Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 16.02.2012, Az.: 1 LB 19/10
Voraussetzung eines unmittelbaren Anspruchs auf bauaufsichtliches Einschreiten bei Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften und spürbare Beeinträchtigungen
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 16.02.2012
- Aktenzeichen
- 1 LB 19/10
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2012, 13117
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2012:0216.1LB19.10.0A
Rechtsgrundlagen
- § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 NBauO
- § 89 NBauO
Fundstellen
- BauR 2012, 1689
- BauR 2012, 933-935
- DVBl 2012, 643
- IBR 2012, 607
- NJW-Spezial 2012, 269
- NVwZ-RR 2012, 427-430
- ZAP EN-Nr. 508/2012
- ZAP 2012, 900
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Ein unmittelbarer Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten setzt nicht nur einen Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften voraus, sondern fordert zusätzlich, dass dadurch spürbare Beeinträchtigungen hervorgerufen werden.
- 2.
Für die Annahme einer spürbaren Beeinträchtigung bei Grenzabstandsverletzungen kommt es auf die konkrete örtliche Situation im Einzelnen an, insbesondere auf die Himmelsrichtung, die übrige Grundstücksnutzung auf beiden Seiten, die Grundstücksgröße und die Betroffenheit von sensiblen Wohnbereichen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt bauordnungsrechtliches Einschreiten gegen die Garage der Beigeladenen wegen Verstoßes gegen Grenzabstandsvorschriften.
Die Klägerin ist Eigentümerin des mit einem Einfamilienhaus bebauten und etwa 900 m2 großen Grundstücks G. 26 in H.. Der Beigeladenen gehört das nördlich angrenzende Nachbargrundstück G. 24, das ebenfalls mit einem Einfamilienhaus bebaut ist. Im grenznahen Bereich hat die Klägerin eine Garage errichtet. Ausweislich der der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung vom 27. September 2004 - Nebenbestimmung Nr. 6 - darf "die Höhe der Garage [...] in einem Bereich von 3 m zu der Grenze des Baugrundstücks 3 m zu gewachsenem Gelände nicht überschreiten (§ 12 NBauO)."
Mit Schreiben vom 22. Dezember 2006 machte die Klägerin erstmals geltend, dass die Garage der Beigeladenen die Höhe von 3 m überschreite und einen Überstand aufweise, der ihr das Tageslicht nehme. Am 24. Mai 2007 beantragte sie förmlich, gegen die Garage einzuschreiten.
Dies lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 23. August 2007 ab. Zur Begründung führte der Beklagte aus:
Die mit einem Abstand von 1,70 m zur Nordseite des klägerischen Grundstücks errichtete Garage überschreite tatsächlich die - für Anlagen mit verringertem Grenzabstand - nach §§ 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 i.V.m. 7 NBauO einzuhaltende Höhe von 3 m. Die Garage sei, gemessen vom derzeitigen Terrain, 3,10 m hoch. Er könne die ursprüngliche Geländeoberfläche aufgrund von Höhenveränderungen und der Hanglage nicht mehr zweifelsfrei nachvollziehen. Allerdings habe er anhand eines von der Klägerin eingereichten Höhenplans sowohl auf dem Grundstück der Beigeladenen als auch auf dem Grundstück der Klägerin Aufschüttungen festgestellt. Er gehe davon aus, dass die Garage im relevanten Bereich, gemessen vom ursprünglichen Bodenniveau, etwa 3,30 m hoch sei. Diese Höhe der Garage sei aber niedriger, sofern die Beigeladene Aufschüttungen zur Höhenangleichung an die gewachsene Geländeoberfläche auf dem Grundstück der Klägerin vorgenommen hätte.
Zwar liege damit ein Verstoß gegen nachbarschützende Abstandsvorschriften vor. Doch begründe dieser einen Anspruch auf Einschreiten nicht. Das sei nur dann der Fall, sofern die Auswirkungen zu einer zusätzlichen Verschattung des Wohngartens führten und der Eindruck einer Einmauerung an einer schutzwürdigen Stelle des Wohnbereichs vermittelt werde. Eine derartige unzumutbare Beeinträchtigung der Klägerin sei nicht gegeben, weil es sich um eine lediglich geringfügige Abweichung in der Höhe handele. Zudem liege das Küchenfenster der Klägerin an der Nordseite des Wohnhauses, so dass eine zusätzliche, erhebliche Verschattung nicht gegeben sei. Westlich schlössen sich die Haustür und zwei Badfenster an. Zwischen der Garage und dem Küchenfenster verbleibe ein Abstand von 5,70 m. Der 4 m breite Bereich auf der Grundstücksseite der Klägerin stelle einen ausreichenden Zugang zum Haus dar. Der rückwärtige Wohnbereich mit Garten oder Terrasse liege auf der Süd- und Westseite und werde nicht gestört. Die Garage beschränke daher ausschließlich die Sicht aus dem Küchenfenster. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin entlang der gesamten Nordseite ihres Grundstücks als Sichtschutz einen 1,80 m hohen Lamellenzaun aufgestellt habe. In einem Teilbereich habe die Klägerin auf diesen Zaun eine 4,60 m lange und 1,12 m hohe eingefasste Segeltuchbespannung errichtet. Die Zaunkonstruktion sei somit in einem Teilbereich 3,02 m hoch. Die Klägerin beschränke sich damit selbst in ihrer Sicht aus dem Küchenfenster. Aus den genannten Gründen könne auf dem Grundstück der Klägerin der Eindruck des "Eingemauertseins" nicht entstehen. Dieses Ergebnis werde auch dadurch bestätigt, dass die Beigeladene die Garage in der zulässigen Höhe von 3 m sogar noch 70 cm näher an die Grundstücksgrenze hätte heranbauen dürfen. In diesem Fall hätte sich die Situation der Verschattung für die Klägerin nicht günstiger dargestellt.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 29. August 2007 Widerspruch mit der Begründung, die Garage halte weder die zulässige Höhe noch den zulässigen Grenzabstand von 3 m ein. Würde die 3,10 m bzw. 3,30 m hohe Garage anstatt des tatsächlichen Abstands von 1,70 m den erforderlichen Mindestabstand von 3 m zur Grenze einhalten, wären die Auswirkungen auf ihr Grundstück deutlich geringer. Im Übrigen sei der Beklagte allein wegen des festgestellten Grenzabstandsverstoßes verpflichtet, gegen den Bau der Beigeladenen vorzugehen. Anderenfalls könnten andere Bauherren sich bei einem Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften aus Gründen der Gleichbehandlung auf das Nichteinschreiten des Beklagten berufen. Darüber hinaus halte der 1 m tiefe Dachüberstand, der nicht als untergeordneter Gebäudeteil im Sinne von § 7 b Abs. 2 Satz 1 NBauO zu behandeln sei, bloß einen Abstand von 70 cm zur Grundstücksgrenze ein. Da dieser um 1 m in den Bauwich rage, habe der Beklagte diesen in vollem Umfang bei der Prüfung der Grenzabstandsvorschriften zu berücksichtigen. Gerade durch den Dachüberstand ergebe sich eine außergewöhnliche Verschattungssituation zu Lasten ihres Wohnhauses.
Mit Widerspruchsbescheid vom 3. Januar 2008 wies der Beklagte den Widerspruch aus den Gründen des angefochtenen Bescheides zurück. Ergänzend führte er aus, dass die Beigeladene ihr Grundstück im maßgeblichen Bereich um etwa 30 cm angefüllt habe. Aufgrund der beiderseitigen Aufschüttungen und der Angleichung der Geländeoberfläche an der Grenze liege das Grundstück der Klägerin etwa 15 cm tiefer, so dass von einer Garagenhöhe von 3,25 m auszugehen sei (Garagenhöhe von 3,10 m + 15 cm Geländehöhendifferenz zwischen den beiden Grundstücken). Eine außergewöhnliche Verschattung bzw. der Eindruck des Eingemauertseins sei auch unter Berücksichtigung des Dachüberstandes nicht auszumachen, weil die Garage unter Einhaltung der Höhenbeschränkung ohne Dachüberstand zulässigerweise bis an die Grundstückgrenze hätte herangesetzt werden können.
Die Klägerin hat am 4. Dezember 2007 Klage erhoben und ihre Ausführungen aus dem Verwaltungsverfahren vertieft.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 23. August 2007 in der Fassung des Widerspruchbescheides vom 3. Januar 2008 zu verpflichten, im Wege bauaufsichtlichen Einschreitens der Beigeladenen einen Rückbau des grenznahen Garagengebäudes vorzugeben, der gewährleistet, dass die Abstandsvorschriften der §§ 7, 7b und 12 Abs. 1 NBauO eingehalten werden.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat auf seine Ausführungen im Widerspruchsbescheid Bezug genommen.
Die Beigeladene hat ebenfalls beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich den Erwägungen des Beklagten angeschlossen.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit angefochtenem Urteil vom 9. Oktober 2008 (Einzelrichter) - nach Inaugenscheinnahme der Örtlichkeit im Rahmen der mündlichen Verhandlung - mit der Begründung abgewiesen, dass zwar die Grenzabstandsvorschriften verletzt seien, doch ein Anspruch auf Einschreiten mangels besonderer Auswirkungen auf das Grundstück der Klägerin nicht bestehe. Betroffen sei lediglich der Blick aus dem Küchenfenster, der aber auch dann beeinträchtigt worden wäre, wenn die Garage mit zulässigem Höhenmaß unmittelbar an der Grenze errichtet worden wäre.
Auf Antrag der Klägerin hat der Senat mit Beschluss vom 22. Januar 2010 (- 1 LA 238/08 -) die Berufung zugelassen, weil die Rechtssache in Hinblick auf die Frage, ob schon die Verstellung eines "restlichen" Blicks auf den Himmel, der bei rechtmäßigem Alternativverhalten frei geblieben wäre, als spürbare - das Gefühl des "Eingemauertseins" hervorrufende - Nachbarbeeinträchtigung gewertet werden könne, besondere rechtliche Schwierigkeiten aufweise.
Mit der Berufung macht die Klägerin geltend:
Der Beklagte dürfe für die Prüfung, inwiefern sie durch die baurechtswidrig errichtete Garage der Beigeladenen beeinträchtigt werde, nicht auf einen das Grundstück der Klägerin optimal ausnutzenden rechtmäßigen Alternativbau abstellen.
Auch werde sie durch die Garage der Beigeladenen unzumutbar beeinträchtigt. Sie sehe bei dem Blick aus dem Fenster der (Wohn-)Küche, die ihre Familie auch zur Einnahme der täglichen Mahlzeiten und damit zum Wohnen im weiteren Sinne nutze, nur noch auf die nachbarliche Garagenwand mit dem 1 m langen Dachüberstand, so dass bei ihr der Eindruck des "Eigemauertseins" entstehe. Da sich der Bereich zwischen ihrem Wohnhaus und der Garage wie mit einer "Decke" versehen darstelle, habe sie aus sitzender oder stehenden Position, auf die maßgeblich abzustellen sei, nach oben hin keinen freien Blick mehr aus dem Küchenfenster. Selbst aus sitzender Position werde bei leicht schrägem Blick aus dem Küchenfenster das Sichtfeld durch den Dachüberstand nach oben begrenzt.
Im Rahmen einer Alternativbetrachtung sei zu berücksichtigen, dass die Beigeladene die Garage auf der Grenze ohne einen Dachüberstand und 30 cm niedriger hätte errichten müssen. Dann wäre es ihr möglich gewesen, sowohl stehend als auch sitzend über die Garage hinweg in den Himmel und in die Landschaft zu sehen.
Ungeachtet dessen könne auch eine baurechtskonform errichtete Garage in besonderen Fällen gegen das Verbot der unzumutbaren Belästigungen nach § 1 Abs. 1 NBauO verstoßen, sofern sie an einem für den Nachbarn besonders sensiblen Standort gebaut bzw. von den Abstandsvorschriften in rücksichtsloser Weise Gebrauch gemacht werde. Die Beigeladene hätte die Garage auf ihrem großen Grundstück nicht direkt gegenüber dem Küchenfenster platzieren müssen. Auch wäre es der Beigeladenen unter Berücksichtigung der handelsüblichen Fahrzeughöhe von etwa 2,50 m möglich und zumutbar gewesen, die Garage im Nachbarinteresse niedriger zu bauen.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des angegriffenen Urteils nach dem erstinstanzlich gestellten Antrag zu erkennen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor:
Nur der Vergleich der Auswirkungen der baurechtswidrigen Anlage mit denen einer "noch" zulässigen an gleicher Stelle könne die Frage beantworten, ob die Klägerin unzumutbar durch die Garage der Beigeladenen beeinträchtigt werde.
Entgegen der Ansicht der Klägerin sei auch nicht der waagerechte Blick aus dem Küchenfenster maßgeblich. Die Grenzabstandsvorschriften gewährleisteten nicht einmal in ländlicher Ortsrandlage einen unverbauten waagerechten Blick aus jedem Fenster. Vielmehr sei es Zweck dieser Vorschriften, die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse zu verwirklichen. Dieser Zweck sei hier erfüllt.
Die Generalklausel des § 1 Abs. 1 S. 3 NBauO sei nicht anwendbar, weil bereits der Tatbestand der spezielleren Grenzabstandsvorschriften einschlägig sei.
Die Beigeladene hat ebenfalls beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie tritt den Ausführungen des Beklagten bei. Ergänzend führt sie aus, dass es für den Blick aus dem Fenster nicht entscheiden sei, ob die Klägerin sitze oder stehe. Vielmehr sei die Entfernung des Betrachters zum Fenster maßgeblich. Es sei allgemein bekannt, dass man vom Himmel desto weniger sehe, je weiter man vom Fenster entfernt sei. Die Klägerin habe die eingereichten Fotos erkennbar nicht direkt vor dem Fenster, sondern von weiter hinten in der Küche gemacht. Auch habe ihre Garage entgegen der Auffassung der Klägerin nicht eine Höhe von 3,30 m. Eine Höhenüberschreitung liege allenfalls im Bereich von wenigen Zentimetern vor. Die Aufschüttungen auf ihrem (der Beigeladenen) Grundstück seinen jedenfalls zu Ihren Gunsten zu berücksichtigen, soweit sie dadurch ihr Grundstück auf das Niveau des Grundstücks der Klägerin gebracht habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte, die Sitzungsniederschriften und die Beiakten in diesem Verfahren sowie in dem Baugenehmigungsverfahren des klägerischen Grundstücks verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Garage der Beigeladenen zu Recht verneint. Gemäß § 89 der Niedersächsischen Bauordnung (NBauO) kann die Bauaufsichtsbehörde zugunsten eines Nachbarn gegen eine Grenzgarage vorgehen, die im Widerspruch zu den Vorschriften über den Grenzabstand errichtet wurde. Im Grundsatz hat ein Nachbar hiernach lediglich einen Anspruch darauf, dass die Behörde über das "Ob" und "Wie" des Einschreitens ermessensfehlerfrei entscheidet. Ein unmittelbarer Anspruch auf Einschreiten ist nur ausnahmsweise gegeben, wenn das Ermessen der Beklagten aufgrund der Umstände im Einzelfall auf Null reduziert ist. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.
Der Senat hält an seiner ständigen Rechtsprechung fest, wonach der unmittelbare Anspruch des Nachbarn auf bauaufsichtliches Einschreiten nicht nur einen Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften voraussetzt, sondern zusätzlich fordert, dass dadurch spürbare Beeinträchtigungen hervorgerufen werden (vgl. z.B. Urt. v. 19. Oktober 2007 - 1 LB 5/07 -, NVwZ-RR 2008, 374, [...] Rn. 70). Es kommt folglich, worauf das Verwaltungsgericht zu Recht abstellt, auf das Ausmaß der Einwirkungen auf das Nachbargrundstück an (OVG Lüneburg, Urt. v. 16. Mai 1988 - 1 A 23/87 -, BRS 48, 191 = BauR 1989, 188, [...] Leitsatz; Urt. v. 29. Oktober 1993 - 6 L 3295/91 -, BauR 1994, 86 = BRS 55 Nr. 196; Urt. v. 26. Mai 1997 - 1 L 5006/95 -, V.n.b.; ferner die Beschl. v. 10. Februar 2003 - 1 LA 52/02 -, [...] Leitsatz; v. 6. März 2003 - 1 LA 197/02 -, BRS 66, 133 = NVwZ-RR 2003, 484; v. 4. November 2004 - 9 LA 264/04 - und v. 15. Dezember 2004 - 9 LA 346/04 - V.n.b.; Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, NBauO, 8. Aufl. 2006 § 89 Rdnr. 68). Daher ist neben einem Verstoß gegen nachbarrechtliche Vorschriften zu prüfen, in welchem Umfang der Nachbar durch die angegriffene Maßnahme tatsächlich beeinträchtigt wird (OVG Lüneburg, Urt. v. 9. Oktober 2007 - 1 LB 5/07 -, NVwZ-RR 2008, 374-376 = [...] Rn. 70).
Die Garage der Beigeladenen verstößt gegen die nachbarschützende Vorschrift des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 NBauO, weil sie die danach einzuhaltende Höhe von 3 m überschreitet. Denn die Garage kann gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 1 (1. Variante) NBauO ohne Grenzabstand oder mit einem bis auf 1 m verringerten Grenzabstand gebaut werden und damit den nach § 7 Abs. 3 NBauO einzuhaltenden Abstand von mindestens 3 m unterschreiten, sofern sie neben zwei weiteren Voraussetzungen an die Maße für Fläche und Länge - die hier unstreitig erfüllt sind - die Höhe von 3 m nicht übersteigt. Die Garage übersteigt diese Höhe, im schlimmstmöglichen Fall, um 30 cm.
Gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 NBauO ist die nach den §§ 7 bis 12 a NBauO maßgebliche Höhe der Geländeoberfläche die der gewachsenen Geländeoberfläche. Nach Satz 2 dieser Vorschrift ist eine Veränderung dieser Geländeoberfläche durch Abgrabungen zu berücksichtigen, eine Veränderung durch Aufschüttung dagegen nur, wenn die Geländeoberfläche dadurch an die vorhandene oder genehmigte Geländeoberfläche des Nachbargrundstücks angeglichen wird. Gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 NBauO setzt die Bauaufsichtsbehörde die Höhe der Geländeoberfläche fest, soweit dies erforderlich ist. Dabei kann sie nach Satz 2 dieser Vorschrift unter Würdigung nachbarlicher Belange den Anschluss an die Verkehrsfläche und die Abwasserbeseitigungsanlagen sowie Aufschüttungen berücksichtigen, die wegen des vorhandenen Geländeverlaufs gerechtfertigt sind. Im Ergebnis ist festzustellen, dass maßgeblich nicht die Geländeoberfläche ist, wie sie sich nach Errichtung des genehmigten Bauvorhabens dem Betrachter darstellen wird - zum Beispiel durch Aufschüttungen oder Abgrabungen -, sondern die Geländeoberfläche, wie sie in der Landschaft vor der Bebauung vorgefunden wird.
Eine Festsetzung der Höhe der Geländeoberfläche im Sinne des § 16 Abs. 2 Satz 1 NBauO ist hier nicht erfolgt. Der Beklagte hat diese auch nach Bauausführung durch die Beigeladene nicht festgesetzt; die ursprüngliche Geländeoberfläche war aufgrund von Höhenveränderungen und der Hanglage nicht mehr zweifelsfrei nachzuvollziehen. Der Beklagte ist für den Senat nachvollziehbar und schlüssig zu dem Ergebnis gekommen, dass die Höhe der Garage etwa 3,25 cm hoch ist. Das ergibt sich aus den Messungen, die der Beklagte vor Ort vorgenommen hat sowie aus der Auswertung der von der Beigeladenen vorgelegten Höhenpläne. Danach ist die Garage - gemessen vom derzeitigen Terrain - unstreitig 3,10 m hoch. Da sowohl die Klägerin als auch die Beigeladene auf ihren Grundstücken Boden aufgeschüttet haben, sind die Aufschüttungen der Beigeladenen im Sinne des § 16 Abs. 1 Satz 2 NBauO zu berücksichtigen, soweit die Geländeoberfläche dadurch an die vorhandene Geländeoberfläche der Klägerin angeglichen wurde. Unter Berücksichtigung dieser Angleichung verbleibt eine Höhendifferenz zwischen den Grundstücken von etwa 15 cm, so dass die Garage eine Höhe von 3,25 cm aufweist (Garagenhöhe von 3,10 m + 15 cm verbleibende Höhendifferenz zwischen den beiden Grundstücken). Diese Höhendifferenz wird auch durch die im Rahmen des Ortstermins des Verwaltungsgerichts festgestellten Geländeunterschiede von bis zu 23 cm bestätigt.
Der Senat lässt offen, ob bzw. inwieweit die Klägerin einen Anspruch auf Einschreiten hier überhaupt geltend machen kann, wenn sie - wie aus den Bauunterlagen ersichtlich - auf ihrem Grundstück selbst Aufschüttungen vorgenommen hat und der Umfang der Aufschüttungen nicht mehr mit letzter Bestimmtheit nachvollzogen werden kann. Bei dieser Ausgangslage ist es vor dem Hintergrund, dass sich die ursprüngliche Geländeoberfläche trotz der vorgenommenen Messungen des Beklagten und der von der Beigeladenen vorgelegten Höhenpläne nicht sicher feststellen lässt, unbillig, die bestehende Unsicherheit bei der Bemessung der Höhenüberschreitung allein zu Lasten der Beigeladenen zu berücksichtigen.
Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt ein weiterer Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften wegen der Unterschreitung des Mindestgrenzabstandes von 3 m nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht geprüft, inwieweit die Beigeladene ihre Garage gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 NBauO hätte rechtmäßig bauen dürfen. Denn die Klägerin kann nicht mehr verlangen, als nach den nachbarschützenden Vorschriften und unter (optimaler) Ausnutzung der Grundstücksfläche der Beigeladenen zulässig gewesen wäre. Dabei steht es der Beigeladenen als Bauherrin frei, im Rahmen des baurechtlich Zulässigen ihr Vorhaben nach den konkreten Gegebenheiten und ihren persönlichen Wünschen zu verwirklichen. Der Einwand der Klägerin, die Beigeladene hätte einen rechtmäßigen Alternativbau errichten können, der ihre Interessen (der Klägerin) als Nachbarin weniger beeinträchtigt, greift daher nicht durch (vgl. BVerwG, Beschl. v. 26. Juni 1997 - 4 B 97.97 -, NVwZ-RR 1998, 357 = BRS 59 Nr. 176). Deshalb muss sich die Beigeladene insbesondere nicht auf Rücksicht der Empfindungen der Klägerin damit zufrieden geben, eine Garage mit der Höhe von lediglich 2,40 bis 2,50 m zu errichten. Vielmehr hätte die Beigeladene nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 dieser Vorschrift hier sogar ohne Einhaltung eines Grenzabstandes eine Garage auf der Grenze zum Grundstück der Klägerin errichten dürfen. Der Umstand, dass die Garagenwand einen Abstand von 1,70 m und der Dachüberstand einen Abstand zur klägerischen Grenze von lediglich 70 cm einhält, stellt die Rechtmäßigkeit der Garage daher nicht in Frage. Der Standort ist angesichts § 46 Abs. 1 Satz 2 NBauO nicht zu beanstanden. Das Gebäude steht straßenseitig. Dabei ist es der Beigeladenen sogar gelungen, das eigene Interesse (keine allzu große Inanspruchnahme des insgesamt 900 m2 großen Areals für Garagengebäude) mit den Interessen der Klägerin zu versöhnen, von der Garage nicht allzu sehr beeinträchtigt zu werden. Zum einen nutzt das Garagengebäude nicht annähernd die nach § 12 NBauO zulässige Länge von 9 m aus. Zum anderen reiht die Garage die beiden Stellplätze nebeneinander so nah an die Straße heran, wie dies nach dem Stellplatzrecht angesichts der Pflicht, ausreichend Stauraum zu schaffen, noch zu vereinbaren ist.
Der festgestellte Verstoß gegen die Vorschrift des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 NBauO ist auch nicht als Bagatelle einzustufen, mit der Folge, dass das bauaufsichtliche Einschreiten von vornherein unverhältnismäßig wäre. Das ist nur dann der Fall, wenn eine Grenzbebauung die zulässigen Maße lediglich geringfügig überschreitet, so dass weder öffentliche noch private nachbarliche Belange ernsthaft berührt werden, wenn aber auf der anderen Seite der Bauherr durch einen Rückbau einen schwerwiegenden Schaden erleiden würde (OVG Lüneburg, Urt. v. 16. Mai 1988 - 1 A 23/87 -, [...] Leitsatz; Beschl. v. 17. November 1979 - 1 A 5/70 -, BRS 23 Nr. 198). Geringfügigkeit ist nur bei einer Unterschreitung des Grenzabstandes um wenige Zentimeter anzunehmen (OVG Lüneburg, Urt. v. 29. Oktober 1993 - 6 L 3295/91 -, Entscheidungssammlung der Nds. Justiz = BRS 55, 196 = BauR 1994, 1050 = NdsRpfl. 1984, 22 = [...] Leitsatz und Urt. v. 18. Dezember 1992 - 6 L 26/90 - zur Unterschreitung des Grenzabstandes um weniger als 14 cm). Die Abweichung muss in einer Größenordnung von 6 bis 9 cm vorliegen, die erfahrungsgemäß häufig beim Bau geschieht, etwa durch oberflächliches Ausmessen, unachtsames Schütten der Betonfundamente oder ungenaues Aufmauern (OVG Lüneburg, Urt. v. 16. Mai 1988 - 1 A 23/87 - a.a.O.; vgl. Urt. v. 17. November 1970 - 1 A 5/70 -, BRS 23 Nr. 198). Eine derartige Bagatellverletzung ist bei der Höhenüberschreitung von maximal 30 cm nicht anzunehmen.
Diese Höhenüberschreitung beeinträchtigt die Klägerin allerdings nicht in einem Ausmaß, dass der Beklagte verpflichtet wäre, gegen die Garage der Beigeladenen einzuschreiten. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass eine unzumutbare Beeinträchtigung der Klägerin nicht vorliegt. Für die Beantwortung der Frage, ob diese Verstöße gegen nachbarrechtliche Vorschriften spürbare Beeinträchtigungen hervorrufen, ist nicht allein auf das Ausmaß der Überhöhung abzustellen. Vielmehr ist die tatsächliche Beeinträchtigung unter Würdigung der konkreten Grundstückssituation maßgeblich. Hierfür kommt es auf die konkrete örtliche Situation im Einzelnen an, insbesondere auf die Himmelsrichtung, die übrige Grundstücknutzung auf beiden Seiten, Hanglage und ähnliche Umstände (OVG Lüneburg, Urt. v. 29. Oktober 1993 - 6 L 3295/91 -, a.a.O.). Die Anforderungen an die Beeinträchtigungen dürfen dabei zwar nicht überspannt werden. Ein festes Maß ("ein <halber> Stein") existiert insoweit aber nicht. So kann in beengten Verhältnissen beispielsweise schon die Unterschreitung des Grenzabstandes an sich zu unzumutbaren Beeinträchtigungen führen. Bei entsprechend großzügig geschnittenen Grundstücken bzw. entsprechender Positionierung des rechtswidrigen Gebäudeteils kann aber auch ein voller Meter noch unschädlich sein (Nds. OVG, Beschl. v. 18. Juli 2007 - 1 LA 41/06 -, V.n.b.).
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist auch bei dieser Prüfung auf einen rechtmäßigen Alternativbau abzustellen. Das Verwaltungsgericht hat daher zu Recht den Vergleich angestellt, in welchem Maß die Klägerin bei rechtmäßigem Alternativverhalten der Beigeladenen betroffen gewesen wäre. Demnach könnte die Klägerin nach § 12 Abs. 1 Satz 2 NBauO nichts dagegen einwenden, wenn ihr Blick aus dem Wohnküchenfenster auf eine 3 m hohe Garagengrenzwand fiele. Ferner kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie bei dem Blick aus dem Fenster der Wohnküche nur noch auf die nachbarliche Garagenwand mit dem 1 m langen Dachüberstand sehe, der sich wie eine "Decke" darstelle. Denn die Beigeladene hätte eine 30 cm niedrigere Garage direkt auf die Grenze mit der Folge bauen dürfen, dass die Klägerin auf einen Massivbau hätte sehen müssen. Dieser wäre 70 cm näher an die Klägerin herangerückt und hätte den derzeitigen Zwischenraum unterhalb des Dachüberstandes von 1,70 m vollständig ausgefüllt. Es liegt auf der Hand, dass diese Situation für die Klägerin in Hinblick auf den Eindruck des "Eingemauertseins" jedenfalls nicht vorteilhafter wäre als die von der Beigeladenen errichteten Garage samt 1 m breiten Dachüberstand, der einen Abstand von 70 cm einhält.
Der Senat vermag eine unzumutbare Beeinträchtigung der Klägerin nicht zu erkennen. Er hat in seiner Entscheidung vom 18. Juli 2005 (- 1 LA 308/04 -, V.n.b.) unter Bezugnahme auf die Entscheidung des 6. Senats des OVG Lüneburg vom 29. Oktober 1993 (- 6 L 3295/91 -, a.a.O.) ausgeführt, dass ein Rückbau z.B. dann verlangt werden kann, wenn eine zusätzliche Verschattung von Wohnbereichen eintritt und der Eindruck einer Einmauerung an einer schutzwürdigen Stelle des Wohnbereichs vermittelt wird. Das OVG Lüneburg hat in seiner Entscheidung vom 29. Oktober 1993 festgestellt, dass ein Anspruch auf Einschreiten besteht, sofern die Auswirkungen deutlich wahrnehmbar sind, zu einer zusätzlichen Verschattung des Wohngartens führen und den Eindruck einer Einmauerung an der schutzwürdigen Stelle des Wohnbereichs vermittelt (Urt. v. 29 Oktober 1993, a.a.O.). Er hat diese Voraussetzungen bei einer Überhöhung einer Garage, die die zulässige Höhe an der Grenze um 54 cm und mit dem Dachfirst sogar um 68 cm übersteigt, und die in unmittelbarer Nähe zu der Terrasse des Nachbarn an der Westseite seines Grundstücks - also zur Nachmittagssonne - liegt, als erfüllt angesehen. Zur Begründung hat der 6. Senat ausgeführt:
"Sein Wohngrundstück in ruhiger Stadtrandlage ist durch den Grenzbau der beigeladenen an der empfindlichsten Seite betroffen, nämlich in unmittelbarere Nähe zur Terrasse, von der der Blick in südwestlicher Richtung über freie Landschaft bis zum Höhenzug des Deisters reicht. Die zusätzliche Verschattung in den Abendstunden liegt auf der Hand. Die geringe Breite des Wohngartens des Klägers und die damit verbundene Nähe von Terrasse und Wohnraum zur streitigen Grenzgarage der Beigeladenen lässt deren Überhöhung besonders spürbar machen. Das könnte anders sein, wenn dazwischen noch Platz für ein Nebengebäude oder eine Grundstücksauffahrt verblieben wäre oder die Garage im vorderen Grundstücksbereich stünde, wo sie den rückwärtigen Wohngarten nicht störte (OVG Lüneburg, Urt. v. 20.5.1992 - 1 L 162/90 -)."
Auch hatte das OVG Lüneburg in der Entscheidung vom 16. Mai 1988 (- 1 A 23/87 -, a.a.O.) über eine Überschreitung der zulässigen Länge und einer durch Aufschüttungen bewirkten unzulässigen Höhe einer Garage zu befinden. Es ist zu der Überzeugung gelangt, dass sich die Überschreitung der zulässigen Länge einer Garage um 30 cm für die dortigen Kläger als eine merkliche darstellt. Dabei hat der Senat entscheidungserheblich darauf abgestellt, dass das Grenzgebäude in einer für die dortigen Kläger ungünstigen Himmelsrichtung liegt, an der Westseite ihres Grundstücks, also an der Seite, von der ihr Grundstück die Nachmittagsonne erhält, und in unmittelbarer Nähe ihrer Ruhe und Erholung dienenden Terrasse. Demgegenüber hat der Senat hinsichtlich des deutlichen Höhenunterschieds von einem Meter, der sich aufgrund der Aufschüttungen zwischen den Grundstücken ergeben hat, festgestellt, dass die Garage zwar den Einfall von Licht und Sonne von Westen her nicht unerheblich einschränkt, doch andererseits die sich hieraus ergebenden Nachteile der dortigen Kläger nicht so schwerwiegend sind, dass ihnen gegenüber das Interesse der Beigeladenen an der Vermeidung finanzieller Nachteile vollständig zurücktreten müsste.
Gemessen an dieser Rechtsprechung liegt eine unzumutbare Beeinträchtigung der Klägerin, die den Eindruck des "Eingemauertseins" begründet, nicht vor. Das gilt insbesondere für die im Zulassungsbeschluss aufgeworfene Frage, ob schon die Verstellung eines "restlichen" Blicks auf den Himmel, der bei rechtmäßigem Alternativverhalten frei geblieben wäre, als spürbare Nachbarbeeinträchtigung in dem Sinne gewertet werden kann, dass das Gefühl des "Eingemauertseins" hervorgerufen wird. Denn die nachbarschützenden Abstandsvorschriften, die den Blick in den freien Himmel als Schutzgut beinhalten, sollen lediglich eine "Hinterhofatmosphäre" verhindern, es soll nicht ein Gefühl des "Eingemauertseins" eintreten (OVG Lüneburg, Beschl. v. 2. Juli 1986 - 6 B 65/86 -, BRS 46 Nr. 154). Das Gefühl des "Eingemauertseins" wird hervorgerufen, wenn gleichsam die Luft zum Atmen genommen wird (OVG Lüneburg, Beschl. v. 15. Januar 2007 - 1 ME 80/07 -, BRS 71 Nr. 88) bzw. praktisch nur der Blick auf die Garage bleibt (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 29. September 1988 - 1 A 75/87 -, BRS 48 Nr. 164). Dass es die bislang vorhandene Situation lediglich verändert, reicht hierfür nicht aus. Damit gelten für die Prüfung der Beeinträchtigung, die durch den verstellten Blick in den freien Himmel verursacht werden, die Anforderungen, die der Senat in ständiger Rechtsprechung bei Verstößen gegen nachbarschützende Bauvorschriften an eine spürbare und unzumutbare Beeinträchtigung des Nachbarn stellt.
Danach führt der von der Beigeladenen errichtete Bau weder zu einer zusätzlichen Verschattung des Wohngartens der Klägerin noch ruft er bei ihr den Eindruck einer Einmauerung an einer schutzwürdigen Stelle des Wohnbereichs hervor. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Küchenfenster zur Nordseite liegt, so dass nur ein freier Blick in den naturgemäß wenig belichteten Himmel ermöglicht wird. Auch trifft die Erwägung des Beklagten zu, dass ein solcher Blick aus der Küche jedenfalls weniger schutzwürdig ist als aus einem Wohnraum. Das gilt selbst für den Fall, dass die Küche - wie von der Klägerin vorgetragen - als Essküche genutzt wird. Diese Wertung steht im Einklang mit der DIN für Tageslicht in Innenräumen, die für alle Aufenthaltsräume einschließlich der Arbeitsräume im Sinne der Bauordnungen der Länder gilt. Danach werden die höchsten Anforderungen für Tageslicht in Wohnräumen gestellt. Wohnraum sind alle Aufenthaltsräume einer Wohnung, wie Wohnzimmer, Schlafzimmer, Arbeitszimmer, Kinderzimmer sowie alle Aufenthaltsräume, welche Zwecke dienen, die dem Wohnen vergleichbar sind. Küchen, die primär nicht zum mehr als vorübergehenden Aufenthalt bestimmt sind, gelten hingegen auch dann nicht als Wohnräume, wenn sie durch Einrichten von Ess-, Ruhe- oder Arbeitsplätzen zum zeitweiligen Aufenthalt genutzt werden. Für sie gelten lediglich geringere Anforderungen (DIN 5034-1, Tageslicht in Innenräumen, Teil 1: Allgemeine Anforderungen, Oktober 1999). Da für Küchen geringere Anforderungen für Tageslicht in Innenräumen gestellt werden, muss dies erst recht für den freien Blick in den Himmel gelten. Ungeachtet dessen ist der Blick auf den freien Himmel bereits aufgrund der konkreten Anordnung des Esstisches und der Küchenzeile bloß eingeschränkt gegeben und damit entsprechend weniger schutzwürdig. Denn der Esstisch steht in dem vom Fenster abgewandten Bereich der Küche. Das bestätigen die Bauzeichnungen und die zur Akte gereichten Fotos, wonach die Klägerin die Spüle samt Arbeitsplatte direkt vor dem Fenster installiert hat. Demnach besteht vom Esstisch betrachtet ein Blick - in stehender bzw. sitzender Position - lediglich aus der Mitte des Raumes heraus. Aufgrund dieses Blickwinkels ist die Sicht aus dem Fenster zwingend kleiner als die Sicht direkt vor dem Fenster.
Gegen die Annahme, dass bei der Klägerin der Eindruck des "Eingemauertseins" entsteht, sprechen ferner, dass sensible Wohnbereiche nicht betroffen sind, die Breite zwischen Küchenfenster und Grenze, die Verortung der Küche im vorderen Gebäudeteil, die Größe des Grundstücks und der Umstand, dass die Privatsphäre der Klägerin nicht tangiert wird. Die Garage liegt nicht in unmittelbarer Nähe zu sensiblen Wohnräumen der Klägerin. Der rückwärtige Wohnraum, die Terrasse bzw. der Garten liegen auf der Süd- und Westseite des klägerischen Grundstücks und werden durch die Garage nicht beeinträchtigt. Daher bieten diese Bereiche auf dem etwa 900 m2 großen Grundstück genügend unbeeinträchtigte Rückzugsflächen. Westlich der Küche schließen sich lediglich die Haustür und zwei Badfenster an. Zwischen der Garage und dem Küchenfenster verbleibt ein nicht unerheblicher Abstand von 5,70 m, zwischen Küchenfenster und Dachüberstand von immerhin 4,70 m. Auf der Grundstücksseite der Klägerin beträgt der Abstand zwischen Fenster und Grenze 4 m. Im Übrigen bleibt der angemessene Schutz der Privatsphäre der Klägerin gewahrt, weil die Nutzung der Garage insoweit zu keinen Einbußen führt. Zumal das Garagentor nicht in Richtung des klägerischen Gebäudes geöffnet wird.
Der Senat braucht die im Zulassungsbeschluss aufgeworfene Frage, ob der (normalerweise nicht 45 nach oben gerichtete) Blick aus dem Küchenfenster bei der jetzigen Bauausführung "wohl" weniger Himmel zeigt als bei einer gedachten 3 m hohen Grenzgarage, nicht beantworten. Die jetzige Bauausführung der Garage ruft auch bei unterstellter weiterer Beschränkung des Blickes aus dem Küchenfenster auf den freien Himmel nicht das Gefühl des "Eingemauertseins" hervor. Allein der Umstand, dass eine alternative, rechtmäßige Garage maximal 30 cm niedriger erbaut worden wäre, vermag das Gefühl des "Eingemauertseins" nicht zu begründen. Denn die Klägerin müsste in diesem Fall direkt auf eine 3 m hohe Garagengrenzwand blicken. Dies wäre für die Klägerin in Hinblick auf die Belichtung ihres Küchenfensters deutlich nachteiliger. Insoweit hat der Beklagte - wohl in Bezug auf gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse im Sinne des § 1 Abs. 2 NBauO als Schutzgut der Abstandsvorschriften - auf einen Lichteinfallswinkel von 45 abgestellt, wobei er sich offenbar an einem Maßstab für die Mindestbelichtung von notwendigen Fenstern orientiert (vgl. dazu Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, NBauO, 8. Aufl. 2006, § 12 Rdnrn. 7 und 46 sowie Abbildung 5, OVG Lüneburg, Beschl. v. 30. März 1999 - 1 M 879/99 -, BRS 62 Nr 190 = [...] 75). Dieser Winkel wird von der Unterkante des Küchenfensters (bzw. normaler Brüstungshöhe) zum Rand des Dachvorsprungs deutlich eingehalten. Der Beklagte führt diesen Gedanken nun weiter, indem er nicht die Unterkante des Fensters als feststehenden Bezugspunkt nimmt, sondern die Oberkante des Nachbargebäudes in seiner realen und einer gedachten Ausprägung. Unter diesem Gesichtspunkt ist die reale Bauausführung der Garage für die Klägerin tatsächlich günstiger als eine 3 m hohe Grenzgarage; sie beschränkt mit ihrem Dachüberstand auch bei einer maximalen Höhe von 3,30 m den Lichteinfall aus 45 nur wie eine 2,60 m hohe Grenzgarage, weil der Dachüberstand 70 cm von der Grenze zurückbleibt. Dieser Nachteil sowie der Umstand, dass die Klägerin auf eine lediglich 4 m weit entfernte und 3 m hohe Grenzmauer blicken würde, ist bei der anzustellenden Gesamtbetrachtung der nachbarlichen Beeinträchtigung mit einzustellen. Dabei ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass der Blick in den freien Himmel ungeachtet des Garagenbaus ohnehin "vorbelastet" ist. Der Blick in den freien Himmel ist nämlich bereits aufgrund der genehmigten Wohnhausbebauung auf dem Grundstück der Beigeladenen nicht unwesentlich beschränkt. Das belegen die von der Klägerin vorgelegten Fotos eindrucksvoll.
Die Klägerin kann nicht mit Erfolg geltend machen, dass selbst eine baurechtskonform errichtete Garage in besonderen Fällen gegen das Verbot der unzumutbaren Belästigungen nach § 1 Abs. 1 NBauO verstoßen könne, sofern sie an einem für den Nachbarn besonders sensiblen Standort gebaut wird bzw. von den Abstandsvorschriften in rücksichtsloser Weise Gebrauch gemacht werde. Denn eine derartige Beeinträchtigung der Klägerin liegt hier gerade nicht vor.
Der Beklagte hat sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Ein Ermessensfehler wäre allenfalls anzunehmen, wenn der Versuch der Behörde, ihr Nichteinschreiten zu rechtfertigen, in seinen Begründungselementen über diesen Zweck hinausschießt und dem Emittenten durch übermäßige Bagatellisierung seines Verhaltens gleichsam signalisiert, er könne machen, was er wolle; eingeschritten werde nicht (OVG Lüneburg - 1 LB 5/07-, Entscheidungssammlung der Nds. Justiz; OVG Lüneburg, Beschl. v. 18. Juli 2005 - 1 LA 308/04 -, V.n.b.). Das ist hier nicht der Fall. Der Beklagte ist der Anzeige der Klägerin in sachlich gebotener Form nachgegangen und hat seine Entscheidung ausführlich sowie zutreffend begründet.