Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 21.02.2012, Az.: 12 ME 311/11
Verweigerung der Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Verbrennungsmotorenanlage für eine Biogasanlage
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 21.02.2012
- Aktenzeichen
- 12 ME 311/11
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2012, 11291
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2012:0221.12ME311.11.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Oldenburg - 23.11.2011 - AZ: 5 B 2197/11
Rechtsgrundlagen
- § 8 BImSchG
- § 9 BImSchG
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Grundsätzlich verbietet es sich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, die Hauptsache ganz oder teilweise vorwegzunehmen, indem dem geltend gemachten Anspruch zur vollen Durchsetzung verholfen wird. Eine Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO kann in einer solchen Lage nur ergehen, wenn in der Hauptsache weit überwiegende Erfolgsaussichten bestehen und der Antragsteller darüber hinaus schlechthin unzumutbaren, anders nicht abzuwendenden Nachteilen ausgesetzt wäre, wenn er auf den Abschluss eines Klageverfahrens verwiesen würde.
- 2.
Ein Antrag auf Erteilung einer Teilgenehmigung oder eines Vorbescheids ist nicht automatisch in dem Antrag auf Erteilung der Vollgenehmigung enthalten. Demzufolge hat ein Antragsteller, der einen Antrag im Sinne des § 8 oder § 9 BImSchG stellen will, im Einzelnen kenntlich zu machen, dass eine derartige Entscheidung begehrt wird und für welchen Teil der Anlage und hinsichtlich welcher Voraussetzungen das geschehen soll.
Gründe
I.
Der Antragsteller beantragte unter dem 10. November 2010, ihm im vereinfachten Verfahren eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Verbrennungsmotorenanlage für den Einsatz von Biogas (Biogasanlage) am Standort F., C. D., zu erteilen. Diesen Antrag lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 12. Juli 2011 ab, weil die Antragsunterlagen trotz mehrfacher Nachforderung weiterhin unvollständig und somit nicht prüffähig seien. In Anbetracht des Umfangs der fehlenden Antragsunterlagen habe auch weder eine Teilgenehmigung noch ein Vorbescheid erteilt werden können, weil nicht nachgewiesen worden sei, dass die anfallende Wärme der Biogasanlage effizient verwendet werde.
Der Antragsteller hat daraufhin beim Verwaltungsgericht beantragt,
den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm an dem vorgesehenen Standort die Errichtung und den Betrieb einer Biogasanlage nach Maßgabe seines Antrags vom 10. November 2010 zu genehmigen,
hilfsweise
einen Bauvorbescheid und eine Teilgenehmigung nach Maßgabe des genannten Antrags zu erteilen,
hilfsweise
den vorzeitigen Baubeginn (§§ 8, 8a BImSchG) nach Maßgabe des gestellten Antrags zuzulassen.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit dem im Tenor bezeichneten Beschluss, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird, abgelehnt.
II.
Die Beschwerde des Antragstellers bleibt ohne Erfolg. Die vom Senat allein zu prüfenden Beschwerdegründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) geben keinen Anlass, den angegriffenen Beschluss zu ändern.
Soweit der Antragsteller die Ansicht vertritt, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts begehre er keine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache, weil er nicht mehr verlange, als in der Hauptsache hätte genehmigt werden müssen, unterliegt er offenbar einem Missverständnis. Die begehrte Verpflichtung des Antragsgegners, ihm - dem Antragsteller - im Wege der einstweiligen Anordnung die unter dem 10. November 2010 beantragte immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb der Biogasanlage zu erteilen, zielt nicht auf eine vorläufige und inhaltlich begrenzte Regelung, sondern auf den Rechtsstatus, der im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren zuerkannt werden soll. Demzufolge trifft die Einschätzung des Verwaltungsgerichts zu, dass dieses Begehren eine Vorwegnahme der Hauptsache darstellt. Dies gilt gleichermaßen - jedenfalls zum Teil - für die vom Antragsteller mit Schreiben vom 1. Juli 2011 bezeichneten Hilfsbegehren, ihm zumindest eine Teilgenehmigung oder einen Bauvorbescheid zu erteilen. Grundsätzlich verbietet es sich jedoch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, die Hauptsache ganz oder teilweise vorwegzunehmen, indem dem geltend gemachten Anspruch zur vollen Durchsetzung verholfen wird. Eine hier allein in Betracht kommende Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann in einer solchen Lage nur ergehen, wenn in der Hauptsache weit überwiegende Erfolgsaussichten bestehen und der Antragsteller darüber hinaus schlechthin unzumutbaren, anders nicht abzuwendenden Nachteilen ausgesetzt wäre, wenn er auf den Abschluss eines Klageverfahrens verwiesen würde. Von diesem Maßstab ist auch das Verwaltungsgericht zutreffend ausgegangen. Damit setzt sich das Beschwerdevorbringen nicht fundiert auseinander und legt insbesondere nicht dar, dass gemessen an diesen Voraussetzungen dem Antrag hätte stattgegeben werden müssen.
Die Vorstellung des Antragstellers, wenn die weitere Beteiligung der maßgebenden Fachbehörden möglich sei, bedeute dies im Umkehrschluss, dass die zumindest hilfsweise beantragte Vorabentscheidung durch Bauvorbescheid und Teilgenehmigung erfolgen könne, geht fehl. Ein Bauvorbescheid kommt hier, da das Vorhaben des Antragstellers unstreitig immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftig ist, von vornherein nicht in Betracht. Auch ein immissionsschutzrechtlicher Vorbescheid nach § 9 BImSchG setzt jedoch voraus, dass über einzelne Genehmigungsvoraussetzungen oder über den Standort der Anlage abschließend entschieden werden kann, und zudem - als weitere Voraussetzung - die Auswirkungen der geplanten Anlage ausreichend beurteilt werden können. Dies gilt entsprechend im Fall der Teilgenehmigung nach § 8 BImSchG, die die Errichtung einer Anlage oder eines Teils einer Anlage oder die Errichtung und den Betrieb eines Teils einer Anlage zum Gegenstand haben kann. Die (bloße) Beteiligung der Fachbehörden vermag indes die Beurteilung der zur abschließenden Prüfung gestellten Fragen nicht zu ersetzen oder vorwegzunehmen und besagt auch noch nichts darüber, ob die gemäß §§ 8 und 9 BImSchG erforderliche vorläufige positive Gesamtbeurteilung möglich ist, die ergeben muss, dass der Errichtung und dem Betrieb der gesamten Anlage keine von vornherein unüberwindlichen Hindernisse im Hinblick auf die Genehmigungsvoraussetzungen entgegenstehen.
Im Übrigen ist ein Antrag auf Erteilung einer Teilgenehmigung oder eines Vorbescheids nicht automatisch in dem Antrag auf Erteilung der Vollgenehmigung enthalten. Demzufolge hat ein Antragsteller, der einen Antrag im Sinne des § 8 oder § 9 BImSchG stellen will, im Einzelnen kenntlich zu machen, dass eine derartige Entscheidung begehrt wird und für welchen Teil der Anlage und hinsichtlich welcher Voraussetzungen das geschehen soll (vgl. §§ 22, 23 der Verordnung über das Genehmigungsverfahren - 9. BImSchV -). Diese Anforderungen erfüllt das Schreiben des Antragstellers vom 1. Juli 2011 an den Antragsgegner nicht, mit dem beiläufig die Auffassung vertreten wird, dass zumindest eine Teilgenehmigung oder eine Bauvorbescheidung möglich sein solle, sofern eine Gesamtgenehmigung nicht ausgesprochen werden könne, und darauf hilfsweise angetragen wird, ohne dies jedoch durch geeignete Angaben im Einzelnen zu unterlegen.
Der Antragsteller ist demgegenüber zwar nach wie vor der Auffassung, dass Genehmigungsreife gegeben sei, er vermag aber die gegenteilige Auffassung des Antragsgegners, die vom Verwaltungsgericht geteilt worden ist, mit seinem Beschwerdevorbringen nicht zu erschüttern. Insofern fehlt es - wie das Verwaltungsgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt hat - auch an einem Anspruch des Antragstellers auf Zulassung vorzeitigen Beginns im Sinne des § 8a BImSchG. Nach Abs. 1 Nr. 1 dieser Vorschrift soll die Genehmigungsbehörde auf Antrag vorläufig zulassen, dass bereits vor Erteilung der Genehmigung mit der Errichtung einschließlich der Maßnahmen, die zur Überprüfung der Betriebstüchtigkeit der Anlage erforderlich sind, begonnen wird, wenn - neben weiteren Voraussetzungen - mit einer Entscheidung zugunsten des Antragstellers gerechnet werden kann. Das vermochte das Verwaltungsgericht nach summarischer Prüfung nicht festzustellen, weil der Antragsteller ungeachtet mehrfacher Aufforderungen, die eingereichten Antragsunterlagen zu vervollständigen, nur eingeschränkt Abhilfe geschaffen habe und sich die Antragsunterlagen insgesamt weiterhin als unvollständig und nicht prüffähig erwiesen, so dass der Antrag habe abschlägig beschieden werden dürfen (vgl. dazu § 20 Abs. 2 Satz 2 der 9. BImSchV). Dagegen bringt der Antragsteller durchgreifende Gesichtspunkte nicht vor.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts mangelt es an der Prüffähigkeit des immissionsschutzrechtlichen Antrags insbesondere deshalb, weil ein nachvollziehbares Konzept zur Nutzung der anfallenden Abwärme nicht vorgelegt worden und deshalb derzeit nicht zu beurteilen sei, ob das Vorhaben den Betreiberpflichten aus § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BImSchG genüge, wonach Energie sparsam und effizient verwendet wird. Eine Konkretisierung dieser Vorschrift findet sich in§ 4d der 9. BImSchV, wonach die Antragsunterlagen auch Angaben über vorgesehene Maßnahmen zur sparsamen und effizienten Energieverwendung enthalten müssen, also insbesondere Angaben über Möglichkeiten zur Erreichung hoher energetischer Wirkungs- und Nutzungsgrade, zur Einschränkung von Energieverlusten sowie zur Nutzung der anfallenden Energie. Dazu gehört auch beim Betrieb der Anlage entstehende Abwärme. Aus den Antragsunterlagen muss sich deshalb ergeben, wie und in welchem Umfang die Restwärme genutzt werden soll und welche technischen Vorkehrungen hierfür vorgesehen sind (vgl. Czajka, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Kommentar, Band 2, B 2.9, § 4d 9. BImSchV Rn. 24). Hier hat das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass das Planungsbüro des Antragstellers im Schreiben vom 23. Mai 2011 lediglich mehrere mögliche Varianten aufgezeigt habe, ohne deren Realisierbarkeit näher zu belegen. Wenn der Antragsgegner unter diesen Umständen die Auffassung vertreten hat, die vom Antragsteller gemachten Angaben reichten nicht aus, so ist das nach Maßgabe des § 4d der 9. BImSchV grundsätzlich nicht zu beanstanden und entspricht offenbar auch der vom Antragsteller jedenfalls nicht fundiert in Zweifel gezogenen ständigen Verwaltungspraxis des Antragsgegners.
Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsgegner dem Antragsteller unter bestimmten Voraussetzungen die Erteilung der beantragten Genehmigung zugesagt hat, bestehen nicht. Das Verwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, der Antragsgegner habe seine Anregung zur Standortverlegung plausibel und nachvollziehbar als frühzeitigen und wiederholten Vorschlag zur Vermeidung eines denkbaren Nachbarschaftskonflikts dargestellt, die keineswegs als Zusage der inhaltlichen Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens "Biogasanlage" verstanden werden dürfe. Dem hält der Antragsteller lediglich seine gegenteilige Auffassung entgegen und behauptet nicht einmal, dass der Antragsgegner ihm insoweit eine verbindliche Zusicherung (vgl. § 38 VwVfG) erteilt habe.
Darüber hinaus hat das Verwaltungsgericht die Auffassung vertreten, der Antragsgegner habe glaubhaft auch das Fehlen weiterer prüfrelevanter Unterlagen, wie statische Berechnungen für die Wände der Fahrsiloanlage, erläutert. Dem tritt der Antragsteller mit Blick auf die begehrte immissionsschutzrechtliche Genehmigung nicht entgegen. Ob die fehlenden statischen Berechnungen auch einem formgerecht gestellten Vorbescheidsantrag entgegengehalten werden könnten, muss hier nicht entschieden werden. Das gilt entsprechend für weitere in dem angefochtenen Beschluss benannte Defizite. Soweit das Verwaltungsgericht mit dem Antragsgegner einen Eignungsnachweis hinsichtlich der Nutzung des vorhandenen Güllehochbehälters für die Zwischenlagerung des anfallenden Silagesickersaftes und des verunreinigten Oberflächenwassers vermisst, verweist der Antragsteller darauf, dass er für den Güllesilo über eine Baugenehmigung vom 15. Juli 1998 verfüge. Dabei lässt er indes unberücksichtigt, dass diese Genehmigung die Nutzung zu den hier beabsichtigten Zwecken nicht zum Gegenstand hat. Seiner nicht näher begründeten Behauptung, dass es sich nach den Festsetzungen des genannten Genehmigungsbescheides um die gleiche Gefahrenklasse wie bei dem hier streitigen Gegen-stand handele, hat der Antragsgegner widersprochen.
Die vom Antragsteller erhobene Rüge eines Verstoßes gegen seinen Anspruch auf rechtliches Gehör greift nicht durch. Er rügt insoweit, dass das Verwaltungsgericht Mitarbeiter des Landkreises persönlich - in einem Telefongespräch - angehört habe, stattdessen einen Termin zur mündlichen Verhandlung/Erörterung hätte bestimmen und ihm Gelegenheit geben müssen, sich persönlich zu den Einlassungen des Landkreises zu erklären. Nach Aktenlage hat der Vorsitzende der beschließenden Kammer des Verwaltungsgerichts nach einem Anruf, den er von der Ehefrau des Antragstellers erhalten hatte, offenbar Anlass gesehen, mit dem Antragsgegner telefonisch Kontakt aufzunehmen. Über den Inhalt der beiden Ferngespräche hat er einen ausführlichen Vermerk gefertigt und den Beteiligten zur Kenntnis gegeben. Von der dadurch eröffneten Möglichkeit zur Stellungnahme hat der Antragsteller durch seinen Prozessbevollmächtigten Gebrauch gemacht. Bedenken gegen die Vorgehensweise des Kammervorsitzenden hat er in erster Instanz nicht geäußert, sondern lediglich eine mündliche Erörterung der Sache angeregt und für wünschenswert erachtet. Hiernach ist nicht ersichtlich, inwiefern der Antragsteller in seinem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs beeinträchtigt worden sein könnte. Eine mündliche Verhandlung/Erörterung ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes eher unüblich und regelmäßig nicht geboten.