Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 08.02.2012, Az.: 19 LD 10/09
Entfernung eines Universitätsprofessors aus dem Beamtenverhältnis wegen des innerdienstlichen Sichverschaffens und Besitzes kinderpornografischer Dateien
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 08.02.2012
- Aktenzeichen
- 19 LD 10/09
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2012, 15249
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2012:0208.19LD10.09.0A
Verfahrensgang
Rechtsgrundlagen
- § 184b Abs. 4 S. 2 StGB
- § 34 S. 1 BeamtStG
- § 14 Abs. 1 S. 1, 2, 4 NDiszG
Fundstelle
- NdsVBl 2012, 182-184
Amtlicher Leitsatz
Zur Entfernung eines Universitätsprofessors aus dem Beamtenverhältnis wegen des innerdienstlichen Sichverschaffens und Besitzes kinderpornografischer Dateien
Tatbestand
Der Beklagte wendet sich im Berufungsverfahren gegen seine vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.
Der am geborene Beklagte wurde nach seinem Pharmaziestudium und seiner Promotion von 197 bis September 198 als wissenschaftlicher Assistent am G. Institut der Universität H. beschäftigt. Von Oktober 198 bis September 198 wurde er als Hochschulassistent an der Universität H. in ein Beamtenverhältnis auf Zeit berufen, wobei er sich in diesem Zeitraum habilitierte. Danach übte er von Oktober 198 bis Ende 199 im Rahmen eines Forschungsstipendiums eine Forschungstätigkeit an der I. in J. aus. Mit Wirkung vom 1. Januar 199 wurde er unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Universitätsprofessor für das Fach K. bei der Klägerin ernannt und zum 1. Januar 200 zum Direktor der Abteilung L. bestellt.
Der Beklagte ist verheiratet und Vater dreier, inzwischen erwachsener Kinder. Bis zu den Vorgängen, die Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind, ist er weder disziplinarrechtlich noch strafrechtlich in Erscheinung getreten.
Mit Verfügung vom 14. September 200 leitete die Klägerin gegen den Beklagten ein Disziplinarverfahren wegen des Verdachts ein, von seinem Dienstcomputer auf kinderpornografische Bilddateien zurückgegriffen zu haben. Nach Recherchen des Landeskriminalamts M. sei von einem bestimmten Rechner des Bereichs N. Zugriff auf kinderpornografische Webseiten genommen worden, wobei sich der Rechner in dem Dienstzimmer des Beklagten befinde und dieser als alleiniger Nutzer registriert sei. Mit Verfügung vom 16. Oktober 200 setzte die Klägerin das Disziplinarverfahren mit Blick auf inzwischen eingeleitete staatsanwaltschaftliche Ermittlungen aus und nahm dieses mit Schreiben vom 2. April 200 wieder auf. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 17. Januar 200 enthob die Klägerin den Beklagten vorläufig des Dienstes und ordnete die sofortige Einbehaltung seiner Bezüge in Höhe von 25 v. H. an.
Mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 21. Februar 200 wurde gegen den Beklagten wegen des Besitzes und des Verschaffens von kinderpornografischen Schriften eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen in Höhe von jeweils 100,-- EUR, insgesamt also 9.000,-- EUR verhängt. Ihm wurde zur Last gelegt, über seinen im Büro des Fachbereichs L. des Klinikums O. stehenden dienstlichen Computer insbesondere über die Seiten
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Zugriff auf Dateien mit kinderpornografischen Bildern und Videos genommen, solche Dateien heruntergeladen und auf seinem Dienstrechner gespeichert zu haben. Bei einer Durchsuchung und Datensicherung auf diesem Rechner am 25. September 200 seien 58 Bild- und 68 Videodateien mit kinderpornografischem Inhalt festgestellt worden. Der Beklagte habe sich deshalb nach §§ 184 b Abs. 4, 11 Abs. 3, 52, 54 StGB strafbar gemacht.
Der in dem vorangegangenen und vom Beklagten mit einem Einspruch angefochtenen Strafbefehl vom 18. September 200 darüber hinaus erhobene Vorwurf, auch auf seinem privaten Computer kinderpornografische Bild- und Videodateien aufgerufen, heruntergeladen und auf der Festplatte seines PCs gespeichert zu haben, wurde in dem zweiten Strafbefehl nicht mehr aufrechterhalten.
Bereits bevor das Strafverfahren abgeschlossen war, hat die Klägerin am 27. Juli 200 Disziplinarklage erhoben und zur Begründung ausgeführt, dass der Beklagte sowohl auf seinem dienstlichen wie auch auf seinem privaten Computer kinderpornografische Bild- und Videodateien heruntergeladen und gespeichert habe. Im Rahmen der strafrechtlichen Ermittlungen seien auf seinem dienstlichen Computer 58 Bild- und 68 Videodateien mit kinderpornografischem Inhalt festgestellt worden, während auf seinem privaten Computer 78 Dateien kinderpornografischen Inhalts gefunden worden seien. Dabei sei die Beschaffung der Dateien teilweise gegen Entgelt und unter Einsatz der Kreditkarte des Beklagten erfolgt. Durch die Begehung einer nach § 184 b StGB geahndeten Straftat habe er zugleich ein schweres Dienstvergehen gemäß § 85 Abs. 1 NBG begangen, dessen disziplinarrechtliche Maßregelung nur in der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis gesehen werden könne. Der Beklagte habe durch sein Verhalten erhebliche Persönlichkeitsmängel offenbart und das Vertrauen seines Dienstherrn in seine Zuverlässigkeit und moralische Integrität von Grund auf zerstört. Das Beschaffen und der Besitz kinderpornografischer Bilder trage dazu bei, dass wehrlose Kinder angesichts der Existenz eines entsprechenden Marktes für derartige Darstellungen sexuell missbraucht würden und durch die Veröffentlichung und Verbreitung der Bilder fortlaufend in ihr Persönlichkeitsrecht eingegriffen werde. Von einem Beamten könne erwartet werden, dass er die Strafgesetze achte und insbesondere nicht gegen Normen verstoße, die dem Schutz von Kindern und Jugendlichen dienten. Sexualstraftaten gegenüber Kindern und Jugendlichen seien besonders geeignet, das Ansehen des Beamtentums in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen und das Vertrauen des Dienstherrn zu zerstören.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.
Der Beklagte hat beantragt,
auf eine Kürzung seiner Dienstbezüge zu erkennen.
Er hat Mängel im Disziplinarverfahren gerügt und ausgeführt, dass bei der Klägerin nicht die zuständige Stelle die Erhebung der Disziplinarklage beschlossen habe, die Klageschrift nicht den Anforderungen des § 48 Abs. 1 NDiszG entspreche und er, der Beklagte, vor Klageerhebung nicht abschließend angehört worden sei. In der Sache hat er die Auffassung vertreten, dass die ihm gegenüber erhobenen Vorwürfe eine Entfernung aus dem Dienst nicht rechtfertigten. Seine Position als Hochschullehrer könnte nicht mit der von Ärzten, Lehrern, Richtern oder Polizeibeamten verglichen werden, für die die Disziplinargerichte bei gleichgelagerten Vorwürfen in der Regel auf eine Entfernung aus dem Dienst erkannt hätten. Sein Berufsfeld erstrecke sich nicht auf die Tätigkeit mit Kindern. Ferner sei darauf hinzuweisen, dass sein Dienstrechner mit den darauf gespeicherten kinderpornografischen Dateien für Dritte nicht zugänglich gewesen sei, und er die Dateien vor der Beschlagnahme gelöscht habe. Er habe sein Fehlverhalten zum Anlass genommen, sich in ärztliche Behandlung zu begeben, um seine Persönlichkeit zu stabilisieren.
Durch Urteil vom 12. Mai 2009 hat das Verwaltungsgericht den Beklagten eines Dienstvergehens für schuldig befunden und auf seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt. Zur Begründung hat die Vorinstanz ausgeführt, dass verfahrensrechtliche Mängel nicht festzustellen seien. Mit dem der Klägerin habe die zuständige Behörde die Disziplinarklage erhoben, die darüber hinaus auch den Anforderungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 NDiszG entspreche. Insbesondere enthalte sie die Tatsachen und Beweismittel, die auf das zur Last gelegte Dienstvergehen schließen ließen. Schließlich sei dem Beklagten auch die Gelegenheit eingeräumt worden, sich nach der Beendigung der Ermittlungen abschließend zu äußern. In der Sache selbst sei dem Beklagten vorzuhalten, ein schweres Dienstvergehen begangen zu haben. Indem er auf seinem dienstlichen PC 58 Bild- und 68 Videodateien kinderpornografischen Inhalts heruntergeladen und gespeichert habe, sei er der Achtung und dem Vertrauen nicht gerecht geworden, die sein Beruf erfordere. Hinzu komme, dass er seinen privaten PC auch dazu genutzt habe, weitere Dateien mit kinderpornografischen Inhalt herunterzuladen und zu speichern, wofür insbesondere seine kostenpflichtige Mitgliedschaft in der Firma "AA. " spreche. Die disziplinarrechtliche Gesamtwürdigung aller be- und entlastenden Umstände erfordere die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis, weil Besitz und Besitzverschaffung von kinderpornografischen Darstellungen erhebliche Persönlichkeitsmängel eines Beamten offenbarten, die mit den allgemeinen Wertvorstellungen von sexuellem Anstand nicht in Einklang stünden. Kinderpornografische Darstellungen zielten beim Betrachter generell auf die Erregung eines sexuellen Reizes ab und degradierten die hierfür sexuell missbrauchten kindlichen Darsteller zum bloßen Objekt geschlechtlicher Begierde oder Erregung; sie verstießen daher gegen die unantastbare Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG. Zu dieser schwerwiegenden Rechtsverletzung habe der Beklagte durch sein Verhalten mindestens ein Jahr lang beigetragen. Zu seinen Aufgaben als Professor gehöre auch die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, die Abnahme von Prüfungen und die Studienberatung. Mit Blick hierauf habe der Zugriff auf kinderpornografische Dateien durch einen Hochschullehrer aus der Sicht eines vorurteilsfreien und besonnenen Betrachters im Regelfall einen endgültigen und vollständigen Verlust seines Ansehens als Lehrender und Vorbild zur Folge. Durch ein solches Verhalten werde nicht nur das Vertrauen, das der Dienstherr in die Selbstbeherrschung, Zuverlässigkeit und moralische Integrität seiner Professoren setze, sondern auch das der dem Professor anvertrauten Studenten im Kern erschüttert. Wer als Professor in einer Weise wie der Beklagte versage, offenbare so erhebliche Persönlichkeitsdefizite, die ihn regelmäßig in einer Universität gänzlich untragbar erscheinen ließen. Erschwerend komme hinzu, dass der Beklagte als Direktor der Abteilung L. eine Vorgesetztenfunktion innehabe und deshalb in besonderer Verantwortung stehe. Besondere Umstände, die nicht auf einen endgültigen Vertrauensverlust schließen ließen und ausnahmsweise eine mildere Disziplinarmaßnahme rechtfertigten, seien nicht ersichtlich, und zwar auch nicht mit Blick auf die von dem Beklagten durchgeführte Therapie.
Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts hat der Beklagte rechtzeitig Berufung eingelegt, zu dessen Begründung er ausführt: Entgegen der Annahme könne nicht davon ausgegangen werden, dass er die Dateien, die er auf seinen privaten Rechner heruntergeladen habe, dort auch gespeichert habe. Richtig sei allerdings, dass auf seinem Rechner entdeckte Spuren auf das Herunterladen und die Betrachtung kinderpornografischer Dateien schließen ließen. In erster Linie sei das von dem Verwaltungsgericht ausgesprochene Disziplinarmaß anzugreifen. Anders als die Vorinstanz meine, könne von einer endgültigen Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses gegenüber seinem Dienstherrn nicht die Rede sein. Namentlich zähle er als Hochschullehrer nicht zu einer Personengruppe, die wie ein Arzt eine körperliche Nähe zu Dritten aufweise, wie Lehrer mit der Erziehung von Jugendlichen befasst sei oder wie Polizeibeamte und Richter Gewähr für die Einhaltung der Rechtsordnung zu bieten hätten. Der durch das Dienstvergehen begründete Ansehensverlust sei auch nicht so groß und gewichtig, dass er als Hochschullehrer und Abteilungsdirektor nicht mehr von seinen Studenten und nachgeordneten Mitarbeitern ernst genommen werden könnte. Das gelte umso mehr, als sein Fehlverhalten inzwischen nicht mehr Gesprächsthema und "Gras über die Sache gewachsen" sei. Er habe das Unrecht seines Verhaltens erkannt, Reue gezeigt und therapeutische Maßnahmen eingeleitet, um sein Fehlverhalten aufzuarbeiten.
Der Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und auf eine Maßnahme unterhalb der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu erkennen.
Die Klägerin tritt dem Vorbringen des Beklagten entgegen, verteidigt das angefochtene Urteil, sieht namentlich das Vertrauensverhältnis zu dem Beklagten als zerstört an und beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der beigezogenen Verwaltungsvorgänge und der Strafakten der Staatsanwaltschaft AB. ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat ihn zu Recht wegen eines innerdienstlichen Vergehens aus dem Beamtenverhältnis entfernt.
Wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, hat sich der Beklagte eines vorsätzlichen Dienstvergehens schuldig gemacht. Seine Berufung rechtfertigt eine abweichende Würdigung nicht.
Die Berufungsbegründung des Beklagten lässt darauf schließen, dass er sich ausschließlich gegen das vom Verwaltungsgericht angeordnete Disziplinarmaß, die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, wendet, ohne die tatsächlichen Feststellungen und die Würdigung seines Verhaltens als Dienstvergehen in Zweifel zu ziehen, so dass auf eine Maßnahmeberufung zu schließen sein könnte. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 28.7.2011 - BVerwG 2 C 16.10 -, ZBR 2011, 414 = [...] Langtext, Rnr. 13 ff. m. w. N.) ist allerdings aufgrund dessen, dass es unter der Geltung der Verwaltungsgerichtsordnung ausgeschlossen ist, die Berufung auf die Nachprüfung einzelner materiell-rechtlicher Voraussetzungen des Klagebegehrens zu beschränken, in Disziplinarklageverfahren nach dem Bundesdisziplinargesetz - anders als unter der Geltung der Bundesdisziplinarordnung und der Niedersächsischen Disziplinarordnung - eine auf das Disziplinarmaß beschränkte Berufung nicht zulässig. Überträgt man diesen Gedanken auf die Anwendung des NDiszG, bedeutet dies, dass der Senat als Berufungsgericht gemäß §§ 4 NDiszG, 128 Satz 1 VwGO in gleichem Umfang wie das Verwaltungsgericht die Disziplinarklage sowohl in tatsächlicher wie auch in rechtlicher Hinsicht vollständig zu überprüfen hat. Dies bedarf hier indes keiner weiteren Ausführungen, da der Sachverhalt, der der disziplinarrechtlichen Würdigung zugrunde liegt, eindeutig ist und keine weiteren Feststellungen erfordert. Mit dem Verwaltungsgericht geht der Senat in tatsächlicher Hinsicht von dem Sachverhalt aus, den auch die Vorinstanz zugrunde gelegt hat und der im Wesentlichen auf den Feststellungen des rechtskräftigen Strafbefehls des Amtsgerichts O. vom 21. Februar 200 beruht; an diese Feststellungen ist der Senat überdies gemäß §§ 52 Abs. 1 Satz 1, 60 Abs. 1 Satz 1 NDiszG grundsätzlich gebunden. Danach hat der Beklagte auf seinem dienstlichen, im Büro des Fachbereichs L. stehenden PC über die im Tatbestand im Einzelnen genannten Seiten zum Zeitpunkt der Datensicherung insgesamt 58 Bild- und 68 Videodateien mit kinderpornografischem Inhalt heruntergeladen und auf seinem Dienstrechner gespeichert. Weiter ist mit dem Verwaltungsgericht davon auszugehen, dass der Beklagte seinen privaten PC unter anderem auch dazu genutzt hat, 78 Dateien mit kinderpornografischem Inhalt herunterzuladen und sich entsprechenden Besitz zu verschaffen, wobei offen bleiben kann, ob er diese Dateien auch auf seinem PC gespeichert hat. Für eine solche Annahme sprechen allerdings die Ausführungen in dem Bericht der Polizeiinspektion O. vom 22. Dezember 200 , in dem dargelegt wird, dass auf der Festplatte Dateien mit eindeutig kinderpornografischem Inhalt gespeichert worden seien, deren Ursprung jedoch nicht mehr feststellbar sei.
Das Fehlverhalten des Beklagten ist schwerpunktmäßig als dienstlich zu qualifizieren, weil es in sein Amt und die damit verbundene dienstliche Tätigkeit eingebunden war. Die meisten der kinderpornografischen Dateien hatte er auf seinem Dienstcomputer gespeichert und sich damit die Möglichkeit eröffnet, die Dateien in seinem unmittelbaren dienstlichen Umfeld zu betrachten. Entgegen der Ansicht des Beklagten rechtfertigt sich die Annahme eines außerdienstlichen Pflichtenverstoßes nicht im Hinblick darauf, dass er bei der Tätigkeit an seinem Arbeitsplatz an Weisungen nicht gebunden war, seine Arbeitszeit selbständig festlegen und einteilen konnte und im Hinblick auf seine Forschungstätigkeit letztlich keinen Unterschied zwischen der Arbeit in der von ihm geleiteten Abteilung und seinem häuslichen Arbeitsplatz gemacht hat. Diese Befugnisse zur selbständigen und weisungsunabhängigen Forschungstätigkeit ändern nichts an der Feststellung, dass sich der Beklagte die kinderpornografischen Bild- und Videodateien in unmittelbarem Zusammenhang mit seiner Tätigkeit in der Abteilung L. der Klägerin und damit im Dienst verschafft hat. Durch dieses Verhalten hat er nicht nur den Straftatbestand nach § 184 b Abs. 4 Satz 2 StGB verwirkt, sondern zugleich schwerwiegend gegen seine zum Tatzeitpunkt geltenden Pflichten verstoßen. So hat er der Pflicht zuwidergehandelt, sich mit voller Hingabe seinem Beruf zu widmen (§ 62 Satz 1 NBG a. F., nunmehr § 34 Satz 1 BeamtStG) und sein Verhalten so einzurichten, dass es der Achtung und dem Vertrauen gerecht wird, die sein Beruf erfordert (§ 63 Satz 3 NBG a. F., nunmehr § 34 Satz 3 BeamtStG). Durch die Verwendung seines privaten Computers zur Besitzverschaffung kinderpornografischer Dateien hat er ebenfalls dem Gebot, achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten zu entsprechen, zuwidergehandelt. Die Pflichtenverstöße hat der Beklagte auch schuldhaft begangen, wobei ihm angesichts seines zielgerichteten Vorgehens eine vorsätzliche Handlungsweise zur Last zu legen ist.
Für das sich aus mehreren Dienstpflichtverletzungen zusammensetzende einheitliche Dienstvergehen bestimmt sich die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach der schwersten Verfehlung (BVerwG, Urt. v. 23.2.2005 - BVerwG 1 D 1.04 -, [...]), womit zugleich gesagt ist, dass die innerdienstliche Pflichtverletzung in erster Linie bestimmend für die disziplinare Maßregelung ist. Die Entscheidung hierüber ergeht nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 14 Abs. 1 Satz 1 NDiszG), sie ist nach der Schwere des Dienstvergehens zu bemessen (§ 14 Abs. 1 Satz 2 NDiszG), wobei nach § 14 Abs. 1 Satz 3 NDiszG das Persönlichkeitsbild des Beamten einschließlich seines bisherigen dienstlichen Verhaltens angemessen zu berücksichtigen ist und ferner berücksichtigt werden soll, in welchem Umfang der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit beeinträchtigt hat (§ 14 Abs. 1 Satz 4 NDiszG). Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich nach den objektiven und subjektiven Handlungsmerkmalen der Verfehlung, den besonderen Umständen der Tatbegehung und den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte. Bei der Bemessung von Art und Maß der Disziplinarmaßnahme ist eine Gesamtwürdigung aller be- und entlastenden Umstände vorzunehmen (Senatsurt. v. 24.11.2011 - 19 LD 18/08 - u. Urt. v. 17.7.2007 - 19 LD 13/06 -, jeweils m. w. Rsprnachw.). Ergibt die Gesamtwürdigung, dass das für die Aufrechterhaltung des Beamtenverhältnisses unerlässliche Vertrauensverhältnis zwischen dem Beamten und dem Dienstherrn endgültig zerstört ist, ist ein aktiver Beamter aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen (§ 14 Abs. 2 Satz 1 NDiszG). So verhält es sich hier.
Das Sichverschaffen und der Besitz kinderpornografischer Dateien wiegen bereits nach ihrer Eigenart schwer. Der Konsument kinderpornografischer Darstellungen, wie sie auf den Computern des Beklagten gefunden wurden, trägt dazu bei, dass Kinder schwer sexuell missbraucht werden, weil er damit die Nachfrage nach derartigem Bildmaterial fördert und einen Anreiz schafft, kinderpornografische Bilder herzustellen und die hiervon betroffenen Kinder zu missbrauchen. Sammler und Verbraucher kinderpornografischer Schriften tragen damit auch Verantwortung für den zukünftigen Missbrauch anderer Kinder. Bildmaterial, das den sexuellen Missbrauch von Kindern durch skrupellose Erwachsene wiedergibt, die die Kinder für die Erregung sexueller Reize beim Betrachter ausnutzen, degradiert diese sexuell missbrauchten Kinder zum reinen Objekt geschlechtlicher Begierde und begründet damit einen Verstoß gegen die unantastbare Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 6.7.2000 - BVerwG 2 WD 9.00 -, BVerwGE 111, 291 [BVerwG 06.07.2000 - 2 WD 9.00]). Kinderpornografie geht eindeutig über die nach den gesellschaftlichen Anschauungen und Wertvorstellungen des sexuellen Anstands gezogenen, dem Menschenbild des Grundgesetzes entsprechenden Grenzen hinaus. Der sexuelle Missbrauch von Kindern oder Jugendlichen ist daher in höchstem Maße persönlichkeits- und sozialschädlich. Er greift in die sittliche Entwicklung eines jungen Menschen ein und gefährdet die harmonische Entwicklung seiner Gesamtpersönlichkeit, zumal ein Kind nicht in der Lage ist, das Erlebte gefühlsmäßig oder intellektuell zu verarbeiten. Zugleich benutzt der Betrachter kinderpornografischen Bildmaterials die Person eines Kindes oder Jugendlichen als Mittel zur Befriedigung seines Geschlechtstriebs, auch wenn er sich an dem jeweiligen Opferkind nicht selbst unmittelbar vergreift. Er ist aber ebenso wie der Produzent kinderpornografischer Schriften für die mit der Herstellung von Kinderpornografie zwangsläufig verbundenen gravierenden Verletzungen an Leib und Seele der hier missbrauchten Kinder verantwortlich (vgl. dazu Urt. d. erk. Gerichts v. 18.11.2004 - 3 LD 1/03 -, NVwZ 2005, 350, [OVG Niedersachsen 18.11.2004 - 3 LD 1/03] u. v. 1.3.2011 - 20 LD 1/09 -).
Wiegt der Besitz kinderpornografischer Dateien danach für sich gesehen schon schwer, kommt im vorliegenden Fall hinzu, dass der Beklagte seine Neigung, sich kinderpornografisches Bildmaterial zu verschaffen, nicht auf sein häusliches Umfeld beschränkt, sondern sogar schwerpunktmäßig auf seinen dienstlichen Bereich übertragen hat, indem er eine nicht unerhebliche Anzahl pornografischer Bild- und Videodateien auf den ihm von seinem Dienstherrn überlassenen Computer heruntergeladen und gespeichert und das ihm zur Verfügung gestellte Dienstzimmer zur Betrachtung des verschafften Bildmaterials genutzt hat. Angesichts dessen, dass der Schwerpunkt des dem Beklagten zur Last gelegten Fehlverhaltens im dienstlichen Bereich liegt, lassen sich als Richtschnur für die Zuordnung der Disziplinarmaßnahme, namentlich einer unterhalb der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis liegenden Maßnahme, nicht die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. August 2010 (- BVerwG 2 C 13.10 -, NVwZ 2011, 299, [BVerwG 19.08.2010 - BVerwG 2 C 13.10] u. - BVerwG 2 C 5.10 -, NVwZ 2011, 303) heranziehen, in denen das Bundesverwaltungsgericht für ein durch den Besitz kinderpornografischer Dateien begründetes außerdienstliches Dienstvergehen bei einem Fehlen jeglichen Dienstbezugs unter Berücksichtigung eines für den Tatzeitpunkt in § 184 b Abs. 4 Satz 2 StGB geregelten Strafrahmens von bis zu zwei Jahren einen mittelschweren Maßstab angelegt und als Richtschnur für die Zuordnung der Disziplinarmaßnahme eine (vorliegend ohnehin rechtlich nicht in Betracht kommende) Zurückstufung angenommen hat. Dass die Bedeutung in der gesetzlichen Strafandrohung als Orientierungsrahmen für die Maßnahmebemessung eines strafbaren außerdienstlichen Verhaltens zu sehen ist, hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 22. Dezember 2010 (- 2 B 18.10 -, Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 14) noch einmal ausdrücklich hervorgehoben.
Erschwerend muss sich der Beklagte zurechnen lassen, dass er sein Fehlverhalten, in den Besitz kinderpornografischer Dateien zu gelangen, noch fortgesetzt hat, nachdem die dienstrechtswidrige Nutzung des ihm dienstlich anvertrauten Computers bereits festgestellt worden war. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht insoweit hervorgehoben, dass der Beklagte, nachdem sein Dienstcomputer am 22. September 200 beschlagnahmt worden war, sich diese Maßnahme der Strafverfolgung nicht ernsthaft hat zur Warnung dienen lassen, sondern sein strafbewährtes Verhalten auf seinem häuslichen Computer bis unmittelbar vor dessen Beschlagnahme am 22. November 200 fortgesetzt hat. Mit Blick auf den allgemeinen Status des Beklagten, seinen Tätigkeitsbereich innerhalb der Universität und seine konkret ausgeübte Funktion (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 29.5.2008
- BVerwG 2 C 59.07 -, Buchholz 235.1 § 70 BDG Nr. 3) kann ihm bei objektiver Gewichtung des Dienstvergehens auf der Grundlage der vorstehend festgestellten Umstände nicht mehr das Vertrauen entgegengebracht werden, das für ihn als Sachwalter einer stabilen und gesetzestreuen Verwaltung unumgänglich ist. Als Maßstab gilt insoweit, in welchem Umfang die Allgemeinheit ihm als Beamten noch Vertrauen in eine künftig pflichtgemäße Amtsausübung entgegenbringen kann, wenn ihr das Dienstvergehen einschließlich der belastenden und entlastenden Umstände bekannt würde. Nach diesen Maßstäben hat der Beklagte das Vertrauen in seine Amtsausübung nicht nur massiv beschädigt, sondern endgültig verloren. Das von ihm begangene Dienstvergehen ist geeignet, zu einer erheblichen Ansehensschädigung der Klägerin beizutragen; denn es würde in der Allgemeinheit auf absolutes Unverständnis und Abscheu stoßen, wenn dieser bekannt würde, dass ein Universitätsprofessor die ihm zur Verfügung gestellte dienstliche Ausstattung, einen Computer, wie sein Dienstzimmer dazu nutzt, während der Dienstausübung kinderpornografisches Bildmaterial in seinen Besitz zu bringen und zu betrachten. Ein solches Verhalten ist mit dem in § 3 NHG umschriebenen Aufgaben einer Hochschule, namentlich der Pflege und Entwicklung der Wissenschaften durch Forschung, Lehre, Studium und Weiterbildung, der Vorbereitung auf berufliche Tätigkeiten sowie der Förderung des wissenschaftlichen und künstlerischen Nachwuchses ebenso unvereinbar wie mit den Dienstaufgaben eines Professors, die § 24 Abs. 1 NHG dahin umschreibt, dass dieser die ihm jeweils obliegenden Aufgaben in Wissenschaft und Kunst, Forschung und Lehre, bei der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses sowie der Weiterbildung wahrzunehmen und bei der Erfüllung der übrigen Hochschulaufgaben mitzuwirken hat. Es liegt daher auf der Hand, dass von einem Universitätsprofessor erwartet werden muss, im Zusammenhang mit der Ausübung seines Dienstes nicht gegen Strafbestimmungen zu verstoßen, die zum Schutz der Menschenwürde und des Persönlichkeitsrechts von Kindern erlassen worden sind. Diese Erwartung rechtfertigt sich umso mehr, wenn im Hinblick auf die konkret ausgeübte Funktion des Beklagten weiter zu berücksichtigen ist, dass dieser bis zu seiner Suspendierung als Institutsleiter in einer gehobenen Position tätig war und damit im Verhältnis zu seinen wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wie zu den Studierenden eine Vorgesetzten- und auch Vorbildfunktion inne hatte.
Durchgreifende besondere Umstände, die ein Absehen von der schwerwiegendsten und eine mildere Disziplinarmaße rechtfertigen würden, vermag der Senat nicht zu erkennen. Allein die Anzahl der Bild- und Videodateien, die der Beklagte sich sowohl über seinen dienstlichen wie auch häuslichen Computer verschafft hat, sprechen gegen eine einmalige persönlichkeitsfremde Augenblickstat. Die Bescheinigungen des Facharztes für Psychiatrie Dr. AC. vom 8. Dezember 200 und des Chefarztes der AD. klinik AE. vom 20. Januar 200 lassen nicht auf schuldmindernde Gesichtspunkte schließen, sondern würdigen das Fehlverhalten des Beklagten als Anpassungsstörung und Störung seiner Impulskontrolle. Die Bescheinigungen sind - wie das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt hat - nicht geeignet, die Schwere des Dienstvergehens in einer Weise zu relativieren, dass von einer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis abgesehen werden könnte. Dies gilt auch dann, wenn man mit der weiteren ärztlichen Bescheinigung des Facharztes für Psychiatrie Dr. AC. vom 1. Februar 20 davon ausgeht, dass die weiterhin regelmäßige psychotherapeutische Behandlung auf einen positiven Verlauf der Therapie schließen lässt und die Annahme einer günstigen Prognose für eine dauerhafte Besserung und Stabilisierung rechtfertigt. Denn angesichts der oben gewürdigten Ansehensschädigung kommt eine Weiterverwendung des Beklagten aus Gründen der Funktionssicherheit des öffentlichen Dienstes einerseits und der Aufgabenzuweisung einer Universität andererseits nicht in Betracht. Die Gesamtschau aller be- und entlastenden Umstände führt zur Überzeugung des Senats zu der Erkenntnis, dass die von dem Verwaltungsgericht ausgesprochene Disziplinarmaßnahme, die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis, angemessen und geboten erscheint.