Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 09.07.2019, Az.: 1 LA 140/18

Erschließung, gesicherte; Grunddienstbarkeit; landwirtschaftliches Lohnunternehmen

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
09.07.2019
Aktenzeichen
1 LA 140/18
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2019, 69777
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 14.08.2018 - AZ: 4 A 4744/15

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Tätigkeit eines landwirtschaftlichen Lohnunternehmers ist weder nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB noch nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB privilegiert.

Auch eine Nutzungsänderung ohne bauliche Erweiterung kann die Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen.

Die Sicherung der Erschließung i.S.d. Bauplanungsrechts ist nicht an § 4 NBauO zu messen.

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 4. Kammer (Einzelrichter) - vom 14. August 2018 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten beider Beigeladenen sind in beiden Rechtszügen erstattungsfähig; insoweit wird das angegriffene Urteil geändert.

Der Wert des Streitgegenstandes für beide Rechtszüge wird auf 30.000 EUR festgesetzt; insoweit wird die erstinstanzliche Streitwertfestsetzung geändert.

Gründe

Der Kläger begehrt die Erteilung eines Bauvorbescheids für die mit Umbaumaßnahmen verbundene Nutzungsänderung einer ehemaligen Schnapsbrennerei zu einer Fahrzeug- und Lagerhalle für sein landwirtschaftliches Lohnunternehmen.

Der Kläger ist Eigentümer des im Außenbereich des Beigeladenen zu 1. gelegenen Grundstücks C-Straße a, auf dem sich das Gebäude einer ehemaligen, 1969 genehmigten Kartoffelbrennerei befindet; dieses besteht aus drei unmittelbar aneinandergebauten Hallenräumen, deren nordöstlicher ursprünglich für die Lagerung der zu verarbeitenden Kartoffeln genutzt wurde. Der mittlere Raum beinhaltete die eigentliche Brennerei. Im Südwesten war an ihn ein Rinderstall mit in den Boden eingelassenen Güllebecken angebaut. Die Zuwegung verläuft von Südwesten über das Gelände der Beigeladenen zu 2. zur Landesstraße 338. Sie ist inzwischen durch eine Grunddienstbarkeit gesichert. Eine Baulast wird vom Kläger angestrebt, ist aber bislang von der Beigeladenen zu 2. nicht bewilligt.

Unter dem 30.6.2014 beantragte der Kläger die Erteilung eines Bauvorbescheides für die Nutzungsänderung der Kartoffelbrennerei zu einem Einstellplatz für landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge, der Kartoffelscheune im Sommer zu einem Einstellplatz für landwirtschaftliche Fahrzeuge und im Winter zur Lagerung für landwirtschaftliche Ernteprodukte; das Stallgebäude solle so bestehen bleiben, jedoch ohne Viehbestand. Nach den eingereichten Bauplänen sollen ferner die Güllekanäle verfüllt, das Dach des Stallgebäudes erhöht, Einfahrttore in das Gebäude eingebaut und die mit dem Gebäude bestandene Hälfte des Grundstücks mit wasserdurchlässigen Steinen gepflastert und am Nordwestrand mit einer Wallhecke bepflanzt werden. Der Beigeladene zu 1. versagte sein Einvernehmen, der Beklagte lehnte die Bauvoranfrage mit dem angegriffenen Bescheid vom 12.3.2015 ab.

Die vom Kläger nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es bestünden bereits Zweifel, ob dem Kläger nicht das Rechtsschutzbedürfnis fehle, da er tatsächlich die Nutzung des Gebäudes als Güllelager plane. Dies könne indes dahinstehen, da auch die beantragte Nutzung nicht genehmigungsfähig sei. Das Vorhaben sei nicht privilegiert und beeinträchtige öffentliche Belange. Es beeinträchtige die natürliche Eigenart der Landschaft, lasse die Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten und beeinträchtige Belange des Naturschutzes, zumal es im Bereich einer Landschaftsschutzverordnung liege und die nach deren § 3 Abs. 1 erforderliche Erlaubnis der unteren Naturschutzbehörde fehle. Eine Teilprivilegierung nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 6 BauGB bestehe nicht. Auf Bestandsschutz könne der Kläger sich nicht berufen. Soweit er die bisher ausgeübte Lagernutzung fortführen wolle, sei diese nur akzessorisch zur Hauptnutzung des Gebäudes als Brennerei genehmigt. Unabhängig davon fehle es an der nach § 35 Abs. 2 BauGB erforderlichen gesicherten Erschließung, die nach § 4 Abs. 2 Satz 1 NBauO eine Sicherung durch Baulast oder Miteigentum erfordere. Ob ein Anspruch des Klägers auf Übernahme einer Baulast durch den Beigeladenen zu 2. bestehe, sei unerheblich. Ob der Kläger zusätzlich eine Sondernutzungserlaubnis für die gewerbliche Nutzung der Zufahrt zur Landesstraße 338 benötige, könne angesichts dessen dahinstehen.

Der dagegen gerichtete, auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nrn. 1, 3 und 5 VwGO gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Der Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne bestehen dann, wenn es dem Rechtsmittelführer gelingt, wenigstens einen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung der angegriffenen Entscheidung mit plausiblen Gegenargumenten derart in Frage zu stellen, dass sich dadurch am Entscheidungsergebnis etwas ändern könnte. Überwiegende Erfolgsaussichten sind nicht erforderlich, es genügt, wenn diese offen sind. Ist das Urteil, wie hier, auf mehrere selbständig tragende Gründe gestützt, muss jeder dieser Gründe mit durchgreifenden Zulassungsgründen angegriffen werden.

1.

Das ist dem Kläger hinsichtlich der Erwägung, das Vorhaben sei nicht privilegiert und beeinträchtige öffentliche Belange, nicht gelungen.

Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, seine Tätigkeit als landwirtschaftlicher Lohnunternehmer sei eine landwirtschaftliche i.S.d. § 35 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 201 BauGB. Das Gegenteil hat das Bundesverwaltungsgericht bereits in seinem Beschluss vom 11.8.1989 (- 4 B 151.89 -, NVwZ-RR 1990, 64 = ZfBR 1989, 269 = BRS 49 Nr. 93 = juris Rn. 1 m.w.N.; vgl. a. B. v. 19.2.1996 - 4 B 20.96 -, BRS 58 Nr. 89, juris Rn. 7) entschieden; das Zulassungsvorbringen des Klägers enthält keine Argumente, die Anlass gäben, diese Rechtsprechung auf den Prüfstand zu stellen. Maßgeblich ist, wie das Bundesverwaltungsgericht a.a.O. ausgeführt hat, dass Landwirtschaft eine unmittelbare Bodenertragsnutzung und dabei eine eigenverantwortliche Bodenbewirtschaftung voraussetzt. Die vom Kläger angeführten, nachträglich in § 201 BauGB eingefügten Tätigkeiten der Imkerei und Binnenfischerei sind insoweit atypische, rechtspolitisch motivierte Sonderfälle, die die vorgenannten Begriffsmerkmale für alle übrigen Tätigkeiten nicht ändern (BVerwG, Urt. v. 4.7.1980 - 4 C 101.77 -, NJW 1981, 139 = BauR 1980, 446 = juris Rn. 15 m.w.N.). Auch sie beinhalten im Übrigen die Elemente der eigenverantwortlichen Nutzung der im Außenbereich anfallenden Naturprodukte; die Erbringung von Dienstleistungen für Landwirte tut dies nicht. Dem entspricht es, dass die Privilegierung von nicht einem bestimmten Betrieb zugeordneten Landarbeiterwohnungen bis zu ihrer ersatzlosen Streichung zum 31.12.1997 mit § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB a.F. einen eigenen Tatbestand erforderte. Die bloße Ähnlichkeit der Tätigkeit des Klägers mit der eines Landwirtes macht diese noch nicht zu einer landwirtschaftlichen; das zeigt bereits das Beispiel der – allenfalls, unter weiteren einschränkenden Voraussetzungen – § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB unterfallenden gewerblichen Tierhaltung. Auch der Umstand, dass der Kläger Mitglied der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft sein mag, hat keine Auswirkung auf die baurechtliche Bewertung seiner Tätigkeit; das Baurecht und das Sozialversicherungsrecht verfolgen gänzlich unterschiedliche Zwecke.

Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung von Landwirten und landwirtschaftlichen Lohnunternehmern liegt darin entgegen der Auffassung des Klägers offenkundig nicht, da im Bezug der ersteren zu konkreten eigenen Flächen ein sachliches Differenzierungskriterium vorliegt. Auch für eine Analogie ist angesichts dessen kein Raum.

Eine Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB, auf die der Kläger sich alternativ beruft, scheitert daran, dass die vom Kläger beantragte Nutzung des Gebäudes zum Unterstellen von landwirtschaftlichen Maschinen ohne weiteres auch in Industrie-, Gewerbe-, Dorf- und ggf. Mischgebieten möglich ist. Gleiches gilt für die Lagerung von landwirtschaftlichen Ernteprodukten. Die Lagerung von Gülle und Mist, auf die der Kläger weiter abstellt, ist zum einen nicht Gegenstand der Bauvoranfrage, zum anderen mit zumutbaren Vorkehrungen gegen unzumutbare Geruchsbelästigungen ebenfalls in Gewerbe-, Industrie- und Dorfgebieten möglich.

Die Annahme des Verwaltungsgerichts, das Vorhaben beeinträchtige öffentliche Belange i.S.d. § 35 Abs. 2, 3 BauGB hat der Kläger jedenfalls hinsichtlich der Befürchtung der Verfestigung einer Splittersiedlung, der Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart der Landschaft und der Beeinträchtigung der Belange des Naturschutzes nicht mit plausiblen Gegenargumenten in Frage gestellt. Die bloße Berufung darauf, auf dem Grundstück sei seit Jahrzehnten Bebauung vorhanden, genügt insoweit nicht. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht durch Verweis auf die Gründe der angegriffenen Bescheide (Ablehnungsbescheid vom 12.3.2015, S. 2; Widerspruchsbescheid vom 8.12.2015, S. 7) dargelegt, dass der Kläger sich nicht auf eine Weiternutzung des vorhandenen Baubestandes beschränkt, sondern durch Aufstockung des Stalltraktes und Pflasterung einer mehrere tausend Quadratmeter umfassenden Fläche um das Gebäude herum die im Außenbereich unerwünschte Bebauung sowie die Abweichung von der naturgemäßen Bodennutzung auf dem Vorhabengrundstück vertieft. Im Übrigen würde selbst die nicht mit baulichen Erweiterungen verbundene Nutzungsänderung des Bestandsgebäudes, unabhängig von dessen Genehmigungslage, zur unerwünschten Verfestigung einer Splittersiedlung beitragen, indem sie den Fortbestand des in seiner bisherigen Nutzung offenbar nicht mehr attraktiven Gebäudes perpetuierte (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.4.2012 – 4 C 10.11 –, NVwZ 2012, 1631 = BauR 2012, 1626 = BRS 79 Nr. 113 = juris Rn. 24). Auf die Frage, ob dem Vorhaben auch Darstellungen des Flächennutzungsplans entgegenstehen, kommt es mithin nicht an; die vom Kläger angeregte Beiziehung der Planaufstellungsvorgänge erübrigt sich.

Soweit der Kläger geltend macht, für die Kartoffeleinlagerung bestehe Bestandsschutz, setzt er sich nicht mit den überzeugenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts auseinander, ein solcher Bestandsschutz gebe – erstens – keinen Anspruch auf Erteilung eines auf die gleiche Nutzung gerichteten Bauvorbescheides und die Nutzung eines Teils des Gebäudes zur Kartoffellagerung sei – zweitens – nur als unselbständiger Bestandteil des Betriebs der Brennerei genehmigt und stehe und falle daher mit dieser Hauptnutzung. Dass das Vorhaben über einige Zeit unbeanstandet in anderer Weise genutzt wurde, führt weder zu Bestandsschutz dieser rechtswidrigen Nutzungen, noch begründet es gar einen Anspruch auf deren Genehmigung.

Die Bezugnahme auf 7 Schriftsätze am Schluss der Zulassungsbegründung vermag dem Zulassungsantrag gleichfalls nicht zum Erfolg zu verhelfen. Es ist nicht Aufgabe des Senats, sich aus dieser Vielzahl von Äußerungen die Passagen herauszusuchen, welche das Ergebnis der angegriffenen Entscheidung vielleicht doch zu Fall bringen könnten.

2.

Auf die Frage, ob die Erschließung des Vorhabens gesichert wäre, auf die auch der Vortrag zu den Zulassungsgründen der grundsätzlichen Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und des entscheidungserheblichen Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 NR. 5 VwGO) abzielt, kommt es mithin nicht an. Der Senat weist allerdings darauf hin, dass der Begriff der Erschließung im Bauplanungsrecht nicht identisch mit dem der Zugänglichkeit des Baugrundstücks nach § 4 NBauO, sondern eigenständig zu behandeln ist. Für die Erschließung i.S.d. § 35 Abs. 2 BauGB genügt daher das hier unstreitige Bestehen einer Grunddienstbarkeit (BVerwG, Urt. v. 3.5.1988 - 4 C 54.85 -, NVwZ 1989, 353 = BRS 48 Nr. 92 = juris Rn. 13 f.). Allenfalls könnte das Rechtsschutzbedürfnis für die Bescheidung einer Bauvoranfrage entfallen, wenn vom planungsrechtlichen Bauvorbescheid – ein solcher ist hier offenbar beantragt – aus bauordnungsrechtlichen Gründen offenkundig nie Gebrauch wird gemacht werden können. Davon kann hier allerdings keine Rede sein.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen auf § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats, die Kosten des – wie hier des Flecken F. – notwendig Beigeladenen auch dann für erstattungsfähig zu erklären, wenn dieser sich nicht durch einen eigenen Antrag einem Kostenrisiko ausgesetzt hat. Die Kostenentscheidung des Verwaltungsgerichts ist dementsprechend von Amts wegen zu ändern.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 3a), 5a) der Streitwertannahmen des Senats (NdsVBl. 2002, 192 = NordÖR 2002, 197); der Senat hält es für angemessen, den einem Einfamilienhaus entsprechenden Streitwert von 15.000 EUR jedenfalls zu verdoppeln. Die erstinstanzliche Streitwertfestsetzung ist dem gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG anzupassen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).