Landgericht Hannover
Urt. v. 29.01.2008, Az.: 2 O 322/05

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
29.01.2008
Aktenzeichen
2 O 322/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 43768
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHANNO:2008:0129.2O322.05.0A

In dem Rechtsstreit

...

hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Hannover auf die mündliche Verhandlung vom 8.1.2008 durch

die Vorsitzende Richterin am Landgericht ...,

die Richterin am Landgericht ... und

die Richterin ...

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Klage wird abgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

  3. 3.

    Das Urteil ist wegen der Kosten für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

  4. 4.

    Der Streitwert beträgt 25 564,58 €.

Tatbestand

1

Die Klägerin schloss mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten eine Lebensversicherung über 100 000,00 DM in Form der sogenannten Abkürzungsversicherung oder Versicherung mit Abbruchklausel (d.h. Überschussanteile und Sonderzahlungen werden zur Abkürzung der Vertragsdauer verwendet). Im Laufe der Versicherung kam es zu mehreren Ablaufverkürzungen, die in Form eines Nachtrags zum Versicherungsschein mitgeteilt wurden (vgl. Nachtrag Nr. 1 und 2, Anlage B 2a und B 2b, Bl. 49 ff.). Die Rechtsvorgängerin der Beklagten teilte am 2.8.2003 mit, dass durch die Verwendung des bisher angesammelten Überschussguthabens zur Verkürzung der Versicherungsdauer sich zum 1.10.2003 als Ablauftermin der 1.12.2008 ergebe. Eventuell geleistete freiwillige Zahlungen seien hierbei berücksichtigt (vgl. Anlage K 1, Bl. 6). Nach Übernahme der Verträge durch die Beklagte teilte diese unter dem 16.8.2004 mit, das sich zum 1.10.2003 als Ablauftermin der 1.12.2008 ergebe, die vereinbarte Versicherungssumme 51 129,19 € betrage und sich der garantierte Rückkaufswert zum 1.10.2004 auf 41 084,85 € belaufe (vgl. Anlage K 2, Bl. 7). Auf Seite 2 dieses Schreibens (vgl. Anlage B 3, Bl. 51) befindet sich der Hinweis: "Bitte beachten Sie, dass dieses Schreiben rein informativen Charakter hat. Eine Auszahlung von Überschüssen ist nicht möglich. ..." Unter dem 23.2.2005 teilte die Beklagte mit, durch einen Fehler im Bestandsführungssystem seien der Rücklaufswert, das Überschussguthaben und der Ablauftermin falsch ermittelt worden. Mit Wirkung vom 1.10.2004 belaufe sich der Rückkaufswert inklusive Überschussguthaben auf 40 009,00 € und der Ablauftermin sei erst der 1.7.2009 (Anlage K 3, Bl. 8). Weiter erklärte sie die Anfechtung der früheren Mitteilung.

2

Die Klägerin meint, das Schreiben der Beklagen vom 16.8.2004 sei eine Bestätigung des Schreibens der Rechtsvorgängerin i.S.d. § 144 BGB und außerdem ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis. Eine wirksame Anfechtung liege nicht vor, denn ein Erklärungsirrtum scheide aus und ein hier allenfalls vorliegender verdeckter Berechnungsfehler sei ein unbeachtlicher Motivirrtum. Weiter bestreitet sie einen Fehler im Bestandsführungssystem. Der Hinweis auf den "rein informativen Charakter" des Schreibens sei unbeachtlich, weil die Beklagte nach §§ 10, 10a VAG verpflichtet sei, die Klägerin über die Überschussbeteiligungen und den Rückkaufswert zu informieren. Die Verbraucherinformationen seien nicht vollkommen unverbindlich. Im Schreiben stehe "garantierter Rückkaufswert". Die erklärte Anfechtung spreche dafür, dass es sich um eine rechtlich verbindliche Erklärung gehandelt habe. Beide Schreiben (Anlagen K 1 und K 2) bezögen sich ausdrücklich auf bereits in der Vergangenheit angesammelte Überschussguthaben. Der Ablauftermin 1.12.2008 und der Rückkaufswert zum 1.10.2004 von 41 084,85 € seien zutreffend berechnet worden.

3

Die Klägerin beantragt,

  1. festzustellen, dass der garantierte Rückkaufswert aus der Lebensversicherung der Klägerin bei der Beklagten, Lebensversicherungsnummer ..., zum 1.10.2004 41 084,85 € beträgt und der Vertrag zum Stichtag. 1.12.2008 mit einer Versicherungssumme von 51 129,19 € abläuft.

4

Die Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

5

Sie behauptet, das voraussichtliche Ablaufdatum des Vertrages sei der 1.7.2009 und der Rückkaufswert zum 1.10.2003 liege bei 40 009,85 €, wie unter dem 23.2.2005 mitgeteilt. Dass ein Ablauftermin zum 1.12.2008 sich aus den Vertragsunterlagen ergeben könnte, dazu fehle jeglicher Vortrag. Bei den als Anlagen K 1 und K 2 vorgelegten Informationen handele es sich nach Ansicht der Beklagten nicht um Willenserklärungen, es seien Wissenserklärungen, nämlich Formularauskünfte mit anderweitigen Angaben zum Stand der Versicherung, die nicht als Schuldanerkenntnis zu werten seien. Es sei kein abstraktes, vom ursprünglichen Schuldgrund losgelöstes Schuldanerkenntnis; zu einer derartigen losgelösten Verpflichtungserklärung habe sie keine Veranlassung gehabt. Außerdem fehle der Rechtsbindungswille, zumal die Mitteilung rein informativen Charakter gehabt habe und keine Vertragsänderung (dafür würden üblicherweise Nachträge erstellt). Sie habe keine Veranlassung gehabt, die Klägerin besser zu stellen als sich aus dem Vertrag ergebe. In dem Schreiben der Beklagten sei mangels besonderen Anlasses auch kein Angebot zu einem kausalen Anerkenntnisvertrag zu sehen, da zwischen den Parteien kein Streit über die Höhe der Versicherungsleistung bestanden habe.

6

Der Inhalt der Regelungen der §§ 10, 10a VAG (Verpflichtung, den Versicherungsnehmer während der Laufzeit des Vertrages zu unterrichten) spreche ebenfalls für Wissenserklärungen. Bei Verstößen gegen diese öffentlich-rechtliche Norm seien grundsätzlich nur aufsichtsrechtliche Maßnahmen, nicht aber zivilrechtlichen Sanktionen zu erwarten. Die Überschussbeteiligung könne nicht durch Schuldanerkenrtnis begründet werden, da diese entsprechend dem jeweiligen, von der Aufsichtsbehörde genehmigten Geschäftsplan erfolge. Danach sei das voraussichtliche Ablaufdatum des Vertrages der 1.7.2009 und der Rückkaufswert zum 1.10.2004 betrage 40 009,85 €.

7

Hilfsweise beruft sich die Beklagte auf einen Irrtum in der Erklärungshandlung, weil aufgrund eines Fehlers im Bestahdsführungssystems fehlerhafte Werte in den Informationsbriefen mitgeteilt worden seien.

8

Wegen der Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

9

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 14.2.2006 durch Einholung eines versicherungsmathematischen Sachverständigengutachtens.

Entscheidungsgründe

10

Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung, dass der garantierte Rückkaufswert aus der zwischen den Parteien bestehenden Lebensversicherung zum 1.10.2004 41 084,85 € beträgt und der Vertrag zum Stichtag 1.12.2008 mit einer Versicherungssumme 51 129,19 € abläuft.

11

1. Es liegt kein Schuldanerkenntnis seitens der Beklagten vor; bei dem Informationsschreiben zum Stand der Überschussbeteiligung 2004 vom 16.8.2004 handelt es sich nicht um eine verbindliche Willenserklärung der Beklagten, sondern um eine unverbindliche Information bzw. Wissensmitteilung.

12

Ein abstraktes Schuldanerkenntnis im Sinne von §§ 780, 781 BGB würde voraussetzen, dass die mit ihm übernommene Verpflichtung von ihrem Rechtsgrund, d.h. von ihren wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhängen gelöst und allein auf den zum Ausdruck gekommenen Leistungswillen des Schuldners gestellt werden sollte, wobei sich die Vertragspartner über diese selbständige Natur des Versprechens einig sein müssen. Dies würde bedeuten, dass die Beklagte durch ihr Schreiben vom 16.8.2004 eine von ihrer Verpflichtung zur Leistung einer bestimmten, nach Ablauf der Versicherung fällig werdenden Versicherungssumme losgelöste, neue Verbindlichkeit begründen wollte, die sich allein auf ihren Leistungswillen gründen sollte. Von einer dahingehenden Intention der Beklagten kann nach Maßgabe ihres vorgenannten Schreibens nicht ausgegangen werden. Für die Beklagte bestand zu einer solcher losgelösten Verpflichtungserklärung keine Veranlassung. Mit dem Informationsschreiben vom 16.8.2004 wollte die Beklagte entgegen der Ansicht der Klägerin keinen neuen Vertrag schließen. Sie wollte lediglich über den Stand der Versicherungsleistung informieren und nicht eine das Vertragsverhältnis ändernde Erklärung abgeben. Das Schreiben ist bereits bezeichnet als "Information zum Stand der Überschussbeteiligung 2004". Die Seite 2 des Schreibens enthält den ausdrücklichen Hinweis auf den "rein informativen Charakter" der Mitteilung. Auch die Mitteilung eines "garantierten" Rückkaufswertes stellt keine rechtsverbindliche Erklärung der Beklagten bezüglich dieses genannten Wertes dar, sondern ebenfalls nur eine Information, welcher Rückkaufswert sich unter Zugrundelegung der übrigen mitgeteilten Daten (Versicherungssumme und -dauer) - die versehentlich unrichtig waren - errechnet

13

Auch ein kausales Schuldanerkenntnis im Sinne eines Schuldbestätigungsvertrages ist vorliegend zu verneinen. Ein vertragliches kausales Schuldanerkenntnis wurde voraussetzen, dass die Parteien mit der Regelung das Schuldverhältnis insgesamt oder in einzelnen Bestimmungen dem Streit oder der Ungewissheit der Parteien entziehen wollten. Ein Streit über die Leistungspflicht der Beklagten oder die Höhe der zu zahlenden Versicherungsleistung bestand zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht. Es kann auch nicht von einer Ungewissheit der Parteien in Bezug auf die Auszahlungssumme ausgegangen werden.

14

Letztlich ergibt sich das Vorliegen eines Schuldanerkenntnisses auch nicht aus der Pflicht der Beklagten zur Mitteilung über den Stand der Überschussbeteiligung gemäß §§ 10, 10a VAG. Nach dem Wortlaut des § 10a VAG ist die Beklagte lediglich verpflichtet, den Versicherungsnehmer in einer Verbraucherinformation über die maßgeblichen Tatsachen und Rechte während der Laufzeit des Vertrages zu unterrichten. Dies stellt letztlich lediglich eine Datenübermittlung dar, in der eine bloße Wissenserklärung zu sehen ist. Damit gibt der Versicherer eine unverbindliche Prognose ab über die erwartete Verzinsung des vom Versicherungsnehmer eingesetzten Kapitals. Ein Anspruch auf Auszahlung der prognostizierten Werte besteht hingegen nicht (vgl. OLG Stuttgart, VersR 2005, Seite 634 ff.). Ein entsprechender Verpflichtungswille ist auch aus Sicht der Klägerin als Versicherungsnehmerin nicht ersichtlich.

15

2. Angesichts der Tatsache, dass es sich um eine reine Information seitens der Beklagten handelt, liegt auch keine Willenserklärung der Beklagten zur Vertragsänderung aus. Auf die hilfsweise erklärte Anfechtung kommt es daher ebenso nicht an.

16

3. Weiterhin sind die Mitteilungen in der Vergangenheit seitens der Beklagten hinsichtlich des angesammelten Überschussguthabens in diesem Zusammenhang unerheblich. Hierbei handelt es sich ebenfalls lediglich um Informationen, die zu einer höheren Überschussbeteiligung führen. Solche können nicht durch Schuldanerkenntnis begründet werden, sondern werden ausschließlich entsprechend dem jeweiligen, von der Aufsichtsbehörde genehmigten Geschäftsplan verteilt. Der Anspruch auf Überschüsse ergibt sich ausdrücklich aus den Regelungen in §§ 16 ALB i.V.m. Nr. 1 der Tarife 001 und 017.

17

4. Dieser Anspruch der Klägerin auf die Überschüsse aus den Regelungen in §§ 16 ALB i.V.m. Nr. 1 der Tarife 001 und 017 führt nicht - wie die Klägerin meint - zu einer Verkürzung der Versicherungsdauer bis zum 1.12.2008, sondern nur bis zum 1.7.2009. Zudem bestand nach dem Geschäftsplan nicht ein Rückkaufswert in Höhe von 41 084,85 €, sondern nur in Höhe von 40 009,85 €.

18

Hiervon ist die Kammer angesichts der Erläuterungen des versicherungsmathematischen Sachverständigen in dessen Gutachten überzeugt. Der Sachverständige Dipl.-Kfm. ... hat mit den entsprechenden Begründungen festgestellt, dass der zum Termin 1.10.2004 angegebene neue Ablauftermin vom 1.7.2009 auf Basis des eingerechneten Guthabens korrekt sei. Aus der gutachterlicher Verlaufsrechnung resultiere per 1.10.2004 als Ablauftermin der 1.7.2009. Ein Rückkaufswert zum 1.10.2004 von 41 084,85 € (wie ihn die Klägerin behauptet) könne ausgeschlossen werden. Die Verkürzung der Vertragsdauer auf den 1.12.2008 könne per 1.10.2004 definitiv nicht erreicht werden. Der Rückkaufswert von 40 009,85 € und der Ablauftermin 1.7.2009 seien als richtig anzusehen.

19

Die Entscheidung hinsichtlich der Kosten beruht auf § 91 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbar auf § 709 ZPO.