, xxx, xxx, Gerichtsfach Nr. xxx,
Geschäftszeichen: xxx -
gegen
xxx, xxx, xxx, xxx,
Beklagte
- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte xxx, xxx, xxx,
Geschäftszeichen: xxx
hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Hannover auf die mündliche Verhandlung vom 19. Februar 2008 durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht xxx, die Richterin xxx und den Richter am Landgericht xxx
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Leistung aus einer Unfallzusatzversicherung in Anspruch.
Der am 16. Januar 2007 verstorbene Bruder des Klägers (Versicherter) unterhielt bei der Beklagten seit dem 1. Juli 2002 eine Kapitallebensversicherung mit einer eingeschlossenen Unfallzusatzversicherung. Diesem Zusatzversicherung liegen die Bedingungen für die Unfall-Zusatzversicherung zugrunde (B-UZV, Bl. 41f d. A. - Anlage B1). Nicht unter den Versicherungsschutz fallen gemäß § 3 (2) d) B-UZV
"Unfälle der versicherten Person
bei der Benutzung von Luftfahrzeugen (Fluggeräte) ohne Motor, Motorseglern, Ultraleichtflugzeugen und Raumfahrzeugen sowie beim Fallschirmspringen;
als Luftfahrzeugführer oder als sonstiges Besatzungsmitglied eines Luftfahrzeuges; bei einer mit Hilfe eines Luftfahrzeuges auszuübenden beruflichen Tätigkeit."
Für den Fall des Todes des Versicherten durch einen Unfall war eine Versicherungssumme von 10.000 € vereinbart, für die der Kläger bezugsberechtigt ist (Bl. 10 f d. A. - Anlage K 3). Der Versicherte kam bei einem Absturz eines Tragschraubers der Marke HTC MT-03 ums Leben. Tragschrauber sind (meistens) zweisitzige Drehflügler, deren Propeller zwecks Vortriebs motorangetrieben sind, während der Rotor durch den Fahrtwind angetrieben wird. Der Versicherte, der als Polizeibeamter bei der Hubschrauberstaffel Hannover tätig war, befand sich während des Fluges auf dem hinter dem Pilotensitz befindlichen Sitz, von dem aus der Tragschrauber ebenfalls geflogen werden konnte. Die Parteien streiten um die Frage, ob es sich bei dem Tragschrauber um ein Fluggerät im Sinne der Ausschlussklausel des § 3 (2) d) der B-UZV handelt, die inhaltlich § 2 (4) a AUB 94 entspricht.
Der Kläger meint, ein Tragschrauber sei weder ein Luftfahrzeug ohne Motor noch ein Ultraleichtflugzeug, so dass die Tatbestandsvoraussetzungen der Ausschlussklausel nicht erfüllt seien.
Er beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 10.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 14. März 2007 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat schriftsätzlich die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts gerügt und meint, dass die Ausschlussklausel eingreife. Tragschrauber seien Luftfahrzeuge und Ultraleichtflugzeuge im Sinne der Ausschlussklausel. Im übrigen behauptet die Beklagte, dass der Versicherte als sonstiges Besatzungsmitglied zumindest als Copilot fungiert habe und dieser Flug im Rahmen einer ausgeübten beruflichen Tätigkeit erfolgt sei.
Die Akten der Staatsanwaltschaft Hannover NZS 2323 Js 4331/07 haben vorgelegen und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
I. Das Landgericht Hannover ist insbesondere örtlich zuständig, denn die Beklagte unterhält in Hannover ein Regionaldirektion, bei der nach dem äußeren Anschein eine selbständige Niederlassung im Sinne von § 21 ZPO gegeben ist (vgl. OLG Naumburg OLGR 2002, 105). Im übrigen hat die Beklagte rügelos gemäß § 39 ZPO verhandelt.
II. Dem Kläger steht der geltend Anspruch auf die vereinbarte Versicherungsleistung in Höhe von 10.000 € gemäß den §§ 1, 159 VVG a. F., 1 (1) B-UZV nicht zu.
1. Außer Streit steht zwischen den Parteien, dass der Versicherungsfall eingetreten ist, weil der Versicherte an den Folgen eines Unfalls verstorben ist und dies innerhalb der zeitlichen Grenzen des § 1 (1) b) B-UZV erfolgte. Der Kläger ist ferner unstreitig Bezugsberechtiger, dem ein eigener vertraglicher Anspruch auf die Versicherungsleistung zusteht (vgl. BGH VersR 1986, 804 [BGH 25.06.1986 - IVa ZR 219/84]).
2. Der Versicherungsschutz ist jedoch gemäß § 3 (2) d B-UZV ausgeschlossen.
a. Zu Unrecht beruft sich die Beklagte allerdings zunächst darauf, dass für den Unfall schon deshalb kein Versicherungsschutz bestehe, weil es sich bei dem Tragschrauber um ein nicht motorisiertes Luftfahrzeug handele. Zweifelsohne handelt es sich bei einem Tragschrauber zwar um ein Luftfahrzeug, denn nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch und der allgemeinen Verkehrsanschauung gehören zu den "Luftfahrzeugen" jedenfalls alle Gegenstände (Flugvorrichtungen), die (als Ganzes) für die Benutzung des Luftraums bestimmt sind und die der Eigenschaften der Luft bedürfen, um sich in ihr zu halten; darauf, ob die Flugvorrichtung leichter oder schwerer als Luft ist, lenkbar, motorgetrieben, gefesselt oder frei beweglich, sowie darauf, ob sie zu Lande oder zu Wasser startet oder landet, der sportlichen Betätigung oder der zielgerichteten Beförderung dient, kommt es nicht an (BGH VersR 1988, 714). Das ist bei einem Tragschrauber der Fall, denn ein Tragschrauber ist ein für die Benutzung des Luftraums konzipiertes Fluggerät, das unter Ausnutzung der Eigenschaften der Luft - der Rotor bzw. die Rotorenblätter werden durch den Fahrtwind in Bewegung gesetzt - in der Lage ist, sich im Luftraum fortzubewegen. Indes setzt die Ausschlussklausel nach ihrem klaren und eindeutigen Wortlaut voraus, dass das Luftfahrzeug nicht motorangetrieben ist ("ohne Motor"). Diese Voraussetzung liegt jedoch gerade nicht vor, denn unstreitig ist der von dem Versicherten zum Unfallzeitpunkt benutzte Tragschrauber beim Vortrieb motorangetrieben.
b. Bei dem Tragschrauber handelt es sich jedoch um ein Ultraleichtflugzeug im Sinne der Ausschlussklausel. Für die Auslegung von in Allgemeinen oder Besonderen Versicherungsbedingungen verwendeten Ausdrücken ist grundsätzlich nicht deren juristisch-technischer Sinn maßgebend, vielmehr hat sich die Auslegung am Maßstab eines "verständigen Dritten" entsprechend dem allgemeinen Sprachgebrauch des täglichen Lebens auszurichten. Entscheidend ist dabei die Verständnismöglichkeit eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezial-kenntnisse, der die Versicherungsbedingungen aufmerksam liest und verständig - unter Abwägung der Interessen der beteiligten Kreise und unter Berücksichtigung des Sinnzusammenhangs - würdigt (BGH VersR a.a.O.; VersR 1991, 417; OLG Koblenz VersR 1998, 1146). Aus diesem Grunde kann für die Auslegung allein auf den Wortlaut der vereinbarten Klausel, nicht hingegen auf die abweichenden Fassungen der B-UZV aus dem Jahre 1983 und 2006 abgestellt werden. Den Begriff eines "Ultraleichtflugzeuges" wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer nicht anders verstehen, als er in dem allgemeinen Sprachgebrauch verstanden wird, der in allgemein zugänglichen Nachschlagewerken seinen Niederschlag gefunden hat (OLG Koblenz a.a.O.). Danach handelt es sich bei Ultraleichtflugzeugen um "kleine, sehr leichte Flugzeuge für max. 2 Personen" (Wikipedia), um ein "meist sehr einfach konstruiertes, extrem leichtes, ein- oder zweisitziges, von einem kleinen Motor angetriebenen Luftfahrzeug" (Duden - Deutsches Universalwörterbuch, 6. A. 2007), bzw. um ein "ein- oder zweisitziges Luftfahrzeug, das durch Gewichtsverlagerung des Piloten und/oder mittels Steuerruders gesteuert wird" (Meyers Lexikon online 2.0). Diese Merkmale weist der zum Unfallzeitpunkt benutzte Tragschrauber auf, er war zweisitzig, wog nur ca. 240 kg und wurde für den Vortrieb durch einen Motor angetrieben. Es handelt sich auch - wie oben ausgeführt - um ein Luftfahrzeug. Die von der Kammer vorgenommene Auslegung dahin, dass es sich bei einem Tragschrauber um ein Ultraleichtflugzeug im Sinne der Ausschlussklausel handelt, wird letztlich bestätigt durch die Angaben auf der Homepage des Deutschen Ultraleichtflugverbandes e. V., die im Internet ebenfalls allgemein zugänglich ist. Danach sind Tragschrauber "die jüngsten Sprösslinge der UL-Familie" und werden "Trikes, Dreiachser, fußstartfähige UL, Motorschirme, Motorschirm-Trikes und Tragschrauber" als Ultraleichtflugzeuge bezeichnet.
Für eine einschränkende Auslegung dahin, dass in den B-UZV mit dem Begriff "Ultraleichtflugzeuge" nur solche Fluggeräte umschrieben werden, deren Flugeigenschaften durch das Vorhandensein von Tragflächen gewährleistet wird, ergeben sich aus den B-UZV keinerlei Anhaltspunkte. Es kommt in den B-UZV auch nicht ansatzweise zum Ausdruck, dass die Beklagte bei Abfassung ihrer Bedingungen eine derartige einschränkende Vorstellung gehabt hat.
c. Bei dieser Sachlage kann dahin stehen, ob der Versicherungsschutz auch deswegen entfällt, weil der Versicherte sonstiges Besatzungsmitglied war oder mit Hilfe des Tragschraubers berufliche Tätigkeiten ausübte. Gleiches gilt für die Frage nach der Leistungsfreiheit der Beklagten gemäß § 5 (3) B-UZV.
Die prozessualen Nebenentscheidungen haben ihre Rechtsgrundlage in den §§ 91 Abs. 1, 709 S. 1 u. 2 ZPO.