Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 08.02.2012, Az.: 13 LB 50/09
Widerruf der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG bei vom Ausländer ausgehender nachträglicher Gefahr für die Allgemeinheit
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 08.02.2012
- Aktenzeichen
- 13 LB 50/09
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2012, 11379
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2012:0208.13LB50.09.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Hannover - 15.07.2008 - AZ: 6 A 1695/08
Rechtsgrundlagen
- § 73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG
- § 60 Abs. 1 AufenthG
- § 60 Abs. 8 S. 1 AufenthG
Amtlicher Leitsatz
Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 60 Abs. 1 AufenthG) kann auch dann nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG widerrufen werden, wenn nachträglich von dem Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit im Sinne von § 60 Abs. 8 Satz 1 Alt. 2 AufenthG ausgeht, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Die Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe von mehr als drei Jahren wegen mehrerer ein Verbrechen oder besonders schweres Vergehen darstellender Einzeltaten, die jede für sich die Mindestfreiheitsstrafe von drei Jahren nicht erreicht, schließt den Anwendungsbereich des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG nicht aus.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Anerkennung als politischer Flüchtling.
Der am 19. Mai 1984 geborene Kläger ist irakischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er gehört zur Glaubensgemeinschaft der Yeziden und stammt aus dem Dorf E. in der Nähe von Sindjar im Bezirk Mosul (Provinz Ninive). Er reiste am 26. Dezember 1997 zusammen mit seinen Eltern in das Bundesgebiet ein und stellte einen Asylantrag. Mit Bescheid vom 2. Juli 1999 stellte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge aufgrund eines Verpflichtungsurteils des Verwaltungsgerichts Braunschweig fest, dass in der Person des Klägers hinsichtlich des Irak die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (heute: § 60 Abs. 1 AufenthG) vorliegen. Dem lag die Auffassung des Verwaltungsgerichts zugrunde, dass der Kläger nicht wegen seiner Religionszugehörigkeit, sondern allein wegen seines Asylantrages als selbstgeschaffenen Nachfluchtgrund und feindlichen Akt gegenüber dem damaligen Regime der Baath-Partei unter Saddam Hussein Flüchtlingsschutz beanspruchen könne.
Der Kläger ist während seines Aufenthaltes in Deutschland wiederholt strafrechtlich in Erscheinung getreten. Am 18. Oktober 1999 stellte das Amtsgericht Burgwedel ein Verfahren wegen Diebstahls geringwertiger Sachen nach § 47 JGG gegen richterliche Weisung ein. Mit Urteil vom 15. Dezember 1999 verurteilte das Amtsgericht Burgwedel den Kläger wegen Diebstahls zu einer richterlichen Weisung. Am 20. Juni 2001 verurteilte das Amtsgericht Burgwedel den Kläger wegen Beförderungserschleichung zur Ableistung von Arbeitsstunden nach Weisung der Jugendgerichtshilfe. Am 24. Oktober 2001 verurteilte das Amtsgericht Burgwedel den Kläger wegen schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen zu einer Jugendstrafe von acht Monaten, deren Vollstreckung auf Bewährung ausgesetzt wurde. Mit Urteil vom 20. März 2002 verurteilte das Amtsgericht Burgwedel den Kläger wegen besonders schweren Diebstahls in zwei Fällen zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und zwei Monaten. Dabei wurde das Urteil vom 24. Oktober 2001 einbezogen. Die Vollstreckung der Strafe wurde nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt. In den Urteilsgründen stellte das Amtsgericht fest, dass der Kläger seit ca. acht Monaten drogenabhängig sei und praktisch täglich Heroin konsumiere.
Mit Schreiben vom 21. Januar 2003 verwarnte die Region Hannover den Kläger wegen seiner bisherigen strafgerichtlichen Verurteilung, sah aber von einer Ausweisung wegen des besonderen Ausweisungsschutzes für anerkannte Flüchtlinge ab.
Am 23. Juli 2003 verurteilte das Amtsgericht Burgwedel den Kläger wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von sechs Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Mit Urteil vom 31. März 2004 verurteilte das Amtsgericht Burgwedel den Kläger wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz und gab ihm auf, an einer Drogenberatung teilzunehmen. In den Urteilsgründen ist ausgeführt, dass der Kläger seit seinem 17. Lebensjahr drogenabhängig sei und seit Juni 2003 an einem Methadonprogramm teilnehme. Am 6. April 2005 verurteilte das Amtsgericht Burgwedel den Kläger unter Einbeziehung der Urteile vom 23. Juli 2003 und vom 31. März 2004 wegen Diebstahls zu einer Jugendstrafe von zehn Monaten, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde. Am 9. August 2006 verurteilte das Amtsgericht Hannover den Kläger wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr und vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen. Am 20. Oktober 2006 verurteilte das Amtsgericht Hannover den Kläger wegen unerlaubten Besitzes von Heroin zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen. Am 28. Dezember 2006 verurteilte das Amtsgericht Hannover den Kläger wegen Urkundenfälschung und Betruges zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen.
Seit dem 8. Januar 2007 befand sich der Kläger in Haft. Dabei handelte es sich zunächst um Untersuchungshaft wegen des dringenden Tatverdachtes der gefährlichen Körperverletzung und des Raubes, später um Strafhaft.
Am 17. Januar 2007 verurteilte das Amtsgericht Hannover den Kläger zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen wegen unerlaubten Besitzes von Kokain.
Am 4. April 2007 verurteilte das Landgericht Hannover den Kläger unter anderem wegen schweren Raubes und gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Kläger in drei Fällen in Hannover Passanten auf offener Straße niedergeschlagen und ihnen ihre Wertgegenstände weggenommen bzw. dies versucht. In einem Fall bedrohte der Kläger das Opfer zusätzlich mit einem Klappmesser. Nach den Feststellungen des Landgerichts wollte der Kläger mit diesen Taten Geld für seinen Drogenkonsum beschaffen.
Der Landkreis Vechta wies den Kläger mit Bescheid vom 23. Juli 2009 aus der Bundesrepublik Deutschland aus. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass gegen den Kläger während seines Aufenthaltes in Deutschland über 60 strafrechtliche Ermittlungsverfahren eingeleitet und mehrere strafrechtliche Verurteilungen im Bundeszentralregister eingetragen worden seien. In der Haft sei der Kläger nach Auskunft der Justizvollzugsanstalt bislang neunmal diszipliniert worden und habe vier Weisungsverstöße begangen. Ansonsten verhalte er sich aber beanstandungsfrei. Er habe einen Integrationskurs erfolgreich besucht und besuche einen Kurs, der zum Hauptschulabschluss führen solle. Der Kläger sei suchtmittelabhängig und bedürfe einer stationären Therapie. Aufgrund der Straftaten sei eine zwingende Ausweisung nach § 53 Nr. 1 AufenthG geboten, die wegen des besonderen Ausweisungsschutzes, den der Kläger als anerkannter Flüchtling nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG in Anspruch nehmen könne, gemäß § 56 Abs. 1 Satz 4 AufenthG zur Regelausweisung herabgestuft sei. Ein Ausnahmefall sei nicht gegeben. Die Ausweisung des Klägers sei aus spezialpräventiven Gründen erforderlich. Der Kläger stelle eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar. Er sei fast während der gesamten Dauer seines Aufenthalts in Deutschland als Serienstraftäter in Erscheinung getreten. Er habe mehrfach auf offener Straße ihm unbekannte Passanten überfallen, um seinen Drogenkonsum zu finanzieren. Die Anzahl und Kontinuität der Straftaten trotz mehrfacher Verurteilungen und Inhaftierungen lasse auf eine erhebliche Wiederholungsgefahr schließen. Ferner spreche für eine Wiederholungsgefahr, dass die Straftaten überwiegend der Beschaffungskriminalität zuzuordnen seien, der Kläger seit vielen Jahren drogenabhängig sei und er diese Drogenproblematik auch noch nicht bewältigt habe. Demgegenüber falle nicht entscheidend ins Gewicht, dass der Kläger schon im Alter von 13 Jahren nach Deutschland eingereist sei, hier seit 11 Jahren rechtmäßig lebe und seine Angehörigen, insbesondere auch seine Eltern, ebenfalls in Deutschland lebten. Der Kläger sei volljährig, ledig und kinderlos. Einen Schulabschluss, Ausbildungs- oder Arbeitsplatz habe er nicht. Auch sein Verhalten im Vollzug sei nicht vorbildlich gewesen. Eine Ermessensentscheidung sei auch nicht im Hinblick auf die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Art. 8 EMRK erforderlich. Denn der Kläger sei bei seiner Einreise 13 Jahre alt gewesen und habe in Deutschland weder Ehefrau noch Kinder. Hilfsweise stellte der Beklagte auch Ermessenserwägungen an. Er führte aus, dass wegen der Vielzahl und Schwere der Straftaten einerseits sowie wegen der bereits dargestellten schwachen familiären, sozialen und wirtschaftlichen Bindungen des Klägers in Deutschland andererseits die Ausweisung hier auch nach Ermessen verfügt werde.
Seine dagegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht Oldenburg durch Urteil vom 11. August 2010 - 11 A 2296/09 - abgewiesen. Den Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat der erkennende Senat durch Beschluss vom 15. August 2011 - 13 LA 181/10 - abgelehnt.
Bereits mit Bescheid vom 26. März 2004 widerrief das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge die mit Bescheid vom 2. Juli 1999 ausgesprochene Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 53 AuslG nicht vorliegen. Zur Begründung führte das Bundesamt aus, die Feststellung eines Abschiebungsverbotes aus politischen Gründen müsse widerrufen werden, weil dem Kläger infolge des Verlustes der Herrschaft der Baath-Regierung unter Saddam Hussein und der Machtübergabe an die irakische Übergangsregierung dort keine politische Verfolgung durch die Zentralregierung mehr drohe. Das gelte auch für die drei kurdischen Provinzen des Nordirak, in denen die kurdischen Parteien KDP und PUK staatsähnliche Gewalt ausübten und in denen die Sicherheitslage stabiler sei als in den übrigen Gebieten des Landes. Die Zugehörigkeit des Klägers zur Glaubensgemeinschaft der Yeziden stehe seiner Rückkehr in den Irak nicht entgegen.
Die dagegen gerichtete Klage des Klägers hat das Verwaltungsgericht Hannover mit Urteil vom 15. Juli 2008 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft des Klägers sei nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG zu Recht widerrufen worden. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus seien nachträglich wegen § 60 Abs. 8 Satz 1 2. Alt. AufenthG weggefallen. Danach finde § 60 Abs. 1 AufenthG keine Anwendung, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeute, weil er wegen eines Verbrechens oder eines besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden sei. Der Kläger sei in der Vergangenheit nicht nur vielfach bestraft worden, sondern wegen eines Verbrechens zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren (Landgericht Hannover vom 4. April 2007), auch wenn insoweit eine Gesamtstrafe gebildet worden sei, die sich aus drei Einzelstrafen zusammensetze, die jeweils die Schwelle der dreijährigen Mindeststrafe nicht erreicht hätten. Nach dem Wortlaut des Gesetzes komme es lediglich darauf an, dass der Ausländer wegen eines Verbrechens oder eines besonderes schweren Vergehens zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden sei. Dem Gesetzgeber sei der Mechanismus der Gesamtstrafenbildung bekannt gewesen. Er habe schon nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht danach differenziert, ob eine Gesamtstrafe oder eine Einzelstrafe verhängt worden sei. Damit werde hinreichend deutlich, dass der Straftäter, dem die Vergünstigung des Strafabzugs durch Gesamtstrafenbildung zuteil werde, bei der Frage der Nichtzuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht anders zu behandeln sei als ein Straftäter, der für eine einzelne Tat zu der Mindestfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden sei. Dies sei auch sachlich gerechtfertigt, da insoweit eine vergleichbare kriminelle Energie vorliege. Darüber hinaus sei eine konkrete Wiederholungsgefahr gegeben. Der kriminelle Werdegang des Klägers rechtfertige es, ihn als Dauerintensivtäter zu bezeichnen. Anhaltspunkte für eine Verhaltensänderung lägen nicht vor. Auch Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 2 bis Abs. 7 AufenthG könne nicht gewährt werden.
Dagegen richtet sich die vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Berufung des Klägers. Er macht im wesentlichen geltend, dass im Rahmen des Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 1 AufenthG die Ausschlussregelung des § 60 Abs. 8 Satz 1 2. Alt. AufenthG dann keine Anwendung finden dürfe, wenn ein Ausländer wegen mehrerer Einzeltaten, die jede für sich zu einer geringeren Verurteilung als zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren geführt hätten, zu einer Gesamtstrafe von mehr als drei Jahren verurteilt worden sei. Im Übrigen sei er im Falle einer Rückkehr in den Irak als glaubensgebundener Yezide und Abkömmling eines exponierten Glaubensträgers - sein Vater sei ein Sheikh, der religiöse Feiern organisiere - gefährdet.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 26. März 2004 aufzuheben,
hilfsweise,
festzustellen, dass zu seinen Gunsten Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen und das angefochtene Urteil sowie den angefochtenen Bescheid des Bundesamtes zu ändern, soweit sie der begehrten Feststellung entgegenstehen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beteiligte hat keinen Antrag gestellt.
Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Oldenburg hat durch Beschluss vom 23. November 2010 die weitere Vollstreckung der vom Kläger zu mehr als zwei Drittel verbüßten Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren aus dem Urteil des Landgerichts Hannover mit Wirkung vom 25. November 2010 zur Bewährung ausgesetzt, ihn der Aufsicht und Leitung der an seinem Wohnort Burgwedel zuständigen Bewährungshilfe unterstellt und die Bewährungszeit auf drei Jahre festgesetzt. Außerdem ist der Kläger angewiesen worden, unmittelbar nach seiner bedingten Strafentlassung eine ambulante Suchttherapie zur Drogenentwöhnung aufzunehmen und alle sechs Wochen gegenüber der Bewährungshilfe durch ein Drogenscreening seine Drogenabstinenz nachzuweisen.
Der Kläger wird gegenwärtig ausländerbehördlich geduldet. Er geht seit dem 13. Oktober 2011 bei einer Personalleasingfirma einer Erwerbstätigkeit nach und bezieht ein monatliches Gehalt von ca. 900 Euro netto.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten "A" bis "G" verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Ermächtigungsgrundlage für die Widerrufsentscheidung des Bundesamtes ist § 73 Abs. 1 AsylVfG in seiner gegenwärtig geltenden Fassung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG). Nach dessen Abs. 1 Satz 1 sind die Asylanerkennung und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. die bisherige Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG (früher: § 51 Abs. 1 AuslG) unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. Dies ist nicht nur dann der Fall, wenn dem Ausländer infolge der Änderung der maßgeblichen Verhältnisse im Herkunftsstaat keine Verfolgung mehr droht, sondern auch, wenn nachträglich von ihm nach Maßgabe von § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder für die Allgemeinheit ausgeht, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist (vgl. BVerwGE 124, 276 Rn 31 [BVerwG 01.11.2005 - BVerwG 1 C 21/04]; GK-AsylVfG, § 73 Rdnr. 32 ff m.w.N.).
Die Voraussetzungen der 2. Alternative dieser Vorschrift sind zunächst insoweit erfüllt, als der Kläger mit Urteil des Landgerichts Hannover vom 30. April 2007 zu einer (Gesamt-)Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt worden ist. Bei den tatmehrheitlich begangenen Straftaten handelt es sich, soweit sie auf der Grundlage der §§ 249, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB (schwerer Raub in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, versuchter Raub in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung) innerhalb des Strafrahmens nach § 250 Abs. 3 StGB abgeurteilt wurden, gemäß § 12 Abs. 1 StGB um Verbrechen im Sinne des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift erfasst grundsätzlich nur die Verurteilungen nach materiellem Erwachsenenstrafrecht, nicht hingegen Verurteilungen zu einer Jugendstrafe nach dem Jugendgerichtsgesetz (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. 11. 2000 - BVerwG 9 C 4/00 - BVerwGE 112, 180 zur wortgleichen Vorgängerregelung in § 51 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. AuslG 1990). Die Bildung einer Gesamtstrafe von mehr als drei Jahren wegen mehrerer ein Verbrechen oder besonders schweres Vergehen darstellender Einzeltaten, die jede für sich die Mindeststrafe von drei Jahren nicht erreicht, schließt den Anwendungsbereich der Vorschrift nicht aus. Das zeigen vor allem die Entstehungsgeschichte und der Zweck dieser Regelung. Zur früheren Fassung dieser Bestimmung, die noch keine Mindestfreiheitsstrafe vorsah, sondern nur eine rechtskräftige Verurteilung "wegen einer besonders schweren Straftat" (§ 51 Abs. 4, später § 51 Abs. 3 AuslG 1990 oder zuvor nach § 14 Abs. 1 Satz 2 AuslG 1965 "wegen eines besonders schweren Verbrechens") voraussetzte, hat die Rechtsprechung stets verlangt, dass wegen des Eingriffs in den Kernbereich des Asylgrundrechts eine Wiederholungsgefahr hinzukommen muss (BVerwGE 49, 202 [BVerwG 07.10.1975 - 1 C 46/69]<209>). Durch die Einführung einer Mindestfreiheitsstrafe von drei Jahren durch Art. 1 Nr. 13 des Gesetzes zur Änderung ausländer- und asylverfahrensrechtlicher Vorschriften vom 29. Oktober 1997 (BGBl. I S. 2584) wollte der Gesetzgeber die Anwendung der Vorschrift in der Praxis erleichtern (BTDrucks. 13/4948 S. 9). Aus Anlass der gewalttätigen Ausschreitungen von Kurden im Frühjahr 1996 sollten die Vorschriften über die zwingende Ausweisung sowie die Abschiebung straffälliger Ausländer mit dem Ziel modifiziert werden, derartigen Ausschreitungen in Zukunft ausländerrechtlich - auch in Fällen des besonderen Ausweisungsschutzes nach § 48 Abs. 1 AuslG 1990 - besser begegnen zu können. Dieses Anliegen des Gesetzgebers macht deutlich, dass mit der Festlegung einer Mindestfreiheitsstrafe von drei Jahren in § 51 Abs. 3 AuslG nicht nur der unbestimmte Rechtsbegriff einer "besonders schweren Straftat" konkretisiert und damit für unterhalb dieser Grenze bleibende Straftäter die Anwendung der Vorschrift ausgeschlossen werden sollte, sondern dass auch für die diese Grenze überschreitenden Straftäter eine konsequentere Anwendung der Vorschrift in der Praxis erreicht werden sollte (vgl. BVerwG, Urt. v. 16. 11.2000 - 9 C 6/00 -, BVerwGE 112, 185). Im Asylverfahrensgesetz findet sich eine mit § 60 Abs. 8 Satz 1 2. Alternative AufenthG vergleichbare Bestimmung, welche den Begriff der Freiheitsstrafe ebenfalls isoliert verwendet. Nach § 18 Abs. 2 Nr. 3 AsylVfG ist dem Ausländer durch die Grenzbehörde die Einreise zu verweigern, wenn er eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er in der Bundesrepublik Deutschland wegen einer besonders schweren Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist, und seine Ausreise nicht länger als drei Jahre zurückliegt. Auf die Wortwahl dieser Bestimmung hat sich der Gesetzgeber bei der Änderung des § 51 Abs. 3 2. Alternative AuslG bezogen (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs zur Änderung des § 51 Abs. 3 AuslG, BTDrucks 13/4948, S. 9 zu Nr. 9 sowie die Äußerungen des Abgeordneten Dr. Stadler, FDP, in der 40. Sitzung des Innenausschusses vom 25. September 1996, Protokoll Nr. 40 S. 16 Mitte, und des Abgeordneten Marschewski, CDU, in der 42. Sitzung vom 16. Oktober 1996, Protokoll Nr. 42 S. 21). Vor diesem Hintergrund muss es auch nach dem insoweit unveränderten Wortlaut des § 60 Abs. 8 Satz 1 2. Alternative AufenthG genügen, wenn im Einzelfall eine konkrete Wiederholungs- oder Rückfallgefahr vorliegt. Der Wortlaut der Vorschrift unterscheidet insbesondere nicht danach, ob sich die Verurteilung auf eine einzige Straftat oder auf mehrere begangene Straftaten bezieht. Deshalb ist die Vorschrift nicht nur dann anwendbar, wenn der Ausländer wegen eines einzigen Verbrechens oder besonders schweren Vergehens zu einer mindestens dreijährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden ist. Sie gilt vielmehr ohne weiteres auch dann, wenn - wie hier - im Rahmen einer Gesamtstrafenbildung eine Freiheitsstrafe von vier Jahren verhängt worden ist. Die konkret ausgeworfene Strafe kann nicht nur das Ergebnis einer wie im vorliegenden Fall im Strafurteil selbst ausgesprochenen Gesamtstrafenbildung nach § 54 StGB, sondern auch einer nachträglichen nach § 55 StGB sein (Treiber in: GK-AufenthG, § 60, Stand Juli 2011, Rn 230).
Vor dem Hintergrund der vielfältigen strafrechtlichen Verfehlungen des Klägers geht auch weiterhin eine Gefahr für die Allgemeinheit von ihm aus, weil eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten konkret zu besorgen steht. Bei der Prognose, ob eine solche Wiederholung droht, sind im Rahmen der gebotenen Würdigung der Umstände des Einzelfalles zum einen die Schwere der konkreten Straftaten, die Umstände ihrer Begehung, die Höhe der verhängten Strafe sowie das Gewicht der bei einem Rückfall bedrohten Rechtsgüter und zum anderen die Persönlichkeit des betreffenden Täters sowie seine Entwicklung und sonstigen Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt zu berücksichtigen (BVerwG, Beschl. v.12.10.2009 - 10 B 17/09 -, [...]). Insofern spricht bereits gegen den Kläger, dass Straftaten, die so schwer wiegen, dass sie zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren geführt haben, mit einem hohen Wiederholungsrisiko verbunden sind und dass dies in besonderem Maße für Gewaltdelikte gilt, da diese - wie auch hier - regelmäßig mit einer hohen kriminellen Energie begangen werden und in schwerwiegender Weise Gesundheit und Leben anderer Menschen gefährden (Treiber, a.a.O., Rn 228). Dass der Kläger insoweit zuletzt Anfang 2007 strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, spricht nicht gegen die Annahme einer konkreten Wiederholungsgefahr. Denn während der mehrjährigen Inhaftierung bis zu seiner Haftentlassung im November 2010 hatte er naturgemäß keine oder nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten, allgemeingefährliche Straftaten zu begehen. Vor allem sprechen gegen den Kläger ganz konkret die vom Landgericht Hannover unmittelbar zu seiner Person getroffenen Feststellungen. Ihnen zufolge lag seinerzeit beim Kläger schon seit seinem 17. Lebensjahr eine Drogensuchterkrankung mit einem Hang zum Konsum der Betäubungsmittel Cannabis, Kokain und Heroin vor. Die unter Drogeneinfluss begangenen Straftaten haben sich in ihrer Häufigkeit und Schwere immer mehr gesteigert und dienten überwiegend der Beschaffung und Finanzierung von Drogen. Besonders negativ fällt ins Gewicht, dass auch die zweimalige Verurteilung zu Jugendstrafen ohne Bewährung durch das Amtsgericht Burgwedel in den Jahren 2002 bzw. 2005 den Kläger nicht davon abgehalten hat, immer weitere und schwerere Straftaten zu begehen. Das Landgericht Hannover ist in seinem zuletzt ergangenen Strafurteil zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger durch die innerhalb weniger Tage auf offener Straße durch brutale Raubüberfälle auf unbeteiligte Passanten begangenen Verbrechen den Rechtsfrieden in erheblicher Weise gestört habe. Er müsse über eine längere Zeit in einem festen Rahmen leben. Nach der Strafhaft sei es für den Kläger nach Lage der Dinge geboten, sich einer stationären Drogenentziehungstherapie zu unterziehen, um eine dauerhafte Umsteuerung seiner Lebensführung zu bewirken.
Der Senat hat in seinem Beschluss vom 15. August 2011 - 13 LA 181/10 -, mit dem er den maßgeblich auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils gestützten Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das seine Klage gegen die Ausweisungsverfügung des Landkreises Vechta vom 23. Juli 2009 abweisende Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg vom 11. August 2010 abgelehnt hat, ausgeführt, dass das Verhalten des Klägers über viele Jahre wegen Drogenabhängigkeit und einer daraus resultierenden Beschaffungskriminalität geprägt worden und auch im Strafvollzug nicht durchgängig beanstandungsfrei gewesen ist. Es bedürfe noch einer Erprobung über einen längeren Zeitraum, bevor zu einer vom Kläger behaupteten grundlegenden Verhaltensänderung eine hinreichend sichere Aussage getroffen und eine ihm günstige Sozialprognose gestellt werden könnte.
Diese Einschätzung beansprucht nach wie vor Gültigkeit.
Wenn der Senat auch nach der Entlassung des Klägers aus der Strafhaft unter Aussetzung des Strafrestes auf Bewährung am 25. November 2010, bei der unter Inkaufnahme eines gewissen Restrisikos insbesondere Resozialisierungsgesichtspunkte und nicht so sehr ordnungsbehördliche Überlegungen zum Schutz der Gesellschaft vor weiteren Straftaten des Ausländers im Vordergrund stehen (BVerwG, Beschl. v. 12.10.2009 - 10 B 17/09 -, a.a.O. Rn 27), zum gegenwärtigen Zeitpunkt vom Vorliegen einer konkreten Wiederholungsgefahr für die Begehung vergleichbarer Gewaltdelikte, wie sie Gegenstand der Verurteilung durch das Landgericht Hannover gewesen waren, ausgeht, so vor allem deshalb, weil der Kläger sich ersichtlich im Bundesgebiet bisher nicht zu integrieren vermochte. Er verfügt über keinen regulären Hauptschulabschluss, keine Berufsausbildung, ist seit seiner Einreise nie einer geordneten Erwerbstätigkeit nachgegangen und konnte vor seiner Inhaftierung Anfang 2007 seine wirtschaftliche Existenz nur mit den durch seinen Drogenhandel erlangten finanziellen Mittel sichern. Von daher lässt sich auch gegenwärtig noch nicht hinreichend deutlich erkennen, ob er sich nach Ablauf der Bewährungszeit, d.h. wenn der Druck der bei Bewährungsversagen drohenden Verbüßung der Reststrafe weggefallen ist, voraussichtlich straffrei verhalten wird und künftig seinen Lebensunterhalt in Deutschland ausreichend und kontinuierlich bestreiten kann. Er ist nach seiner Haftentlassung im November 2010 zu seinen Eltern nach Burgwedel zurückgekehrt und hat erst knapp ein Jahr später am 13. Oktober 2011 bei einer Leiharbeitsfirma eine Erwerbstätigkeit mit einem Einkommen von ca. 900 Euro monatlich aufgenommen. Eine stationäre Betäubungsmittelentzugstherapie hat der Kläger entgegen der dringenden Empfehlung des Landgerichts Hannover bisher nicht absolviert. Hinzu kommt, dass der Kläger unabhängig von den vom Landgericht Hannover abgeurteilten Straftaten auch sonst im Bundesgebiet wiederholt mit dem Gesetz in Konflikt geraten ist. Neben den zahlreichen Verurteilungen sind etwa 60 strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen ihn geführt worden. Diese Gesetzesverstöße zeigen, dass der Kläger sich bisher nicht in die Rechtsordnung eingefügt hat. Das Verwaltungsgericht hat ihn nicht ohne Grund als Dauerintensivtäter bezeichnet. Sie geben von daher zusätzlich Anlass zu der Befürchtung seines neuerlichen Abgleitens in die Drogenszene und die Drogenkriminalität. Ob er während der Bewährungszeit, die noch bis November 2013 andauert, den Bewährungsauflagen für eine ambulante Drogenentwöhnung nachkommt, konnte im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht geklärt werden, da er diesen nicht wahrgenommen hat.
Dem Widerruf der Flüchtlingszuerkennung steht § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG nicht entgegen, wonach von einem solchen abzusehen ist, wenn sich der Ausländer auf zwingende auf früherer Verfolgung beruhende Gründe berufen kann, um die Rückkehr in sein Herkunftsland abzulehnen. Denn ungeachtet der Frage nach der Anwendbarkeit dieser Bestimmung auf den hier gegebenen Fall, dass ein Widerruf nicht wegen einer Veränderung der Verhältnisse im Heimstaat des Anerkannten ausgesprochen wird, sondern wegen einer von ihm ausgehenden Gefahr für die Allgemeinheit, ist jedenfalls nichts für das Vorliegen derartiger Gründe ersichtlich. Der Kläger hat nicht geltend gemacht, dass es sich bei den geschilderten Übergriffen der muslimischen Bevölkerungsmehrheit gegen die yezidischen Bewohner seiner Heimatregion Sindjar um für ihn traumatische Erlebnisse gehandelt habe, deren Folgewirkungen bis heute andauerten und ihm deshalb eine Rückkehr in den Irak schlechterdings unmöglich erscheinen ließen. Für derartige Anhaltspunkte gibt das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 21. Mai 1999 - 9 A 901/99 -, auf dem die frühere Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung seiner Flüchtlingseigenschaft beruht, nichts her.
Der Widerrufsbescheid der Beklagten verstößt auch nicht gegen § 73 Abs. 2a Satz 1 AsylVfG, wonach die Prüfung der Frage des Widerrufs spätestens nach Ablauf von drei Jahren nach Unanfechtbarkeit der Anerkennungsentscheidung zu erfolgen hat, wogegen hier zwischen der Anerkennung des Klägers als Flüchtling nach § 51 Abs. 1 AuslG und deren Widerruf rund fünf Jahre liegen. Insofern ist vielmehr allgemein anerkannt, dass diese Bestimmung nicht für "Altfälle" wie den vorliegenden gilt, d.h. für solche Fälle, in denen die Überprüfungsfrist noch gar nicht laufen und erst recht nicht ablaufen konnte, weil sie erst mit dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes am 1. Januar 2005 statuiert wurde.
Schließlich sei angemerkt, dass der im Streit befindliche Widerruf auch nicht etwa deshalb keinen Bestand haben könnte, weil dieser in Anwendung der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (" Qualifikationsrichtlinie" - Amtsblatt der EU vom 30. September 2004, L 304/12), als unzulässig angesehen werden müsste, ist doch auch gemäß deren Art. 14 Abs. 4 vorgesehen, dass die Zuerkennung einer Flüchtlingseigenschaft aberkannt wird, wenn der Betreffende eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt, weil er wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt wurde.
Darüber hinaus vermag der Kläger mit seinem Begehren aber auch insoweit nicht durchzudringen, als er sich mit seiner Klage gegen die Feststellung der Beklagten wendet, dass ihm auch keine sonstigen Abschiebungsverbote nach Maßgabe des § 53 AuslG bzw. § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG zur Seite stehen und er mit seinem Hilfsantrag eine entsprechende Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung dieser Abschiebungsverbote erstrebt.
Für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2, 3 und 5 AufenthG liegen die Voraussetzungen nicht vor.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG. Nach dieser Vorschrift ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Dieses sog. "europarechtliche Abschiebungsverbot" beruht auf Art. 18 in Verbindung mit Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 ("Qualifikationsrichtlinie"). § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG setzt einen internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikt voraus. Erst wenn Konflikte eine solche Qualität erreicht haben, wird danach ein Schutzbedürfnis der betroffenen Zivilbevölkerung anerkannt. Ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt liegt jedenfalls dann vor, wenn es sich um bewaffnete Auseinandersetzungen handelt, die im Hoheitsgebiet eines Staates zwischen den Streitkräften dieses Staates und abtrünnigen Streitkräften oder anderen organisierten bewaffneten Gruppen stattfinden, die unter einer verantwortlichen Führung eine solche Kontrolle über einen Teil des Hoheitsgebiets des Staates ausüben, dass sie anhaltende, koordinierte Kampfhandlungen durchführen. Ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt liegt dann aber nicht vor, wenn es sich lediglich um innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und andere ähnliche Handlungen handelt. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konflikts nicht von vornherein aus, allerdings muss der Konflikt jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie sie typischerweise in Bürgerkriegssituationen und Guerilla-Kämpfen zu sehen sind. Ein solcher innerstaatlicher bewaffneter Konflikt kann überdies landesweit oder regional, etwa in der Herkunftsregion des Ausländers bestehen, er muss sich mithin nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.6.2008 - 10 C 43.07 -, BVerwGE 131, 198). Ausgehend von diesen Grundsätzen spricht hier zwar einiges dagegen, dass die derzeitige Situation im Irak von Kampfhandlungen geprägt ist, die die Annahme eines bewaffneten Konflikts rechtfertigen, letztlich kann dies jedoch dahinstehen. Denn nach Überzeugung des Gerichts wäre der Kläger bei einer Rückkehr in seine Heimatregion (vgl. zu diesem Erfordernis BVerwG, U. v. 14.07.2009 - 10 C 9/08 -, BVerwGE 134, 188 Rn. 17) keiner erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt.
Der Bayer. Verwaltungsgerichtshof hat im Urteil vom 21. Januar 2010 (13a B 08.30285, <[...]>) entschieden, dass Iraker bei einer Rückkehr nach Mosul bzw. in die Provinz Ninive nach derzeitiger Sicherheitslage im allgemeinen keiner erheblichen individuellen Gefahr für Leib und Leben nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ausgesetzt sind. Er hat dazu ausgeführt:
"Die Frage, ob die im Irak seit 2003 andauernden, durch staatliche Sicherheitskräfte (Polizei und Militär) bekämpften terroristischen Handlungen (Begriff s. Art. 4 Nr. 2 Buchst. d Zusatzprotokoll II) nach Intensität und Größenordnung als vereinzelt auftretende Gewalttaten im Sinn von Art. 1 Nr. 2 Zusatzprotokoll II oder aber als anhaltende Kampfhandlungen bewaffneter Gruppen im Sinn von Art. 1 Nr. 1 Zusatzprotokoll II zu qualifizieren sind, kann dahinstehen, weil nach der Überzeugung des Senats der Kläger keiner erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt wäre. Bezüglich der Gefahrendichte ist auf die jeweilige Herkunftsregion abzustellen, in die ein Kläger typischerweise zurückkehren wird (BVerwG vom 14.7.2009 - BVerwG 10 C 9.08 - Rn. 17, AuAS 2010, 31 = NVwZ 2010, 196). Es ist nicht anzunehmen, dass die Gefahrendichte in Mosul so hoch ist, dass praktisch jede Zivilperson alleine aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre (vgl. BVerwG vom 14.7.2009 a.a.O. Rn. 15; EuGH vom 17.2.2009 NVwZ 2009, 705). Dies ergibt sich aus der Größenordnung der Anschläge und der Anzahl der Opfer im Verhältnis zur Einwohnerzahl (vgl. BVerwG vom 21.4.2009 NVwZ 2009, 1237 [BVerwG 21.04.2009 - BVerwG 10 C 11.08] = BayVBl 2009, 605). Gemäß den von der britischen regierungsunabhängigen Organisation Iraq Body Count erhobenen Daten, auf die sich sowohl die Klägerseite als auch die Beklagtenseite stützt, ergibt sich folgendes Bild: Bezogen auf den Irak im Ganzen war 2009 mit 4644 getöteten Zivilpersonen (2008: 9217) das Jahr mit der niedrigsten Anzahl von Opfern seit dem Einmarsch der Koalitionsstreitkräfte im Jahr 2003. Bezogen auf die Provinz Ninive (ca. 2,8 Mio. Einwohner) mit der Provinzhauptstadt Mosul (ca. 1,7 Mio. Einwohner) als Schwerpunkt wurden vom Iraq Body Count für das Jahr 2009 ca. 475 Anschläge mit 845 getöteten Zivilpersonen verzeichnet. Wenn man diese Zahlen zueinander ins Verhältnis setzt, beträgt die statistische Wahrscheinlichkeit, in Ninive/Mosul Opfer eines tödlichen Anschlags zu werden, ca. 0,03% oder ca. 1:3300 pro Jahr. Für das Jahr 2008 wurden vom Iraq Body Count 506 Anschläge mit 1149 getöteten Zivilpersonen verzeichnet (entspricht ca. 0,04%). Geht man mit dem Kläger außerdem davon aus, dass auf einen Toten durchschnittlich drei Verletzte kommen (s. Schriftsatz vom 16.5.2007), so beträgt die Wahrscheinlichkeit, durch einen Terroranschlag verletzt oder getötet zu werden, für 2009 ca. 0,12% oder ca. 1:800 pro Jahr. Der Hinweis des Klägers auf den Lagebericht des UNHCR vom April 2009 (Eligibility guidelines for assessing the international protection needs for Iraqi asylum-seekers) stellt die Risikoabschätzung des Senats nicht in Frage. Die Erkenntnis des UNHCR bei RdNr. 205, dass sich in der Millionenstadt Mosul noch beinahe täglich Bombenattentate, Entführungen und gezielte Mordanschläge ereignen, steht nicht im Widerspruch zu den vom Senat zugrunde gelegten Statistiken. Die Auflistung von Anschlägen bei RdNr. 206 Fußnote 520 entspricht derjenigen des Iraq Body Count. Für die Annahme, dass sich die Sicherheitslage wesentlich verschärfen werde, gibt es keine prognostisch gesicherten Anhaltspunkte. Die nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG maßgebliche Sachlage beruht deshalb hauptsächlich auf den Zahlen von 2009."
Dieser Beurteilung der allgemeinen Lage in der Provinz Ninive, die das Bundesverwaltungsgericht in seinem die Revision des dortigen Klägers zurückweisenden Urteil vom 17. November 2011 - 10 C 13/10 -, <[...]> nicht beanstandet hat, schließt sich der erkennende Senat an. Seither hat sich nichts Wesentliches geändert. Die Sicherheitslage in dieser Provinz (Lagebericht Irak vom 28.11.2010, S. 6, 15) ist weiterhin als schlecht zu beurteilen. Die für die Annahme einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib und Leben erforderliche kritische Gefahrendichte liegt jedoch nicht vor (vgl. auch BayVGH, Urt. v. 14.12.2010 - 13a B 10.30100 -, <[...]>). Nach den Feststellungen der britischen Nichtregierungsorganisation Iraq Body Count (http:/www.iraqbodycount.org) hat sich die Zahl der Opfer unter der Zivilbevölkerung für das Jahr 2010 auf 4.038 vermindert.
Es bestehen bei dem Kläger auch keine individuellen gefahrerhöhenden Umstände wie die Zugehörigkeit zu einer politischen Partei sowie etwa zur Berufsgruppe der Journalisten und Professoren, Ärzte und Künstler (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.6.2008, - 10 C 44.07 - a.a.O.; Lagebericht Irak vom 28.11.2010, S. 23).
Erreicht aber die Anzahl der Anschläge, denen die Zivilbevölkerung allgemein ausgesetzt ist, nicht die für die Feststellung eines Abschiebungsverbots erforderliche Dichte, wird diese auch dann nicht erreicht, wenn die vom Kläger reklamierte Zugehörigkeit zur Gruppe der Yeziden und seine Abstammung als Sohn eines sog. Sheiks als persönlicher Umstand in den Blick genommen wird, aufgrund dessen er als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte wegen seiner religiösen Zugehörigkeit ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht schon die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt. Für die Feststellung der Gefahrendichte können ähnliche Kriterien gelten wie im Bereich des Flüchtlingsrechts für den dort maßgeblichen Begriff der Verfolgungsdichte bei einer Gruppenverfolgung (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.4.2010 - 10 C 4/09 -, BVerwGE 136, 360 Rn. 33; Urt. v.14.7.2009 - 10 C 9.08 -, BVerwGE 134, 188; Urt. v. 24.6.2008, - 10 C 43/07 -, a.a.O. Rn. 35; Urt. v. 12.6.2007, - 10 C 24/07 -, [...]). Ob irakische Staatsbürger yezidischen Glaubens, die im Irak zu den besonders gefährdeten religiösen Minderheiten gehören, von radikal-moslemischen Gruppierungen verfolgt werden und deshalb eine Gruppenverfolgung angenommen werden kann, ist in der Rechtsprechung des erkennenden Gerichts bereits ausreichend geklärt. Mit Urteil vom 19. März 2007 (- 9 LB 373/06 -, [...]) hat der 9. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts festgestellt, dass Yeziden aus dem Irak mangels einer hinreichenden Verfolgungsdichte weder einer landesweiten noch regional begrenzten Gruppenverfolgung ausgesetzt sind. Dieser Auffassung hat sich der erkennende Senat angeschlossen (vgl. Beschl. v. 8. Februar 2011 - 13 LA 249/10 -). Sie steht im Einklang mit der aktuellen Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte (vgl. Bayer. VGH, Beschl. v. 12.09.2011 - 13a ZB 11.30280 - [...] Rn. 8; OVG des Saarlandes, Urt. v. 16.09.2011 - 3 A 446/09 - [...], Rn. 218 ff. m.w.N.). Zwar ist die gegenwärtige Situation im Sindjar, dem Herkunftsgebiet des Klägers, nach wie vor schwierig. Hier sind seit 2004 kurdische Peschmergatruppen präsent, deren vordringlichste Aufgabe im Schutz der yezidischen Zentraldörfer besteht. Ebenfalls ist dort eine Division der irakischen Armee stationiert, wobei die Sicherheitskräfte allerdings gegen etwaige Anschläge und Übergriffe effektiven Schutz nicht immer zu leisten vermögen. Zu dem bislang schlimmsten Angriff gegenüber Zivilisten kam es am Abend des 14. August 2007, als vier mit Sprengstoff beladene LKWs in den am Rand des Sindjar gelegenen yezidischen Zentraldörfern al-Khataniya (Gir Azair) und al-Jazirah (Siba Sheik Khidri) detonierten. In der ersten Jahreshälfte 2008 wurden mindestens fünf Yeziden im Sindjar ermordet, am 14. Dezember 2008 sieben Angehörige einer yezidischen Familie. Am 13. August 2009 starben bei einem Selbstmordattentat in Sindjar-Stadt mindestens 21 Menschen. Nach Abzug der US-Streitkräfte kam es im Sommer 2009 zu einem dramatischen Anstieg der Übergriffe gegen Christen, Schabak und Yeziden mit über 137 Toten. Als Reaktion auf Angriffe wurden Sicherungsmaßnahmen durch Sandbarrieren errichtet. Tatsächlich muss die Lage im Sindjar immer noch als extrem gefährlich eingeschätzt werden und auch das Leben in den - ethnisch homogenen - yezidischen Zentraldörfern bietet keine Gewähr der Sicherheit (vgl. Europäisches Zentrum für Kurdische Studien - EZKS - vom 17.2.2010 S. 13 bis 23). Auf der Grundlage der dem Senat vorliegenden Erkenntnismittel kann aber in quantitativer Hinsicht nicht auf eine Verfolgungsdichte, die ohne weiteres für jeden einzelnen Yeziden die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entstehen lässt, geschlossen werden. Aus dem Gutachten des Europäischen Zentrums für Kurdische Studien vom 17. Februar 2010 ergeben sich für die Zeit von 2004 bis 2010 zwischen 600 und 800 yezidische Todesopfer, wobei jedoch nicht durchgehend ein Bezug zur Religionszugehörigkeit nachzuweisen ist. Die bekannt gewordene Zahl der Übergriffe in den vergangenen Jahren ist - ungeachtet der anzunehmenden Dunkelziffer - gemessen an der Gesamtzahl der im Irak lebenden Yeziden nicht geeignet, eine Verfolgung der Yeziden als religiöse Gruppe zu belegen. Selbst wenn man jeweils die für den Kläger günstigsten Werte ansetzen würde, ergibt sich eine Relation von 800 zu 200.000, was einem Verhältnis von 1: 250 entspricht. Das Bundesverwaltungsgericht hat bei einer deutlich größeren Gruppe eine Verfolgungsdichte von etwa einem Drittel im Ansatz als hinreichend angesehen, um eine Gruppenverfolgung annehmen zu können (BVerwG, U.v. 30.4.1996, - 9 C 170/95 -, BVerwGE 101,123). Selbst wenn man eine Verfolgungsdichte von nur einem Zehntel ansetzen würde, hält die festgestellte Verfolgungsdichte von 1: 250 einen sicheren Abstand zum kritischen Bereich ein. Auch wenn nicht verkannt werden darf, dass sich die Yeziden im Irak in einer immer noch vergleichsweise schwierigen Lage befinden, lassen die Erkenntnismittel den Schluss auf eine landesweite oder regional begrenzte Gruppenverfolgung auch gegenwärtig nicht zu. Das gilt insbesondere für das Herkunftsgebiet des Klägers. Das Europäische Zentrum für Kurdische Studien führt in seiner Auskunft vom 20. November 2011 an das Verwaltungsgericht Düsseldorf aus, die Aufrüstung im Sicherheitsbereich habe dazu geführt, dass sich die Lage im Sindjar in den vergangenen zwei Jahren im Vergleich zu den Vorjahren verbessert habe. Tatsächlich habe es keine großen Anschläge mehr auf Zentraldörfer gegeben wie im Jahr 2007. Die Zahl der Einzeltötungen und Entführungen sei ebenfalls gesunken. Zwischen dem Sommer 2009 und August 2011 seien jedoch noch Fälle ermittelt worden, in denen Yeziden aus dem Sindjar entführt und/oder getötet worden seien. Auf dem Weg zwischen Mosul und Sindjar seien insgesamt sechs Yeziden gezielt aus ihren Autos geholt und ermordet worden. Außerdem seien vier Yeziden entführt worden. Drei der Entführten seien getötet worden. Ebenfalls am 25. September 2011 seien drei Yeziden, die sich auf dem Weg zu einer yezidischen Hochzeit befunden hätten, zwischen dem Dorf Schifo und dem Zentraldorf Scheich Khidir als Geiseln genommen worden. Zwei Personen seien nach Zahlung von Lösegeld freigelassen worden, die dritte Person sei getötet worden (EZKS, Seite 7 bis 9, 13).
Auch danach kann in quantitativer Hinsicht nicht auf eine Verfolgungsdichte geschlossen werden, die ohne weiteres für jeden einzelnen Yeziden im Sindjar die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entstehen lässt. Die bekannt gewordene Zahl der Übergriffe in den vergangenen Jahren ist - ungeachtet der anzunehmenden Dunkelziffer - gemessen an der Gesamtzahl der im Irak lebenden Yeziden nicht geeignet, eine Verfolgung der Yeziden als religiöse Gruppe zu belegen. Schließlich gibt auch das Vorfluchtschicksal des Klägers keinen Anlass, auf die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie, auf die § 60 Abs. 11 AufenthG verweist, einzugehen.
Schließlich kann sich der Kläger auch nicht auf ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG berufen. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.
Eine allgemeine Gefahrenlage, der die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, ausgesetzt ist, kann im Hinblick auf die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 jedoch nur dann begründen, wenn es dem Betroffenen im Hinblick auf den verfassungsrechtlich unabdingbar gebotenen Schutz insbesondere des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit nicht zuzumuten wäre, in sein Heimatland zurückzukehren. Das wäre vorliegend dann anzunehmen, wenn der Kläger im Fall einer Abschiebung in den Irak gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde (vgl. BVerwG, U.v. 8.12.1998 - 9 C 4.98 -, [...]). Für eine solche extreme Gefährdungslage des Klägers ist jedoch nichts ersichtlich. Soweit sich der Kläger auf die allgemeine Gefahrenlage im Irak beruft, scheitert dies bereits an der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG. Deren Durchbrechung kommt hier schon deshalb nicht in Betracht, weil das Nds. Ministerium für Inneres und Sport mit Erlass vom 29. März 2007 (Az. 42.15-12231/3-6 IRQ) bestimmt hat, dass vollziehbar ausreisepflichtige irakische Staatsangehörige - mit Ausnahme von aus der kurdisch verwalteten Autonomieregion stammenden Personen, die in Deutschland wegen Straftaten verurteilt wurden oder die die innere Sicherheit gefährden - weiterhin nicht in den Irak abgeschoben werden und eine Duldung erhalten. Damit ist in Niedersachsen für Personen wie dem Kläger, der zwar rechtskräftig zu einer vierjährigen Freiheitsstrafe bestraft wurde, aber nicht aus den kurdisch verwalteten Provinzen des Nordirak stammt, ein gleichwertiger Schutz gegeben, der einen ausnahmsweise möglichen Rückgriff auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in verfassungskonformer Auslegung ausschließt (Nds. OVG, Beschlüsse vom 16. 5. 2007 - 9 LA 144/06 - und vom 12. 1. 2011 - 13 LA 228/10 - n.v.).
Nach allem muss der Berufung des Klägers der Erfolg versagt bleiben.