Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 16.07.2019, Az.: 9 LA 45/18

Anliegerstraße; Anliegerverkehr; Busverkehr; Durchgangsverkehr; Einstufung; Fahrbahn; Fremdverkehr; Gemeingebrauch; Haltestelle; Schulbusverkehr; Straße; Straßenausbaubeitrag; Straßenentwässerung; tatsachliche Verkehrsverhältnisse; Teileinrichtung; typisierende Betrachtung; Verkehrsanlage; Verkehrszählung; wiederkehrender Beitrag; öffentliche Einrichtung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
16.07.2019
Aktenzeichen
9 LA 45/18
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2019, 69760
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 26.02.2018 - AZ: 1 A 1739/15

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Der Umstand, dass es sich bei öffentlichen Straßen um Sachen im Gemeingebrauch handelt, die als solche nicht in § 6 NKAG erwähnt werden, steht dem beitragsrechtlichen Begriffsverständnis als „öffentliche Einrichtungen“ im Sinne des § 6 NKAG nicht entgegen. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der Einführung wiederkehrender Beiträge für Verkehrsanlagen in § 6 b NKAG.
2. Für die Beurteilung der tatsächlichen Verkehrsverhältnisse kommt es nicht auf eine Verkehrszählung an, die ohnehin nur eine Momentaufnahme sein kann (Bestätigung des Senatsbeschlusses vom 9.1.2018 - 9 LA 83/17 -).
3. Der Schulbusverkehr, der zu (hier: zwei) Haltestellen in der ausgebauten Straße hin- und wieder wegführt und mit dem Schüler zu den Haltestellen in dieser Straße gebracht oder von dort abgeholt werden, ist dem Anliegerverkehr zuzurechnen.

Tenor:

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 1. Kammer - vom 26. Februar 2018 wird abgelehnt.

Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 4.910,36 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts hat keinen Erfolg.

Mit dem angegriffenen Urteil hat das Verwaltungsgericht Oldenburg den von den Klägern angefochtenen Straßenausbaubeitragsbescheid der Beklagten vom 12. März 2015 für den Ausbau der Fahrbahn der F. „einschließlich Straßenentwässerung, Parkbuchten und Bushaltestelle“ in Höhe von 4.966,89 EUR aufgehoben, soweit damit ein Straßenausbaubeitrag von mehr als 4.910,36 EUR festgesetzt wird. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen, weil der Bescheid auf der Grundlage des § 6 NKAG i. V. m. der Satzung der Beklagten über die Erhebung von Beiträgen nach § 6 NKAG für straßenbauliche Maßnahmen vom 24. Oktober 2001 – SABS – rechtmäßig sei. Die vorgenommenen und abgerechneten Ausbauarbeiten aus den Jahren 2012 und 2013 stellten sich hinsichtlich der Teileinrichtungen Fahrbahn und Oberflächenentwässerung als beitragsfähige Verbesserung der Anlage dar. Die Einordnung der F. als überwiegend dem Anliegerverkehr dienende Straße und damit die Bemessung des Gemeindeanteils gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 1 SABS mit 25 % begegne keinen Bedenken. Die Beklagte habe den Gemeindeanteil bei Anliegerstraßen nicht nach Teileinrichtungen staffeln müssen. Unter Beachtung der Maßstäbe in der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts zur Einstufung einer Straße bzw. für die Festlegung des besonderen Vorteils der Allgemeinheit am Straßenausbau fänden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der F. um eine Durchgangsstraße handele, für die der Gemeindeanteil höher sein müsse. Unter Berücksichtigung der von den Beteiligten vorgelegten Auswertung der Verkehrsdaten über einen Messzeitraum von einer Woche sowie der gutachterlichen Stellungnahmen gehe die Kammer davon aus, dass das daraus erkennbare Verkehrsaufkommen (durchschnittlich täglich 250 – 300 Kfz) im Wesentlichen Anliegerverkehr sei. Neben den tatsächlichen Verkehrsverhältnissen biete auch die Ausgestaltung der Straße ein gewichtiges Indiz (wobei hier der hergestellte Zustand dem einer Anliegerstraße entspreche) sowie die Lage der F. im Straßengefüge. Allerdings erweise sich die in der Beitragsberechnung für das Grundstück der Kläger berücksichtigte Fläche als teilweise rechtswidrig, weshalb der Ausbaubeitragsbescheid wegen der daraus folgenden Auswirkungen für die insgesamt zu berücksichtigende Beitragsfläche teilweise aufzuheben gewesen sei.

Die von den Klägern demgegenüber geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) sind nicht hinreichend dargelegt worden bzw. liegen nicht vor.

1. Aus dem Vorbringen der Kläger ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils.

Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils sind dargelegt, wenn aufgrund der Begründung des Zulassungsantrags gewichtige, gegen die Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts sprechende Gründe zu Tage treten, aus denen sich ergibt, dass ein Erfolg der erstrebten Berufung mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg. Das ist grundsätzlich der Fall, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird. Um ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils darzulegen, muss sich der Zulassungsantragsteller substantiiert mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Welche Anforderungen an Umfang und Dichte seiner Darlegung zu stellen sind, hängt deshalb auch von der Intensität ab, mit der die Entscheidung des Verwaltungsgerichts begründet worden ist (vgl. nur Senatsbeschluss vom 29.11.2018 – 9 LA 63/18 – m. w. N.).

a) Soweit die Kläger die Beitragsfähigkeit von Straßenausbaumaßnahmen nach § 6 Abs. 1 Satz 1 NKAG grundsätzlich in Frage stellen, weil auch in einem kommunalabgabenrechtlichen Sinne unter „öffentlichen Einrichtungen“ nicht Straßen zu verstehen seien, ergeben sich daraus keine schlüssigen Gegenargumente zu der vom Verwaltungsgericht bejahten Beitragsfähigkeit der ausgebauten Teileinrichtungen. Der Umstand, dass es sich bei öffentlichen Straßen um Sachen im Gemeingebrauch handelt, die als solche nicht in § 6 NKAG erwähnt werden, steht dem beitragsrechtlichen Begriffsverständnis als „öffentliche Einrichtungen“ im Sinne des § 6 NKAG nicht entgegen. In der Senatsrechtsprechung ist geklärt, dass kommunale Straßen/Verkehrsanlagen zu den beitragsfähigen öffentlichen Einrichtungen im Sinne dieser landesrechtlichen Vorschrift gehören:

Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 NKAG in der hier einschlägigen, bis zum 1. April 2017 geltenden Fassung, können die Gemeinden und Landkreise zur Deckung ihres Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Erweiterung, Verbesserung und Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen Beiträge von den Grundstückseigentümern erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser öffentlichen Einrichtungen besondere wirtschaftliche Vorteile bietet. Die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen wird von dieser Vorschrift erfasst und ist verfassungsgemäß (hierzu im Einzelnen das Senatsurteil vom 27.3.2017 – 9 LC 180/15 – juris Rn. 30 ff.; nachgehend BVerwG, Beschluss vom 30.7.2018 – 9 B 23.17 – juris). Durch den Straßenausbaubeitrag wird nicht die schlichte, auch der Allgemeinheit zustehende Straßenbenutzungsmöglichkeit abgegolten, sondern die einem Grundstück, insbesondere einem solchen mit Baulandqualität, zugutekommende Erhaltung der wegemäßigen Erschließung. Dieser Vorteil ist geeignet, den Gebrauchswert der begünstigten Grundstücke positiv zu beeinflussen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.7.2018, a. a. O., Rn. 6 unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 25.6.2014 – 1 BvR 668/10 u.a. – BVerfGE 137, 1 Rn. 49 ff. = juris; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 21.6.2018 – 9 C 2.17 – juris Rn. 15 ff.). Bezogen auf die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats der Begriff der öffentlichen Einrichtung im Sinne des § 6 Abs. 1 NKAG grundsätzlich identisch mit dem erschließungsbeitragsrechtlichen Anlagenbegriff und erfasst die gesamte Verkehrsanlage. Danach ist eine öffentliche Einrichtung im Sinne von § 6 Abs. 1 NKAG grundsätzlich jeder Straßenzug, den der unbefangene Beobachter bei natürlicher Betrachtungsweise als selbstständiges, von anderen Straßen abgegrenztes Element des gemeindlichen Straßenverkehrsnetzes ansieht (vgl. etwa das Senatsurteil vom 23.3.2009 – 9 LC 320/07 –; Senatsbeschluss vom 12.1.2006 – 9 ME 245/05 – juris Rn. 4; hierzu auch Driehaus in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, 60. Erg.Lfg. 2019, § 8 Rn. 97; von Waldthausen in Rosenzweig/Freese/von Waldthausen, NKAG, 49. Erg.Lfg. 2018, § 6 Rn. 10 ff.). Das (beitragsrechtliche) Verständnis einer kommunalen Straße/Verkehrsanlage als eine einen Sondervorteil vermittelnde öffentliche Einrichtung beruht auf der Auslegung des Begriffs der öffentlichen Einrichtung in § 6 NKAG nach Maßgabe des niedersächsischen Landesrechts. Es deckt sich mit dem entsprechenden Begriffsverständnis in anderen Bundesländern, nach deren Kommunalabgabengesetzen ebenfalls Ausbaumaßnahmen an öffentlichen Straßen beitragspflichtig sind, weil sie zu den „öffentlichen Einrichtungen“ im ausbaubeitragsrechtlichen Sinne gehören (zum abweichenden Begriffsverständnis in Nordrhein-Westfalen und Brandenburg nach dem dortigen Landesrecht: Driehaus/Raden, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 10. Auflage 2018, § 31 Rn. 1 ff. und § 1 Rn. 26).

Dass auch der niedersächsische Landesgesetzgeber von der Beitragsfähigkeit von Ausbaumaßnahmen an kommunalen öffentlichen Straßen/Verkehrsanlagen auf der Grundlage des § 6 NKAG ausgeht, wird entgegen dem nachträglich ergänzten Vortrag der Kläger nicht durch die Einführung wiederkehrender Beiträge für Verkehrsanlagen in § 6 b NKAG widerlegt, sondern im Gegenteil dadurch noch bestätigt:

Durch das am 1. April 2017 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung des Niedersächsischen Kommunalabgabengesetzes und anderer Gesetze vom 2. März 2017 (Nds.GVBl. 2017, 48 ff.) wurde die Vorschrift des § 6 b neu eingefügt, wonach die Gemeinden unter den dort normierten Voraussetzungen wiederkehrende Beiträge für Verkehrsanlagen erheben können. Der Umstand, dass diese wiederkehrenden Beiträge (nur) für Verkehrsanlagen, nicht aber für alle „öffentlichen Einrichtungen“ im Sinne des § 6 NKAG ermöglicht wurden, lässt keinen Rückschluss darauf zu, dass Verkehrsanlagen nicht zu den in § 6 NKAG genannten „öffentlichen Einrichtungen“ gehören würden. Im Gegenteil ergibt sich aus der Gesetzesbegründung zu § 6 b Abs. 1 (Nds.Landtag, Drucksache 17/5422, S. 16), dass der Gesetzgeber an der Erhebung einmaliger Straßenausbaubeiträge nach § 6 NKAG festhalten und daneben ein zusätzliches Finanzierungsinstrument für den Ausbau von Straßen, Wegen und Plätzen, nicht aber für andere (etwa leitungsgebundene) öffentliche Einrichtungen schaffen wollte: Danach sollen die Gemeinden zukünftig nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden können, ob sie einmalige Beiträge für die Herstellung und den Ausbau ihrer Verkehrsanlagen nach § 6 NKAG nach dem tatsächlich für die einzelne Verkehrsanlage entstandenen Investitionsaufwand berechnen oder aus dem Investitionsaufwand mehrerer zu einer Abrechnungseinheit zusammengefasster Verkehrsanlagen als Durchschnittssatz ermitteln wollen. Mit dem Erhebungsrecht für wiederkehrende Beiträge werde den gemeindlichen Satzungsgebern ein weiteres Finanzierungsinstrument zur Finanzierung von Ausbaumaßnahmen an die Hand gegeben. Verkehrsanlagen seien alle Straßen, Wege und Plätze, die dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind. Da in Niedersachsen bereits einmalige Beiträge nach § 6 für einzelne Verkehrsanlagen von den Gemeinden erhoben werden könnten, sei der im Straßenausbaubeitragsrecht verwendete Begriff der Verkehrsanlage durch ständige Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts geklärt und den beitragserhebenden Gemeinden bekannt.

Für die Auffassung der Kläger, dass in § 6 NKAG bewusst auf den Begriff der Anlage verzichtet worden und Sachen im Gemeingebrauch von der Regelung der Beiträge im Sinne des § 6 NKAG ausgenommen werden sollten, ist danach kein Raum.

b) Die Kläger haben mit ihrem Zulassungsvorbringen auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Annahme des Verwaltungsgerichts dargelegt, dass es sich bei der F. um eine Anliegerstraße handele, für die ein satzungsgemäßer Gemeindeanteil von 25 % in Ansatz zu bringen ist.

Nach der vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. nur Beschluss vom 9.1.2018 – 9 LA 83/17 – und Senatsurteil vom 9.8.2016 – 9 LC 29/15 – juris Rn. 49 m. w. N.) ist für die Einstufung einer Straße bzw. für die Festlegung des besonderen Vorteils der Allgemeinheit vom Straßenausbau im Sinne des § 6 Abs. 5 Satz 4 NKAG von ausschlaggebender Bedeutung, welcher Verkehr zu den vom Straßenausbau bevorteilten Anlieger- und Hinterliegergrundstücken hinführt und von ihnen ausgeht, und welchen Anteil dieser sogenannte Ziel- und Quellverkehr zu und von den bevorteilten Grundstücken am Gesamtverkehrsaufkommen auf der betreffenden Straße ausmacht. Bei der Anwendung dieses Maßstabs auf die jeweiligen Verhältnisse im Einzelfall ist im Interesse der Verwaltungspraktikabilität eine typisierende Betrachtungsweise zulässig, die zwar die tatsächlichen Verkehrsverhältnisse zugrunde legen muss, diese aber (zumindest im Regelfall) nur anhand von Erfahrungswerten zu ermitteln braucht. Insoweit sind bedeutsam die Lage der Straße im Gesamtverkehrsnetz und die Verkehrsplanung der Gemeinde, ihr darauf beruhender Ausbauzustand (u. a. Breite, Länge, vorhandene Teileinrichtungen) und die straßenrechtliche Gewichtung der Straße. Insofern kommt es letztlich entscheidend auf die tatsächlichen Verkehrsverhältnisse an, aufgrund derer die Verkehrsplanung der Gemeinde überholt sein kann. Ergeben die tatsächlichen Verkehrsverhältnisse eindeutig eine bestimmte Einstufung der Straße, dann können weder die Verkehrsplanung der Gemeinde noch der Ausbauzustand der Straße und ihre straßenrechtliche Gewichtung zu einer anderen Einstufung der Straße führen. Diese Gesichtspunkte haben im Rahmen der typisierenden Betrachtungsweise Bedeutung, wenn die Straße nicht bereits aufgrund der feststellbaren tatsächlichen Verkehrsverhältnisse klar eingestuft werden kann (Senatsurteil vom 9.8.2016, a. a. O., Rn. 49 m. w. N.).

Eine Einstufung als überwiegend dem Anliegerverkehr dienende öffentliche Einrichtung, die es rechtfertigt, den Anliegern den deutlich größten Teil des beitragsfähigen Aufwands aufzuerlegen, ist nach der Rechtsprechung des Senats erst dann gerechtfertigt, wenn der Anliegerverkehr den Fremdverkehr spürbar übersteigt, was erst bei einem Anteil des Anliegerverkehrs von mehr als 60 % anzunehmen ist. Sind der Ziel- und Quellverkehr zu und von den bevorteilten Grundstücken und der Verkehr von und zu Grundstücken, die nicht an die öffentliche Einrichtung angrenzen, in etwa gleich stark, liegen also die Anteile von Anliegerverkehr und Fremdverkehr am Gesamtverkehrsaufkommen in einem Bereich zwischen 40 % und 60 %, scheidet eine Einstufung als überwiegend dem Anliegerverkehr dienende öffentliche Einrichtung aus. In diesen Fällen liegt in der Regel eine öffentliche Einrichtung mit starkem innerörtlichem Verkehr vor. Überwiegt der Fremdverkehr deutlich, was bei einem Anteil des Fremdverkehrs von mehr als 60 % anzunehmen ist, liegt straßenausbaubeitragsrechtlich regelmäßig eine Durchgangsstraße vor (Senatsurteil vom 9.8.2016, a. a. O., Rn. 50 m. w. N.; hierzu auch Driehaus, Kommunalabgabenrecht, a. a. O., § 8 Rn. 380). Allerdings kommt es für die Beurteilung der tatsächlichen Verkehrsverhältnisse nicht auf eine „vorzunehmende Verkehrszählung“ an, die ohnehin nur eine Momentaufnahme sein kann. Denn die Senatsrechtsprechung fokussiert sich nicht allein auf die tatsächlichen Verkehrsströme. Vielmehr ist bei Anwendung des dargestellten Maßstabs auf die jeweiligen Verhältnisse im Einzelfall eine typisierende Betrachtung vorzunehmen, die zwar die tatsächlichen Verkehrsverhältnisse zugrunde legen muss, diese aber (zumindest im Regelfall) nur anhand von Erfahrungswerten zu ermitteln braucht (vgl. Senatsbeschluss vom 9.1.2018 – 9 LA 83/17 – unter Hinweis auf Senatsbeschluss vom 21.10.2014 – 9 ME 255/13 – juris Rn. 5 m. w. N.).

Eine solche typisierende Betrachtung unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verkehrsverhältnisse, der Lage der F. im Gesamtverkehrsnetz der Beklagten, dem Ausbauzustand und der straßenrechtlichen Gewichtung der F. hat das Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung vorgenommen. Es ist zunächst unter Berücksichtigung der von den Beteiligten vorgelegten Auswertung der Verkehrsdaten über einen Messzeitraum von einer Woche sowie der gutachterlichen Stellungnahmen davon ausgegangen, dass von einem durchschnittlichen täglichen Verkehrsaufkommen von 250 – 300 Kfz auszugehen sei. Für die zur Bestimmung des Straßentyps ausreichende typisierende Betrachtungsweise sei unerheblich, dass einzelne Verkehrsbewegungen bei der Verkehrsermittlung nicht erfasst worden seien. Da nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten in den 35 an der F. gelegenen Wohnhäusern rund 104 Personen gemeldet seien, sei es plausibel, dass jeder Haushalt durchschnittlich zumindest 2 Fahrten am Tag je Richtung, mithin alle Anwohner gemeinsam mindestens 140 Pkw-Fahrten am Tag verursachen. Berücksichtige man zudem noch den Busverkehr, bei dem es sich jedenfalls dann, wenn der Bus an einer der Haltestellen an der F. halte und diese damit – wie für den Ziel- und Quellverkehr zu den Anliegergrundstücken typisch – gezielt anfahre, um Anliegerverkehr handele sowie den durch die ansässigen Betriebe ausgelösten Verkehr, so sei davon auszugehen, dass der Anliegerverkehr mindestens 60 Prozent des gesamten Verkehrsaufkommens ausmache. Für eine mathematische Betrachtung der Abnutzung der F. mit einer Gewichtung der Abnutzung durch die unterschiedlichen Fahrzeugarten sei kein Raum, denn für die Bestimmung des Anliegerverkehrs könne allenfalls die zahlenmäßige Verteilung der Fahrten in Abgrenzung zum Fremdverkehr herangezogen werden. Ob es sich dabei um einen Pkw oder um einen Bus handele, könne nur bei der Einschätzung, ob es sich hierbei um Anlieger- oder um Fremdverkehr handele, Beachtung finden. Inwieweit die Abnutzung der Straße durch die Fahrten herbeigeführt werde, könne hierfür nicht erheblich sein, da die Abnutzung nicht mit dem erlangten Vorteil gleichgesetzt werden könne.

Neben den tatsächlichen Verkehrsverhältnissen biete auch die Ausgestaltung der Straße ein gewichtiges Indiz für die Zuordnung zu einem Straßentyp. Der mit dem Aus-bau hergestellte Zustand (die gewählte Fahrbahn- und Gehwegbreite mit eingerichteten Verengungen, die den Begegnungsverkehr einschränkten, gegebenenfalls ein Ausweichen erzwingen und insgesamt eine Verlangsamung des Verkehrs bewirken würden) entspreche dem einer Anliegerstraße. Diese Ausbauweise sei gewählt worden, weil nur ein zahlenmäßig geringes Verkehrsaufkommen erwartet und es dadurch nur selten zu Begegnungssituationen kommen werde. Für die Annahme einer Anliegerstraße spreche auch die Lage der F. im Straßengefüge. Sie stelle eine Querverbindung zwischen der jeweils von Norden nach Süden verlaufenden G. und der 1. H. dar, ohne dass ersichtlich sei, dass die F. für den Durchgangsverkehr oder als Abkürzung genutzt werde. Auch der durch die F. verlaufende Busverkehr bedinge kein hohes Aufkommen von innerörtlichem Durchgangsverkehr. Zu keiner anderen Einschätzung führe, dass verschiedene Touristenfahrradrouten durch die F. führten, zumal nicht ersichtlich sei, wie sich dies zahlenmäßig auf den Gesamtverkehr auswirke und ob es ins Gewicht falle.

Mit den unterschiedlichen Elementen dieser ausführlichen typisierenden Betrachtung haben sich die Kläger schon nicht hinreichend auseinandergesetzt. Sie beschränken ihre Einwände insoweit im Wesentlichen auf die Bewertung der Ergebnisse der Verkehrszählung durch das Verwaltungsgericht und machen geltend, dass einzelne Anliegerfahrzeugbewegungen nicht in der Gesamtzahl der Fahrten enthalten seien, die Zählung an einem Tag in einer besonders durch schlechtes Wetter geprägten Periode erfolgt sei, und dass neben den Busfahrtbewegungen zu den zwei Haltestellen in der F. auch Lkw-Durchfahrten hätten stattfinden können. Außerdem sei der (ausschließliche) Schulbusverkehr kein öffentlicher Personennahverkehr, da er für die Anlieger nach der Zweckbestimmung nicht frei nutzbar sei; die Rechtsprechung zur Einordnung von Busfahrten als Anliegerverkehr sei daher nicht anwendbar. Für eine regelmäßige Befahrung mit Bussen sei die F. außerdem wegen ihrer geringen Fahrbahn- und Gehwegbreite nicht geeignet.

Dieser Vortrag ist nicht geeignet, die Einstufung der F. als Anliegerstraße in Zweifel zu ziehen. Nach den vorgenannten rechtlichen Maßgaben kommt es für die Beurteilung der tatsächlichen Verkehrsverhältnisse nicht auf eine „Verkehrszählung“ an, die – wie hier auch die Kläger rügen – ohnehin nur eine Momentaufnahme für einen bestimmten Zeitraum sein kann. Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob und inwieweit die tatsächlichen Verkehrsverhältnisse überhaupt entscheidend auf der Grundlage einer durchgeführten Verkehrszählung (die hier überdies nur den Verkehr von bestimmten Kraftfahrzeugen ermittelt hat, aber nicht das Gesamtverkehrsaufkommen einschließlich Fußgängern und Radfahrern) festgestellt werden können (hierzu kritisch: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, a. a. O., § 8 Rn. 380). Denn die Kläger haben schon nicht hinreichend dargetan, welche Anhaltspunkte entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts darauf schließen lassen, dass bei einer typisierenden Betrachtung der festgestellten tatsächlichen Verkehrsverhältnisse der Fremdverkehr in der F. den Anliegerverkehr deutlich überwiegt oder jedenfalls in etwa gleich stark ausgeprägt wäre. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, spricht hier schon das im Messzeitraum ermittelte, insgesamt geringe Verkehrsaufkommen in der F. von 250 – 300 Kfz täglich zzgl. Schulbusverkehr für eine Anliegerstraße, und sind Lkw-Fahrten zu den in der F. ansässigen Gewerbebetrieben dem Anliegerverkehr zuzurechnen. Die Kläger behaupten insoweit im Zulassungsverfahren die bloße Möglichkeit von Lkw-Durchfahrten und weitere (ohnehin dem Anliegerverkehr zuzurechnende) Anliegerfahrzeugbewegungen, ohne hierfür nähere Anhaltspunkte zu bieten.

Das Verwaltungsgericht hat auch aus überzeugenden Gründen den Busverkehr in der F., der nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten ausschließlich aus den außerhalb der Ferien stattfindenden Fahrten von Schulbussen besteht, die an den zwei dafür eingerichteten Bushaltestellen in der F. halten, dem Anliegerverkehr zugerechnet. Nach der Rechtsprechung des Senats ist auch der Verkehr, der durch die Nutzung der an einer Straße liegenden Einrichtungen und Betriebe (z. B. Gewerbebetrieb, Sportplatz, Schule, Bushaltestelle, Feuerwehr, Post) auch durch nicht in der jeweiligen Straße bzw. in Gemeinde wohnende Personen ausgelöst wird, als typischer Anliegerverkehr anzusehen, nämlich als zu den betreffenden Anliegergrundstücken hinführender Zielverkehr oder als von diesen Grundstücken ausgehender Quellverkehr (vgl. Senatsbeschluss vom 16.4.2015 – 9 ME 49/15 –). Dabei kann dahinstehen, ob eine durch die betreffende Straße hindurchführende Buslinie auch dann überwiegend dem Anliegerverkehr dient, wenn sich in dieser Straße (z. B. einer Fußgängerzone) keine Haltestellen befinden (hierzu Driehaus, Kommunalabgabenrecht, a. a. O., § 8 Rn. 379b). Denn vorliegend steht für den Senat außer Zweifel, dass der Schulbusverkehr in der F. zu den zwei Haltestellen in dieser Straße hin- und wieder wegführt und damit Schüler zu den Haltestellen in der F. gebracht oder von dort abgeholt werden. Dieser Ziel- und Quellverkehr ist dem Anliegerverkehr zuzurechnen.

Aus dem Zulassungsvorbringen ist damit nicht erkennbar, dass der Anliegerverkehr in der F. weniger als 60 % ausmachen würde bzw. welcher nennenswerte, dem Anliegerverkehr zumindest gleichrangige oder diesen überwiegende Fremdverkehr in der F. noch stattfinden soll. Mit den sonstigen vom Verwaltungsgericht neben den tatsächlichen Verkehrsverhältnissen herangezogenen Indizien für die Einstufung der F. als Anliegerstraße, insbesondere ihre geringe Breite sowie die eingerichteten Fahrbahnverengungen zur Geschwindigkeitsreduzierung, ihre Lage im Straßengefüge ohne ersichtliche Nutzung für den Durchgangsverkehr oder als Abkürzung setzen sich die Kläger nicht hinreichend auseinander. Die bloße Behauptung, dass sich Nutzer einer Straße bei Pkw-Fahrten mit überörtlichem Bezug an neu ausgebauten Straßen mit Busdurchfahrt orientierten, weil diese in der Regel u. a. besser durch den Winterdienst betreut würden, reicht hierfür ersichtlich nicht aus.

2. Die Berufung ist auch nicht wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.

Von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift ist eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine obergerichtlich noch nicht beantwortete Tatsachen- oder eine ober- oder höchstrichterlich noch nicht beantwortete Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die im Rechtsmittelverfahren entscheidungserheblich ist und die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts einer fallübergreifenden Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf. An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn sich die aufgeworfene Rechtsfrage auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne Weiteres beantworten lässt (vgl. etwa den Senatsbeschluss vom 10.1.2018 – 9 LA 114/17 –).

Die Kläger formulieren bereits keine über den Einzelfall hinaus klärungsbedürftige Frage, sondern folgern pauschal aus den zur Begründung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung aufgeführten Gründen auch eine grundsätzliche Bedeutung. Die in diesem Zusammenhang erkennbaren Fragen sind jedoch – soweit es die Beitragsfähigkeit von Straßenausbaumaßnahmen nach § 6 Abs. 1 Satz 1 NKAG betrifft – bereits unter Heranziehung der bisherigen Senatsrechtsprechung zu beantworten und daher nicht klärungsbedürftig bzw. betreffen – soweit es die Einstufung der F. als Anliegerstraße betrifft – eine konkrete rechtliche Bewertung der tatsächlichen Verhältnisse im Einzelfall, die einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich ist.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).