Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 10.07.2019, Az.: 4 LA 97/19

asyltaktisch motiviert; Ausdruck politischer Überzeugung; exilpolitische Betätigung; Gefahr; New JEM; politische Verfolgung; Rückkehr; Sudan

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
10.07.2019
Aktenzeichen
4 LA 97/19
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2019, 69753
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 06.03.2019 - AZ: 5 A 1408/17

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die aktuellen Erkenntnismittel enthalten keinerlei Hinweise darauf, dass jedes niedrigschwellige exilpolitische Engagement mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr staatlicher Verfolgung bei einer Rückkehr in den Sudan nach sich ziehen würde.

2. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der sudanesische Geheimdienst nicht jede bekannt gewordene Aktivität als Anlass zur Verfolgung ansieht und das Niveau der exilpolitischen Betätigung ziemlich hoch sein muss, um Verfolgung nach sich zu ziehen.

Tenor:

Die Anträge des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück - Einzelrichter der 5. Kammer - vom 6. März 2019 und auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungszulassungsverfahren werden abgelehnt.

Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Berufungszulassungsverfahrens; Gerichtskosten werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten des gerichtskostenfreien Prozesskostenhilfeverfahrens werden nicht erstattet.

Gründe

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil zuzulassen, hat keinen Erfolg. Denn der von dem Kläger geltend gemachte Berufungszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) liegt nicht vor.

Der Kläger hat die Frage als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnet, ob „eine Person, die Mitglied der „New JEM“ ist und nachweislich an regierungskritischen Demonstrationen teilnimmt und sich in sozialen Netzwerken entsprechend äußert, eine asylrechtlich relevante Verfolgung bei Rückkehr in den Sudan durch staatliche Akteure zu befürchten“ hat. Diese Frage verleiht seiner Rechtssache indessen keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie ausgehend von den nicht mit begründeten Verfahrensrügen angegriffenen und daher im Berufungszulassungsverfahren bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts in dem vom Kläger angestrebten Berufungsverfahren nicht entscheidungserheblich und damit auch nicht klärungsbedürftig wäre.

Das Verwaltungsgericht hat in den Entscheidungsgründen seines Urteils ausdrücklich festgestellt, dass in Bezug auf den Vortrag des Klägers zu Aktivitäten in sozialen Netzwerken jeglicher Hinweis fehlt. Ferner hat die Vorinstanz festgestellt, dass sich der Parteieintritt des Klägers im November 2018 nicht als Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden politischen Überzeugung oder Ausrichtung darstellt und dass das nunmehr behauptete Engagement des Klägers asyltaktisch motiviert zu sein scheint. Ausgehend davon käme es in einem Berufungsverfahren nicht darauf an, ob eine Person, die Mitglied der „New JEM“ ist, nachweislich an regierungskritischen Demonstrationen teilnimmt und sich in sozialen Netzwerken entsprechend äußert, eine asylrechtlich relevante Verfolgung bei Rückkehr in den Sudan durch staatliche Akteure zu befürchten hat. Entscheidungserheblich wäre vielmehr allein, ob eine derartige Verfolgungsgefahr für denjenigen besteht, der zwar Mitglied der „New JEM“ ist und an regierungskritischen Demonstrationen teilnimmt, dessen Parteieintritt aber erst im Laufe des gerichtlichen Asylverfahrens erfolgt ist und sich nicht als Ausdruck und Fortsetzung einer bereits in seinem Heimatland bestehenden politischen Überzeugung oder Ausrichtung darstellt und dessen behauptetes Engagement asyltaktisch motiviert zu sein scheint. Diese Umstände unterscheiden sich aber ganz erheblich von denen, die der Kläger in der von ihm aufgeworfenen Frage angeführt hat.

Im Übrigen bedürfte es auch keiner Durchführung eines Berufungsverfahrens, um zu klären, ob Personen, die zwar Mitglied der „New JEM“ sind und an regierungskritischen Demonstrationen teilnehmen, deren Parteieintritt aber erst im Laufe des gerichtlichen Asylverfahrens erfolgt ist und sich nicht als Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Heimatland bestehenden politischen Überzeugung darstellt und deren behauptetes Engagement asyltaktisch motiviert zu sein scheint, bei einer Rückkehr in den Sudan politische Verfolgung droht. Denn in der Rechtsprechung des Senats ist bereits geklärt, dass die aktuellen Erkenntnismittel keinerlei Hinweise darauf enthalten, dass jedes niedrigschwellige exilpolitische Engagement mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr staatlicher Verfolgung bei einer Rückkehr in den Sudan nach sich ziehen würde. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der sudanesische Geheimdienst nicht jede bekannt gewordene Aktivität als Anlass für Verfolgung ansieht und das Niveau der exilpolitischen Betätigung ziemlich hoch sein muss, um Verfolgung nach sich zu ziehen (Senatsbeschl. v. 12.2.2019 - 4 LA 94/1 - m.w.N.), was bei einer exilpolitischen Betätigung wie der vom Verwaltungsgericht festgestellten offensichtlich nicht der Fall ist.

Eine Bewilligung der beantragten Prozesskostenhilfe für das Berufungszulassungsverfahren kommt mangels hinreichender Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2 VwGO, 83b AsylG und § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 5 ZPO.