Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 29.07.2019, Az.: 11 ME 218/19

Anbindehaltung; Mastrinder; Tierschutzleitlinien

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
29.07.2019
Aktenzeichen
11 ME 218/19
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2019, 69772
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 29.05.2019 - AZ: 6 B 43/19

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die Empfehlungen der Tierschutzleitlinie für die Mastrinderhaltung, herausgegeben vom Niedersächsischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, können zur Bestimmung des konkreten Regelungsinhalts des § 2 Nr. 1 oder Nr. 2 TierSchG als sachverständige Äußerung herangezogen werden.
2. Eine ganzjährige Anbindehaltung von Mastbullen genügt nicht den tierschutzrechtlichen Anforderungen nach § 2 Nr. 1 TierSchG.
3. Anordnungen zur Anbindehaltung von Mastrindern dürfen nicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzen.

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Lüneburg - Einzelrichterin der 6. Kammer - vom 29. Mai 2019 geändert und die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen Ziffer 3 des Bescheides des Antragsgegners vom 22. März 2019 wiederhergestellt und hinsichtlich der darauf bezogenen Zwangsgeldandrohung in Ziffer 6 des Bescheides angeordnet.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts ist zulässig und begründet.

Der Antragsteller führt einen landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb mit Rinderhaltung. Die Mastbullen im Alter von über sechs Monaten werden ganzjährig in Anbindehaltung gehalten. Zum Zeitpunkt der amtstierärztlichen Kontrolle am 7. Februar 2019 umfasste der Rinderbestand ausweislich des Bestandsregisterauszugs 34 Tiere. Nach Anhörung des Antragstellers ordnete der Antragsgegner mit Bescheid vom 22. März 2019 an, die Kälber, die älter als acht Wochen seien, ab sofort in Gruppen zu halten (Ziffer 1), den Kälbern über zwei Wochen dauerhaft Zugang zu Wasser in ausreichender Menge und Qualität zu gewährleisten (Ziffer 2), innerhalb von acht Wochen ab Zugang des Bescheides sicherzustellen, dass seine Mastbullen nicht länger als sechs Monate ihrer Lebenszeit angebunden würden - da seine Tiere bereits dauerhaft angebunden gewesen seien, dürften diese dann nicht länger angebunden werden - (Ziffer 3) sowie sicherzustellen, dass Mastbullen, die bis zu sechs Monate ihrer Lebenszeit angebunden seien, im Kopfbereich einen ausreichenden Freiraum für die Kopfbewegung hätten, was dann gegeben sei, wenn der Balken über der Anbindung mindestens 20 cm über dem Widerrist liege (Ziffer 4). Der Antragsgegner ordnete die sofortige Vollziehung dieser Maßnahmen an und drohte für den Fall der Nichtbefolgung der Anordnungen ein Zwangsgeld in Höhe von 250 EUR je Verstoß an (Ziffer 6). Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller Klage erhoben, über die noch nicht entschieden worden ist (6 A 193/19). Seinen gleichzeitig gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat das Verwaltungsgericht dahingehend ausgelegt, dass sich der Antragsteller ausschließlich gegen die mit Bescheid vom 22. März 2019 unter Ziffer 3 getroffene tierschutzrechtliche Anordnung sowie die darauf bezogene Zwangsgeldandrohung (Ziffer 6) wendet, und diesen Antrag mit dem angefochtenen Beschluss abgelehnt.

Die gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vorgetragenen Beschwerdegründe, auf deren Prüfung der Senat als Beschwerdegericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, führen zu der tenorierten Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung. Der Antragsteller hat mit seiner Beschwerde Gründe im Sinne des § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt, aus denen die angefochtene Entscheidung abzuändern ist. Im Rahmen der vorzunehmenden summarischen Prüfung ist davon auszugehen, dass sich die angefochtene Anordnung in Ziffer 3 des Bescheides vom 22. März 2019 als rechtswidrig erweisen wird und daher dem privaten Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage ein höheres Gewicht als dem öffentlichen Interesse am Vollzug der tierschutzrechtlichen Anordnung beizumessen ist.

Rechtsgrundlage für die Anordnung des Antragsgegners in Ziffer 3 seines Bescheides vom 22. März 2019, mit der der Antragsteller verpflichtet worden ist, innerhalb von acht Wochen ab Zugang des Bescheides sicherzustellen, dass seine Mastbullen nicht länger als sechs Monate ihrer Lebenszeit angebunden sind, ist § 16 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 i.V.m. § 2 Nr. 1 und Nr. 2 TierSchG. Nach § 16 a Abs. 1 Satz 1 TierSchG trifft die zuständige Behörde die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen und kann nach § 16 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TierSchG im Einzelfall die zur Erfüllung der Anforderungen nach § 2 TierSchG erforderlichen Maßnahmen treffen. Nach § 2 Nr. 1 TierSchG muss, wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen. Nach § 2 Nr. 2 TierSchG darf er die Möglichkeit des Tieres zur artgemäßen Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden.

Die von dem Antragsteller praktizierte ganzjährige Anbindehaltung seiner Mastbullen genügt den tierschutzrechtlichen Anforderungen nach § 2 Nr. 1 TierSchG nicht.

Die in § 2 TierSchG allgemein geregelten Anforderungen an die art- und bedürfnisgerechte Ernährung, Pflege und Unterbringung können durch verschiedene weitere Quellen konkretisiert werden. In Betracht kommen dabei nach den allgemeinen Grundsätzen der Normenhierarchie - jeweils soweit im Einzelfall vorhanden und einschlägig - europarechtliche Vorgaben, nationale Verordnungen (vgl. § 2 a TierSchG) sowie Empfehlungen und Leitlinien von Sachverständigen, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und Praxiserfahrungen fußen und aussagekräftige, fachwissenschaftliche Angaben zu den bei bestimmten Tierarten unter bestimmten Haltungsbedingungen bestehenden Anforderungen enthalten (vgl. Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, § 2, Rn. 33 ff.; Senatsurt. v. 20.4.2016 - 11 LB 29/15 -, Nds.VBl 2016, 312, juris, Rn. 41 ff.; Senatsbeschl. v. 17.1.2018 - 11 ME 448/17 -, juris, Rn. 17; Senatsbeschl. v. 21. 3.2007 - 11 ME 237/06 -, juris, Rn. 18; Senatsbeschl. v. 3.8.2009 - 11 ME 187/09 -, juris, Rn. 15).

Danach kann zur Bestimmung des konkreten Regelungsinhalts des § 2 Nr. 1 oder Nr. 2 TierSchG auf Tierschutzleitlinien wie die Tierschutzleitlinie für die Milchkuhhaltung (herausgegeben von dem Niedersächsischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung und dem Niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit - LAVES - Tierschutzdienst, 2007) zurückgegriffen werden (Senatsbeschl. v. 26.10.2012 - 11 ME 274/12 -; so auch: Senatsbeschl. v. 25.1.2018 - 11 ME 558/17 - und Senatsbeschl. v. 28.12.2017 - 11 ME 525/17 -). Diese stellt eine sachverständige Zusammenfassung dessen dar, was als verlässlicher und gesicherter wissenschaftlicher Kenntnisstand gelten kann, so dass ihr der Charakter einer sachverständigen Äußerung zukommt (Senatsbeschl. v. 11.2.2015 - 11 ME 26/15 -; vgl. auch Senatsurt. v. 18.6.2013 - 11 LC 206/12 -, NdsVBl. 2013, 346, juris, Rn. 30, m.w.N., zu Empfehlungen für die Freilandhaltung von Pferden). Entsprechendes gilt für die hier vom Antragsgegner herangezogene Tierschutzleitlinie für die Mastrinderhaltung (herausgegeben vom Niedersächsischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, 1. Auflage Dezember 2018).

Nach Ziffer 7.2 der Tierschutzleitlinie für die Mastrinderhaltung schränkt eine dauerhafte Anbindehaltung die wesentlichen arteigenen Verhaltensweisen (insbesondere das Bewegungs-, Sozial- und Komfortverhalten) der Rinder erheblich ein. In der Tierschutzleitlinie wird im Einzelnen ausgeführt, dass Rinder von Natur aus sozial seien und in Herden mit klaren Hierarchiestrukturen lebten (Ziffer 5.1). Unter natürlichen Verhältnissen legten sie täglich viele Kilometer zurück. Ein zu geringes Platzangebot senke die Bewegungsaktivität und führe zu einem Unterschreiten der Individualdistanz. Bewegung sei aber für die Gesunderhaltung und das Wohlbefinden der Tiere erforderlich (Ziffer 5.6). Rinder ruhten bevorzugt im Liegen, erwachsene Tiere ungefähr die Hälfte des Tages, Jungtiere und Kälber deutlich länger. Während der Liegephasen finde der Großteil der Wiederkauaktivität statt (Ziffer 5.7). Verhaltensweisen zur Körperpflege dienten dem Wohlbefinden und hätten soziale Bedeutung (Ziffer 5.8). Auch nach der Stellungnahme der Tierärztlichen Vereinigung für den Tierschutz e.V. (TVT) zur Anbindehaltung von Rindern vom August 2015 führt die Anbindehaltung in verschiedenen Funktionskreisen zu einer deutlichen Einschränkung artgerechter Verhaltensweisen der Rinder. Dies betreffe das Komfortverhalten (Einschränkung der solitären Körperpflege durch die Anbindung, fehlende Möglichkeit zur sozialen Körperpflege), das Sozialverhalten, das Ausruhverhalten, das Erkundungs- und Meideverhalten, das Lokomotionsverhalten und das Futteraufnahmeverhalten. Eine dauerhafte Anbindehaltung führt somit zu erheblichen Beeinträchtigungen in allen Funktionskreisen des natürlichen Rinderverhaltens und genügt nicht den an eine verhaltensgerechte Unterbringung der Tiere nach § 2 Nr. 1 TierSchG zu stellenden Anforderungen.

Der Antragsgegner hat die Anbindehaltung für die Mastbullen nicht vollständig untersagt, sondern diese auf sechs Monate der Lebenszeit der Tiere begrenzt. Diese Anordnung entspricht den Vorgaben nach Ziffer 8 der Tierschutzleitlinie für die Mastrinderhaltung. Danach kann bei einem unverhältnismäßigen Aufwand für einen Umbau in eine Laufstallhaltung die vorhandene Anbindehaltung bis zum endgültigen Verbot dieser Haltungsform unter bestimmten Voraussetzungen weiterhin bestehen bleiben, sofern das Bewegungsdefizit der Tiere ausgeglichen wird. Dafür muss zumindest bei weiblichen Tieren (Mutterkühe/weibliche Masttiere) entweder saisonaler Weidegang oder ganzjährig durch täglich mindestens zwei Stunden Zugang zu einem Laufhof/Auslauf oder einer Weide gewährt werden. Männliche Tiere dürfen maximal sechs Monate ihrer Lebenszeit angebunden sein. Als Jungtiere sollten sie soweit wie möglich Weidegang haben.

Diesen Maßgaben entspricht die vom Antragsteller angefochtene Anordnung in Ziffer 3 des Bescheides vom 22. März 2019. Dem Antragsgegner sind bei Erlass der streitigen Anordnung allerdings Ermessensfehler unterlaufen, die zu ihrer Rechtswidrigkeit führen.

Nach § 16 a Abs. 1 Satz 1 TierSchG trifft die Behörde die zur Beseitigung festgestellter und zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Der Wortlaut dieser Norm spricht dafür, dass der Behörde kein Entschließungsermessen zusteht, sondern dass sie bei festgestellten oder drohenden Verstößen gegen das Tierschutzgesetz nicht untätig bleiben darf, sondern einschreiten muss. Das „Wie“ des Einschreitens, d.h. die Wahl der konkreten Maßnahmen, steht dabei im Ermessen der Behörde. Ihr Auswahlermessen wird durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geleitet und beschränkt (vgl. Hirt/Maisack/Moritz, a.a.O., § 16 a, Rn. 5 f. m.w.N.).

Hier liegt ein Ermessensdefizit vor, weil der Antragsgegner im Rahmen der Abwägung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme nicht alle betroffenen Belange berücksichtigt und wesentliche Gesichtspunkte falsch gewichtet hat.

Die von dem Antragsgegner getroffene Anordnung, dass der Antragsteller innerhalb von acht Wochen nach Zugang des Bescheides sicherzustellen hat, dass Mastbullen nicht länger als sechs Monate angebunden gehalten werden, hat aufgrund der bisher praktizierten dauerhaften Anbindung zur Folge, dass der Antragsteller ab diesem Zeitpunkt alle Mastbullen, die zwölf Monate und älter sind (für Kälber bis sechs Monate ist die Anbindehaltung nach § 5 Satz 1 Nr. 3 TierSchNutztV untersagt) nicht mehr angebunden halten darf. Nach dem Bestandsregisterauszug vom 7. Februar 2019 hat der Antragsteller zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Anordnung Mastbullen verschiedenster Altersstufen von knapp über sechs bis zu 22 Monaten gehalten. Zwölf Mastbullen waren zum damaligen Zeitpunkt 13 Monate und älter.

Der Antragsteller hat nachvollziehbar dargelegt, dass es ihm innerhalb einer Frist von acht Wochen nicht möglich ist, der streitigen Anordnung nachzukommen. Ein Zugang zu einem Laufhof ist unstreitig nicht vorhanden. Dass eine bauliche Umgestaltung des Betriebes etwa durch den Umbau der bestehenden Stallanlage in einen Laufstall schon aufgrund des erforderlichen Baugenehmigungsverfahrens erheblich mehr Zeit als acht Wochen in Anspruch nehmen würde, liegt auf der Hand. Soweit der Antragsgegner im erstinstanzlichen Verfahren darauf verwiesen hat, dass es dem Antragsteller aufgrund der örtlichen Gegebenheiten möglich sei, zumindest die Rinder bis zu einem Jahr in Freilandhaltung direkt an seinem Betriebssitz zu halten und während dieser Zeit ggf. erforderliche Umbaumaßnahmen durchzuführen, kommt diese Möglichkeit für ältere Mastbullen nicht in Betracht. Nach der amtstierärztlichen Stellungnahme von Frau Dr. C. vom 3. Mai 2019, auf die sich der Antragsgegner bezieht, ließen sich Jungbullen im Alter von sieben bis zwölf Monaten in einer Gruppenhaltung noch gut händeln mit einem geringen Risiko für das betreuende Personal. Dies bedeutet aber gleichzeitig, dass ältere Mastbullen nicht bzw. nicht ohne Risiken in einer Gruppe auf der Weide gehalten werden können, und hätte zur Folge, dass der Antragsteller alle älteren Mastbullen sofort verkaufen und schlachten lassen müsste, auch wenn sie noch nicht das vom Antragsteller angestrebte Schlachtgewicht erreicht haben. Mit diesen Auswirkungen hat sich der Antragsgegner weder in der Begründung seines Bescheides vom 22. März 2019 noch in seiner mit Schriftsatz vom 13. Mai 2019 im erstinstanzlichen Verfahren eingereichten Stellungnahme befasst. Im Beschwerdeverfahren hat der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 15. Juli 2019 lediglich auf sein erstinstanzliches Vorbringen und die Gründe des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts verwiesen. Insofern hat der Antragsgegner im Rahmen seiner Ermessensausübung einen wesentlichen Gesichtspunkt nicht in seine Entscheidung einbezogen und insbesondere nicht berücksichtigt, dass die angeordnete Maßnahme ohne Übergangsregelung für ältere Mastbullen unverhältnismäßig sein dürfte.

Weiter hat sich der Antragsgegner nicht hinreichend damit auseinandergesetzt, dass der Antragsteller seine Mastbullen nicht 18 Monate, sondern 24 Monate hält. Wie sich aus der bereits zitierten amtstierärztlichen Stellungnahme vom 3. Mai 2019 ergibt, ist eine Weidehaltung von Jungbullen ohne größere Gefahren für das Betreuungspersonal nur bis zu einem Alter von zwölf Monaten möglich. Bei der von dem Antragsteller praktizierten Haltung von Mastbullen bis zu einem Alter von 24 Monaten müsste er somit, da er die Tiere nach der nur bis zum Alter von 12 Monaten möglichen Weidehaltung lediglich bis zu sechs Monate anbinden darf, bauliche Veränderungen an der bestehenden Stallanlage vornehmen. Soweit in der amtstierärztlichen Stellungnahme vom 3. Mai 2019, auf die der Antragsgegner im erstinstanzlichen Verfahren Bezug genommen hat, ausgeführt wird, dass der optimale Schlachtzeitpunkt bei dem vom Antragsteller gehaltenen Deutschen Fleckvieh bei 18 Monaten liege, so dass sowohl aus wirtschaftlichen Gründen als auch aus Tierschutzgründen eine Mastdauer von 18 Monaten angestrebt werde, hat der Antragsteller geltend gemacht, dass er kein reinrassiges Fleckvieh, sondern Rinder aus einer Kreuzung zwischen dem Deutschen Schwarzbunten Niederungsrind und Fleckvieh halte. Das angegebene Schlachtgewicht von 740 kg werde von dieser Rinderrasse bei weitem nicht erreicht. Er erziele einen Verkaufserlös von ca. 1.400 EUR pro Tier, was bei einem Rinderpreis nach Schlachtgewicht von ca. 3 EUR/kg dafürspreche, dass er seine Tiere nicht hochgezüchtet mit einem Schlachtgewicht von 740 kg, sondern im Durchschnitt deutlich darunter verkaufe. Er füttere die Tiere auch nicht mit zugekauftem Futter, sondern mit Futter aus eigenem Anbau. Dieses Vorbringen, das der Antragsteller mit zwei Rechnungen über den Verkauf von Jungbullen zu Preisen von 1.059,10 EUR (3,40 EUR/kg) und 725,20 EUR (2,80 EUR/kg) belegt hat, ist nachvollziehbar und ohne weitere Ermittlungen zum Sachverhalt nicht von der Hand zu weisen. Dass der Antragsteller seine Mastbullen tatsächlich bis zu 24 Monate hält, ergibt sich auch aus den Feststellungen des Amtstierarztes Dr. D. bei der Kontrolle am 7. Februar 2019 und dem Bestandsregisterauszug gleichen Datums.

Der Antragsgegner hat auch nicht hinreichend geklärt und im Rahmen der Abwägung der Verhältnismäßigkeit berücksichtigt, ob den Mastrindern des Antragstellers durch die Einschränkung der Möglichkeit zur artgemäßen Bewegung Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden im Sinne von § 2 Nr. 2 TierSchG zugefügt werden. In dem Bescheid vom 22. März 2019 wird die streitige Maßnahme ausschließlich auf einen Verstoß gegen die artgerechte Haltung nach § 2 Nr. 1 TierSchG gestützt. Erst in der amtstierärztlichen Stellungnahme vom 3. Mai 2019, auf die sich der Antragsgegner im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bezogen hat, wird ausgeführt, dass auch ein Verstoß gegen § 2 Nr. 2 TierSchG vorliege. Dieser Annahme kann ohne weitere Sachverhaltsermittlung nicht gefolgt werden.

Soweit bei der amtstierärztlichen Kontrolle am 27. November 2018 bei einem Mastbullen eine durch eine eingewachsene Halskette verursachte Wunde festgestellt wurde, sind bei den weiteren Kontrollen vor Ort keine haltungsbedingten Schäden mehr festgestellt worden. Insbesondere sind keine körperlichen Schäden wie krankhafte Klauenveränderungen, Liegebeulen oder Lahmheitszeichen aufgetreten.

Der Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass den von dem Antragsteller gehaltenen Jungbullen zum Ende der Mast zu wenig Platz zur Verfügung stehe, so dass sie, wie im Rahmen der Betriebsprüfung am 7. Februar 2019 gefertigte Fotoaufnahmen belegten, nicht in physiologischer Körperhaltung mit den Hinterbeinen auf einer ebenen Fläche stehen könnten und in ihrem arttypischen Abliege- und Aufstehverhalten gestört würden, kann aus den vom Antragsteller dargelegten Gründen nicht gefolgt werden. Das Verwaltungsgericht hat sich insofern auf die im Eilverfahren vom Antragsgegner vorgelegte Stellungnahme der Amtstierärztin Dr. C. vom 3. Mai 2019 bezogen. Danach würden die von dem Antragsteller überwiegend gehaltenen Jungbullen der Rasse Fleckvieh im Durchschnitt 18 Monate gemästet und erreichten ein durchschnittliches Schlachtgewicht von 740 kg. Nach der Tierschutzleitlinie für die Mastrinderhaltung sei ab einem Lebendgewicht von über 650 kg eine Standlänge von 165 cm und eine Standbreite von 100 cm einzuhalten. Die festgestellte Standlänge in der Anbindehaltung des Antragstellers betrage lediglich 160 cm, die Standbreite nur 100 cm. Da der Antragsteller seine Tiere bis zum 24. Monat angebunden halte, stehe ihnen mindestens sechs Monate aufgrund ihres Gewichts zu wenig Platz zur Verfügung. Der Antragsteller hat sich darauf berufen, dass er kein reinrassiges Fleckvieh, sondern Rinder aus einer Kreuzung zwischen dem Deutschen Schwarzbunten Niederungsrind und Fleckvieh halte, welche ein Schlachtgewicht von 740 kg bei weitem nicht erreichten. Wie bereits ausgeführt worden ist, ist dieses Vorbringen, zu dem sich der Antragsgegner im Beschwerdeverfahren nicht geäußert hat, nachvollziehbar und ohne weitere Ermittlungen zum Sachverhalt nicht von der Hand zu weisen.

Die anlässlich der Betriebsprüfung am 7. Februar 2019 gefertigten Fotoaufnahmen führen zu keiner anderen Einschätzung. Auf den Fotos ist zu sehen, dass zwei Rinder mit den Hinterbeinen im Kotgraben stehen. Dass es sich dabei, wie das Verwaltungsgericht angenommen hat, um zwei Jungbullen handeln soll, die aufgrund ihrer Körpergröße nicht mehr ausreichend Platz auf der zu kurzen Stand- und Liegefläche gefunden haben, ist allerdings nicht erkennbar. Soweit die Amtstierärztin Dr. C. in ihrer Stellungnahme vom 3. Mai 2019 ausgeführt hat, dass die beiden Tiere für die Anbindehaltung zu groß geworden seien, hat der Antragsteller darauf hingewiesen, dass es sich bei diesen beiden Tieren um weibliche Tiere handele, die bereits über sieben und drei Jahre alt seien und die gerade nicht dauerhaft in Anbindehaltung gehalten würden, sondern regelmäßig Weidegang hätten. Dem ist der Antragsgegner im Beschwerdeverfahren nicht entgegengetreten. Der die Betriebsprüfung durchführende Amtstierarzt Dr. D. hat vor Ort auch keine Feststellungen über zu kurze Standlängen getroffen, obwohl sich zum Zeitpunkt der Kontrolle ausweislich des Bestandsregisterauszugs acht Mastbullen mit einem Alter von 18 bis 22 Monaten im Betrieb des Antragstellers befanden.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass aus den vorstehenden Gründen auch der Auffassung des Verwaltungsgerichts, die zu kurze Stand- und Liegefläche entspreche nicht den allgemeinen Anforderungen an Haltungseinrichtungen nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 TierSchNutztV, weil zumindest einige Jungbullen aufgrund ihrer Körpergröße auf der zu kleinen Standfläche beim Abliegen und Aufstehen von der Kotgrabenkante abrutschen und sich Verletzungen etwa an den Klauen und Sprunggelenken zufügen könnten, nicht gefolgt werden kann.

Mit der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Ziffer 3 des Bescheides des Antragsgegners vom 22. März 2019 entfällt gleichzeitig die Rechtsgrundlage für die darauf bezogene Zwangsgeldandrohung in Ziffer 6 des Bescheides.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG und Nrn. 1.5, 35.2 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).