Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 08.05.2013, Az.: 5 A 3236/10

Ahmadi; Ahmadiyya; Gruppenverfolgung; Pakistan

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
08.05.2013
Aktenzeichen
5 A 3236/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 64374
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Für Angehörige der Gruppe von bekennenden Ahmadis in Pakistan, zu denen solche Personen gehören, die ihren Glauben in strafrechtlich verbotener Weise praktizieren bzw. aus Angst vor Verfolgung hierauf verzichten, kann nach den vorhandenen Erkenntnismitteln nicht davon ausgegangen werden, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unter dem Aspekt einer Gruppenverfolgung vorliegen (entgegen Verwaltungsgericht Stuttgart, Urteil vom 11. April 2013 - A 12 K 2435/12 -).

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der Kläger ist pakistanischer Staatsangehöriger und gehört zur Glaubensgemeinschaft der …. Er reiste erstmals am 4. Juli 1999 auf dem direkten Luftweg mit einem Visum der Deutschen Botschaft in … in das Bundesgebiet ein, das ihm zur Führung der ehelichen Lebensgemeinschaft mit einer deutschen Staatsangehörigen pakistanischer Abstammung erteilt worden war, mit der er am 14. September 1996 in …. eine Fernehe geschlossen hatte. Nachdem sich infolge behördlicher Zweifel am Vorliegen einer echten ehelichen Lebensgemeinschaft abzeichnete, dass die ihm zwischenzeitlich erteilten befristeten Aufenthaltserlaubnisse nicht verlängert würden und er zur Ausreise in sein Heimatland aufgefordert worden war, beantragte er am 31. Mai 2001 seine Anerkennung als Asylberechtigter. Er sei nicht nur in das Bundesgebiet gekommen, um seine Ehe hier zu führen, sondern auch weil er als Ahmadi nur eingeschränkte Rechte in Pakistan habe. Im Hinblick auf das ehebedingte Aufenthaltsrecht habe er zuvor davon abgesehen, Asyl wegen seiner Probleme als Ahmadi zu beantragen.

Am 7. April 2002 schloss der Kläger im Wege der Fernheirat durch Stellvertreter die Ehe mit Frau …., der Klägerin im Verfahren 5 A 3237/10. Die Ehe wurde am 9. April 2013 geschieden.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter mit Bescheid vom 18. Februar 2005 ab und stellte dabei fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen. Zudem drohte es ihm unter Ausreiseaufforderung und Fristsetzung die Abschiebung nach … an. Ein hiergegen gerichtetes gerichtliches Verfahren blieb ohne Erfolg (Urteil des erkennenden Gerichts vom 5. Oktober 2005 - 6 A 1046/05 -; Nds. OVG, Beschluss vom 28. Dezember 2006 - 12 LA 484/08 -).

Einen am 26. Januar 2007 gestellten Asylfolgeantrag des Klägers lehnte das Bundesamt mit Bescheid vom 9. November 2007 ab. Das hiergegen am 22. November 2007 anhängig gemachte Klageverfahren wurde mit Beschluss vom 30. Januar 2009 eingestellt (- 5 A 34/08 -), nachdem der Kläger gegenüber dem Landkreis … am 24. September 2008 mit Telefax mitgeteilt hatte, dass er zusammen mit Frau … bereits freiwillig nach Pakistan ausgereist sei (Bl. 245 der Beiakte F).

Am 17. Oktober 2008 stellte der Kläger in Großbritannien einen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter. Auf das dortige Wiederaufnahmegesuch vom 21. November 2008 wurde der Kläger nach Art. 16 Abs. 1 c Dublin II Verordnung (EG) Nr. 343/ 2003 von der Bundesrepublik übernommen (Bl. 224 der Beiakte F). Die Rückführung in die Bundesrepublik erfolgte am 13. März 2009 (Bl. 51 der Beiakte G).

Am 16. März 2009 stellte der Kläger einen weiteren Asylfolgeantrag (Bl. 1 der Beiakte A). Bei der Anhörung durch das Bundesamt gab er im Wesentlichen folgende Begründung für seinen Asylantrag:

Nach Ablehnung des Asylantrags sei im Dezember 2007 eine freiwillige Rückkehr nach …. zusammen mit Frau … geplant gewesen; ein entsprechender Flug sei bereits gebucht worden. Er habe dann aber einen Brief seines Vaters erhalten, der ihn aufgrund der sehr schlechten Lage in … vor einer Rückkehr gewarnt und stattdessen den Verbleib in Deutschland und die Stellung weiterer Anträge empfohlen habe. Daher seien sie zunächst nicht zurückgekehrt. Eine Rückkehr sei dann im Februar 2008 mithilfe eines Schleusers erfolgt, weil sie sich nicht länger in Deutschland verstecken wollten. Sie seien dann in sein Heimatdorf in Pakistan, … , …, zurückgekehrt. Nachdem er - der Kläger - sich nach einigen Tagen das erste Mal in die Moschee begeben habe, um dort zu beten, sei er offenbar beobachtet worden und habe einen Drohanruf erhalten. Am 25. Februar 2008 sei er dann zuhause von vier Männern angegriffen worden. Dabei sei auch Frau … verletzt worden. Weder die Polizei noch der Bezirksverwalter hätten ihnen geholfen. Daraufhin sei er mit Frau … nach …, den Geburtsort seiner Frau, gezogen. Dort sei die Situation für Ahmadis aber noch schlimmer gewesen, so dass sie nach drei Wochen nach … gezogen seien. Er habe dort eine Anstellung in einem Autohaus gefunden. Dort habe er erstmals Herrn … getroffen und mit ihm über seinen Glauben gesprochen. Einige Wochen später sei er dann in sein Heimatdorf gefahren, weil sein Vater erkrankt sei. Dort sei er eines Abends auf der Straße von mehreren Leuten angegriffen worden. Er habe weglaufen können und sei über einen großen Umweg nach Hause gelaufen. Aufgrund der damit verbundenen Anstrengung seien seine inneren Organe beeinträchtigt worden. Sein Vater habe zunächst ohne Erfolg versucht, ihn mit homöopathischen Mitteln zu behandeln. Daher habe er etwa für drei Wochen ins Krankenhaus gemusst. Nachdem er dort entlassen worden sei, sei er mit Frau … nach … zurückgekehrt. Dort hätten sie zunächst ein normales Leben geführt. Er habe sich auch mit Herrn … und weiteren Bekannten getroffen, mit denen er über Politik, Glauben und Kultur gesprochen habe. Einmal habe Herr … ihn in sein Viertel eingeladen. Dort sei er mit ihm und dessen Freunden in einem Restaurant gewesen. Er habe ein Buch mitgenommen, das von Issa handelte, der im Islam als Prophet angesehen werde. Es sei daraufhin zu einer sehr hitzigen Diskussion darüber gekommen, ob der letzte Prophet schon da gewesen sei oder ob immer wieder Propheten kommen würden. Er sei am Ende von den anderen geradezu bedroht und dazu aufgefordert worden, zum richtigen Glauben zurückzukehren. Einige Tage später sei ein Polizist zu ihrer Wohnung gekommen, um bei ihnen - dem Kläger und Frau … - eine Kontrolle durchzuführen. Er habe sie aber nicht angetroffen. Über einen Bekannten, den er zur Polizei geschickt habe, habe er herausgefunden, dass er dort angezeigt worden sei. In der Anzeige sei ihm angelastet worden, dass er dem Ahmadiyya-Glauben angehöre und entsprechende Literatur verbreiten wollte. Als sie von der Anzeige erfahren hätten, hätten sie Angst bekommen, eines Tages ins Gefängnis zu kommen. Sie hätten die bisherige Wohnung sofort verlassen und eine andere Wohnung angemietet, in der sie noch etwa einen Monat gewohnt hätten. Gleichzeitig hätten sie beschlossen, Pakistan erneut zu verlassen und Kontakt mit einem Schleuser aufgenommen. Dem Schleuser hätten sie gesagt, dass sie nicht nach Deutschland zurückkehren könnten, weil es dort bereits Unterlagen über sie gebe. Nach längeren Überlegungen habe der Schleuser mitgeteilt, dass es auch möglich sei, sie nach England zu bringen. Da England das Schengen-Abkommen nicht unterschrieben und deshalb eigene Gesetze habe, würde nicht die Gefahr bestehen, dass sie wieder nach Deutschland zurückkehren müssten. Der Schleuser habe ihnen auch geraten, der Ausländerbehörde in Deutschland in einem Brief mitzuteilen, dass sie wieder in Pakistan seien. Daraufhin hätten sie einen solchen Brief verfasst und ihn sowohl als Einschreibebrief als auch per Telefax an die Ausländerbehörde gesandt. Erst danach habe der Schleuser sie nach England gebracht.

Zur weiteren Begründung des Asylantrags legte der Kläger eine Anklageschrift vor, nach der gegen ihn ein Strafverfahren eingeleitet sei (Bl. 50 ff. der Beiakte A). Die entsprechenden Normen des Pakistan Penal Code - PPC - (Sec. 295 C, 298 C und 506) sähen als Strafmaß teilweise auch die Todesstrafe und lebenslange Freiheitsstrafe vor. Er sei zudem aktiver Anhänger der Ahmadiyya-Gemeinde. Aufgrund des anhängigen Strafverfahrens bestehe die konkrete Gefahr der Todesstrafe, so dass ein Abschiebeverbot gem. § 60 Abs. 3 AufenthG bestehe. Im Falle seiner Rückkehr sei er zudem von Folter bedroht, so dass sich Abschiebeverbote auch aus § 60 Abs.1 und 2 AufenthG ergäben. Ein Abschiebeverbot ergebe sich auch aus § 60 Abs. 7 AufenthG, da der Kläger selbst psychisch erkrankt sei und versucht habe, sich in der Abschiebehaft das Leben zu nehmen. Eine Behandlung in Pakistan sei nicht möglich.

Mit Bescheid vom 17. November 2010 lehnte das Bundesamt den Asylantrag ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG nicht vorliegen und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht bestehen. Zudem drohte es dem Kläger unter Ausreiseaufforderung und Fristsetzung die Abschiebung nach Pakistan an. Der Kläger habe nicht durch einen glaubhaften Sachvortrag davon überzeugen können, Pakistan wegen einer ihm drohenden politischen Verfolgung erneut verlassen zu haben. Weder die angebliche Rückreise nach Pakistan im Februar 2008 noch die erneute Ausreise im Oktober 2008 seien belegt worden. Substantiierte Angaben zum angeblichen Reiseverlauf seien nicht gemacht worden. Die Angaben hinsichtlich der Vorfälle während des achtmonatigen Aufenthaltes seien lediglich allgemein und oberflächlich, so dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass von tatsächlich Erlebtem berichtet worden sei. Zudem stünden die Angaben teilweise in unauflösbarem Widerspruch zu den Aussagen, die Frau … in ihrer Anhörung gemacht habe. Der Vortrag des Klägers hinsichtlich der Rückkehr nach Pakistan und einer dort erlittenen Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft der Ahmadiyya sei teilweise auch in sich nicht stimmig und nicht nachvollziehbar. Insbesondere das Vorbringen, der Schlepper habe den Vorschlag gemacht, eine Mitteilung über die Rückkehr in das Heimatland an die deutsche Ausländerbehörde zu schicken, sei lebensfremd. Dass gegen den Kläger tatsächlich ein Strafverfahren anhängig sei, ändere daran nichts, da davon auszugehen sei, dass es sich hierbei um ein vom Kläger selbst initiiertes Scheinverfahren handele. Nach den vorliegenden Erkenntnismitteln sei die Einleitung eines solchen Verfahrens in Pakistan relativ problemlos möglich. Allein die Zugehörigkeit des Klägers zur Glaubensgemeinschaft der Ahmadiyya rechtfertige die Anerkennung als Asylberechtigter nicht. Ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bestehe aus denselben Gründen nicht. Auch die Voraussetzungen für die Anerkennung von Abschiebungsverboten seien aufgrund der unglaubhaften Angaben des Klägers nicht gegeben. Die attestierte Depression sei in Pakistan behandelbar.

Der Kläger hat am 6. Dezember 2010 Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt er die bisherigen Ausführungen und ergänzt: Die Mitglieder der Ahmadiyya-Gemeinde seien kraft ihres Glaubens dazu verpflichtet, über ihre Religion in der Öffentlichkeit zu sprechen und die Religion anderen Menschen näher zu bringen. Somit betreffe die religiöse Betätigung für jeden Anhänger der Ahmadiyya den Kernbereich der Religionsfreiheit. Seit seinem Aufenthalt in Deutschland sei er stets für die Ahmadiyya-Gemeinschaft ehrenamtlich tätig gewesen. Zudem leide er unter schweren Depressionen und einer posttraumatischen Belastungsstörung, weshalb er Medikamente nehmen müsse und sich in ärztlicher Behandlung befinde. Daher könne er sich an manche Ereignisse nicht gut erinnern, auch weil er diese zunehmend verdränge. Aufgrund der schlimmen Erlebnisse und der Erkrankung leide er auch unter Erinnerungslücken. Auch bei der im August 2010 erfolgten Anhörung sei er nicht in der Lage gewesen, der Anhörung problemlos zu folgen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17. November 2010 zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen;

hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß §§ 60 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 sowie Abs. 7 AufenthG vorliegen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf die bisherigen Ausführungen und ergänzt: Der Behauptung, der Kläger sei nicht in der Lage gewesen, der Anhörung zu folgen, sei entgegenzuhalten, dass er selbst zu Beginn der Anhörung angegeben habe, trotz seiner psychischen Probleme in der Lage zu sein, seinen Antrag zu begründen, und er zudem bestätigt habe, alle Asylgründe vortragen zu können. Auch seien hinsichtlich der Angaben im Anhörungsprotokoll, das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers übersandt worden sei, Korrekturen und Ergänzungen nicht geltend gemacht worden. Die geltend gemachten psychischen Erkrankungen seien in Pakistan behandelbar. Suizidale Handlungen im Zusammenhang mit einer Abschiebung führten nicht zu einem Abschiebungsverbot.

Hinsichtlich des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte in diesem Verfahren, der Gerichtsakte im Verfahren 5 A 3237/10, der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der Ausländerakten des Landkreises Vechta in diesem Verfahren sowie in dem Verfahren 5 A 3237/10 Bezug genommen. Weiter wird verwiesen auf Auskünfte, Gutachten, Stellungnahmen und Presseberichte, die auf Bl. 67 ff. der Gerichtsakte aufgeführt und die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keinen Anspruch auf Asylgewährung oder Feststellung von Abschiebungsschutz. Der angefochtene Bescheid ist nicht zu beanstanden.

1.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 GG.

a)

Gemäß Art. 16a Abs. 1 GG genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Politisch verfolgt in diesem Sinne ist derjenige, dessen Leib, Leben oder persönliche Freiheit in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, an seine religiöse Grundentscheidung oder an für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen (sog. asylerhebliche Merkmale), gefährdet oder verletzt werden. Es muss sich um gezielte Rechtsverletzungen handeln, die den Einzelnen ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen. Ob eine in diesem Sinne spezifische Zielrichtung vorliegt, die Verfolgung mithin „wegen“ eines Asylmerkmales erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der objektiv erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme zu beurteilen. Die Verfolgungsmaßnahme kann dem Einzelnen oder einer durch ein asylerhebliches Merkmal gekennzeichneten Gruppe - und dort allen Gruppenmitgliedern oder dem Einzelnen wegen seiner Gruppenzugehörigkeit - gelten (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 26. November 1986 - 2 BvR 1058/85 -, BVerfGE 74, 51 ff., vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502, 1000, 961/86 -, BVerfGE 80, 315 (333 ff.) und vom 23. Januar 1991 - 2 BvR 902/85, 515 u. 1827/89 -, BVerfGE 83, 216 ff.; Bergmann/Dienelt/Röseler, Ausländerrecht, 9. Aufl. 2011, Art. 16a GG Rn. 40 ff.; Huber/Göbel-Zimmermann, Ausländer- und Asylrecht, 2. Aufl. 2008, Rn. 1625 f., 1629 ff.; Marx, Kommentar zum Asylverfahrensgesetz, 7. Aufl. 2009, § 1 Rn. 12 ff., 52 ff.).

Politische Verfolgung im Sinne des Art. 16a Abs. 1 GG ist dabei grundsätzlich staatliche Verfolgung. Die Verfolgung muss daher von einem Träger überlegener, in der Regel hoheitlicher Macht ausgehen, der der Verletzte unterworfen ist („unmittelbare staatliche Verfolgung“). Asylrechtsrelevante Verfolgung kann allerdings auch von Vereinigungen ausgehen, die Machtbefugnisse und Einflüsse in einem Umfang ausüben, die letztendlich hoheitlicher Gewaltausübung entsprechen („quasi-staatliche“ oder „staatsähnliche“ Stellung). Darüber hinaus kommen auch Verfolgungsmaßnahmen Dritter als politische Verfolgung in Betracht, wenn sie dem jeweiligen Staat zuzurechnen sind („mittelbare staatliche Verfolgung“). Eine von nichtstaatlicher Seite, also insbesondere von Privatpersonen oder nichtstaatlichen Organisationen, ausgehende Verfolgung wird dabei dem Staat zugerechnet, wenn er die Verfolgung billigt oder fördert, ferner, wenn er nicht willens oder - trotz vorhandener Gebietsgewalt - nicht in der Lage ist, die Betroffenen gegen Übergriffe zu schützen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. März 1995 - 9 B 747.94 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 177; Bergmann/Dienelt/Röseler, a.a.O., Art. 16a GG Rn. 34 ff.; Huber/Göbel-Zimmermann, a.a.O., Rn. 1627 f.; Marx, a.a.O., § 1 Rn. 21 ff.).

Da das Asylgrundrecht darauf gerichtet ist, dem vor politischer Verfolgung Flüchtenden Zuflucht und Schutz zu gewähren, setzt es ferner grundsätzlich einen kausalen Zusammenhang zwischen Verfolgung und Flucht voraus („Vorverfolgung“). Nachfluchtgründe können demgemäß nur eingeschränkt Berücksichtigung finden, vgl. § 28 Abs. 1 AsylVfG (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 26. November 1986 - 2 BvR 1058/85 -, a.a.O., und vom 1. Dezember 1993 - 2 BvR 1119/93 -; Bergmann/Dienelt/Röseler, a.a.O., Art. 16a GG Rn. 49 ff.; Huber/Göbel-Zimmermann, a.a.O., Rn. 1634 f.).

Selbst bei Vorliegen sämtlicher der vorgenannten Voraussetzungen ist der Anspruch auf Schutzgewährung nach Art. 16a Abs. 1 GG allerdings ausgeschlossen, wenn dem Asylbewerber eine zumutbare inländische Fluchtalternative zur Verfügung steht. Zumutbar ist eine Fluchtalternative dabei dann, wenn der Asylsuchende an dem betreffenden Ort verfolgungssicher ist und ihm dort auch ansonsten keine Gefahren drohen. Insbesondere muss dort sein wirtschaftliches Existenzminimum gewährleistet sein. Dies ist in der Regel anzunehmen, wenn der Asylsuchende durch eigene Arbeit oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu seinem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen kann. Nicht mehr zumutbar ist die Fluchtalternative demgegenüber dann, wenn der Asylsuchende an dem verfolgungssicheren Ort bei der gebotenen grundsätzlich generalisierenden Betrachtungsweise auf Dauer ein Leben zu erwarten hat, das zu Hunger, Verelendung und schließlich zum Tode führt, oder wenn er dort nichts anderes zu erwarten hat als ein Dahinvegetieren am Rande des Existenzminimums (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. Juli 2002 - 1 B 128.02, 1 PKH 24.02 -, InfAuslR 2002, 455 f.; Bergmann/Dienelt/Röseler, a.a.O., Art. 16a GG Rn. 66 ff.; Huber/Göbel-Zimmermann, a.a.O., Rn. 1641 ff.; Marx, a.a.O., § 1 Rn. 60 ff.).

Die vom Gericht anzustellenden Prognoseerwägungen haben sich dabei an folgenden Maßstäben zu orientieren: Hat der Asylsuchende das Schicksal politischer Verfolgung schon einmal erlitten, besteht Anspruch auf Asyl bereits dann, wenn an seiner Sicherheit vor erneut einsetzender Verfolgung bei einer Rückkehr in den Heimatstaat ernstliche Zweifel bestehen, d. h. die Möglichkeit abermals einsetzender Verfolgung nicht ganz entfernt erscheint („herabgestufter Prognosemaßstab“). Ist der Asylbewerber hingegen unverfolgt ausgereist, hat er einen Anspruch auf Anerkennung nur, wenn ihm auf Grund asylrechtlich beachtlicher Nachfluchttatbestände mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung droht („gewöhnlicher Prognosemaßstab“). Dazu reicht es nicht aus, wenn eine Verfolgung nur im Bereich des Möglichen liegt; vielmehr müssen bei zusammenfassender Bewertung des zur Prüfung gestellten Sachverhalts die für eine landesweite politische Verfolgung bei Rückkehr sprechenden Umstände ein größeres Gewicht als die dagegen sprechenden Tatsachen besitzen. Entscheidend ist, ob aus der Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände die Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint. Dabei ist die Schwere des befürchteten Eingriffs in die Betrachtung einzubeziehen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 1. Juli 1987 - 2 BvR 467, 992/86 -, BVerfGE 76, 143, 167, und vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502/87 u.a. -, BVerfGE 80, 315, 333 ff.; BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 1990 - 9 C 60.89 -, BVerwGE 87, 52 (53); Huber/Göbel-Zimmermann, a.a.O., Rn. 1636 ff.; Marx, a.a.O., § 1 Rn. 67 ff.).

Die asylbegründenden Tatsachen müssen zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen werden. Für den Nachweis des individuellen Schicksals in der Heimat, aus dem der Asylbewerber seine Furcht vor politischer Verfolgung herleitet, genügt wegen der häufig bestehenden sachtypischen Beweisschwierigkeiten in der Regel eine Glaubhaftmachung. Dazu reicht auch in tatsächlich zweifelhaften Fällen ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit aus, der Zweifeln schweigen gebietet, auch wenn sie nicht völlig auszuschließen sind. Insoweit kommt naturgemäß dem persönlichen Vorbringen des Asylbewerbers besondere Bedeutung zu. Der Asylbewerber ist gehalten, seine Gründe für das Vorliegen einer politischen Verfolgung schlüssig mit genauen Einzelheiten vorzutragen. Hierzu gehört, dass der Asylbewerber zu den in seine eigene Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine substantiierte, im Wesentlichen widerspruchsfreie und nicht wechselnde Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Asylanspruch zu tragen (vgl. BVerwG, Urteile vom 22. März 1983, - 9 C 68.81 -, Buchholz 402.24 § 28 AuslG, Nr. 44, vom 16. April 1985 - 9 C 109.84 -, InfAuslR 1985, 244 (245 f.) [BVerwG 26.03.1985 - BVerwG 9 C 107.84], und vom 12. November 1985 - 9 C 27.85 -, InfAuslR 1986, 79, sowie Beschlüsse vom 21. Juli 1989 - 9 B 239.89 -, NVwZ 1990, 171, und vom 26. Oktober 1989 - 9 B 405.89 -, NVwZ-RR 1990, 379 (380)).

b)

Gemessen an diesen Vorgaben ist im vorliegenden Fall eine politische Verfolgung im Sinne des Art. 16a Abs. 1 GG nicht festzustellen.

(1)

Das Gericht hält den Vortrag des Klägers, er habe Pakistan wegen einer ihm drohenden politischen Verfolgung im Oktober 2008 verlassen müssen, nicht für glaubhaft. Der Einzelrichter geht vielmehr davon aus, dass der Kläger zwischen Februar 2008 und Oktober 2008 tatsächlich überhaupt nicht in Pakistan gewesen ist.

Ausschlaggebend sind hierfür vor allem folgende Gesichtspunkte:

Der Kläger konnte, worauf auch das Bundesamt in dem angefochtenen Bescheid hingewiesen hat, bereits nicht belegen, dass er im Februar 2008 die Bundesrepublik in Richtung Pakistan verlassen hat. Er konnte weder geeignete Unterlagen wie Reisepässe, Flugtickets, Bordkarten oder Ähnliches vorlegen noch nähere Angaben zum Reiseverlauf machen.

Hinzu kommt, dass die Angaben, die der Kläger zum behaupteten Aufenthalt in Pakistan gemacht hat, in sich nicht stimmig und zudem im Hinblick auf die Aussagen der Frau …, seiner damaligen Ehefrau, teilweise widersprüchlich sind.

Der Kläger hat in seiner Anhörung beim Bundesamt angegeben, er sei kurz nach seiner Rückkehr in sein Heimatdorf …, …, von mehreren Männern angegriffen und verprügelt worden. Im Rahmen der Auseinandersetzung sei auch Frau … an der Hüfte verletzt worden. In der gerichtlichen Anhörung gab er ergänzend an, dass Frau … nicht geschlagen worden sei, aber einen Schlag abbekommen habe, als Nachbarn und Familienangehörigen gekommen seien und versucht hätten, die Schläger auseinander zu bringen. Demgegenüber hat Frau … in ihrer Anhörung gegenüber dem Bundesamt ausgesagt, die Männer hätten erst den Kläger und danach sie angegriffen und ihr dabei - mit einer Stange - auf den Nacken geschlagen. Außerdem hätten sie versucht, sie in einen Sack zu stecken und zu entführen. Zudem hätte man versucht, ihr die Kleider auszuziehen. Sie sei dabei bewusstlos geworden. Einen solchen Tathergang mit einem gezielten Angriff auf Frau … sowie den Versuch der Angreifer, sie zu entkleiden und zu entführen, wurde vom Kläger zu keinem Zeitpunkt geschildert. Im Rahmen der gerichtlichen Anhörung wurde dieser gesteigerte Geschehensablauf von Frau … nicht erneut erwähnt, sondern - erst jetzt in Übereinstimmung mit dem Vortrag des Klägers - von einem einzelnen Schlag berichtet.

Frau … hat weiter angegeben, dass sie, als sie aufgewacht sei, sie sofort ihren Schwiegervater gefragt habe, wo ihr Mann sei. Dieser habe ihr gesagt, dass er sich im Krankenhaus befinde. Sie habe ihren Mann im Krankenhaus nicht besuchen können, weil sie durch die erlittenen Schläge nicht habe laufen können (Bl. 58, 60, 61 der Beiakte A im Verfahren 5 A 3237/10). Auch dies steht im Widerspruch zur Aussage des Klägers, der im Zusammenhang mit diesem behaupteten Angriff erklärt hat, dass weder eine ärztliche Behandlungsbedürftigkeit bestanden noch ein Krankenhausaufenthalt stattgefunden habe (Bl. 264 der Beiakte B). Zwar soll es zu einem späteren Zeitpunkt einen 18-tägigen Krankenhausaufenthalt des Klägers gegeben haben (Bl. 264 der Beiakte B). Während dieses Aufenthaltes sollen jedoch laut übereinstimmenden Aussagen in der mündlichen Verhandlung Besuche von Frau …erfolgt sein.

Der Kläger hat weiter angegeben, nach diesem Vorfall hätten sie … verlassen und seien zunächst für etwa drei Wochen nach …, dem Heimatort von Frau … gezogen. Dort sei die Situation für Ahmadis noch schlimmer gewesen. Die Mullahs seien sehr gut organisiert gewesen, hätten Flugblätter verteilt, nach denen man sich mit Ahmadis nicht einlassen und keinen Handel mit ihnen treiben solle. Demgegenüber hat Frau … weder in der Anhörung vor dem Bundesamt noch in der mündlichen Verhandlung einen Aufenthalt in… erwähnt, sondern ausgesagt, dass sie daraufhin nach … gezogen seien. Auch auf konkrete Nachfrage durch den Einzelrichter konnte Frau ... nicht sicher sagen, ob sie überhaupt in … gewesen sei. Dass ein angeblich mehrwöchiger Aufenthalt in ihrem Heimatort bei den dort noch lebenden Verwandten oder Bekannten (vgl. Bl. 48 der Beiakte B in dem Verfahren 5 A 3237/10) im Anschluss an einen mehrjährigen Aufenthalt in Deutschland nicht in Erinnerung geblieben sein sollte, hält der Einzelrichter nicht für glaubhaft, selbst wenn Frau ... nach eigenen Angaben zum damaligen Zeitpunkt sehr gestresst gewesen ist und Tabletten genommen hat.

Der Kläger hat in seiner gerichtlichen Anhörung weiter angegeben, dass sie nach dem Aufenthalt in … im April 2008 nach … gezogen seien. Dort habe er bereits zwei bis drei Tage nach seiner Ankunft Arbeit gefunden. Diese Arbeit habe er einige Monate ausgeübt und sie beendet, als sie sich dazu entschlossen hatten, auszureisen. Demgegenüber hat Frau ... in ihrer Anhörung beim Bundesamt ausgesagt, bereits nach sechs Wochen hätten die Leute, mit denen der Kläger gearbeitet habe, mitbekommen, dass er Ahmadi sei, woraufhin er die Arbeit verloren habe (Bl. 59 der Beiakte B im Verfahren 3237/10). Auf Vorhalt dieser Aussage erklärte der Kläger nunmehr in völligem Widerspruch zu den bisherigen Versionen, es könne sein, dass er dort nur zwei Monate gearbeitet habe. Die Arbeit habe er dann verloren, als die Strafanzeige erstattet worden sei, weil er aus Angst vor einer Verhaftung nicht mehr zur Arbeit gegangen sei. Dieser angebliche Geschehensablauf stimmt weder mit seiner Aussage vor dem Bundesamt überein, in der die Beendigung der Arbeitstätigkeit aufgrund der Angst vor Verhaftung nicht geschildert worden ist (Bl. 262 der Beiakte B), noch passt sie sonst zur dargestellten zeitlichen Abfolge, da die Strafanzeige erst am 3. Oktober 2010 aufgegeben worden ist, der Kläger also zwischen April und Oktober 2008, also etwa sechs Monate gearbeitet haben müsste. Die dann auf erneuten Vorhalt erfolgte Darstellung des Klägers, er sei zwar zur Arbeit gegangen, habe es aber niemandem gesagt, wertet der Einzelrichter hiernach als reine Schutzbehauptung.

Der Kläger hat in seiner Anhörung gegenüber dem Bundesamt erklärt, dass nach Aufgabe der Strafanzeige die Polizei in die Wohnung in der … gekommen sei. Kurz darauf seien sie in eine andere Wohnung in … in der … gezogen. Dort hätten sie noch für ca. einen Monat gewohnt (Bl. 265 der Beiakte B). Demgegenüber hat der Kläger in der gerichtlichen Anhörung angegeben, sie hätten in dieser Wohnung nur einige Tage gelebt und seien dann nach England geflogen. Diese bereits in sich unstimmigen Aussagen stehen auch im Widerspruch zu den Angaben der Frau ..., die gegenüber dem Bundesamt ausgesagt hat, dass sie noch einige Wochen in ihrem (bisherigen) Haus in ... geblieben seien, sich aber eingeschlossen hätten. Auch in der gerichtlichen Befragung gab sie trotz mehrfacher Nachfragen an, dass sie auch nachdem sie von der Strafanzeige erfahren hätten, weiterhin in … in der … geblieben seien. Erst als sie auf den Widerspruch zur Aussage des Klägers hingewiesen worden ist, erklärte sie erstmals, doch noch einmal umgezogen zu sein, konnte aber nicht mehr genau sagen, wohin. Diese erst auf Vorhalt korrigierte Aussage erachtet der Einzelrichter als nicht glaubhaft.

Das Bundesamt hat über das Auswärtige Amt Erkundigungen zu der Anklageschrift eingeholt (Auskunft vom 21. August 2009, Bl. 196 der Beiakte B). Danach sei die in der Anklageschrift angegebene Anschrift des Angeklagten in ... unzutreffend. Der von einem Vertrauensanwalt der Deutschen Botschaft in Islamabad befragte Hausbesitzer habe angegeben, in dem von seinen Vorfahren geerbten Haus selbst zu wohnen und es zu keinem Zeitpunkt vermietet zu haben. Auch seien weder der Angeklagte noch seine Familie im Wohnumfeld der angegeben Adresse bekannt. Auf diesen Widerspruch hingewiesen, gab der Kläger gegenüber dem Bundesamt an, der Vermieter habe schon zu Anfang gesagt, dass sie auf keinen Fall erzählen sollten, dass sie bei ihm zur Miete wohnten. Er habe nicht gewollt, dass bekannt werde, dass er eine Wohnung vermiete, weil er Probleme mit den Mullahs befürchtete. Daher sollten sie auch auf keinen Fall erzählen, wo sie wohnten (Bl. 265 f. der Beiakte B). Mit diesem Vortrag ist es jedoch nicht in Übereinstimmung zu bringen, dass der Kläger laut seiner Aussage in der mündlichen Verhandlung dennoch auch Herrn …., der die spätere Anzeige aufgegeben haben soll, über seine genaue Wohnanschrift informiert haben will, ohne dass hierfür ein erkennbarer Anlass bestanden hat. Die auf Vorhalt in der mündlichen Verhandlung gemachte Aussage, der Vermieter habe erst, als die Strafanzeige gekommen sei, gesagt, dass er nicht wolle, dass bekannt werde, dass er eine Wohnung vermiete, widerspricht dem früheren Vortrag und kann daher nur als Schutzbehauptung gewertet werden.

Zweifel an dem behaupteten Aufenthalt des Klägers ergeben sich schließlich auch im Zusammenhang mit dem Schreiben, das an die Ausländerbehörde des Landkreises Vechta geschickt worden ist und mit dem der Kläger und Frau ... mitgeteilt haben, Deutschland schon vor über einem halben Jahr verlassen zu haben (Bl. 245 der Beiakte G). Der Kläger hat hierzu gegenüber dem Bundesamt angegeben, der Schleuser habe ihnen geraten einen entsprechenden Brief nach Deutschland zu schicken. Weiter gab er an, Kontakt zu dem Schleuser hätten sie erst aufgenommen, nachdem sie von der gegen sie gerichteten Anzeige erfahren hätten (Bl. 263 der Beiakte B). Allerdings wurde die Strafanzeige ausweislich der Anklageschrift erst am 3. Oktober 2010 aufgenommen, was der Kläger auf mehrfache Nachfrage auch immer wieder bestätigt hat. Das Fax wurde laut Faxkennung dagegen bereits am 24. September 2010 an die Ausländerbehörde geschickt, also zu einem Zeitpunkt, als der Kläger noch keine Kenntnis von der Anzeige und danach auch noch keinen Kontakt zu einem Schlepper aufgenommen hatte. Die Zweifel am zeitlichen Geschehensablauf konnte der Kläger auch mit seiner mehrfach wechselnden Aussage in der mündlichen Verhandlung nicht ausräumen.

Hinzu kommt, dass das Fax nach der in der Faxkennung angegeben Faxnummer …. von einem Faxgerät aus … in … geschickt worden ist (…). Zumindest gegenüber dem Bundesamt hat der Kläger nicht angegeben, noch einmal in sein Heimatdorf nach ... zurückgekehrt zu sein. Weshalb der Kläger noch einmal in das über 230 km entfernte ... gefahren sein will, anstatt das Fax aus ... abzuschicken erklärt sich nicht. Der Einzelrichter geht aufgrund dieser Widersprüche daher vielmehr davon aus, dass der Kläger das Schreiben von einer Vertrauensperson aus seinem Heimatdorf hat schicken lassen, um seinen Aufenthalt in Pakistan vorzuspiegeln.

Aufgrund der zahlreichen Widersprüche, die auch in der mündlichen Verhandlung nicht aufgeklärt, sondern teilweise sogar verstärkt wurden und die sich auch nicht mit krankheitsbedingter Erinnerungsschwäche bzw. Verdrängen der Geschehnisse erklären lassen, kann der Einzelrichter dem Vortrag des Klägers bezüglich des geltend gemachten Verfolgungsschicksals insgesamt keinen Glauben schenken. Der Einzelrichter geht vielmehr davon aus, dass sich der Kläger nicht wie behauptet in Pakistan aufgehalten hat und sich die geschilderten Verfolgungsakte demgemäß tatsächlich auch nicht ereignet haben. Zwar trifft es nach Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 21. August 2009 zu, dass gegen den Kläger vor dem „Court of Judicial Magistrate“ in ... ein Verfahren wegen Verstoßes gegen Sec. 506 Abs. 2 PPC i.V.m. Sec. 295 C PPC anhängig ist. Allerdings ist es laut Bericht des Auswärtigen Amts vom 2. November 2012 über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Pakistan - Lagebericht - (Seite 29) in Pakistan problemlos möglich, ein (Schein-)Strafverfahren gegen sich selbst in Gang zu bringen, in dem die vorgelegten Unterlagen echt sind, das Verfahren in der Zwischenzeit aber längst eingestellt wurde. Hierfür spricht nicht nur, dass - wie bereits ausgeführt - die Anschrift des Klägers in der Anklageschrift nicht zutreffend ist, sondern auch, dass die zuständige Polizeistation laut Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 21. August 2009 nicht bestätigen konnte, dass der in der Anklageschrift geschilderte Vorfall dort jemals zur Anzeige gebracht worden ist.

Hinzu kommt, dass der Kläger auch keinerlei Bescheinigungen vorlegen konnte, die seinen Aufenthalt in Pakistan beweisen könnten. Obwohl nach der Aussage von Frau ... (Bl. 63, 64 der Beiakte B in dem Verfahren 5 A 3237/10) insbesondere eine Bescheinigung des Krankenhauses, in dem sich der Kläger aufgehalten haben soll, sowie eine Bescheinigung seines Arbeitgebers existieren sollen, hat der Kläger diese Unterlagen nicht vorgelegt, um seine Behauptungen überprüfbar und damit glaubhaft zu machen.

(2)

Der Kläger hat auch nicht schon allein wegen seiner Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft der Ahmadiyya mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung zu befürchten.

Das Asylgrundrecht schützt nach bisheriger Auslegung vor Verfolgung nur bezüglich der Religionsausübung in ihrem „Kernbereich“ im Sinne des religiösen Existenzminimums, das die Religionsausübung im häuslich-privaten und nachbarschaftlich-kommunikativen Bereich sowie das Gebet und den Gottesdienst abseits der Öffentlichkeit in persönlicher Gemeinschaft mit anderen Gläubigen umfasst („forum internum“; vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. Juli 1987 - 2 BvR 478/86, 2 BvR 962/86 -, BVerfGE 76, 143; BVerwG, Urteil vom 20. Januar 2004 - 1 C 9.03 -, BVerwGE 120, 16). Dieser Anwendungsbereich wurde durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 5. September 2012 (- C-71/11 und C-99/11 -, NVwZ 2012, 1612), mit dem dieser entschieden hat, unter welchen Voraussetzungen Eingriffe in die Religionsfreiheit als Verfolgungshandlungen im Sinne von Art. 9 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 2004/83/EG (sog. Qualifikations-Richtlinie - QRL -, jetzt: Richtlinie 2011/95/EU) angesehen werden können und der damit lediglich den Anwendungsbereich und die Bedeutung von § 60 Abs. 1 AufenthG erweitert hat, auch nicht verändert (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. März 2009 – 10 C 51.07 -, BVerwGE 133, 221, Rn. 20 nach juris, m.w.N.).

Demgemäß ist für die Frage der Gruppenverfolgung an dieser Stelle auch nicht auf die Gruppe der „bekennenden Ahmadis“, also auf Angehörige der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft abzustellen, die ihren Glauben öffentlich ausüben wollen (vgl. dazu aber unter 2.) (a) - Seite -). Die beachtliche Gefahr einer Gruppenverfolgung ist nach einhelliger obergerichtlicher Rechtsprechung (Nds. OVG, Beschluss vom 18. August 2009 - 12 LA 381/08 -; OVG Greifswald, Urteil vom 29. Juni 2005 - 2 L 208/01 -; OVG Saarlouis, Urteil vom 3. April 2004 - 2 R 8/03 -; VGH Hessen, Urteil vom 22. Dezember 2003 - 7 ZU 2628/03.A - m.w.N., zuletzt VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13. Dezember 2011 - VGH A 10 S 69/11 -, S. 32, juris), der sich der Einzelrichter anschließt, und nach der aktuelleren Auskunftslage für einen unverfolgt ausgereisten Angehörigen der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft - hierzu gehört der Kläger im Hinblick auf sein wie ausgeführt nicht glaubhaftes Vorbringen hinsichtlich des angeblichen Aufenthalts in Pakistan im Jahr 2008 sowie des Vortrags in seinem Asylerstverfahren (vgl. insoweit die Ausführungen im Urteil des erkennenden Gerichts vom 5. Oktober 2005 - 6 A 1046/05 -, dessen Begründung sich der Einzelrichter anschließt) - im Fall seiner Rückkehr nach Pakistan nicht gegeben. Die bekannt gewordene Zahl von Übergriffen gegen Ahmadis rechtfertigt nicht die Annahme einer Verfolgungsdichte, die die beachtliche Gefahr einer mittelbaren oder unmittelbaren Gruppenverfolgung begründet.

(3)

Im Übrigen bestehen für Ahmadis in Pakistan generell Ausweichmöglichkeiten in andere Landesteile. Ihnen bietet ein Umzug nach Chenab Nagar (vormals: Rabwah), ihrem religiösen Zentrum, einen erheblichen Schutz vor Repressionen. Dort sind sie weitgehend unter sich, auch wenn sie für ihre Gegner sehr sichtbar sind. Außerdem besteht für Personen, die nicht bereits überregional bekannt geworden sind, die Möglichkeit, in die größeren Städte - vor allem die Großstädte Rawalpindi, ..., Karachi, Peshawar oder Multan - auszuweichen. In den größeren Städten leben potentiell Verfolgte aufgrund der dortigen Anonymität sicherer als auf dem Lande. Dies wird auch von Vertretern unabhängiger pakistanischer Menschenrechtsorganisationen als Ausweichmöglichkeit gesehen (vgl. Lagebericht vom 2. November 2012, Seite 21).

2.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die hilfsweise beantragte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG. Hiernach darf ein Ausländer in Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention (BGBl. 1953 II 559) nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist.

Eine solche Verfolgung wegen seiner Religion droht dem Kläger weder durch den pakistanischen Staat (§ 60 Abs. 1 Satz 4 lit. a AufenthG) noch durch nichtstaatliche Akteure (§ 60 Abs. 1 Satz 4 lit. c AufenthG).

a)

Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 5. September 2012 (a.a.O.) schützt § 60 Abs. 1 AufenthG anders als das Asylgrundrecht grundsätzlich auch vor Verfolgung wegen Religionsausübung in der Öffentlichkeit („forum externum“). Danach ist die Unterscheidung zwischen „forum internum“ und „forum externum“ mit der weiten Definition des Religionsbegriffes des gemäß § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG ergänzend anzuwendenden Art. 10 Abs. 1 lit. b der QRL, nicht vereinbar, weil unionsrechtlich alle Komponenten des Religionsbegriffes, ob öffentlich oder privat, ob kollektiv oder individuell, einbezogen sind (so EuGH, a.a.O. Rn. 62). Art. 10 Abs. 1 lit. b QRL definiert, was unter dem Verfolgungsgrund der Religion zu verstehen ist, d.h. an welche religiösen Einstellungen oder Betätigungen eine Verfolgungshandlung anknüpfen muss, um flüchtlingsrechtlich beachtlich zu sein. Dabei gelten vom Begriff der Religion ausdrücklich umfasst, „insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme bzw. Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder der Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind“.

Neben dem Vorliegen eines - hier religiösen - Verfolgungsgrundes setzt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG i.V.m. Art. 9 Abs. 1 und 2 QRL weiter voraus, dass eine relevante Verfolgungshandlung festgestellt wird, die allein oder in der Gesamtheit mit anderen Verfolgungshandlungen eine schwerwiegende Verletzung eines grundlegenden Menschenrechts ausmacht (vgl. Art. 9 Abs. 1 lit. a und b QRL), wobei in Art. 9 Abs. 2 QRL beispielhaft verschiedene in Betracht zu ziehende Verfolgungshandlungen benannt werden, wie etwa die Anwendung von Gewalt (lit. a) oder diskriminierende Maßnahmen (lit. b) bzw. Strafverfolgung (lit. c). Der Charakter einer Verfolgungshandlung erfordert, dass das Verhalten des betreffenden Akteurs im Sinne einer objektiven Gerichtetheit auf die Verletzung eines geschützten Rechtsguts selbst und nicht nur auf das asylerhebliche Merkmal oder jetzt den Verfolgungsgrund im Sinne von Art. 10 QRL zielt (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Januar 2009 - 10 C 52.07 -, juris Rn. 22, 24, sowie Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 - Rn. 28 ff.). Nach der Rechtsprechung des EuGH gehören zu den Handlungen, die eine „schwerwiegende Verletzung“ im Sinne von Art. 9 Abs. 1 lit. a QRL darstellen können, ausdrücklich nicht nur gravierende Eingriffe in die Freiheit des Antragstellers, seinen Glauben im privaten Kreis zu praktizieren, sondern auch solche in seine Freiheit, diesen Glauben öffentlich zu leben (EuGH, a.a.O. Rn. 63). Allerdings stellt nicht jeder Eingriff in die Religionsfreiheit eine Verfolgungshandlung dar. Dies ist nur dann der Fall, wenn der Eingriff nicht gerechtfertigt ist und den Antragsteller erheblich beeinträchtigt. Von Bedeutung ist beispielsweise, ob der Antragsteller Gefahr läuft, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Bei dieser Prüfung sind objektive wie auch subjektive Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Der subjektive Umstand, dass für den Betroffenen die Befolgung einer bestimmten religiösen Praxis in der Öffentlichkeit, die Gegenstand der beanstandeten Einschränkungen ist, zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig ist, ist ein relevanter Gesichtspunkt bei der Beurteilung der Größe der Gefahr, der der Antragsteller in seinem Herkunftsland wegen seiner Religion ausgesetzt wäre, selbst wenn die Befolgung einer solchen religiösen Praxis keinen zentralen Bestandteil für die betreffende Glaubensgemeinschaft darstellt (vgl. EuGH, a.a.O. Rn. 58 - 70). Sobald feststeht, dass sich der Antragsteller nach Rückkehr in sein Herkunftsland in einer Art und Weise religiös betätigen wird, die ihn im dargestellten Sinne der tatsächlichen Gefahr einer Verfolgung aussetzen wird, muss ihm die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt werden, wenn gemäß § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG i.V.m. Art. 9 Abs. 3 QRL eine Verknüpfung zwischen Verfolgungshandlung und Verfolgungsgrund festgestellt ist. Dass der Antragsteller diese Gefahr durch Verzicht auf bestimmte religiöse Betätigungen vermeiden könnte, ist grundsätzlich irrelevant (EuGH, a.a.O. Rn. 79), wie nun auch das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 20. Februar 2013 (a.a.O., Rn. 26) überzeugend entschieden hat. Denn ein Ausländer ist als Flüchtling anzuerkennen, wenn die Furcht begründet ist, dass er in seinem Herkunftsland wegen der öffentlichen oder privaten Ausübung seiner Religion verfolgt wird. Auch ein durch strafrechtliche Sanktionen erzwungener Verzicht auf die Ausübung der Religion in der Öffentlichkeit kann zur Flüchtlingsanerkennung führen. Dann aber muss die Ausübung gerade dieser religiösen Praxis für den Betroffenen zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig sein. Dies bedeutet, dass die öffentliche Glaubensbetätigung ein zentrales Element seiner religiösen Identität und in diesem Sinne für ihn unverzichtbar ist. Voraussetzung dafür ist, dass die konkrete Glaubenspraxis für den Einzelnen ein zentrales Element seiner religiösen Identität und in diesem Sinne für ihn unverzichtbar ist. Es reicht nicht aus, dass der Asylbewerber eine enge Verbundenheit mit seinem Glauben hat, wenn er diesen - jedenfalls im Aufnahmemitgliedstaat - nicht in einer Weise lebt, die ihn im Herkunftsstaat der Gefahr der Verfolgung aussetzen würde. Maßgeblich für die Schwere der Verletzung der religiösen Identität ist die Intensität des Drucks auf die Willensentscheidung des Betroffenen, seinen Glauben in einer für ihn als verpflichtend empfundenen Weise auszuüben oder hierauf wegen der drohenden Sanktionen zu verzichten. (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 30).

b)

Bei Zugrundelegung dieses vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten und näher ausgeführten Maßstabs für den Nachweis, dass die öffentliche Praktizierung des Glaubens für den Asylbewerber ein zentrales und unverzichtbares Element seiner religiösen Identität ist, geht der Einzelrichter davon aus, dass der Kläger seinen Glauben jedenfalls während der Zeit seines Aufenthaltes im Bundesgebiet in einer in die Öffentlichkeit wirkenden Weise praktiziert hat und diese Glaubensbetätigung für seine religiöse Identität prägend und besonders wichtig ist. Er gehört gemäß Bescheinigung des Ahmadiyya Muslim Jaamat e.V. Frankfurt a.M. vom 9. Januar 2006 (Bl. 288 der Beiakte D) seit seiner Geburt der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft an. Laut Bescheinigung vom 4. Mai 2013 (Bl. 105 der Gerichtsakte) war er in Pakistan …seiner lokalen Gemeinde sowie Generalsekretär auf Distriktebene. Während seines Aufenthalts in Deutschland hat er einige Monate beim Bau der Basharat Moschee in Osnabrück geholfen (vgl. Bl. 36 der Beiakte C, Bescheinigung vom 24. Oktober 2002, Bl. 92 der Beiakte C). In der Ahmadiyya-Gemeinde Vechta ist er für die Koordination der Glaubensverbreitung (vgl. Anhörung in der mündlichen Verhandlung) sowie für den interreligiösen Dialog seiner örtlichen Jugendorganisation zuständig (Bescheinigung vom 4. Mai 2013, a.a.O.) und unterrichtet Kinder im Glauben (Sonntagsblatt Vechta vom 8. April 2012, Seite 3, Bl. 106 der Gerichtsakte). Er besucht in Deutschland regelmäßig die Moschee zum Gebet und nimmt an den örtlichen sowie zentralen Gemeindeveranstaltungen teil (Bescheinigung vom 4. Mai 2013, a.a.O.). Auch an den von seiner Gemeinde durchgeführten Aktionen, etwa die Durchführung einer Straßenreinigung zu Neujahr oder einer Baumpflanzaktion nimmt er aktiv teil (vgl. div. Zeitungsberichte und Fotos, Bl. 97 ff. der Gerichtsakte). Zudem hat er in der Vergangenheit auch einen Informationsstand der Gemeinde betreut (vgl. Sondernutzungserlaubnis der Stadt …vom 10. August 2009, Bl. 98 f. der Gerichtsakte). In Zeitungsanzeigen seiner Gemeinde tritt er als Ansprechpartner auf (vgl. undatierter Zeitungsausschnitt, Bl. 107 der Gerichtsakte). Schließlich wurde er zum Shura-Mitglied für die Vertretung der Majlis Vechta ernannt (vgl. Bescheinigung der Jugendorganisation der AMJ vom 9. Oktober 2012, Bl. 104 der Gerichtsakte).

Anhaltspunkte dafür, dass die Glaubensausübung des Klägers nur erfolgt, um die Anerkennung als Flüchtling zu erreichen, bestehen - auch im Hinblick auf die zahlreichen von ihm in seiner Gemeinde übernommenen Aufgaben - nicht. Daran ändert es auch nichts, dass der Kläger nach Überzeugung des Einzelrichters falsche Angaben zu einer angeblichen Glaubensbetätigung von Februar bis Oktober 2008 in Pakistan gemacht hat und seine Glaubensbetätigung in Pakistan vor seiner erstmaligen Einreise im Juli 1999 noch nicht verfolgungsrelevant war (vgl. insoweit die Ausführungen im Urteil des erkennenden Gerichts vom 5. Oktober 2005 - 6 A 1046/05 -, dessen Begründung sich der Einzelrichter anschließt).

c)

Allerdings kann auch für die Gruppe der „bekennenden Ahmadis“, zu denen solche Personen gehören, die ihren Glauben in strafrechtlich verbotener Weise praktizieren bzw. aus Angst vor Verfolgung hierauf verzichten, nicht davon ausgegangen werden, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unter dem Aspekt einer Gruppenverfolgung vorliegen (vgl. VGH Bad.-Württ, Urteil vom 27. September 2010 - A 10 S 689/08 -, Rn. 25 ff. (55) nach juris; BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013, a.a.O., Rn. 32 ff. (33)). Denn die aus den vorhandenen Erkenntnismitteln ersichtlichen Verfolgungsakte gegenüber „bekennenden Ahmadis“ im Verhältnis zur Gesamtzahl der in Pakistan lebenden Mitglieder dieser Gruppe machen letztlich nur einen so geringen prozentualen Anteil aus, dass nicht jeder Angehörige dieser Gruppe aktuell und konkret mit einer Gefährdung seiner Person rechnen muss.

Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 20. Februar 2013 (a.a.O.) ausgeführt, dass im Rahmen der Gefahrenprognose zunächst „die Zahl der ihren Glauben in strafrechtlich verbotener Weise praktizierenden Ahmadis jedenfalls annäherungsweise zu bestimmen ist. In einem weiteren Schritt ist sodann festzustellen, wie viele Verfolgungsakte die Angehörigen dieser Gruppe treffen. Dabei ist insbesondere zu ermitteln, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Ahmadi inhaftiert und bestraft wird, der entgegen den Vorschriften des Pakistan Penal Code bei seiner Glaubensausübung religiöse Begriffe und Riten des Islam benutzt, seinen Glauben öffentlich bekennt oder für ihn wirbt“ (vgl. Rn. 33). Dies muss mit verfügbaren Erkenntnisquellen, gegebenenfalls durch Heranziehung eines Sachverständigen ermittelt werden (vgl. Rn. 45).

Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat in seiner Entscheidung vom 11. April 2013 (- A 12 K 2435/12 -, Rn. 56, 59 nach juris) zur Größe der Gruppe bekennender Ahmadis in Pakistan ausgeführt:

„Die beschriebene Lage hat sich für Ahmadis auch zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht entscheidungserheblich verändert. Der aktuelle Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 02.11.2012 geht von drei bis vier Millionen Ahmadis in Pakistan aus, wovon 500.000 bis 600.000 Mitglieder „bekennend“ seien. Im aktuellen Pakistan-Report der UK-Border-Agency vom 07.12.2012 (zitiert nach Abs.; hier: Abs. 19.98) ist von 291.000 bzw. 600.000 Ahmadis die Rede. Laut dem International Religious Freedom Report Pakistan des United States Department of State for 2011 (S. 2, Sektion I.) sind allerdings überhaupt keine verlässlichen Daten erreichbar bezüglich der Anzahl der Ahmadis, die sich aktiv an religiösen Ritualen oder Gottesdiensten beteiligen.
(…)

Nach den in das Verfahren eingeführten und oben zitierten Erkenntnisquellen ist in diesem Sinne davon auszugehen, dass in Pakistan heute etwa 4 Millionen Ahmadis leben. Die Zahl der „bekennenden Ahmadis“ wird mit 500.000 bis 600.000 angegeben. Insbesondere zur Frage, wie viele Ahmadis hiervon ihren Glauben in strafrechtlich verbotener Weise praktizieren bzw. aus Angst vor solcher Verfolgung auf eine entsprechende Glaubensbetätigung erzwungenermaßen verzichten, hat das Gericht am 13.03.2013 als Sachverständigen ausführlich Herrn K. der Frankfurter Ahmadi-Gemeinde angehört. Nach dessen überzeugenden Ausführungen sind heute rund 400.000 Ahmadis durch regelmäßige Kontakte mit den lokalen Gemeinden bekannt und ihre Religion bekennend, wovon „durchaus fast alle unter den gegebenen Möglichkeiten öffentlichkeitswirksam aktiv“ seien. Die große Masse dieser aktiven Ahmadis müsse allerdings aus Angst vor Verfolgungsmaßnahmen auf die öffentlichkeitswirksame Praxis ihres Glaubens verzichten. Damit ist davon auszugehen, dass „die Zahl der ihren Glauben in strafrechtlich verbotener Weise praktizierenden Ahmadis“ bzw. erzwungenermaßen hierauf verzichtenden Ahmadis annäherungsweise mit 300.000 bis 400.000 zu bestimmen ist.“

Mangels anderer Anhaltspunkte für die Ermittlung der Größe der Gruppe bekennender Ahmadi in Pakistan macht sich der Einzelrichter diese Erkenntnisse zu eigen.

Hinsichtlich der Zahl der Verfolgungsakte, welche die Mitglieder dieser Gruppe treffen, sind verlässliche Daten nicht ermittelbar.

Laut Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 2. November 2012 wurden von Januar 2011 bis Mai 2012 85 Personen wegen Blasphemie angezeigt und anschließend angeklagt, davon 6 Ahmadis. 2010 wurden 67 Strafverfahren gegen Ahmadis nach Sec. 298 C PPC eingeleitet, wobei die meisten Angeklagten gegen Kaution freigelassen wurden (Lagebericht S. 12 f.).

In dem Bericht „Persecution of Ahmadis in Pakistan during the Year 2011“ (Annex II), den auch das Upper Tribunal - Immigration and Asylum Chamber in seinem Urteil „MN and others“ (Pakistan CG <2012> UKUT 00389<IAC>) vom 13. November 2012 als relevant angesehen hat (dort Rn. 30, Fn. 6), werden im Zeitraum April 1984 bis 31. Dezember 2011 offiziell registrierte „Police Cases“ gegen Ahmadis von insgesamt 3.820 aufgeführt, davon 299 wegen „Blasphemie“.

Soweit diese Statistik zusätzlich über 60.000 Verfahren (wegen Sec. 298 C) gegen die gesamte Bevölkerung der Stadt Chenab Nagar (vormals: Rabwah) enthält, die 2009 noch anhängig gewesen seien (Abs. 19.136), können diese Verfahren entgegen der Rechtsprechung des VG Stuttgart (a.a.O., Rn. 56) bei der Beurteilung der Verfolgungswahrscheinlichkeit keine Berücksichtigung finden.

Der Einleitung dieser Verfahren vorausgegangen waren in der Stadt begangene Feierlichkeiten zum 100-jährigen Jubiläum des Khilafat, der Institution des religiösen Kalifentums, d.h. der Prophetennachfolge. Die Stadt Chenab Nagar wurde 1948 von Angehörigen der Ahmadiyya Muslim Jamaat gegründet und stellt bis heute das religiöse Zentrum sowie das Verwaltungszentrum der weltweiten Ahmadiyya Muslim Jamaat-Bewegung dar. Die Feierlichkeiten wurden von der Polizeibehörde zum Anlass genommen, um am 8. Juni 2008 einen First Information Report (FIR) aufzunehmen, der die Grundlage für die weiteren Ermittlungen in einer Strafsache in Pakistan darstellt. Danach hätten die Bewohner der Stadt unter anderem traditionelle Kerzen angezündet, ihre Häuser sowie die Büros von Jamaat Ahmadiyya mit Fähnchen geschmückt, auf mehreren Hügeln Reifen in Brand gesetzt sowie Knallkörper und Raketen gezündet. Ein Bewohner der Stadt, Herr Younus, habe in seinem Geschäft Abzeichen und Papierhüte verkauft, auf denen ein Text zur Prophetennachfolge abgedruckt gewesen sei. Hierdurch seien die religiösen Gefühle der Muslime in Chenab Nagar sowie den Vororten der Stadt verletzt worden, wodurch der Tatbestand der Blasphemie nach Sec. 298 C des PPC erfüllt werde (vgl. http://www.thepersecution.org/ nr/2008/june.html sowie http://www.thepersecution.org/nr/2008/june.html#a02).

Anhaltspunkte dafür, dass über die Aufnahme des FIR hinaus Maßnahmen gegen die gesamten Bewohner der Stadt gerichtet worden sind, sind nicht ersichtlich. Zwar ermöglicht es die Aufnahme eines FIR, den Betroffenen vorläufig festzunehmen. Tatsächlich wurde jedoch nur der in dem FIR namentlich benannte Herr Muhammad Younus vorläufig festgenommen (http://www.thepersecution.org/nr/ 2008/june.html) und nach einem Monat Haft auf Kaution freigelassen (http://www.persecutionofahmadis.org/plight-of-rabwah-2008-2010). Über weitere Festnahmen oder Anklageerhebungen ist dagegen nichts bekannt. Ein reales Verfolgungsrisiko für die Gruppe der ihren Glauben öffentlich praktizierenden Ahmadis in Pakistan lässt sich hieraus nicht ableiten, so dass es an der für die Berücksichtigung erforderlichen Intensität einer Verfolgung fehlt. Hinzukommt, dass die Situation in Chenab Nagar als dem Zentrum der Glaubensgemeinschaft nicht die Verfolgungssituation der Ahmadis in Pakistan insgesamt widerspiegelt.

Die im Pakistan-Report der UK-Border-Agency vom 7. Dezember 2012 zitierten Berichte, nach denen im Zeitraum 1986 bis 2006 695 (Abs. 19.49) bzw. nach anderer Quelle von 1984 bzw. 1987 bis 2011 1.117 Personen wegen Blasphemie angeklagt worden seien (Abs. 19.50) und insgesamt im Zeitraum 1984 bis 2004 etwa 5.000 Anklagen ergangen seien (Abs. 19.49) können dagegen nicht zur Grundlage der Bewertung der Verfolgungsdichte gemacht werden, da diese Berichte - entgegen der Darstellung des Verwaltungsgerichts Stuttgart (a.a.O., Rn. 56) nicht hinreichend zwischen Ahmadis und anderen Religionszugehörigkeiten differenzieren.

Hiernach verbleibt es nach den verfügbaren Erkenntnisquellen bei 3.820 offiziell registrierten staatlichen Verfolgungsakten gegen Ahmadis, die sich im Zeitraum April 1984 bis Mai 2012 ereignet haben, wobei zugunsten des Klägers davon ausgegangen wird, dass es sich hierbei sämtlich um Verfolgungsakte gegen „bekennende Ahmadis“ gehandelt hat.

Hinzu kommen Verfolgungsmaßnahmen von privaten Akteuren, die zahlenmäßig nicht seriös erfasst werden können. Der Pakistan-Report der UK-Border-Agency vom 7. Dezember 2012 (http://www.ukba.homeoffice.gov.uk/sitecontent/documents/ policyandlaw/coi/pakistan/report-071212.pdf?view=Binary) stellt zwar zahlreiche Berichte unterschiedlicher Quellen zu Gewalttaten und Diskriminierungen gegen Ahmadis dar, jedoch enthalten diese Berichte nur selten konkrete Zahlen, die zur Grundlage einer Beurteilung gemacht werden könnten. Auch lässt sich nicht immer erkennen, ob und in welchem Umfang die verschiedenen Quellen von jeweils von denselben Ereignissen berichten. Auch die monatlichen Berichte über die Verfolgung auf der Internet-Seite http://www.persecutionofahmadis.org/monthly-reports/ lassen keinen sicheren Schluss auf das Maß der nichtstaatlichen Verfolgung von Ahmadis in Pakistan zu, da die dort gesammelten Berichte bzw. teilweise auch nur Überschriften nicht in jedem Fall den Schluss zulassen, dass Grund für die Verfolgung die Zugehörigkeit der jeweiligen Opfer zur Glaubensgemeinschaft der Ahmadiyya war. Nach der Zusammenfassung der Verfolgungsakte im Bericht „Persecution of Ahmadis in Pakistan during the Year 2011“ (Annex IX) wurden im Jahr 2011 fünf Ahmadis für ihre religiöse Überzeugung ermordet, in sieben Fällen gab es Mordversuche, vier Ahmadis wurden entführt, in zwei weiteren Fällen scheiterte eine Entführung. Ein im Pakistan-Report der UK-Border-Agency vom 7. Dezember 2012 zitierter Bericht des „Express Tribune“ geht von 210 wegen ihrer religiösen Überzeugung ermordeten Ahmadis und 254 Mordversuchen seit 1984 aus. Der dem zugrunde liegende Bericht „Persecution of Ahmedis in Pakistan during the year 2011“ gibt diese Zahlen nicht exakt wieder, benennt aber 205 bzw. 207 getötete Ahmadis (Seite 71 bzw. 114) und 234 Mordversuche (Seite 114).

Auf der Grundlage dieser Zahlen kann nicht festgestellt werden, dass eine verdichtete Gefährdungslage im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 21. April 2009 - 10 C 11.08 - juris) besteht, bei der jeder Angehörige der Gruppe allein aufgrund seiner Religionszugehörigkeit jederzeit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit staatlichen oder nichtstaatlichen Verfolgungsmaßnahmen rechnen muss.

Die aus den vorhandenen Erkenntnismitteln ersichtlichen Verfolgungsakte in den vergangenen Jahren gegenüber „bekennenden Ahmadis“ machen - ungeachtet der anzunehmenden Dunkelziffer - im Verhältnis zur Gesamtzahl der in Pakistan lebenden bekennenden Ahmadis letztlich nur einen geringen prozentualen Anteil aus. Dies gilt selbst dann, wenn man in Anbetracht der Unklarheit über die Gruppengröße der „bekennden Ahmadis“ eine zahlenmäßig niedrige Gruppengröße von nur 400.000 (so die Schätzung des vom Verwaltungsgericht Stuttgart als Sachverständigen angehörten Herrn K. der Frankfurter Ahmadi-Gemeinde) der etwa 4 Millionen in Pakistan lebenden Ahmadis als „bekennende Ahmadis“ annimmt und weiter davon ausginge, dass alle berichteten Maßnahmen gegen die Ahmadis in Bezug auf die Verfolgungshandlung und in Bezug auf die Verknüpfung zwischen Handlung und Grund verfolgungsrelevant im Sinne der Art. 9 Abs. 1 a, Art. 9 Abs. 2 a und Art. 9 Abs. 3 i.V.m. Art. 10 der Qualifikationsrichtlinie wären, was kaum der Fall sein dürfte und schließlich weiter unberücksichtigt ließe, dass sich die Summe der ermittelten Verfolgungsakte auf einen Zeitraum von 20 Jahren bezieht.

Die festgestellten Verfolgungsschläge gegen „bekennende Ahmadis“ fallen auch danach nicht so dicht- und enggestreut, dass für jedes Mitglied dieser Gruppe die Furcht begründet ist, in eigener Person Opfer der Übergriffe zu werden. Bei der Annahme einer Gruppengröße von 400.000 „bekennenden Ahmadis“ und 3.820 offiziell registrierten staatlichen Verfolgungsakten gegen Ahmadis sowie rund 500 Morden bzw. Mordversuchen als nichtstaatlichen Verfolgungsakten ergibt sich eine Relation von etwa 4.500 zu 400.000, was einem Verhältnis von 1 : 89 entspricht. Geht man entsprechend dem aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 2. November 2012 von 500.000 bis 600.000 „bekennenden Ahmadis“ aus, ergibt sich sogar nur eine Relation von 1 : 111 bzw. 1 : 133. Damit liegt die tatsächlich festgestellte Verfolgungsdichte - selbst unter Berücksichtigung einer Dunkelziffer - weit unter der kritischen Verfolgungsdichte, bei deren Vorliegen eine Gruppenverfolgung zu bejahen wäre.

Das Gericht verkennt dabei nicht, dass sich in dem vorliegenden Zahlenmaterial gewisse Ungenauigkeiten nicht vollständig ausräumen lassen, insbesondere im Hinblick auf die Aktualität und die Berücksichtigung von Eingriffshandlungen, die keine Tötungen sind. Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass Eingriffshandlungen aus der Vergangenheit eigentlich nicht der aktuellen Größe der Gruppe der „bekennenden Ahmadis“ gegenüber gestellt werden können, sondern hierfür die damalige Größe maßgeblich wäre. Letztlich werden, selbst wenn man zu Gunsten des Klägers die Zahl der Eingriffshandlungen verfünffachen würde, die Anforderungen an eine Gruppenverfolgung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts derzeit nicht erfüllt. In diesem Fall ergäbe sich eine Anschlagsdichte von 1 : 17 (bzw. 1 : 22 bzw. 1 : 27), was selbst nach der Auffassung des Verwaltungsgerichts Karlsruhe (Urteil vom 9. Juni 2010 - A 10 K 3473/09 - juris), bei kleineren Gruppen müsse eine Relation von einem Zehntel ausreichen, eine Regelvermutung, wonach jeder „bekennende Ahmadi“ verfolgt wird, nicht zuließe. Auch wenn fraglos davon auszugehen ist, dass sich die Ahmadis in Pakistan, die ihre Religion in der Öffentlichkeit ausüben wollen, in einer immer noch vergleichsweise schwierigen Lage befinden, ist deshalb eine gegen die „bekennenden Ahmadis“ gerichtete Gruppenverfolgung zu verneinen (a.A. VG Stuttgart, a.a.O.).

Eine relevante Verfolgungsgefahr ergibt sich auch aufgrund einer Gesamtbetrachtung nach Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie nach Auswertung der zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel und unter Berücksichtigung der vom Bundesverwaltungsgericht hierzu aufgestellten Maßstäbe nicht (vgl. dazu im Einzelnen BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013, a.a.O., Rn. 34 ff., 45). Auch die Summe der feststellbaren Menschenrechtsverletzungen und Diskriminierungen gegen „bekennende Ahmadis“ lässt nicht den Schluss zu, dass diese in ähnlicher, d.h. vergleichbarer Weise wie von einer schwerwiegenden Verletzung der Religionsfreiheit im Sinne von Art. 9 Abs. 1 lit. a) der Richtlinie betroffen sind.

d)

Dem Kläger droht auch bei einer Rückkehr nach Pakistan keine flüchtlingsrechtlich relevante politische Verfolgung nach § 60 Abs. 1 AufenthG. Der Einzelrichter hält die Aussage des Klägers zu seiner Ausreise nach Pakistan und den dort erlittenen Verfolgungsakten nicht für glaubhaft. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen. Auf die Beweiserleichterung gemäß § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG i.V.m. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG kann sich der Kläger damit nicht berufen. Da weiter davon auszugehen ist, dass es sich bei der Anklageschrift um ein selbstinitiiertes Scheinverfahren handelt, bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass es im Falle seiner Rückkehr zu Verfolgungsakten i.S.d. § 60 Abs. 1 AufenthG kommen wird.

3.

Dem Kläger stehen auch die hilfsweise geltend gemachten Abschiebungsverbote nicht zu. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass sachdienlich in erster Linie die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG und hilfsweise die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG begehrt wird (BVerwG, Urteile vom 24. Juni 2008 - 10 C 43.07 -, BVerwGE 131, 198, vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, BVerwGE 136, 360, und 29. Juni 2010 - 10 C 10.09 -, BVerwGE 137, 226).

a)

Nach § 60 Abs. 2 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für diesen Ausländer die konkrete Gefahr besteht, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Für die Feststellung dieses Abschiebungsverbots gelten nach § 60 Abs. 11 AufenthG die Art. 4 Abs. 4, Art. 5 Abs. 1 und 2 und Art. 6 bis 8 QRL. Damit werden die dortigen Bestimmungen über den Vorverfolgungsmaßstab, Nachfluchtgründe, Verfolgungs- und Schutzakteure und internen Schutz auch auf dieses Abschiebungsverbot für anwendbar erklärt. Es müssen konkrete Anhaltspunkte oder stichhaltige Gründe dafür glaubhaft gemacht werden, dass der Ausländer im Fall seiner Abschiebung einem echten Risiko oder einer ernsthaften Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt wäre (Hailbronner § 60 AufenthG Rn. 108). Dies ist hier aber nach den vorstehenden Ausführungen nicht ersichtlich.

Nach den vorliegenden Erkenntnismitteln wird Folter von der pakistanischen Regierung offiziell verurteilt, ist jedoch im Polizeigewahrsam, aber auch in Gefängnissen weit verbreitet, insbesondere um bei polizeilichen Ermittlungen Geständnisse oder Kooperation zu erzwingen (Lagebericht vom 2. November 2012, Seite 23). Vorliegend bestehen nach den vorstehenden Ausführungen Anhaltspunkte für eine solche Foltergefahr nicht.

b)

Nach § 60 Abs. 3 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, wenn dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe besteht. Für die Feststellung auch dieses Abschiebungsverbots gelten nach Abs. 11 hier ebenfalls die Art. 4 Abs. 4, Art. 5 Abs. 1 und 2 und Art. 6 bis 8 QRL. Damit werden auch hier die dortigen Bestimmungen über den Vorverfolgungsmaßstab, Nachfluchtgründe, Verfolgungs- und Schutzakteure und internen Schutz auf dieses Abschiebungsverbot für anwendbar erklärt. Hierzu müssen ernsthafte Anhaltspunkte vorliegen, dass der Ausländer wegen einer Straftat konkret gesucht wird, deretwegen individuell die Todesstrafe verhängt werden kann (Hailbronner § 60 AufenthG Rn. 137). Derartige Anhaltspunkte bestehen nach den vorstehenden Ausführungen, insbesondere zum selbstinitiierten Scheinverfahren, nicht.

c)

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG.

Nach dieser Vorschrift ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Gefahren nach Satz 1 oder Satz 2, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind gemäß § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen (zur Auslegung der Norm vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 - 10 C 43.07 -).

Der Begriff des internationalen wie auch des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ist dabei unter Berücksichtigung der Bedeutung dieser Begriffe im humanitären Völkerrecht, insbesondere unter Heranziehung von Art. 3 der Genfer Konventionen zum humanitären Völkerrecht 1949 und des am 8. Juni 1977 abgeschlossenen Zusatzprotokolls II auszulegen. Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie u.a. für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind, und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 c der Richtlinie 2004/83/EG nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss hierfür aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen. Typische Beispiele sind Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfe (BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008, a.a.O.; Nds. OVG, Urteil vom 26. Januar 2012 - 11 LB 97/11 -).

Bei den Tatbestandsvoraussetzungen der „erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben“ ist zu prüfen, ob sich die von einem bewaffneten Konflikt für eine Vielzahl von Zivilpersonen ausgehende - und damit allgemeine - Gefahr in der Person des Ausländers so verdichtet hat, dass sie eine erhebliche individuelle Gefahr im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG darstellt.

Besteht ein bewaffneter Konflikt nicht landesweit, kommt eine individuelle Bedrohung in Betracht, wenn sich der Konflikt auf die Herkunftsregion des Ausländers erstreckt, in der er zuletzt gelebt hat bzw. in die er typischerweise zurückkehren kann und voraussichtlich auch wird, dh auf seinen „tatsächlichen Zielort“ bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat (EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 - C-465/07 - Elgafaji - mit der Bezugnahme auf Art. 8 Abs. 1 QRL; BVerwG, Urteil vom 14. Juli 2009 - 10 C 9.08 -; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27. April 2012 - A 11 S 3079/11 -; BayVGH, Urteil vom 20. Januar 2012 - 13a B 11. 30394 -).

Pakistan ist zwar mit einer erheblichen terroristischen Bedrohung durch die Taliban und andere jihadistische Gruppen konfrontiert (dazu im Einzelnen: Lagebericht vom 2. November 2012, Bl. 21). Jedoch liegen bezogen auf das gesamte Pakistan, insbesondere auf die Provinz Punjab, aus der der Kläger stammt und worauf bei einer Rückkehr nach Pakistan abzustellen ist, kein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt und erst recht nicht eine individuelle extreme Gefahr im vorgenannten Sinn vor (vgl. dazu im Einzelnen: VG Ansbach, Urteil vom 14. Februar 2013 - AN 11 K 12.30713 -, Rn. 36 f. nach juris)

d)

Dem Kläger steht kein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG zu.

Danach darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, wenn sich seine Abschiebung in Anwendung der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 - EMRK - (BGBl 1952 II S. 685) als unzulässig erweist. Vorliegend ist aber weder ersichtlich noch vorgetragen, welches - nicht bereits bei der vorrangigen Prüfung zu berücksichtigende - Recht der EMRK hier ein Abschiebungshindernis begründen soll.

e)

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines (nationalen) Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen.

Für den Kläger besteht in Pakistan keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit. Insbesondere ergibt sich eine solche nicht aus seinem Gesundheitszustand. Die ärztliche Stellungnahme der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Brinkmann, mit der dem Kläger eine schwere Depression bescheinigt worden ist, stammt vom 30. November 2010. Ob die seinerzeit attestierte Erkrankung derzeit noch besteht, ist nicht erkennbar, zumal der Kläger jedenfalls zwischenzeitlich einer Erwerbstätigkeit in Vollzeit nachgegangen ist (vgl. Bl. 52 ff. der Gerichtsakte). Trotz gerichtlicher Verfügung vom 19. Februar 2013 wurden aktuelle Atteste über den Gesundheitszustand des Klägers und die derzeitige medizinische Behandlung nicht vorgelegt. Auch für eine in der Klagebegründung geltend gemachte posttraumatische Belastungsstörung finden sich keine Anhaltspunkte. Im Übrigen sind die geltend gemachten psychischen Beschwerden, die nach dem vorgelegten Attest nur medikamentös behandelt worden sind, nach den im angefochtenen Bescheid genannten Erkenntnismitteln in Pakistan behandelbar. Medikamente wie Haloperidol und viele andere Psychopharmaka sind in Pakistan erhältlich. In den Großstädten Pakistans existieren moderne Krankenhäuser. Für ärztliche Versorgung und Medikamente muss in Pakistan nur ein Bruchteil der in Deutschland hierfür anfallenden Kosten aufgewendet werden. Die meisten Krankheiten können also behandelt werden und die meisten Medikamente können in den Apotheken in ausreichender Menge und Qualität erworben werden (ständige Lageberichterstattung des Auswärtigen Amts, zuletzt vom 2. November 2012).

Soweit der Kläger geltend macht, im Falle einer Abschiebung sei die dringende Gefahr einer suizidalen Handlung gegeben, handelt es sich hierbei nicht um ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis, zu dessen Feststellung das Bundesamt verpflichtet werden kann. Für die Durchführung der Abschiebung und dabei auch für die Entscheidung über alle inlandsbezogenen und sonstigen tatsächlichen Vollstreckungshindernisse ist die Ausländerbehörde zuständig (BVerwG, Urteil vom 21. September 1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305).

Nach allem war die Klage abzuweisen.