Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 29.07.2019, Az.: 13 F 227/19

Verweisung einer wegen überlanger Verfahrensdauer erhobenen Entschädigungsklage an das Oberlandesgericht (OLG); Abdrängende Sonderzuweisung an die ordentlichen Gerichte

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
29.07.2019
Aktenzeichen
13 F 227/19
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 28088
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Fundstelle

  • JurBüro 2019, 482-483

Redaktioneller Leitsatz

Für auf die Durchsetzung eines Anspruchs auf angemessene Entschädigung wegen unangemessener Dauer des Gerichtsverfahrens (§ 198 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 GVG) vor einem Amtsgericht gerichtete Klagen ist der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht eröffnet. Derartige Entschädigungsklagen sind zwar öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art im Sinne des ersten Halbsatzes dieser Vorschrift, weil sie ausschließlich Ansprüche des Bürgers gegenüber dem Staat in dessen Eigenschaft als Hoheitsträger betreffen. Jedoch besteht eine abdrängende Sonderzuweisung im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz VwGO gemäß § 201 Abs. 1 GVG an die ordentlichen Gerichte. Diese bundesgesetzliche Norm weist die Zuständigkeit für Klagen auf Entschädigung wegen der unangemessen langen Dauer von Verfahren der ordentlichen Gerichtsbarkeit mit den Oberlandesgerichten und dem Bundesgerichtshof ausschließlich Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu.

Tenor:

Der Verwaltungsrechtsweg ist unzulässig.

Der Rechtsstreit wird an das Oberlandesgericht Braunschweig verwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Die Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht wird nicht zugelassen.

Gründe

I. Gemäß § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG hat der Senat nach der bereits erfolgten Anhörung der Beteiligten die Unzulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs von Amts wegen auszusprechen.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Verurteilung des beklagten Landes Niedersachsen zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 16.016,61 EUR, weil das vor dem Amtsgericht Goslar von ihr betriebene, noch anhängige zivilgerichtliche Klageverfahren 4 C 27/17 inzwischen eine überlange Prozessdauer erreicht habe. Die Klage ist damit auf die Durchsetzung eines Anspruchs auf angemessene Entschädigung wegen unangemessener Dauer des Gerichtsverfahrens (§ 198 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 GVG) vor einem Amtsgericht gerichtet.

Hierfür ist der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO, der mangels einer eingreifenden aufdrängenden Sonderzuweisung anzuwenden ist, nicht eröffnet. Derartige Entschädigungsklagen sind zwar öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art im Sinne des ersten Halbsatzes dieser Vorschrift, weil sie ausschließlich Ansprüche des Bürgers gegenüber dem Staat in dessen Eigenschaft als Hoheitsträger betreffen (vgl. Bayerischer VGH, Beschl. v. 8.1.2015 - 23 A 14.2584 -, juris Rn. 4). Jedoch besteht eine abdrängende Sonderzuweisung im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz VwGO gemäß § 201 Abs. 1 GVG an die ordentlichen Gerichte. Diese bundesgesetzliche Norm weist die Zuständigkeit für Klagen auf Entschädigung wegen der unangemessen langen Dauer von Verfahren der ordentlichen Gerichtsbarkeit - wie hier der Zivilabteilung des Amtsgerichts Goslar - mit den Oberlandesgerichten und dem Bundesgerichtshof ausschließlich Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht ist demgegenüber nach § 173 Satz 2 VwGO in Verbindung mit §§ 198 ff. GVG nur für solche Entschädigungsklagen zuständig, die sich auf ein gerichtliches Verfahren vor den Gerichten der niedersächsischen Verwaltungsgerichtsbarkeit beziehen.

II. Zugleich hat der Senat gemäß § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG nach auch insoweit erfolgter Anhörung der Beteiligten die Rechtsstreitigkeit an das Oberlandesgericht Braunschweig als das auch örtlich zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs zu verweisen.

Ausschließlich zuständig für die Klage auf Entschädigung gegen ein Land ist nach § 201 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 GVG dasjenige Oberlandesgericht, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Verfahren durchgeführt wurde. Dies ist hier das Oberlandesgericht Braunschweig, weil das Verfahren 4 C 27/17 vor der Zivilrichterin bzw. dem Zivilrichter des Amtsgerichts Goslar in dessen Bezirk geführt wird (vgl. §§ 34 Abs. 2 Nr. 1, 33 Abs. 2 Nr. 2, 32 Abs. 1 NJG) und sich die Entschädigungsklage gegen das Land Niedersachsen richtet, welches nach § 200 Satz 1 GVG für Nachteile haften kann, die aufgrund von Verzögerungen bei seinen Gerichten - und damit auch beim Amtsgericht Goslar - eingetreten sind.

III. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens vor dem Oberverwaltungsgericht bleibt gemäß § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 17b Abs. 2 Satz 1 GVG der Endentscheidung des Oberlandesgerichts Braunschweig als desjenigen Gerichts, an das der Rechtsstreit verwiesen wird, vorbehalten.

IV. Gründe für die Zulassung der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 17a Abs. 4 Satz 5 GVG liegen nicht vor.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 173 Satz 1 VwGO, § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG).