Landgericht Hannover
Urt. v. 17.09.2008, Az.: 10 O 63/07

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
17.09.2008
Aktenzeichen
10 O 63/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 43755
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHANNO:2008:0917.10O63.07.0A

Fundstelle

  • IBR 2009, 47 (Volltext mit red. LS u. Anm.)

Amtlicher Leitsatz

Gibt ein Bieter die Leistungen, die er an Nachunternehmer vergeben will, nur pauschal ohne Bezug zum Leistungsverzeichnis an ("Montage- und Demontage"), so ist sein Angebot zwingend auszuschließen.

In dem Rechtsstreit

...

hat die ... Zivilkammer des Landgerichts Hannover auf die mündliche Verhandlung vom 06.08.2008 durch die Richterin am Landgericht ...

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Die Klage wird abgewiesen.

  2. Die Kosten des Rechtsstreits und der Streithilfe trägt die Klägerin.

  3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche wegen der Nichtberücksichtigung in einem Vergabeverfahren geltend.

2

Die Beklagte schrieb die Erbringung von Metallbauarbeiten an ... öffentlich aus. Wegen der Einzelheiten der Ausschreibung, die von ... für die Beklagte erstellt wurde, wird auf die in Kopie vorliegenden Ausschreibungsunterlagen (Anlage K 1, Anlagenband) Bezug genommen. Auf Aufforderung der Klägerin wurden ihr die Ausschreibungsunterlagen mit Schreiben vom 21.11.2006 übersandt. Frist zur Abgabe eines Angebots war der  01.12.2006, 12.00 Uhr. Neben einem Angebot der Klägerin ging auch ein Angebot ... rechtzeitig ein. Das Angebot der Klägerin war preisgünstiger. Wegen der Einzelheiten wird auf das in Kopie vorliegende Angebot (Anlage K 2, Anlagenband) verwiesen.

3

Da die Beklagte die vorgesehene Zuschlagserteilung am 20.12.2006 nicht einhalten konnte, bat sie die Bewerber um Bindefristverlängerung bis zum 04.01.2007, mit der diese sich einverstanden erklärten (s. Anlage K 3).

4

Am 03.01.2007 fand ein Gespräch zwischen dem Geschäftsführer der Klägerin und Mitarbeitern der Beklagten statt, in dem es um die Nachunternehmererklärung im Angebot der Klägerin ging. Am selben Tagum ca. 18.30 Uhr übersandte die Klägerin per Fax eine von ihr und dem Nachunternehmer ... unterzeichnete Tariftreueerklärung Formular "EVM Erg Ang Tarif NU" - sowie eine Referenzliste des Nachunternehmers (Anlage K 4).

5

Am 04.01.2007 erteilte die Beklagte ... den Zuschlag. Die Klägerin erhob hiergegen mit Schreiben vom 05.01.2007 "Ein-/Widerspruch" (Anlage K 6), den die Beklagte - mit mehrfach wechselnden Begründungen - zurückwies. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schreiben der Beklagten vom 05.01.2007 (Anlage K 7), 16.02.2007 (Anlage K 11) und 19.02.2007 (Anlage K 12) verwiesen.

6

Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin Schadensersatzansprüche in Höhe von insgesamt 25 909,54 € sowie vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten geltend. Die Schadensersatzpositionen beziffert sie wie folgt:

  1. 1.

    entgangener Gewinn: 4 531,73 €

  2. 2.

    entgangene Gemeinkostendeckung: 10 652,50 €

  3. 3.

    entgangene Technikauslastung 4 371,88 €

  4. 4.

    entgangene Fertigungsauslastung 6 353,44 €.

7

Die Klägerin vertritt die Ansicht, dass ihr Angebot den Anforderungen genügt habe und daher als das preiswerteste von der Beklagten habe berücksichtigt werden müssen.

8

Sie beantragt,

  1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 25 909,54 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit sowie vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1 151,33 € zu zahlen.

9

Die Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

10

Sie ist der Auffassung, dass das Angebot der Klägerin unvollständig und damit zwingend auszuschließen sei. Denn zum einen sei ein Nachunternehmer im Angebot nicht namentlich benannt. Zum anderen seien auch die vom Nachunternehmer auszuführenden Arbeiten nicht nach Art und Umfang aufgeführt. Zudem weiche das Angebot inhaltlich von der Leistungsbeschreibung ab. Auch habe die Klägerin die im Gespräch vom 03.01.2007 nachgeforderten Informationen nicht fristgerecht - nämlich erst abends statt mittags - eingereicht. Außerdem hätten berechtigte Zweifel an der Eignung der Klägerin bestanden.

11

Die Klägerin tritt dem Vorbringen der Beklagten im Einzelnen entgegen.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

13

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

14

Der Klägerin steht kein Anspruch auf Schadensersatz zu, weil das von der Klägerin vorgelegte Angebot im Hinblick auf Art und Umfang der durch den Nachunternehmer auszuführenden Leistungen nicht hinreichend bestimmt war und daher gemäß § 21 Nr. 1 Abs. 2 Satz 5 i.V.m. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) VOB/A zwingend auszuschließen war.

15

Gemäß § 10 Nr. 5 Abs. 3 VOB/A kann der Auftraggeber die Bieter auffordern, in ihrem Angebot die Leistungen anzugeben, die sie an Nachunternehmer zu vergeben beabsichtigen. Hiervon hat die Beklagte in ihrer Ausschreibung Gebrauch gemacht, indem sie unter Ziffer 7 ihrer Bewerbungsbedingungen EVM (B) BwB/E - folgende Regelung zum Nachunternehmereinsatz getroffen hat:

"Beabsichtigt der Bieter Teile der Leistung von Nachunternehmern ausführen zu lassen, muss er in seinem Angebot Art und Umfang der durch Nachunternehmer auszuführenden Leistungen angeben und auf Verlangen die vorgesehenen Nachunternehmer benennen."

16

Unabhängig von der Frage, ob die Klägerin bereits in ihrem Angebot die Nachunternehmer namentlich hätte benennen müssen, hat sie jedenfalls die von einem Nachunternehmer auszuführenden Leistungen nicht hinreichend nach Art und Umfang angegeben. Art und Umfang eines beabsichtigten Nachunternehmereinsatzes sind grundsätzlich kalkulationserhebliche Erklärungen, die sich auf die Wettbewerbsstellung auswirken. Zum einen ist es für den Bieter selbst bei der Angebotskalkulation von erheblicher Bedeutung, welche Leistungen im eigenen Betrieb ausgeführt und welche auf den Nachunternehmer übertragen werden. Zum anderen ist aber auch der Auftraggeber nur unter Berücksichtigung dieser Angaben in der Lage, die Eignung eines Angebots - u.a. auch im Hinblick auf die grundsätzliche Verpflichtung des Unternehmers zur Selbstausführung der Bauleistung nach § 8 Nr. 2 VOB/A - zu prüfen. Eine solche Prüfung ist ihm aber nur dann möglich, wenn sich bereits dem Angebot entnehmen lässt, welche Leistungen bestimmter Art und bestimmten Umfangs an Nachunternehmer vergeben werden sollen. Zur Beurteilung der Frage, ob die notwendigen Bestimmtheitserfordernisse eingehalten sind, ist eine Gesamtschau des Angebots vorzunehmen und auf die objektive Sicht eines verständigen Empfängers abzustellen (vgl. hierzu Thüringer Oberlandesgericht, Vergabesenat, Beschluss vom 05.12.2001, 6 Verg 4/01, Rn. 29 - zitiert nach juris; Oberlandesgericht Dresden, Vergabesenat, Beschluss vom 11.04.2006,).

17

Die von der Klägerin in das Formular EFB-NU 317b eingetragener Angaben Montagearbeiten" bzw. Demontagearbeiten" sind nicht ausreichend, denn aus ihnen konnte - auch im Rahmen einer Gesamtschau des Angebots - nicht klar und bestimmt genug entnommen werden, welche Arbeiten die Klägerin selbst und welche der Nachunternehmer ausführen sollte Dies wäre nur möglich gewesen, wenn ein ausreichender Bezug zum Leistungsverzeichnis hergestellt werden könnte, was vorliegend jedoch nicht der Fall ist: Aus dem Leistungsverzeichnis ergibt sich, dass in vielen Einzeltiteln u.a. Montagearbeiten auszuführen waren (siehe z.B. Ziffer 31.1.10, Titel Metallbauarbeiten, Untertitel Stahlkonstruktion, Bl. 101 des Anlagenbandes: "Herstellen, liefern und montieren einer Stahl-Unterkonstruktion ..."): Um einen konkreten Bezug der Nachunternehmerleistungen zum Leistungsverzeichnis herstellen zu können, hätte es des Verweises auf einzelne Titel bzw. Untertitel oder Ziffern des Leistungsverzeichnisses oder aber einer gesonderten Erklärung über den genauen Umfang der Arbeiten bedurft. Die Klägerin kann auch nicht damit gehört werden, dass alle Positionen des Leistungsverzeichnisses Demontage- und Montageleistungen beinhalten und es daher einer genauen Bezeichnung der Position nicht bedurfte. Denn entgegen ihrer Behauptung enthalten z.B. die Positionen Abdichtung (32.1.40), Fugenversiegelung (32.4.10) und Stundenarbeiten (32.4.20 u.a.) ersichtlich weder Montage- noch Demontagearbeiten. Hinzu kommt, dass im Leistungsverzeichnis auch der Begriff "Einbau" verwendet wird. Zwar ist der Klägerin zuzugeben, dass der Begriff "Einbau" im Allgemeinen mit dem französischen Begriff "Montage" gleichgesetzt werden kann. Das Leistungsverzeichnis unterscheidet aber durchaus in der Bedeutung, indem der Begriff Montage dort teilweise auch die Lieferung und den Einbau (s.z.B. 32.3.80) zusammen fasst. Auch insoweit hätte es daher einer näheren Beschreibung der vom Nachunternehmer auszuführenden Arbeiten bedurft. Entgegen der Ansicht der Klägerin enthält im Übrigen auch ihre Kalkulation keine weitere Aufschlüsselung, die zum Verständnis hätte beitragen können. Denn dort sind lediglich die Titel des Leistungsverzeichnisses noch einmal benannt. Die pauschale Bezeichnung der Nachunternehmerleistungen als "Montage- bzw. Demontagearbeiten" war daher insgesamt nicht geeignet, den o.g. Bestimmtheitserfordernissen Genüge zu tun.

18

Da das Angebot der Klägerin nach alledem wegen Fehlens geforderter wettbewerbsrechtlicher Erklärungen zu einer Wertung nicht geeignet war, musste es nach § 21 Nr. 1 Abs. 2 Satz 5 i.V.m. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) VOB/A zwingend ausgeschlossen werden. Hieran ändert sich auch durch das Gespräch vom 03.01.2007 nichts. Denn die Beklagte hätte - wegen des zwingenden Ausschlusses des Angebots der Klägerin - keine Nachverhandlungen über die Art und den Umfang des Nachunternehmereinsatzes führen dürfen (vgl. Thüringer Oberlandesgericht, a.a.O., Rn. 31). Auf die Frage, ob die Klägerin die von der Beklagten im Gespräch vom 03.01.2007 nachgeforderten Unterlagen fristgerecht vorlegte, kommt es daher nicht mehr an.

19

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 101 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Sätze 1 und 2 ZPO.