Landgericht Hannover
Urt. v. 27.10.2008, Az.: 21 O 76/07
Bibliographie
- Gericht
- LG Hannover
- Datum
- 27.10.2008
- Aktenzeichen
- 21 O 76/07
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 43763
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHANNO:2008:1027.21O76.07.0A
In dem Rechtsstreit
hat die 1. Kammer für Handelssachen (Kartellkammer) des Landgerichts Hannover auf die mündliche Verhandlung vom 25.09.2008 durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht ...
die Handelsrichterin ...
und den Handelsrichter ...
für Recht erkannt: ...
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages.
Streitwert: 250 000 €.
Tatbestand
Die Klägerin ist gewerbliche Spielevermittlerin. Sie verlangt den Abschluss einer Vereinbarung zur Abwicklung von Spielaufträgen Dritter.
Die Klägerin ist seit Jahren in der Bundesrepublik Deutschland tätig und vermittelt u.a. im Lotto Spieleinsätze von ihr akquirierter Lottospielteilnehmer an Landeslottogesellschaften. Zur Zeit leitet sie die Spielteilnahmen u.a. an die Lottogesellschaften der Länder B.... bzw.S.... welter.
Die Klägerin hat die gem. §§ 3, 4, 7 des Gesetzes über die Neuordnung des Glücksspielrechtes in Niedersachsen (Nds. GspG), welches zum 01.01.2008 in Kraft getreten ist, erforderliche Erlaubnis zur Tätigkeit als gewerbliche Spielevermittlerin beantragt, sie aber noch nicht erhalten.
Mit ihrer im Oktober 2007 erhobenen Klage trägt die Klägerin vor, sie habe als gewerbliche Spielevermittlerin einen aus §§ 19 Abs. 4, 20 GWB abzuleitenden Anspruch gegen die Beklagte, dass diese ihr gestatte, von ihr, der Klägerin, generierte Spielumsätze auf elektronischem Wege anzunehmen und die Spielumsätze zuzulassen. Gleiches werde anderen gewerblichen Spielevermittlern gestattet. Dies gelte unabhängig davon, in welcher Form die Klägerin die Spielumsätze mit den jeweiligen Spielteilnehmern akquiriere. Die Beklagte habe eine durch Gesetz geregelte Monopolstellung für die Veranstaltung von Lotto in Niedersachsen. Daher sei die Klägerin darauf angewiesen, die zu vermittelnden Spielumsätze in das System der Beklagten einzuspeisen, um die Spielteilnahme zu ermöglichen. Die Beklagte mißbrauche ihr Monopol, wenn sie der Klägerin als gewerblicher Spielevermittlerin den Zugang zu ihren System/Netz verweigere. Der Anschluss an das elektronische Netz sei erforderlich, um der Klägerin ihre berufliche Tätigkeit, die gewerbliche Spielevermittlung, zu ermöglichen. Soweit sich aus der Neuregelung des Glückspielrechts ein Erlaubnisvorbehalt für gewerbliche Spielevermittler ergebe, hindere dies trotz fehlender Erlaubnis den Anspruch der Klägerin nicht Zum einen ergebe sich aus der Übergangsvorschrift in § 27 Nds. GspG ein Anspruch auf Zulassung, weil die Klägerin bereits im Jahre 2007 auf niedersächsischem Gebiet eine gewerbliche Spielevermittlung betrieben habe, die zulässig und erlaubnisfrei gewesen sei. Zum anderen sei die Regelung im Niedersächsischen Glücksspielgesetz verfassungs- und europarechtswidrig, so dass die Klägerin keiner Erlaubnis bedürfe und dass sie insbesondere nicht gehalten sei, ihren Klageantrag auf die - erlaubnisfreie - Zulassung zum Netz der Beklagten bis zum 31.12.2008 zu beschränken.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin gegenüber ein Angebot zum Abschluss eines Vertrages über den Anschluss an das elektronische Netz ("e-channel") der Beklagten unter Berücksichtigung der sieben Ebenen des sogenannten OSI-Schichtmodells der Computersysteme-Kommunikation zur Weiterleitung der von der Klägerin entgegen genommenen Spielangebote von Spielteilnehmern an den bundeseinheitlichen Spielveranstaltungen Lotto 6 aus 49, Spiel 77, Super 6 und Glücksspirale auf elektronischem Wege und über die Bearbeitung der elektronisch weitergeleiteten Spielangebote, insbesondere
die Prüfung vermittelter Spielaufträge dahin, ob die Annahmevoraussetzungen vorliegen,
die Annahme von vermittelten Spielverträgen,
die Überlassung von Spielquittungen,
die Mitteilung betreffend vermittelter Spielaufträge, insbesondere Übersichten über vermittelte Spielaufträge und erzielte Gewinne, sowie
die Abwicklung von Spielverträgen, insbesondere die Auszahlung von Gewinnansprüchen
zu marktüblichen Konditionen zu unterbreiten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, sie sei jedenfalls zur Zeit nicht gehalten, einen Vertrag - mit welchem Inhalt auch immer - auf Zulassung der Klägerin zu ihrem Netz abzuschließen. Die Klägerin müsse dafür die ab dem 01.01.2008 erforderliche Erlaubnis vorweisen. Selbst wenn die Übergangsvorschrift im Sinne der Klägerin auszulegen sei, sei es ihr aufgrund einer Vielzahl sachlicher Gründe, wie z.B. aggressiver Expansion, unsinniger Prozesse zwischen den Parteien, irreführender Werbung der Klägerin, persönlicher Abqualifizierung der Beklagten nicht zumutbar, mit der Klägerin eine Rechtsbeziehung einzugehen.
Im übrigen sei die Klägerin nicht darauf angewiesen, von ihr generierte Spielumsätze in das System der Beklagten einzuspeisen; die Beklagte unterhalte unstreitig Rechtsbeziehungen zu anderen Lottogesellschaften, die ihr dies ermöglichten.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die protokollierten Erklärungen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet
Der Klägerin steht ein Kontrahierungsanspruch aus §§ 19 Abs. 4, 20 GWB gegen die Beklagte mit dem Ziel der elektronischen Einspeisung von der Klägerin generierter Spielumsätze nicht zu.
Die Klägerin hat bei der Erörterung in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich nicht von der prozessualen Möglichkeit der Erledigungserklärung ihres ursprünglichen Klageantrages, ggf. einer Klageänderung mit dem Ziel einer Weiterverfolgung ihres Begehrens nach erteilter Erlaubnis Gebrauch gemacht, sondern nach wie vor einen unbeschränkten Antrag auf Zulassung zum System der Beklagten zum Zwecke der Einspeisung von Ihr generierter Spielumsätze festgehalten. Dieses Begehren ist nicht begründet.
Dabei kann für die Entscheidung dahingestellt bleiben, ob die Klägerin im Zeitpunkt der Klageeinreichung den geltend gemachten Anspruch gegen die Beklagte hätte durchsetzen können. Da es sich um einen in die Zukunft gerichteten Anspruch auf Abgabe einer Willenserklärung handelt, ist für die Beurteilung nicht die im Zeitpunkt der Klageerhebung, sondern die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung geltende
Rechtslage maßgeblich.
Die Beklagte als aufgrund von Gesetzen monopolistisch handelnde Veranstalterin von Lotterien im Lande Niedersachsen ist bei der Kontrahierung mit gewerblichen Spielevermittlern gehalten, die für die Beklagte und den jeweiligen gewerblichen Spielevermittler geltenden gesetzlichen Regelungen zu beachten. Aufgrund der zur Zeit im Land Niedersachsen geltenden Regelungen bedarf die Tätigkeit eines gewerblichen Spielevermittlers seit dem 01.01.2008 der Erlaubnis des Innenministeriums, die bei Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben zu erteilen ist. Die Klägerin hat diese Erlaubnis beantragt, aber noch nicht erhalten. Mithin würde die Beklagte grundsätzlich gesetzwidrig handeln, wenn sie mit einem gewerblichen Spielevermittler kontrahiert, der nicht in die landesgesetzlichen Vorgaben, nämlich die erforderliche Erlaubnis, vorweisen kann.
Ungeachtet der Frage der Reichweite der Übergangsvorschrift des § 27 Nds. GspG scheitert der ausdrücklich für die Zukunft zeitlich nicht beschränkt gestellte Antrag auf Kontrahierung bereits daran, dass die Klägerin jedenfalls ab dem 01.01.2009 einer Erlaubnis des Innenministeriums bedarf. Eine - unterstellt - auszusprechende Kontrahierungspflicht endet damit zwangsläufig mit dem Ablauf des Jahres 2008. Die Klägerin hat jedoch ausdrücklich einen zeitlich unbeschränkten Vertrag mit der Beklagten begehrt und nicht etwa einen Vertrag bis zum Jahresende hilfsweise geltend gemacht. Daher war das zeitlich unbeschränkte Begehren vollständig abzuweisen. Einer Prüfung, ob einem Minus des Klagebegehrens - der Kontrahierung bis Ende 2008 - entsprochen werden müsste, bedarf es deshalb nicht.
Soweit die Klägerin meint, die Regelungen des Niedersächsischen Glücksspielgesetzes, welche die Bestimmungen des Glückspielstaatsvertrages im Landesrecht umsetzen, seien verfassungs- und/oder europarechtswidrig und deshalb unwirksam, führt dies zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Selbst wenn die Rechtsauffassung der Klägerin zutreffend sein sollte, ist die Kammer gehindert, zur Zeit rechtswirksam erlassene und bestehende gesetzliche Vorschriften nicht anzuwenden. Das Gericht ist an geltende Gesetze gebunden. Eine Verwerfungskompetenz wegen Verfassungs- bzw. Europarechtswidrigkeit steht der Kammer nicht zu. Der Verstoß gegen höherrangiges Recht hätte lediglich zur Folge, dass dieser Rechtsstreit auszusetzen wäre und gem. Artikel 100 GG bzw. Artikel 234 EG dem Bundesverfassungsgericht bzw. dem Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung vorzulegen wäre. Indes ist die Kammer als erstinstanzliches Gericht bei einer denkbaren aber von ihr nicht zwingend feststellbaren Unwirksamkeit der entscheidungsrelevanten Regelung nicht zwingend berufen, die Frage zur Unwirksamkeitsentscheidung den Obergerichten vorzulegen. Somit hat die Kammer aufgrund der für sie zu beachtenden gesetzlichen Regelung die Klage abzuweisen.
Im übrigen scheitert die Klage auf Kontrahierung zum jetzigen Zeitpunkt auch daran, dass trotz der, Übergangsregelung in § 27 Nds. GspG die Klägerin bereits ab dem 01.01.2008 eine Erlaubnis vorzuweisen hätte, um von der Beklagten eine vertragliche Regelung zur Einspeisung von ihr generierter Spielaufträge in ihr Netz verlangen zu können. § 27 Nds. GspG stellt lediglich klar, dass der Beklagten, die bis Ende 2007 auf dem niedersächsischen Staatsgebiet erlaubnisfrei zulässiger Weise auch teristische Umsätze generierte, ab dem 01.01.2008 dies nicht unter Hinweis auf die fehlende Erlaubnis untersagt werden kann. Denn darin wird lediglich ausgesprochen, dass bestehende Erlaubnisse und weitere ausgeübte erlaubnisfreie Tätigkeit bis zum 31.12.2008 fortlaufend und erst ab dem 01.01.2009 der im Gesetz statuierten Erlaubnis bedürfen. Danach hat die Klägerin lediglich die Befugnis, ihre bisherige Tätigkeit im bisherigen Umfang fortzusetzen. Dies begehrt sie jedoch vorliegend nicht. Vielmehr will sie ihre Tätigkeit auf eine zusätzlich zu schaffende rechtliche Basis stellen, indem sie von der Beklagten die Kontrahierung zum Zwecke der Einspeisung - nach der Übergangsvorschrift erlaubnisfrei generierter - Umsätze verlangt. Diese Ausweitung der Rechtsbeziehungen und Rechte der Klägerin gegenüber der Beklagten unterliegen jedoch den Regelungen des ab dem 01.01.2008 geltenden Rechts und genießt keinen Bestandsschutz durch die Überleitungsvorschrift.
Die Schriftsätze der Parteien vom 17.10.2008 und 23.10.2008 geben keinen Anlass zum Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 709 ZPO.