Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 09.02.2012, Az.: 5 LA 264/10

Gewährung von Beihilfe ohne Einholung einer Genehmigung der Festsetzungsstelle vor Aufnahme der chirurgischen Hornhautkorrektur durch Laserbehandlung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
09.02.2012
Aktenzeichen
5 LA 264/10
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2012, 11296
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2012:0209.5LA264.10.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Lüneburg - 10.09.2010 - AZ: 1 A 12/09

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Eine Beamtin hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Beihilfe für die bei ihr durchgeführte chirurgische Hornhautkorrektur, wenn sie diese Behandlung ohne vorherige Genehmigung durch die Festsetzungsstelle hat vornehmen lassen.

  2. 2.

    Die Anwendbarkeit von Hinweis Nr. 2 des Bundesministeriums des Innern zu § 6 Abs. 2 BhV und Hinweis Nr. 1 f des Niedersächsischen Finanzministers vom 27. April 2007 steht nicht entgegen, dass sie zeitlich erst nach den Beihilfevorschriften erlassen worden sind.

Gründe

1

Der Zulassungsantrag der Klägerin gegen das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts, mit dem dieses einen Anspruch der Klägerin auf die Gewährung von Beihilfe für die bei ihr durchgeführte chirurgische Hornhautkorrektur abgelehnt hat, weil die Klägerin diese Behandlung ohne vorherige Genehmigung durch die Festsetzungsstelle hat vornehmen lassen, hat keinen Erfolg.

2

1. Der mit dem Antrag geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor.

3

Die Klägerin hat keine gewichtigen, gegen die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung sprechenden Gründe aufgezeigt, aus denen sich ergibt, dass ein Erfolg der erstrebten Berufung mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg. Das Verwaltungsgericht hat im Einzelnen und ausführlich begründet, warum es zu der von der Klägerin angegriffenen Einschätzung gelangt ist (UA S. 4 - 6). Der Senat macht sich die zutreffende Begründung des angefochtenen Urteils zu Eigen und verweist auf sie (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

4

Im Hinblick auf das Vorbringen der Klägerin im Zulassungsverfahren ist das Folgende hervorzuheben bzw. zu ergänzen:

5

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass im Zeitpunkt der hier entstandenen Aufwendungen am 28. Oktober 2008 gemäß § 87 c Abs. 1 NBG in der vom 1. Januar 2005 bis zum 31. März 2009 geltenden Fassung vom 17. Dezember 2004 (Nds. GVBl. S. 664) - § 87 c NBG a.F. - die verfassungswidrigen, aber noch für einen Übergangszeitraum anwendbaren, früheren Beihilfevorschriften des Bundes in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. November 2001 (GMBl S. 919) - BhV -, die zuletzt durch die 28. Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Beihilfevorschriften vom 30. Januar 2004 (GMBl S. 379) geändert worden sind, anzuwenden sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.5.2008 - BVerwG 2 C 24.07 -, [...] Rn. 12; Urteil vom 26.6.2008 - BVerwG 2 C 2.07 -, [...] Rn. 9; Nds. OVG, Beschlüsse vom 4.1.2012 - 5 LA 176/10 -, [...], und - 5 LA 82/11 -).

6

Der Senat teilt zudem die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass für die Aufwendungen der Klägerin die im Jahr 2007 erlassenen Hinweise gelten (Hinweis Nr. 2 des Bundesministeriums des Innern zu § 6 Abs. 2 BhV und Hinweis Nr. 1 f des Niedersächsischen Finanzministers vom 27. April 2007, Nds. MBl. S. 374, 375), wonach - anders, als es in den vorher geltenden Hinweisen vorgesehen war - vor Aufnahme der chirurgischen Hornhautkorrektur durch Laserbehandlung eine Genehmigung durch die Festsetzungsstelle einzuholen ist. Der Anwendbarkeit dieser Hinweise steht nicht entgegen, dass sie zeitlich erst nach den hier anzuwendenden Beihilfevorschriften erlassen worden sind. Die oben zitierten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Mai 2008 und vom 26. Juni 2008 (a.a.O.) schließen eine Anwendbarkeit dieser Hinweise nicht aus. Ferner hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 17. Juni 2004 (- BVerwG 2 C 50.02 -, [...] Rnrn. 12, 20) ausgeführt, dass die oben zitierten früheren Beihilfevorschriften den Anforderungen an den allgemeinen Gesetzesvorbehalt nicht genügen, weil es geboten ist, dass der parlamentarische Gesetzgeber selbst die Verantwortung für die teilweise erheblichen Eingriffe in den erreichten Beihilfe- und Vorsorgestandard übernimmt. Anderenfalls hätte es die Exekutive in der Hand, das Maß der von dem Beamten erwarteten Beteiligung an den Kosten der medizinischen und pflegerischen Versorgung festzulegen und dadurch das mit der gesetzlich festgelegten Besoldung und Versorgung erreichte Niveau unter Ausschluss des parlamentarischen Gesetzgebers in beachtlichem Umfang abzusenken. Trotz des Defizits normativer Regelungen ist das Bundesverwaltungsgericht für eine Übergangszeit von der Weitergeltung der Beihilfevorschriften ausgegangen. Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung ist eine Anwendbarkeit der hier streitigen, im Jahr 2007 geänderten Hinweise zu § 6 Abs. 2 BhV rechtlich nicht zu beanstanden, weil diese Hinweise nicht in den Beihilfestandard der Beihilfevorschriften in der Fassung der 28. Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Beihilfevorschriften vom 30. Januar 2004 (a.a.O.) eingreifen. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht mit Blick auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Mai 2009 (- BVerwG 2 C 28.08 -, [...] Rn. 19; vgl. auch Urteil vom 28.5.2008 - 2 C 9.07 -, [...] Rn. 13) darauf abgestellt, dass die zu den Beihilfevorschriften ergangenen Hinweise den Inhalt der Beihilfevorschriften weder einschränken noch ändern können. Dies trifft auch für die hier maßgeblichen Hinweise zu. Die im Jahr 2007 zu § 6 Abs. 2 BhV erlassenen Hinweise ändern die Vorschrift des § 6 Abs. 2 BhV, wonach das Bundesministerium des Innern die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für eine Untersuchung oder Behandlung nach einer wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Methode begrenzen oder ausschließen kann, nicht. Sie greifen entgegen der Auffassung der Klägerin auch im Verhältnis zu den vorher geltenden Hinweisen zu § 6 Abs. 2 BhV, die das Genehmigungserfordernis nicht enthielten, durch das Genehmigungserfordernis nicht in den Leistungsumfang des Beihilfeprogramms ein und verschlechtern dieses nicht zu Lasten der beihilfeberechtigten Beamten. Denn das Genehmigungserfordernis schafft nicht selbständig einen neuen Leistungsausschluss oder eine Leistungseinschränkung, sondern gibt lediglich ein Verfahren zur Erstattung der Aufwendungen für eine chirurgische Hornhautkorrektur vor. Liegen die Voraussetzungen des Ausnahmefalls für eine chirurgische Hornhautkorrektur durch Laserbehandlung vor, nämlich, dass eine Korrektur durch Brillen oder Kontaktlinsen nach augenärztlicher Feststellung nicht möglich ist, sind die Aufwendungen nach wie vor beihilfefähig, wenn das Verfahren der Einholung einer vorherigen Genehmigung eingehalten worden ist.

7

2. Eine Divergenz im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist nicht gegeben.

8

Eine Abweichung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO liegt nur vor, wenn das Verwaltungsgericht in einer Rechtsfrage anderer Auffassung ist, als sie eines der in der Vorschrift genannten Gerichte vertreten hat, also seiner Entscheidung einen (entscheidungserheblichen) abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der mit dem in der Rechtsprechung aufgestellten Rechtssatz nicht übereinstimmt. Eine nur unrichtige Anwendung eines in obergerichtlicher bzw. höchstrichterlicher Rechtsprechung entwickelten und vom Tatsachengericht nicht infrage gestellten Rechtsgrundsatzes stellt hingegen keine Abweichung im Sinne des Zulassungsrechtes dar; insbesondere kann eine Divergenzrüge nicht gegen eine rein einzelfallbezogene, rechtliche oder tatsächliche Würdigung erhoben werden. Gleiches gilt, wenn das Verwaltungsgericht aus nicht (ausdrücklich) bestrittenen Rechtssätzen nicht die gebotenen (Schluss-)Folgerungen zieht, etwa den Sachverhalt nicht in dem hiernach erforderlichen Umfang aufklärt und damit unbewusst von der divergenzfähigen Entscheidung abgewichen ist.

9

Hiervon ausgehend hat die Klägerin eine Divergenz nicht dargelegt. Sie rügt ohne Erfolg, das Urteil des Verwaltungsgerichts weiche von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Juni 2008 (a.a.O.) ab, weil es entgegen dieser Rechtsprechung nicht die Beihilfevorschriften in der zuletzt durch die 28. Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Beihilfevorschriften vom 30. Januar 2004 (a.a.O.) geänderten Fassung, sondern das Beihilferecht nach dem Stand 2007 zur Anwendung gebracht habe. Das Verwaltungsgericht hat aber die von der Klägerin zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts seinem Urteil zugrunde gelegt und die von der Klägerin genannten Beihilfevorschriften als Rechtsgrundlage angewendet. Zu der Anwendbarkeit der hier streitigen Hinweise zu § 6 Abs. 2 BhV hat das Bundesverwaltungsgericht in den zitierten Entscheidungen keinen Rechtsgrundsatz aufgestellt, von dem das Verwaltungsgericht abgewichen wäre.

10

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).