Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 27.02.2012, Az.: 12 LA 75/11

Zumutbarkeitsgrenze für Immissionswerte bei der Errichtung einer Hähnchenmastanlage

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
27.02.2012
Aktenzeichen
12 LA 75/11
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2012, 11289
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2012:0227.12LA75.11.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Osnabrück - 24.01.2011 - AZ: 2 A 164/09

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Eine (immissionsschutzrechtliche) Genehmigung verletzt einen Nachbarn nur dann in seinen Rechten, wenn sie mit öffentlichrechtlichen Vorschriften unvereinbar ist, die zumindest auch seinem Schutz dienen. 2.
    Bei einer prognostizierten Geruchsimmissionshäufigkeit von maximal 9% der Jahresstunden für ein Wohnhaus durch Masthähnchenställe wird die Zumutbarkeitsgrenze nicht überschritten.

  2. 3.

    Eine fehlerfrei gestellte und ausreichende Immissionsprognose wird nicht im Nachhinein allein deshalb fehlerhaft und rechtswidrig, weil neuere und bessere Erkenntnisse zu einer veränderten Beurteilung führen.

Gründe

1

Gegenstand des Verfahrens ist eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb eines Hähnchenmaststalls, die dem Rechtsvorgänger der Beigeladenen erteilt und mit zwei Genehmigungsbescheiden geändert worden ist.

2

Die Beigeladene betreibt an ihrem Betriebsstandort in D., nördlich der Straße "E.", Hähnchenmast. Bereits im Jahr 1998 erhielt ihr Rechtsvorgänger eine (bestandskräftige) Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb eines Hähnchenmaststalles mit 39.000 Mastplätzen. Im Februar/März 2002 beantragte er, ihm eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb eines weiteren Hähnchenmaststalls mit 37.800 Plätzen, von drei Futtermittelsilos, einem Stahlbeton-Erdbehälter zum Auffangen von Reinigungswasser, einer Strohlagerhalle sowie einer Abluftreinigungsanlage für das bestehende und das neue Stallgebäude zu erteilen.

3

Der Kläger bewohnt ein Hausgrundstück an der Südseite der Straße "E.". Die Entfernung zwischen der nördlichen Grenze seines Grundstücks und der südlichen Front des in West-Ost-Richtung gelegenen vorhandenen Stalls beträgt ca. 80 m, zu der Front des neuen (bereits errichteten) Stallgebäudes ca. 115 m. Zur Entscheidung über die Genehmigung lag dem Beklagten u.a. eine Schallimmissionsprognose des Ingenieurbüros F. vom 14. Oktober 2002, ein Gutachten zur Emission und Immission von Gerüchen von Prof. Dr. G. und Dipl.-Ing. H. vom 5. März 2002 sowie deren weitere gutachterliche Stellungnahme vom 12. Oktober 2002 zu Staub- und Keimemissionen vor.

4

Mit dem hier angegriffenen (Ausgangs-)Bescheid vom 28. Mai 2003 erteilte der Beklagte, nachdem er zuvor das von der Standortgemeinde versagte Einvernehmen ersetzt und diese ihren Widerspruch dagegen zurückgenommen hatte, dem Rechtsvorgänger der Beigeladenen die begehrte Genehmigung unter Beifügung zahlreicher Bedingungen und Auflagen. Darin heißt es u.a., dass die neu zu errichtenden Abluftreinigungsanlagen zwischen dem vorhandenen und dem neu zu errichtenden Stall zu positionieren und entsprechend dem vorgelegten Konzept in drei Stufen (zwei Stufen als Abluftwäscher, dritte Stufe als Biofilter) zu erstellen seien und vorgegebene Emissionsminderungsgrade (u.a. Geruch 80%, Gesamtstaub 90%, Ammoniak 85%) durch die Anlage erfüllt werden müssten.

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Der Kläger legte gegen diese Genehmigung Widerspruch ein und beantragte, ihm vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren, nachdem der Beklagte auf einen entsprechenden Antrag des Rechtsvorgängers der Beigeladenen die sofortige Vollziehung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung angeordnet hatte. Diesen Antrag lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 20. Januar 2005 - 2 B 31/04 - ab. Die Beschwerde des Klägers blieb vor dem seinerzeit zuständigen 7. Senat des beschließenden Gerichts erfolglos (Beschl. v. 22.9.2005 - 7 ME 30/05 -).

6

Bevor der Beklagte über den Widerspruch des Klägers gegen den angefochtenen Bescheid entschieden hatte, stellte der Rechtsvorgänger der Beigeladenen im Jahr 2006 einen Änderungsantrag, der auf die Errichtung und den Betrieb eines Technikraumes, eines Heizungsraumes und eines Holzlagersilos für Trockenschnitzel zielte. Zweck der Maßnahmen war insbesondere eine Holzhäckselheizung, deren Abluft ausweislich der den Antragsunterlagen beigefügten Gutachten der Firma I. Immissionsschutz GmbH (Bearbeiter: Dipl.-Ing. H.) vom 18. April und 21. August 2006 über die Abluftreinigungsanlage der Ställe abgeführt werden sollte. In diesen Gutachten wird ein von der ursprünglichen Genehmigung abweichendes Wäschersystem bezeichnet und zur Grundlage von Berechnungen gemacht, dessen Wirkungsgrade bei Gerüchen, Staub und Ammoniak niedriger liegen als in der Ursprungsgenehmigung festgesetzt. Nach Prüfung der gutachtlichen Bewertungen durch das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt Hildesheim -Zentrale Unterstützungsstelle Luftreinhaltung und Gefahrstoffe (ZUS LG) - mit Stellungnahme vom 5. Oktober 2006 erteilte der Beklagte daraufhin unter dem 13. November 2006 in Ergänzung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 28. Mai 2003 eine immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigung und erklärte darin u.a. die vorgelegten Gutachten zum Bestandteil der Genehmigung.

7

Die Beigeladene berichtete mit Schreiben vom 30. Oktober 2007 an den Beklagten über technische Probleme, die durch den Anschluss der Heizung an den Wäscher entstanden seien und nach fachlicher Beratung durch die Errichtung eines Rauchgasschornsteins - wie im Gutachten der I. Immissionsschutz GmbH vom 17. Oktober 2007 ausgeführt - behoben werden sollten. Daraufhin erteilte der Beklagte am 22. Januar 2009 in Ergänzung zu den Genehmigungsbescheiden vom 28. Mai 2003/13. November 2006 einen (weiteren) immissionsschutzrechtlichen Änderungsbescheid, der die Errichtung und den Betrieb eines Abgasschornsteins mit einer Abluftschachthöhe von 13 m für die Holzhäckselheizung zum Gegenstand hat und das Immissionsschutzgutachten der I. Immissionsschutz GmbH vom 17. Oktober 2007 zum Bestandteil der Genehmigung erklärt.

8

Der Kläger legte gegen beide Änderungsbescheide vom 13. November 2006 und 22. Januar 2009 jeweils Widerspruch ein, ohne diese zu begründen. Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Mai 2009 wies der Beklagte die Widersprüche des Klägers gegen die Ursprungsgenehmigung vom 23. Juni 2003 und die beiden Änderungsgenehmigungen als unbegründet zurück.

9

Mit dem im Tenor bezeichneten Urteil hat das Verwaltungsgericht die daraufhin erhobene Anfechtungsklage des Klägers abgewiesen und zur Begründung unter Bezugnahme auf die Gründe der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ergangenen Entscheidungen im Wesentlichen ausgeführt: Soweit es Geruchsimmissionen angehe, habe sich im weiteren Verlauf des Verfahrens gezeigt, dass das Wäschersystem, das dem Ausgangsbescheid zugrunde liege, tatsächlich nicht verwirklicht worden sei, weil es offensichtlich die vom Hersteller geweckten Erwartungen an seine Effizienz nicht erfüllen konnte. Der Kläger weise auch zutreffend darauf hin, dass die im Ausgangsbescheid vom 28. Mai 2003 festgesetzten Emissionsminderungsgrade von 80% bei Geruch, 90% bei Gesamtstaub und 85% bei Ammoniak nicht eingehalten würden. Ausweislich der zitierten I. -Gutachten liege die vom tatsächlich eingebauten System erbrachte Leistung vielmehr lediglich bei 70% (Geruch), 80 - 90% (Staub) und 60% (Ammoniak). Damit sei für den Kläger gleichwohl nichts gewonnen. Durch die - vom Kläger inhaltlich nicht angegriffenen - I. -Gutachten sei zunächst klargestellt, dass die von ihm in der mündlichen Verhandlung aufgestellte Behauptung, die Abluft aus den Ställen gelange nach Einrichtung der Holzschnitzelheizung völlig ungereinigt in die Umwelt, nicht zutreffe, jedenfalls - und das sei für dieses Verfahren maßgeblich - eine solche Behandlung der Abluft nicht der Genehmigungslage entspräche. Vielmehr sei das mit der ersten Änderungsgenehmigung zusammengefasste Abluftsystem für Ställe und Heizung mit der zweiten Änderungsgenehmigung wieder entkoppelt worden, was nichts daran ändere, dass die Mastanlagen über ein Abluftreinigungssystem verfügten und nach der Genehmigung mit Nachträgen verfügen müssten. Dass dieses nicht die Emissionsminderungsgrade erreiche, die im Ausgangsbescheid festgesetzt worden waren, sei in Bezug auf eine etwaige Rechtsverletzung des Klägers unschädlich. Zum einen sei diesbezüglich in den Blick zu nehmen, dass die ursprünglich festgesetzten (höheren) Emissionsminderungswerte auf die von der tatsächlich installierten Wäscheranlage geleisteten (geringeren) Werte dadurch herabgesetzt worden seien, dass die I. -Gutachten vom 18. April und 21. August 2008 (gemeint: 2006) einschließlich der darin für die Ausbreitungsberechnung maßgeblichen Prämissen zum Inhalt der ersten Änderungsgenehmigung gemacht worden und damitdiese Werte für den Betrieb der Anlage nunmehr verbindlich seien, insoweit also die Genehmigung dem tatsächlichen Leistungsvermögen der abweichend von der Ursprungsgenehmigung eingebauten Reinigungsanlage angepasst worden sei. Maßgeblich sei aber folgendes: Ein Nachbar sei - unabhängig von der Höhe der von der Behörde festgesetzten Werte - nur dann in eigenen Rechten verletzt, wenn er durch den Betrieb der Anlage in unzumutbarer Weise Immissionen ausgesetzt werde. Wenn das nicht der Fall sei, sei er nicht beschwert, auch wenn die in der Genehmigung festgesetzten Werte nicht eingehalten würden (das wäre allerdings Anlass für die Genehmigungsbehörde einzuschreiten, weil die Anlage dann nicht genehmigungskonform betrieben würde). Hier ergebe sich aus den zahlreichen im Laufe des Genehmigungsverfahrens eingeholten Gutachten und Stellungnahmen sowie der ebenfalls erwähnten Plausibilitätskontrolle der ZUS LG Hildesheim, dass das Vorhaben auch in der letztendlich ausgeführten Form so betrieben werden könne, dass die zum Schutz der Nachbarschaft und damit auch des Klägers zulässigen Höchstwerte im Hinblick auf Gerüche, Ammoniak und Staub eingehalten würden, der Kläger also bei dem Betrieb der Anlage unter Berücksichtigung der in den Gutachten vorgesehenen Bedingungen nicht in eigenen Rechten verletzt sei. Die Richtigkeit dieser Gutachten unter den dort angenommenen Prämissen und Parametern habe der Kläger nicht in Frage gestellt. Insoweit zielten seine Angriffe wohl auch stets mehr auf seinen Eindruck ab, dass die Geschäftsleitung der Beigeladenen unzuverlässig sei und die Anlage abweichend von den Genehmigungen betreibe. Eine etwaige Unzuverlässigkeit des Betreibers einer solchen Anlage aber stelle die Rechtmäßigkeit der Genehmigung nicht in Frage, weil der Antrag auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung allein unter anlagebezogenen und nicht (auch) personenbezogenen Gesichtspunkten zu beurteilen sei. Sollten demzufolge die Grundstücke des Klägers doch in nicht hinnehmbarer Weise Immissionen ausgesetzt seien (wogegen immerhin die Abnahmemessung der BUB vom 28. November 2007 spreche), wäre dies einem (aus welchem Grund auch immer) nicht ordnungsgemäßen Betrieb der Anlage zu schulden. Dies wäre aber keine Frage, die in dem hier zur Entscheidung stehenden Klageverfahren zu beantworten sei, in dem es allein darum gehe, ob der Kläger durch die Anlage, so wie sie genehmigt worden sei, in eigenen Rechten verletzt werde. Das sei nach den vorstehenden Erwägungen nicht der Fall.

10

II.

Der gegen dieses Urteil gerichtete Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, der besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache sowie der Verfahrensmangelhaftigkeit sind nicht hinreichend dargelegt und/oder der Sache nach nicht gegeben.

11

1. Zur Begründung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) macht der Kläger geltend: Die Argumentation des Verwaltungsgerichts, dass er unabhängig von der Einhaltung der (ursprünglichen) Genehmigungsauflagen nicht in seinen Rechten verletzt sei, weil bei ihm nach gutachtlicher Beurteilung keine Geruchsimmissionen ankämen, die über den Werten der Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) lägen, sei nicht aufrechtzuerhalten. Die in den ersten Gutachten prognostizierte Reinigungsleistung, die als Grundlage für die Immissionsbelastung der Nachbarschaft genommen worden sei, habe korrigiert werden müssen. Die Aussagen eines solchen Gutachtens, das seine eigenen Voraussetzungen nicht einhalten könne, seien aber nicht mehr plausibel und nachvollziehbar. Auch das Gutachten der J. GmbH (BUB) könne den Nachweis der Reinigungsleistung nicht erbringen. Mit diesem Vorbringen vermag der Kläger ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nicht zu begründen.

12

Im Fall der Anfechtung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung durch Dritte kommt es grundsätzlich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Genehmigungsbescheides in Gestalt des Widerspruchsbescheides an (vgl. nurBVerwG, Beschl. v. 23.4.1998 - 4 B 40.98 -, NVwZ 1988, 1179; v. 11.1.1991 - 7 B 102.90 -, UPR 1991, 235 [BVerwG 11.01.1991 - BVerwG 7 B 102.90]). Mithin stellt sich die Frage, ob in diesem maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt die Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigung vorlagen, das Vorhaben insbesondere nicht geeignet ist, schädliche Umwelteinwirkungen hervorzurufen (§ 6 Abs. 1 Nr. 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG). Dabei verletzt eine Genehmigung einen Nachbarn nur dann in seinen Rechten, wenn sie mit öffentlichrechtlichen Vorschriften unvereinbar ist, die zumindest auch seinem Schutz dienen. Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass derartige Rechte des Klägers hier nicht verletzt werden. Dagegen bringt der Kläger mit seinem Zulassungsantrag durchgreifende Gründe nicht vor.

13

Der den Genehmigungsgegenstand bildende Hähnchenmaststall mit 37.800 Plätzen ist zusammen mit den ferner genehmigten Anlagenteilen und der bereits zuvor errichteten Stallanlage in der Form zu betreiben, wie sie Inhalt der Ausgangsgenehmigung vom 28. Mai 2003 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 13. November 2006 und 22. Januar 2009 ist. Auf diese drei Genehmigungsbescheide bezieht sich auch der am 14. Mai 2009 ergangene Widerspruchsbescheid des Beklagten. Deshalb hat das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden, dass es für die rechtliche Beurteilung auf die Emissionsminderungsgrade der eingebauten zweistufigen Wäscheranlage ankommt, wie sie in den I. -Gutachten vom 18. April und 21. August 2006 und der darin enthaltenen Ausbreitungsrechnung zugrunde gelegt werden und mit diesen Prämissen zum Inhalt der ersten (und zweiten) Änderungsgenehmigung gemacht worden sind. Das Verwaltungsgericht hat insoweit ferner festgestellt, dass sich aus den zahlreichen im Laufe des Verfahrens eingeholten Gutachten und Stellungnahmen ergebe, dass die zum Schutz der Nachbarschaft und damit auch des Klägers zulässigen Höchstwerte im Hinblick auf Gerüche, Ammoniak und Staub eingehalten würden. Die Belastbarkeit dieser Gutachten hat der Kläger zwar allgemein bezweifelt, aber nicht fundiert angegriffen. Der Umstand, dass sich die zunächst vorgesehene Abluftreinigung in Form von drei Reinigungsstufen, wobei die ersten beiden als Abluftwäscher ausgebildet und die dritte Stufe als Biofilter erstellt werden sollten, offenbar nicht als praktikabel erwiesen hat, ändert an der rechtlichen Bewertung des Verwaltungsgerichts nichts. Insoweit ist zum einen darauf hinzuweisen, dass eine zunächst fehlerfrei gestellte und ausreichende Immissionsprognose nicht im Nachhinein allein deshalb fehlerhaft und rechtswidrig wird, weil neuere und bessere Erkenntnisse zu einer veränderten Beurteilung führen. Davon abgesehen ist in der hier vorliegenden Konstellation maßgeblich, ob der Kläger befürchten muss, durch den Betrieb der Hähnchenmastanlage auf der Grundlage der angefochtenen Genehmigungsbescheide schädlichen Umwelteinwirkungen ausgesetzt zu werden. Das ist nach den überzeugenden und vom Kläger nicht erschütterten Ausführungen des Verwaltungsgerichts nicht der Fall.

14

Insoweit soll hier lediglich ergänzend bemerkt werden, dass bereits in dem Gutachten zur Immissionssituation von Prof. Dr. G. und Dipl.-Ing. H. vom 5. März 2002 auch eine Abluftreinigung in Form eines zweistufigen Nasswäschers mit einem Geruchswirkungsgrad von 70% betrachtet worden ist und die darauf bezogene Ausbreitungsrechnung zu dem Ergebnis geführt hat, dass Geruchsimmissionshäufigkeiten von bis zu 19% der Jahresstunden auftreten werden. Dabei handelte es sich um einen Maximalwert, der an der ungünstigsten Stelle im Nordosten der Masthähnchenställe erreicht wird, während an dem nicht in Hauptwindrichtung gelegenen Wohngrundstück des Klägers für diesen Fall eine Geruchsimmissionshäufigkeit von maximal 9% der Jahresstunden prognostiziert wurde. Damit wird die Zumutbarkeitsgrenze nicht überschritten. Die Untersuchung kam zugleich zu der Erkenntnis, dass sich die Lage gegenüber dem bis dahin vorhandenen Zustand verbessern werde. Die Ausbreitungsrechnung hatte nämlich für den Istzustand an dem Wohngrundstück des Klägers eine Immissionshäufigkeit von maximal 15% der Jahresstunden ergeben. Durchgreifende Anhaltspunkte dafür, dass die eingebaute Abgasreinigungsanlage die zum Inhalt der Änderungsgenehmigungsbescheide gemachten Emissionsminderungsgrade von 70% für Geruch, 80% - 90% für Staub und 60% für Ammoniak nicht gewährleisten kann, haben sich nicht feststellen lassen. Sie finden sich auch nicht in dem Bericht der Braunschweiger Umwelt-Biotechnologie GmbH (BUB) vom 28. November 2007 über die Abnahmemessung an der Abluftreinigungsanlage des Betriebs der Beigeladenen. Hinsichtlich der Staubimmissionssituation ist zudem der Ausbreitungsrechnung der I. Immissionsschutz GmbH vom 17. Oktober 2007 zu entnehmen, dass bei Errichtung eines 13 m-Kamins für die Holzhäckselheizung, wie sie Ge-genstand des zweiten Änderungsbescheides vom 22. Januar 2009 geworden ist, die maßgeblichen Immissionswerte der TA Luft unter Einschluss der Vorbelastungen nicht überschritten werden. Auch dagegen bringt der Kläger fundierte Einwände nicht vor. Im Übrigen hat bereits das Verwaltungsgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass etwaige Beeinträchtigungen, die einem nicht genehmigungskonformen und ordnungsgemäßen Betrieb der Anlage geschuldet wären, nicht in diesem Rechtsstreit über die Rechtmäßigkeit der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen Bedeutung gewinnen könnten, sondern im Zuge der Anlagenüberwachung zu bewerten und gegebenenfalls abzustellen wären.

15

2. Die Begründung des Zulassungsantrags zeigt keine entscheidungserheblichen besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang bemerkt, dass von einem Betreiber vorgelegte Gutachten rechtlich als Parteivortrag zu behandeln seien, ist ihm zwar zuzustimmen, das bedeutet aber nicht, dass Privatgutachten dem Gericht nicht die notwendige Sachkunde vermitteln und zur Grundlage einer Entscheidung gemacht werden können. Jedenfalls reicht es aber nicht aus, gutachtlichen Feststellungen einer anerkannten sachverständigen Stelle im Sinne des§ 26 BImSchG Zweifel und Bedenken allgemeiner Art entgegenzuhalten, und trifft es - anders als der Kläger meint - insbesondere nicht zu, dass insoweit ein reines Bestreiten ausreichend sei, um eine (weitere) Beweiserhebung zu veranlassen.

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3. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur dann zu, wenn sie in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht eine Frage aufwirft, die im Rechtsmittelzug entscheidungserheblich und fallübergreifender Klärung zugänglich ist sowie im Interesse der Rechtseinheit geklärt werden muss. Der Zulassungsantrag muss eine konkrete Frage aufwerfen, deren Entscheidungserheblichkeit erkennen lassen und zumindest einen Hinweis auf den Grund enthalten, der das Vorliegen der grundsätzlichen Bedeutung rechtfertigen soll. Das Vorbringen des Klägers wird diesen Anforderungen nicht einmal andeutungsweise gerecht. Davon abgesehen ist ein irgendwie gearteter (weiterer) Klärungsbedarf in dem hier zu fordernden Sinn auch sonst nicht ersichtlich.

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4. Das angefochtene Urteil beruht auch nicht auf einem Verfahrensmangel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO. Die Rüge des Klägers, das Verwaltungsgericht habe die in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge rechtsfehlerhaft abgelehnt, ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Beweisanträge mit der Begründung abgelehnt, es gehe im vorliegenden Verfahren allein um die Rechtmäßigkeit der Genehmigungsbescheide und darum, ob der Kläger in eigenen Rechten verletzt sei. Die zum Beweis gestellten Tatsachen und Behauptungen beträfen aber den Betrieb der Anlage. Ob die Anlage so betrieben werde, wie sie genehmigt worden sei, sei nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Die so begründete Ablehnung der Beweisanträge ist auf der Grundlage der zutreffenden rechtlichen Bewertung durch das Verwaltungsgericht nicht zu beanstanden. Ein Abweichen des Betriebs von der Genehmigungslage und insoweit bestehende Defizite ließen die Rechtmäßigkeit der erteilten Genehmigungen unberührt und wären im Rahmen der Anlagenüberwachung zu beheben. Anhaltspunkte dafür, dass die Anlage - so wie sie genehmigt worden ist - nicht im Einklang mit den immissionsschutzrechtlichen Anforderungen betrieben werden kann, sind nach den vorliegenden Gutachten und Stellungnahmen nicht ersichtlich. Auch mit Blick auf den Bericht der BUB vom 28. November 2007 über die durchgeführte Abnahmemessung am 28. September/19. November 2007 musste sich dem Verwaltungsgericht eine Beweisaufnahme nicht aufdrängen. Der mit den Beweisanträgen zu 2. und 3. beantragte Zeugenbeweis stellte im Übrigen angesichts des bezeichneten Beweisgegenstandes ein geeignetes Beweismittel nicht dar, denn für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage kann es insoweit nicht auf subjektive Wahrnehmungen einzelner Nachbarn ankommen.