Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 17.02.2012, Az.: 13 LA 185/11
Zulässigkeit der Zugrundelegung eines Flächenmaßstabs bei der Berechnung wasserverbandsrechtlicher Unterhaltungsbeiträge
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 17.02.2012
- Aktenzeichen
- 13 LA 185/11
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2012, 11378
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2012:0217.13LA185.11.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Hannover - 02.03.2011 - AZ: 11 A 2285/08
Rechtsgrundlage
- § 40 WHG
Amtlicher Leitsatz
Zulässigkeit des Flächenmaßstabs bei wasserverbandsrechtlichen Unterhaltungsbeiträgen
Gründe
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Die Zulassung der Berufung setzt nach § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO voraus, dass einer der in § 124 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe dargelegt ist und vorliegt. Eine hinreichende Darlegung nach § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO erfordert, dass in der Begründung des Zulassungsantrags im Einzelnen unter konkreter Auseinandersetzung mit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ausgeführt wird, weshalb der benannte Zulassungsgrund erfüllt sein soll. Zwar ist bei den Darlegungserfordernissen zu beachten, dass sie nicht in einer Weise ausgelegt und angewendet werden, welche die Beschreitung des eröffneten (Teil-)Rechtswegs in einer unzumutbaren, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert (BVerfG, 2. Kammer des 2. Senats, Beschl. v. 12.03.2008 - 2 BvR 378/05 -; BVerfG, 2. Kammer des 1. Senats, Beschl. v. 24.01.2007 - 1 BvR 382/05 -; BVerfG, 1. Kammer des 2. Senats, Beschl. v. 21.01.2000 - 2 BvR 2125/97 -, jeweils zit. nach [...]). Erforderlich sind aber qualifizierte, ins Einzelne gehende, fallbezogene und aus sich heraus verständliche, auf den jeweiligen Zulassungsgrund bezogene und geordnete Ausführungen, die sich mit der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage einer eigenständigen Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffes auseinandersetzen.
Der vom Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) wird nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt bzw. liegt nicht vor. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils können nur dann bestehen, wenn gegen dessen Richtigkeit gewichtige Gründe sprechen. Das ist regelmäßig der Fall, wenn ein die Entscheidung tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.06.2000 - 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458; BVerwG, Beschl. v. 10.03.2004 - 7 AV 4/03 -, [...]). Da das Erfordernis der ernstlichen Zweifel auch auf die Ergebnisrichtigkeit abstellt, dürfen sich die Zweifel indessen nicht ausschließlich auf die vom Verwaltungsgericht gegebene Begründung beziehen, sondern es ist zusätzlich das Ergebnis, zu dem das Verwaltungsgericht gelangt ist, mit in den Blick zu nehmen. Für die Zulassung der Berufung wegen des Vorliegens ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen hingegen nicht vor, wenn zwar einzelne Rechtssätze oder tatsächliche Feststellungen, welche das Urteil tragen, zu Zweifeln Anlass bieten, das Urteil aber im Ergebnis aus anderen Gründen offensichtlich richtig ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.03.2004 - BVerwG 7 AV 4.03 -, a.a.O.). Ist das Urteil auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, müssen hinsichtlich aller Begründungen Zulassungsgründe dargelegt werden (Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll: VwGO, 5. Aufl. § 124a Rdnr. 82).
Gemessen an diesen Maßstäben kann die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils nicht zugelassen werden. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht den der Heranziehung des Klägers zugrundeliegenden Flächenmaßstab nicht beanstandet. Dieser hat in § 101 Abs. 3 Satz 1 NWG in der hier anzuwendenden Fassung vom 25. Juli 2007 (Nds. GVBl. 345) seine gesetzliche Grundlage gefunden und ist in der Rechtsprechung seit langer Zeit anerkannt (vgl. nur BVerwG, Urt. v. 23. Mai 1973 - IV C 33.70 -, BVerwGE 42, 222). Wie der Senat in Anwendung dieser Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts festgestellt hat, kommt es nicht darauf an, ob dem Beitrag eine Gegenleistung des Verbandes zugunsten des Klägers gegenübersteht. Die niedersächsischen Unterhaltungsverbände sind keine öffentlichen Einrichtungen, die ihren Mitgliedern besondere Vorteile gewähren, sondern Lastengemeinschaften zur gemeinsamen Erfüllung einer gesetzlichen Unterhaltungspflicht. Von den Mitgliedern des Unterhaltungsverbandes geforderte Leistungen sind der Unterhaltungslast des § 40 WHG (§ 29 WHG a.F.) entsprechende Verbandslasten. Eine solche Verbandslast bedarf ungeachtet ihrer Bezeichnung als Beitrag zu ihrer Rechtfertigung nicht des Nachweises eines ihr äquivalenten Vorteils; sie ist vielmehr - wie im Verbandsrecht allgemein - die selbstverständliche Folge einer gesetzlich angeordneten Pflichtmitgliedschaft der davon betroffenen Grundstückseigentümer in einem öffentlich-rechtlichen Unterhaltungsverband (vgl. Urt. d. Senats v. 14. November 2007 - 13 LB 13/03, NuR 2008, 43 [OVG Niedersachsen 14.11.2007 - 13 LB 13/03]). Sämtliche Grundstücke eines Niederschlagsgebiets führen den Verbandsgewässern letztlich Niederschlagswasser zu (vgl. Beschl. d. Senats v. 4. Juli 2007 - 13 ME 14/07 -, NVwZ-RR, 2007, 671). Ihre Eigentümer profitieren von der Übernahme der Entwässerungsverpflichtung durch den betreffenden Wasserverband.
Die Heranziehung des Klägers zu einem Wasserverbandsbeitrag ist auch nicht gleichheitswidrig. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist grundsätzlich geklärt, dass gerade auch Heide- und Moorflächen auf der Grundlage des Flächenmaßstabes in gleicher Höhe wie strukturell anderweitig genutzte Grundstücksflächen zu.U.nterhaltungsbeiträgen herangezogen werden dürfen, ohne dass es der Abwendung sachlicher Härten etwa durch Billigkeitsregelungen bedarf (vgl. BVerwG, Urt. v. 23. Mai 1973, a.a.O.). Dies gilt in gleicher Weise für Waldflächen. Die hohe Verdunstungsrate von Waldflächen und das Wasserrückhaltevermögen von Waldböden mögen dazu führen, dass diese Flächen typischerweise einen eher geringen Anteil an dem Wasserzufluss haben, der in seiner Summe Unterhaltungsmaßnahmen an den Gewässern zweiter Ordnung erforderlich macht. Es liegt aber in der Natur der Sache, dass die individuellen Anteile am Wasserzufluss regelmäßig nicht messbar sind. Es wären insofern allenfalls sehr grobe und pauschalierende Abschätzungen denkbar, die möglicherweise ebenso als nicht in vollem Umfange sachgerecht kritisiert werden könnten. So weisen auch Waldflächen je nach den vorherrschenden Gehölzarten unterschiedliche Abflussmengen auf. Dem Flächenmaßstab wohnt dagegen der erhebungstechnische Vorteil inne, dass sich die Höhe der im Einzelfall geschuldeten Abgabe ohne nennenswerten Aufwand ermitteln lässt, der anderenfalls wiederum auf die Beitragsschuldner umzulegen wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 11. Juli 2007 - 9 C 1.07 (früher 10 C 11.05) -, NVwZ 2008, 314; so auch OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 6. Dezember 2001, 1 L 310/01 -, NuR 2002, 240 [OVG Sachsen-Anhalt 06.12.2000 - 1 L 310/01]). Hinzu kommt, dass der Verband in § 31 Abs. 4 seiner Satzung in der Fassung vom 10. Dezember 2007 von der Möglichkeit der Erhebung von Erschwernisbeiträgen Gebrauch gemacht hat, eine Differenzierung mithin auf diesem Wege stattfindet, auch wenn dies zur Gültigkeit des Flächenmaßstabs nicht erforderlich ist.
Zudem waren Flächen, die nicht zum Niederschlagsgebiet eines Gewässers zweiter Ordnung gehören, nach § 101 Abs. 3 Satz 5 NWG i.d.F. v. 25 Juli 2007 beitragsfrei. Das Gesetz sieht mithin die vom Kläger geforderte Ausnahmeregelung vor. Deren Voraussetzungen werden vom Grundstück des Klägers indes nicht erfüllt, wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat.
Auch der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO liegt nicht vor. Das angefochtene Urteil ist nicht verfahrensfehlerhaft zustandegekommen. Insbesondere hat das Verwaltungsgericht die sich aus § 86 Abs. 1 VwGO ergebende Aufklärungspflicht nicht verletzt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat das Tatsachengericht grundsätzlich nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob es sich selbst die für die Aufklärung und Würdigung des Sachverhalts erforderliche Sachkunde zutraut. Dieses Ermessen überschreitet das Gericht erst dann, wenn es sich eine ihm nicht zur Verfügung stehende Sachkunde zuschreibt und sich nicht mehr in den Lebens- und Erkenntnisbereichen bewegt, die den ihm angehörenden Richtern allgemein zugänglich sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 11. Juli 2007, a.a.O., m.w.N.). Diese Grenze seines Ermessens hat das Verwaltungsgericht beachtet. Zutreffend ist es davon ausgegangen, dass Grundstücke im Normalfall mit dem Oberflächen- oder dem oberflächennahen Grundwasser entsprechend der hydrologischen Fließrichtung entweder in die an die Grundstücke grenzenden Gewässer oder aber über weitere Grundstücke in daran grenzende Gewässer entwässern. Aus diesen Grunde konnte das Verwaltungsgericht ohne weiteres davon auszugehen, dass auch das Grundstück des Klägers zumindest in Zeiten erhöhter Niederschläge, bei gefrorenem Boden oder im Rahmen der Schneeschmelze überschüssiges Wasser abgibt, das durch ein Gewässersystem 2. Ordnung abgeleitet wird, dessen Unterhaltung gerade dem Beklagten obliegt. Es war demgegenüber Aufgabe des Klägers, diejenigen konkreten Umstände darzulegen, nach denen sein Grundstück aufgrund einer hydrologischen oder geologischen Sondersituation als nicht mehr zum Niederschlagsgebiet eines Gewässers zweiter Ordnung angesehen werden kann, weil ausgeschlossen ist, dass von der Grundstücksfläche Wasser an ein Gewässer zweiter Ordnung abgeführt wird (vgl. Haupt/Reffken/Rhode, Niedersächsisches Wassergesetz, § 101, Rdnr. 7, Loseblatt, Stand September 2009; gleichlautend zur Neufassung des NWG: Reffken/Elsner, Niedersächsisches Wassergesetz, § 64, Rdnr. 13, Loseblatt, Stand November 2010). Erst dadurch wäre das Verwaltungsgericht überhaupt in die Lage versetzt worden, dieser Frage ggf. durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nachzugehen. Die unsubstantiierte Behauptung, das Grundstück entwässere nicht in die Verbandsgewässer, reicht dazu nicht einmal ansatzweise. Hinzu kommt, dass diese Behauptung durch die Existenz eines Regenrückhaltebeckens, dessen Überlauf in ein Gewässer dritter Ordnung mündet, das seinerseits mit einem Verbandsgewässer zweiter Ordnung (Rhien) verbunden ist, eindeutig widerlegt worden ist. Angesichts der vorgelegten Luftbilder misst der Senat dem schlichten Bestreiten dieser offensichtlichen Umstände durch den Kläger keinerlei Bedeutung mehr zu. Die Frage, ob die Entwässerung auf diesem Wege gezielt erfolgt, ist ebenfalls unerheblich, da eine gezielte Entwässerung nicht Voraussetzung der Erhebung des Verbandsbeitrages ist.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).