Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 05.07.2019, Az.: 10 LA 45/17

Aufrechnung; Auslegung; bestandskräftige Forderung; Bewirtschaftungsvereinbarung; Gegenforderung; öffentlich-rechtlicher Vertrag

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
05.07.2019
Aktenzeichen
10 LA 45/17
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2019, 69740
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 24.11.2016 - AZ: 6 A 186/15

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Zur Auslegung und zu den Folgen einer Flächenkorrektur durch die Behörde im Rahmen einer landwirtschaftlichen Bewirtschaftungsvereinbarung

2. Gegen Forderungen aus einer solchen Vereinbarung ist eine Aufrechnung auch mit noch nicht bestandskräftigen Gegenforderungen der Behörde zulässig.

Tenor:

Auf den Antrag der Beklagten wird die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade - 6. Kammer - vom 24. November 2016 zugelassen, soweit der Klage stattgegeben wurde.

Das Berufungsverfahren wird unter dem Aktenzeichen 10 LB 142/19 geführt.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

Der unter anderem auf § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung hat Erfolg, weil ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts Stade bestehen.

I.

Der Kläger nahm für den Zeitraum von 2005 bis einschließlich 2009 am Kooperationsprogramm-Dauergrünland NSG/NLP/BR teil. Zu diesem Zweck schloss der Kläger mit dem Land Niedersachsen, vertreten durch das Amt für Agrarstruktur Bremerhaven, unter dem 3. bzw. 17. Dezember 2004 eine Bewirtschaftungsvereinbarung. Für den Folgezeitraum 2010 bis 2014 schloss der Kläger unter dem 11. bzw. 16. Dezember 2009 mit der Beklagten eine weitere Bewirtschaftungsvereinbarung auf der Grundlage des Kooperationsprogramms Naturschutz – KoopNat. Gemäß § 2 Nr. 3 beider Verträge waren die Allgemeinen Vereinbarungsbestimmungen (AVB) Bestandteil der jeweiligen Vereinbarung. Gemäß Nr. 4.3 der AVB zur ersten Vereinbarung war das Amt für Agrarstruktur berechtigt, die in dieser Vereinbarung festgelegten Angaben hinsichtlich der Größe, Grundstücksbezeichnung und der Höhe der Zahlungen auf der Grundlage der katasteramtlichen Unterlagen sowie des Ergebnisses der örtlichen Überprüfung zu ergänzen oder zu berichtigen. Die Folgen einer Abweichung zwischen den vereinbarten und den tatsächlich festgestellten vereinbarungsgemäß bewirtschafteten Flächen sind auch Gegenstand der Regelung in Nr. 7 („Ahndung von Verstößen (Vertragsstrafen)“). Darin ist ein Katalog von Sanktionen aufgenommen, die sich nach der Schwere der Unregelmäßigkeit richtet. Die AVB zur zweiten Vereinbarung liegen nicht vor.

Bei einer Vor-Ort-Kontrolle im Jahr 2012 kam die Beklagte zum Ergebnis, dass in den Jahren 2005 bis einschließlich 2011 die förderfähige Fläche geringer ausfiel als beantragt.

Mit Schreiben vom 30. September 2013 machte die Beklagte aufgrund dessen für das Kooperationsprogramm-Dauergrünland NSG/NLP/BR im Zeitraum 2005 bis 2009 einen Überzahlungsbetrag in Höhe von 11.465,78 € geltend. Für die Jahre 2005 bis einschließlich 2008 forderte die Beklagte dabei die Förderbeträge zurück, die daraus resultierten, dass der Kläger lediglich Anspruch auf Förderung einer geringeren Hektarfläche habe. Für das Jahr 2009 forderte die Beklagte als Sanktion die Förderung der kompletten Kulturgruppe zurück, da die Abweichung mehr als 20 % der ermittelten Fläche ausmache. Für die Einzelheiten der geltend gemachten Forderung wird auf das Schreiben der Beklagten Bezug genommen (Bl. 98 ff. VV Koop 2005, Beiakte 002).

Ebenfalls mit Schreiben vom 30. September 2013 forderte die Beklagte die Förderung der kompletten Kulturgruppe für die Jahre 2010 und 2011 aus den gleichen Gründen als Sanktion zurück. Sie forderte den Kläger zur Rückzahlung einer daraus errechneten Überzahlung in Höhe von 9.214,26 € auf. Den Auszahlungsantrag für das Jahr 2012 lehnte die Beklagte insgesamt ab. Da die Abweichung bezogen auf zwischenzeitlich neu hinzugekommene Flächen einer anderen Kulturgruppe nach den Berechnungen der Beklagten sogar über 100 % betrug, verhängte die Beklagte zudem einen Sanktionsbetrag in Höhe von 1.241,46 €, den sie von künftigen Beihilfezahlungen im Rahmen der EG-Verordnungen in den Jahren 2013 bis 2015 in Abzug bringen würde. Für die Einzelheiten der Berechnung wird auf das Schreiben der Beklagten vom 30. September 2013 Bezug genommen (Bl. 160 ff. VV Koop 2009, Beiakte 003).

Mit weiteren Schreiben vom 23. September 2014 forderte die Beklagte den Kläger erneut zur Rückzahlung der genannten Beträge spätestens bis zum 27. Oktober 2014 auf (Bl. 114, Beiakte 002, und Bl. 129, Beiakte 003). Die Schreiben enthielten jeweils eine Aufrechnungsankündigung, die dem Muster in einem Erlass des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung vom 19. Juni 2012 (Az: 301.1-60150/1-148) entsprachen (Bl. 59 ff. GA). Laut diesem Erlass war in einem früheren Erlass vom 30. November 2006 allgemein geregelt worden, dass eine maßnahmenübergreifende Aufrechnung (Verrechnung) nur mit bestandskräftigen Forderungen zu erfolgen hat. Künftig seien aber Rückforderungsansprüche aus dem Bereich des Kooperationsprogramms Naturschutz nach entsprechender Ankündigung auch ohne vollstreckbaren Titel zu verrechnen.

Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 29. Dezember 2014 eine Betriebsprämie in Höhe von 30.063,92 €. Mit gesonderten Schreiben vom gleichen Tage erklärte sie gegen diesen Betrag die Aufrechnung bzw. Verrechnung mit acht Gegenforderungen. Bei diesen Gegenforderungen handelt es sich um die erwähnten Kürzungen für die Jahre 2005 bis 2008, den Sanktionsbetrag für die Jahre 2009 bis 2011 sowie den im Jahr 2012 bereits für das folgende Jahr 2013 festgesetzten Sanktionsbetrag wegen Überschreitens der 50 %-Grenze. Von dem Sanktionsbetrag für das Jahr 2011 in Höhe von 3.605,58 € zog die Beklagte dabei einen Betrag in Höhe von 1.399,31 € ab, mit dem sie schon anderweitig die Aufrechnung gegen eine Forderung des Klägers erklärt hatte (Bl. 167 VV Koop 2009, Beiakte 003). Insgesamt zog die Beklagte von der bewilligten Betriebsprämie in Höhe von 30.063,92 € die Summe der Gegenforderungen in Höhe von 20.522,19 € ab und zahlte an den Kläger nur den Restbetrag in Höhe von 9.541,73 €. Für die Einzelheiten wird auf das Schreiben der Beklagten vom 29. Dezember 2014 (Bl. 18 ff. GA) Bezug genommen.

Mit der Klage macht der Kläger die Auszahlung der restlichen 20.522,19 € geltend. Er hält die Abzüge für unwirksam. Er ist der Ansicht, dass die Beklagte nur mit rechtskräftig festgestellten Ansprüchen verrechnen dürfe.

Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte unter Klageabweisung im Übrigen verurteilt, dem Kläger weitere 9.078,89 € der Betriebsprämie für das Jahr 2014 zu zahlen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, die Beklagte sei jedenfalls im Zeitpunkt der Verrechnung am 29. Dezember 2014 für die Gewährung von Beihilfen als Agrarumweltmaßnahmen nach Kapitel VI der Verordnung (EG) Nr. 1257/1999 bzw. der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 und somit auch den „actus contrarius“ der Rückforderung und die Verhängung von Sanktionen zuständig gewesen. Die Verrechnung setze nicht voraus, dass die zu verrechnenden Forderungen zuvor rechtskräftig festgestellt werden. Der Beklagten stehe aber nur eine Gegenforderung in Höhe von 11.443,30 € zu. Die weiteren Forderungen leite die Beklagte aus Sanktionen her. Die Beklagte verhalte sich aber widersprüchlich, wenn sie Sanktionen verhänge. Voraussetzung dafür sei eine festgestellte negative Abweichung zwischen den vereinbarten und tatsächlich festgestellten vereinbarungsgemäß bewirtschafteten Flächen. Die Beklagte habe aber jeweils mit dem Schreiben vom 30. September 2013 die Größe der Flächen, die vom Kläger vereinbarungsgemäß zu bewirtschaften seien, mit Rückwirkung auf die Größe der tatsächlich vereinbarungsgemäß bewirtschafteten Flächen herabgesetzt. Die Beklagte sei auch zu einer solchen einseitigen Änderung der Flächengrößen nach Nummer 4.3 der Nebenabreden für den Förderzeitraum 2005 bis 2009 bzw. nach Nummer 3.2 der Allgemeinen Vereinbarungsbestimmungen zu den Niedersächsischen Kooperationsprogrammen (im Folgenden: AVB) für den Förderzeitraum 2010 bis 2014 berechtigt. Daneben habe sie aber nicht das Recht, unter Zugrundelegung der ursprünglich vereinbarten Flächengrößen zusätzlich auch noch Sanktionen zu verhängen. Dies sei ein einseitiges „Rosinenpicken“ und widerspräche Treu und Glauben.

Die Beklagte, der das Urteil des Verwaltungsgerichts am 6. April 2017 zugestellt worden ist, hat mit Schriftsatz vom 2. Mai 2017, eingegangen beim Verwaltungsgericht am gleichen Tage, die Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils und wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten beantragt. Entgegen der Auslegung des Verwaltungsgerichts sei eine rückwirkende Änderung der Flächengrößen unwirksam. Es handele sich auch entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht um eine einseitige Regelung, sondern lediglich um eine Mitteilung der Konsequenzen, die sich aus den jeweils getroffenen Vereinbarungen mit den dazugehörigen Allgemeinen Vereinbarungsbestimmungen zu den Niedersächsischen Kooperationsprogrammen (AVB) ergäben. Danach seien jeweils zu Unrecht erhaltene Förderungen zurückzuzahlen. Zudem müssten Abweichungen von den eingegangenen Verpflichtungen nach den Regelungen der Verordnung (EG) Nr. 1975/2006 bzw. der Verordnung (EU) Nr. 65/2011 geahndet werden. Diese Sanktionierung ergebe sich jeweils auch aus den AVB und sei entsprechend Vertragsbestandteil geworden. Die vertraglich vereinbarten und auch unionsrechtlich zwingend festgelegten Sanktionen stünden nicht im Ermessen der Beklagten.

Der Kläger hat beantragt, den Zulassungsantrag zurückzuweisen. Er hat das verwaltungsgerichtliche Urteil verteidigt.

II.

Der u.a. auf § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung hat Erfolg, weil ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, soweit der Klage stattgegeben wurde.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind dann zu bejahen, wenn bei der Überprüfung im Zulassungsverfahren, also auf Grund der Begründung des Zulassungsantrags und der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts, gewichtige, gegen die Richtigkeit der Entscheidung sprechende Gründe zutage treten (Senatsbeschlüsse vom 23.01.2018 – 10 LA 21/18 –, juris Rn. 7, und vom 24.10.2017 – 10 LA 90/16 –, juris Rn. 11; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 11.07.2013 – 8 LA 148/12 –, juris Rn. 9). Das ist grundsätzlich dann der Fall, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, Stattgebende Kammerbeschlüsse vom 06.06.2018 – 2 BvR 350/18 –, juris Rn. 16, und vom 16.10.2017 – 2 BvR 2615/14 –, juris Rn. 19; Senatsbeschluss vom 23.01.2018 – 10 LA 21/18 –, juris Rn. 7; vgl. auch Gaier, NVwZ 2011, 385, 388 ff.). Die Richtigkeitszweifel müssen sich dabei auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen. Es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zur Änderung der angefochtenen Entscheidung führt (Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 04.07.2018 – 13 LA 247/17 –, juris Rn. 4 m.w.N.; vgl. dazu auch BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 09.06.2016 – 1 BvR 2453/12 –, juris Rn. 17). Zur Darlegung der ernstlichen Zweifel bedarf es regelmäßig qualifizierter, ins Einzelne gehender, fallbezogener und aus sich heraus verständlicher Ausführungen, die sich mit der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage einer eigenständigen Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffs auseinandersetzen (Niedersächsisches OVG, Beschlüsse vom 08.03.2018 – 7 LA 67/17 -, juris Rn. 6, vom 11.12.2017 – 2 LA 1/17 -, juris Rn. 3, vom 31.08.2017 – 13 LA 188/15 –, juris Rn. 8, und vom 13.07.2017 – 8 LA 40/17 -, juris Rn. 10).

Gemessen daran bestehen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Hinblick auf die von der Beklagten gerügte Auslegung der öffentlich-rechtlichen Verträge zwischen den Beteiligten und der daraus resultierenden vertraglichen Grundlage für die hier streitentscheidenden Sanktionen.

1. Bei der Auslegung von öffentlich-rechtlichen Verträgen sind die gesetzlichen Auslegungsregeln gemäß § 62 Satz 2 VwVfG i.V.m. §§ 133, 157 BGB zu beachten. Dabei darf das Gericht nicht beim Wortlaut stehen bleiben, sondern muss gemäß § 133 BGB den wirklichen Willen der Vertragspartner erforschen (BVerwG, Urteil vom 30.05.2012 – 9 C 5.11 –, juris Rn. 30 f.). Diese Auslegung ergibt, dass neben der Anpassung der vereinbarten Flächen an die tatsächlichen Flächen zwingend auch die Sanktionen zu verhängen sind, die die Verordnung (EG) Nr. 1257/1999 bzw. deren Durchführungsverordnungen vorsehen.

Der Abschluss des ersten Vertrags vom 3./17. Dezember 2004 erfolgte im Rahmen der Richtlinie des Niedersächsischen Umweltministeriums über die Gewährung von Zahlungen für freiwillige Vereinbarungen zur Erhaltung und Entwicklung von Dauergrünland in Naturschutzgebieten, Nationalparken und Biosphärenreservaten (Kooperationsprogramm Dauergrünland NSG/NLP/BR) vom 14. Februar 2001 (Nds. MBl. 2001, 722 ff.). Nach Maßgabe dieser Richtlinie gewährte das Land Niedersachsen aufgrund der Verordnung (EG) Nr. 1257/1999 sowie den hierzu ergangenen Durchführungsvorschriften der Kommission der Europäischen Gemeinschaft Zahlungen im Rahmen von näher beschriebenen Vereinbarungen für freiwillige Leistungen. Die Auslegung des zwischen den Beteiligten geschlossenen Vertrags gemäß § 62 Satz 2 VwVfG i.V.m. §§ 133, 157 BGB muss daher berücksichtigen, dass die genannte Richtlinie und die auf Basis dieser Richtlinie geschlossenen Verträge mit dem europäischen Recht in Einklang stehen müssen.

Zu den danach zu beachtenden Durchführungsverordnungen zählte zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses auch die Verordnung (EG) Nr. 817/2004. Gemäß Art. 70 Satz 1 dieser Verordnung galten für sämtliche flächenbezogene Beihilfen, die für Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums gewährt werden, die Art. 30, 31 und 32 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001.

Mit diesen in Bezug genommenen Vorschriften des europäischen Rechts ist eine Auslegung der zwischen den Beteiligten geschlossenen Vereinbarung, wonach die Beklagte ein Wahlrecht haben sollte, ob sie eine Sanktion verhängt oder lediglich die Vertragsfläche an die tatsächlich ordnungsgemäß bewirtschaftete Fläche anpasst, unvereinbar. Eine solche Anpassung sah nämlich Art. 31 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 ohnehin zwingend vor. Darin heißt es:

„Liegt die in einem Beihilfeantrag angegebene Fläche über der […] ermittelten Fläche derselben Kulturgruppe, so wird die Beihilfe unbeschadet der Kürzungen und Ausschlüsse gemäß den Artikeln 32 bis 35 [Hervorhebung durch den Senat] auf der Grundlage der für diese Kulturgruppe ermittelten Fläche berechnet.“

Daraus ergibt sich, dass die Sanktion neben die ohnehin zu erfolgende Anpassung der vertraglich vereinbarten Fläche an die beihilfefähige Fläche treten soll. Eine Vereinbarung, die der Landwirtschaftskammer im Fall einer sogenannten negativen Flächenabweichung das Recht einräumen würde, es bei der Verminderung der beihilfefähigen Flächen zu belassen und darüber hinaus gehende Sanktionsabzüge zu unterlassen, wäre somit mit zwingenden und unmittelbar anwendbaren europäischem Recht nicht vereinbar.

Dementsprechend ist Nr. 4.3 der AVB auszulegen. Gemäß dieser Vertragsbestimmung – hier nur vorliegend für den älteren Vertrag – war das Amt für Agrarstruktur berechtigt, „die in dieser Vereinbarung festgelegten Angaben hinsichtlich der Größe, Grundstücksbezeichnung und der Höhe der Zahlung auf der Grundlage der katasteramtlichen Unterlagen sowie des Ergebnisses der örtlichen Überprüfung zu ergänzen oder zu berichtigen“ (Bl. 11 VV Koop 2005, Beiakte 002). Diese Bestimmung sollte zwar auch dazu dienen, im Fall von Abweichungen zwischen Antrag und tatsächlichen Feststellungen eine schriftliche Änderung des Vertrags entbehrlich zu machen. Zutreffend hat die Beklagte aber hervorgehoben, dass sich diese Änderung nur auf die Zukunft auswirkt. Sie lässt die Wirkung von Flächenabweichungen in der Vergangenheit unberührt. Folglich hat die Anpassung der „Vertragsfläche für die Vorjahre“ in dem Schreiben der Beklagten vom 30. September 2013 keine Wirkungen für die Vergangenheit.

Für den Nachfolgevertrag vom 11. bzw. 16. Dezember 2009 für den Förderzeitraum 2010 bis einschließlich 2014 ergibt sich Entsprechendes aus der Richtlinie über die Gewährung von Zahlungen zur naturschutzgerechten Bewirtschaftung landwirtschaftlich genutzter Flächen in den Ländern Bremen und Niedersachsen (Kooperationsprogramm Naturschutz – KoopNat –) vom 2. Juni 2008 (Nds. MBl. 2008, 683). Der Zuwendungszweck dieses Förderprogramms bestand darin, unter finanzieller Beteiligung der EG auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 des Rates sowie dem hierzu ergangenen Folgerecht der Europäischen Gemeinschaft Zahlungen für näher genannte freiwillige Maßnahmen zur naturschutzgerechten Bewirtschaftung zu erbringen (Nr. I.1.1 der Richtlinie). Zu dem Folgerecht der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 zählte jedenfalls bis zum Jahr 2011 die Verordnung (EG) Nr. 1975/2006. Art. 16 Abs. 1 dieser Verordnung verwies unter anderem auf Art. 50 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 796/2004. Auch danach wurde die Beihilfe „unbeschadet der gemäß den Artikeln 51 und 53 vorzunehmenden Kürzungen und Ausschlüsse“ auf der Grundlage der tatsächlich ermittelten Fläche berechnet. Die daneben vorgesehenen Sanktionen gemäß den weiteren Absätzen von Art. 16 der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 waren somit zwingend zusätzlich zu verhängen. Ein Ermessen des Mitgliedstaats bestand nicht.

Die Nachfolgeverordnung (EU) Nr. 65/2011 bestimmte ebenso in Art. 16 Abs. 3 Unterabsatz 2 im Falle einer Übererklärung, dass die Beihilfe auf der Grundlage der ermittelten, also kleineren Fläche berechnet wurde, und regelte in Abhängigkeit von der Größe der Abweichung Sanktionen (Art. 16 Abs. 5, 7).

2. Die angefochtene Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar, so dass der Zulassungsantrag analog § 144 Abs. 4 VwGO zurückzuweisen wäre. Vielmehr ist die Klageforderung gemäß § 389 BGB durch Aufrechnung erloschen.

Es ist allgemein anerkannt, dass gegen die Anwendung der Vorschriften der §§ 387 ff. BGB im öffentlichen Recht keine rechtlichen Bedenken bestehen (BVerwG, Urteil vom 27.10.1982 – 3 C 6.82 –, juris Rn. 21 ff.). Die Voraussetzungen für eine wirksame Aufrechnung lagen zum maßgeblichen Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung allesamt vor. Die rechtlichen Voraussetzungen der Aufrechnung werden im Allgemeinen durch die Begriffe der Gegenseitigkeit, der Gleichartigkeit und der Fälligkeit gekennzeichnet (vgl. § 387 BGB).

Die Beklagte macht bei sachgerechter Auslegung des Schreibens vom 29. Dezember 2014 (Bl. 18 ff. GA) folgende Gegenforderungen geltend:

a) Diese Gegenforderungen bestehen auch.

Die Gegenforderungen für die Jahre 2005 bis 2008 (Forderungen Nr. 5 bis 8) ergeben sich allein aufgrund der negativen Flächenabweichung und den daraus resultierenden Überzahlungen. Sie haben ihre Grundlage in Art. 71 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 817/2004 bzw. in Art. 16 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1975/2006 i.V.m. Art. 50 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 796/2004, jeweils i.V.m. den Allgemeinen Vereinbarungsbestimmungen (AVB). Nach sämtlichen genannten Bestimmungen ist maximal die festgestellte Fläche zu vergüten (vergleiche etwa Nr. 7.1 der AVB, dort Kategorie 3, i.V.m. Nr. 7.3 Satz 3, Bl. 13 f. VV Koop 2005, Beiakte 002).

Die Gegenforderung für das Jahr 2009 (Nr. 4) leitet die Beklagte gemäß ihrem Schreiben vom 30. September 2013 zutreffend aus Art. 16 Abs. 2 Unterabsatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1975/2006 her. Danach wird für die betreffende Kulturgruppe keine Beihilfe gewährt, wenn die Differenz zwischen der im Zahlungsantrag gemeldeten und der ermittelten Fläche der betreffenden Kulturgruppe über 20 % der ermittelten Fläche liegt.

Die Beklagte fordert zudem die Zuwendungen für die Jahre 2010 und 2011 zurück (Nr. 2 und 3). Die Rückforderung für das Jahr 2010 findet – ungeachtet dessen, dass dem Senat zum jetzigen Zeitpunkt die Allgemeinen Vereinbarungsbestimmungen (AVB) für die Bewirtschaftungsvereinbarung für die Jahre 2010 bis 2014 noch nicht vorliegen – seine Grundlage in Art. 16 Abs. 2 Unterabsatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1975/2006, da davon auszugehen ist, dass der entsprechende Zahlungsantrag vor dem 1. Januar 2011 eingereicht worden ist (Art. 34 Abs. 1 Unterabsatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 65/2011). Danach wird bei einer Differenz über 20 % der ermittelten Fläche für die betreffende Kulturgruppe keine Beihilfe gewährt. Zwar hat die Beklagte sich in ihrem Schreiben vom 30. September 2013 auch für 2010 auf Art. 16 Verordnung (EU) Nr. 65/2011 gestützt, doch unterscheiden sich die Sanktionen bei einer Differenz von über 20 % nicht.

Für nach dem 1. Januar 2011 eingereichte Zahlungsanträge ist nicht vertraglich geregelt, ob der am 11. bzw. 16. Dezember 2009 geschlossene Vertrag statisch auf die am 1. Januar 2011 aufgehobene Verordnung (EG) Nr. 1975/2006 Bezug nimmt oder dynamisch auf die Verordnung (EU) Nr. 65/2011 verweist (Art. 34 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 65/2011).

Da die Beteiligten über den zeitlichen Anwendungsbereich der unmittelbar geltenden unionsrechtlichen Normen nicht disponieren können, ist nach der Rechtsprechung des Senats zumindest dann, wenn die Gewährung der Beihilfe nicht als Leistung eines öffentlich-rechtlichen Vertrages erfolgt, der Anwendungsbereich allein dem Unionsrecht zu entnehmen (Senatsbeschluss vom 21.01.2016 – 10 LA 55/15 –, juris Rn. 4). Diese Rechtsprechung ist auf den Fall übertragbar, dass die Beihilfe im Rahmen eines für mehrere Jahre geschlossenen öffentlich-rechtlichen Vertrags gewährt wird. So gilt die Verordnung (EU) Nr. 65/2011 gemäß Art. 35 Abs. 2 dieser Verordnung zwar bereits ab dem 1. Januar 2011. Für vor diesem Datum gestellte Zahlungsanträge gilt aber die Verordnung (EG) Nr. 1975/2006 weiter, Art. 34 Abs. 1 Unterabsatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 65/2011. Ein Zahlungsantrag im Sinne der Verordnung ist ein Antrag, den ein Begünstigter für eine Zahlung durch die einzelstaatlichen Behörden vorlegt (Art. 2 Buchstabe b der Verordnung (EU) Nr. 65/2011). Die Verordnung (EU) Nr. 65/2011 differenziert dabei zwischen mehrjährigen Verpflichtungen und im Rahmen dieser Verpflichtungen jährlich gestellten Zahlungsanträgen. So reicht der Begünstigte gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 1 der Verordnung bei Maßnahmen mit mehrjährigen Verpflichtungen einen jährlichen Zahlungsantrag ein. Nur für Letztere schränkt Art. 34 Abs. 1 Unterabsatz 2 der Verordnung den Anwendungsbereich ein. Im Übrigen gilt sie uneingeschränkt und in den Mitgliedstaaten unmittelbar auch im Rahmen von bereits laufenden mehrjährigen Verpflichtungen ab dem 1. Januar 2011.

Ist demnach die Verordnung (EU) Nr. 65/2011 auf das Vertragsverhältnis jedenfalls für die ab 2011 gestellten Anträge ab dem 1. Januar 2011 anwendbar, beruht die Rückforderung für das Jahr 2011 auf Artikel 16 Abs. 5 Unterabsatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 65/2011. Insoweit zutreffend hat die Beklagte sich in dem Schreiben vom 30. September 2013 auch auf diese Verordnung gestützt.

Die Beklagte hat den Kläger zudem zu Recht ein weiteres Mal in zutreffender Höhe von der Beihilfegewährung ausgeschlossen (Nr. 1). Der Ausschluss beruht auf Art. 16 Abs. 5 Unterabsatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 65/2011. Danach wird der Begünstigte ein weiteres Mal bis zur Höhe eines Betrags, der der Differenz zwischen der im Zahlungsantrag gemeldeten Fläche und der ermittelten Fläche entspricht, von der Beihilfegewährung ausgeschlossen, wenn die Differenz zur ermittelten Fläche sich auf mehr als 50 % beläuft. Dies ist hier der Fall, da die Beklagte zutreffend eine Abweichung von 103,13 % festgestellt hat.

b) Die Aufrechnung verstieß zum maßgeblichen Zeitpunkt auch nicht gegen ein Aufrechnungsverbot.

Das Verwaltungsgericht hat insofern zutreffend ausgeführt, dass es entgegen der Ansicht des Klägers keinen allgemeinen Grundsatz gibt, wonach nur mit bestands- oder rechtskräftig festgestellten Ansprüchen aufgerechnet werden kann (Seite 9 des Urteils).

aa) Von der Rechtsprechung ist allerdings anerkannt, dass die Aufrechnung unter besonderen Voraussetzungen gegen Treu und Glauben verstoßen und damit unzulässig sein kann (BGH, Urteil vom 21. November 2001 – XII ZR 162/99 –, juris Rn. 19). Als Verstoß gegen Treu und Glauben wird zum Beispiel angesehen, wenn der an sich zur Aufrechnung Berechtigte seinen Vertragsgegner vor der Erklärung der Aufrechnung in der Annahme bestätigt hatte, er werde ihm gegenüber von einer etwaigen Aufrechnungsbefugnis keinen Gebrauch machen (Gursky in Staudinger/Gursky, BGB, Stand: Neubearbeitung 2016, § 387 Rn. 259). Der Senat kann offenlassen, ob sich diese Rechtsprechung auf die Aufrechnung im öffentlichen Recht übertragen lässt. Wäre dies der Fall, könnte eine ständige Praxis der Beklagten nur mit bestandskräftig festgestellten Forderungen aufzurechnen, einer davon abweichenden Aufrechnung im Einzelfall mit einer weder festgestellten noch unbestrittenen Forderung mit der Folge entgegenstehen, dass die Aufrechnung unwirksam wäre.

Aus dem von der Beklagten zur Akte gereichten Erlass des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung vom 19. Juni 2012 (301.1-60150/1- 148, Bl. 56 ff. GA) geht hervor, dass nach dem Erlass desselben Ministeriums vom 30. November 2006 zumindest eine maßnahmenübergreifende Aufrechnung (Verrechnung) nur mit vollstreckbaren Forderungen zu erfolgen hatte. Der Erlass vom 30. November 2006 wurde aber gerade durch jenen Erlass vom 19. Juni 2012 abgeändert. Wörtlich heißt es:

„Künftig ist wie folgt zu verfahren:

Rückforderungsansprüche aus dem Bereich des Kooperationsprogramms Naturschutz können nach den §§ 387 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auch ohne vollstreckbaren Titel verrechnet werden.“ (Bl. 56 Rückseite GA)

Zu einer solchen Änderung der durch die Verwaltungsvorschrift antizipierten ständigen Verwaltungspraxis war das zuständige Ministerium auch jederzeit berechtigt (vgl. Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 40 Rn. 42). Es ist nicht ersichtlich, dass die zuständigen Behörden auch nach Bekanntwerden des Erlasses vom 19. Juni 2012 daran festhielten, nur mit vollstreckbaren Forderungen aufzurechnen. Der Kläger hat eine solche Verwaltungspraxis auch nicht dargelegt.

bb) Ein Aufrechnungsverbot folgt auch nicht für das gesondert zu betrachtende Jahr 2013.

Der Ausschluss von der Beihilfegewährung beruht insoweit auf Art. 16 Abs. 5 Unterabsatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 65/2011. Gemäß Abs. 7 Satz 1 dieses Artikels wird der Betrag, der sich – soweit hier von Interesse – aus dem Ausschluss gemäß Absatz 5 Unterabsatz 3 ergibt, gemäß Art. 5b der Verordnung (EG) Nr. 885/2006 der Kommission verrechnet. Ein nach drei Kalenderjahren, die auf das Kalenderjahr der Feststellung folgen, nicht vollständig verrechneter Betrag würde annulliert (Satz 2). Art. 5b der Verordnung (EG) Nr. 885/2006 lautete:

„Unbeschadet anderer in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehener Vollstreckungsmaßnahmen rechnen die Mitgliedstaaten eine noch ausstehende Forderung an einen Begünstigten, die im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften festgestellt worden ist, gegen eine etwaige künftige Zahlung auf, die von der für die Eintreibung des geschuldeten Betrags zuständigen Zahlstelle an denselben Begünstigten zu leisten ist.“

Der Inhalt der Regelung erschöpft sich aber darin, dass eine noch ausstehende Forderung an einen Begünstigten gegen eine etwaige künftige Zahlung, die von der für die Eintreibung des geschuldeten Betrags zuständigen Zahlstelle an denselben Begünstigten zu leisten ist, aufzurechnen ist. Diese Aufrechnung soll nicht – darüber hinaus – auf bestands- oder rechtskräftig festgestellte Forderungen beschränkt werden.

Das ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte von Art. 16 Abs. 5 Unterabsatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 65/2011.

Ursprünglich sollte der zitierte Artikel 5b, auf den Art. 16 Abs. 5 Unterabsatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 65/2011 verweist, lediglich die Mitgliedstaaten verpflichten, bei der Durchführung des Gemeinschaftsrechts von nach dem nationalen Recht gegebenen Möglichkeiten, sich durch Aufrechnung zu befriedigen, auch Gebrauch zu machen. Die Verordnung (EG) Nr. 885/2006 betraf auch allein den Zahlungs- und Abrechnungsverkehr zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten und nicht deren Außenverhältnis zu den Beihilfeempfängern (BVerwG, Urteil vom 26.02.2010 – 3 B 4.10 –, juris Rn. 6). Ziel der Verordnung war es somit ursprünglich, die Mitgliedstaaten in den Fällen, in denen die Einziehung einer bereits titulierten Forderung gegen einen Begünstigten einfach und erfolgversprechend möglich war, zu einer solchen Einziehung auch anzuhalten.

Mit der Verordnung (EG) Nr. 380/2009 wurden in der damals für die Betriebsprämie maßgeblichen Verordnung (EG) Nr. 796/2004 mehrere Verrechnungsvorschriften im Falle von Kürzungen und Ausschlüssen durch einen Verweis auf Art. 5b der Verordnung (EG) Nr. 885/2006 ersetzt bzw. verändert, nämlich Art. 51 Abs. 1, Art. 52 Abs. 3 Unterabsatz 2, Art. 53 Abs. 1 und 2, Art. 59 Abs. 2 Unterabsatz 3 sowie Abs. 4 Unterabsatz 2, Art. 60 Abs. 6 Unterabsatz 2, Art. 64 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 796/2004. Die geänderten Vorschriften enthielten vor der Änderung jeweils eigene Bestimmungen für die Verrechnung von sich aus Ausschlüssen ergebenden Beträgen. Keine der Bestimmungen enthielt aber eine Beschränkung, dass eine Verrechnung nur mit bestands- oder rechtskräftig festgestellten Forderungen möglich sein sollte. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass durch die Verordnung (EG) Nr. 380/2009 eine derartige Restriktion der zu verrechnenden Forderungen eingeführt werden sollte. Dagegen sprechen schon die in der Verordnung (EG) Nr. 380/2009 wiedergegebenen Motive des Verordnungsgebers für die Änderung der Verordnung (EG) Nr. 796/2004. Der Erwägungsgrund Nr. 13 zu der Verordnung (EG) Nr. 380/2009 lautet:

„Um die für die flächenbezogenen Zahlungen, die Zahlungen für Tiere und die Ergänzungszahlungen geltenden Vorschriften, denen zufolge Kürzungen innerhalb von drei Kalenderjahren nach dem Kalenderjahr der Feststellung verrechnet werden, zu harmonisieren, sollte die Vorschrift, dass der Restbetrag nach drei Jahren verfällt, für alle Zahlungen gelten. Außerdem enthält Artikel 5b der Verordnung (EG) Nr. 885/2006 der Kommission vom 21. Juni 2006 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung (EG) Nr. 1290/2005 des Rates hinsichtlich der Zulassung der Zahlstellen und anderen Einrichtungen sowie des Rechnungsabschlusses für den EGFL und den ELER horizontale Vorschriften für die Verrechnung von Forderungen mit künftigen Zahlungen. Die Bezugnahme auf die Zahlungen, mit denen die Forderungen verrechnet werden können, sollte daher durch eine Bezugnahme auf die genannte Vorschrift ersetzt werden.“ (Hervorhebung durch den Senat)

Aus diesem Erwägungsgrund ergibt sich, dass der Verordnungsgeber allein eine Rechtsharmonisierung bzw. –vereinfachung anstrebte. Hätte er darüber hinaus die Verrechnung eigener Forderungen auf bestands- oder rechtskräftig festgestellte Forderungen beschränken wollen, hätte er damit die Situation der Beihilfeempfänger entscheidend verbessert. Die jeweilige Zahlstelle hätte sich nämlich dann vor einer Aufrechnung erst noch einen feststellenden Titel verschaffen müssen. Denn ein auf Zahlung lautender Titel wäre nicht zu erlangen, da der Ausschluss nur zu einer verrechenbaren Forderung führen soll, deren Restbetrag nach drei Jahren ohnehin erlischt. Es wäre zu erwarten, dass der Verordnungsgeber eine derartige Verbesserung der Rechtstellung der Beihilfeempfänger zumindest als Nebenziel der Neuregelung benannt hätte.

Für den Bereich der Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums hat der Verordnungsgeber wie erwähnt die Verordnung (EG) Nr. 1975/2006 durch die Verordnung (EU) Nr. 65/2011 abgelöst. Dabei wurde Art. 16 Abs. 6 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1975/2006, der noch eine eigene Verrechnungsregel enthielt, durch Art. 16 Abs. 7 Satz 1 der Verordnung (EU) Nr. 65/2011 ersetzt, der keine eigene Verrechnungsregel enthält, sondern auf Art. 5b der Verordnung (EG) Nr. 885/2006 Bezug nahm. Dass der Verordnungsgeber hiermit andere Ziele verfolgte als ebenfalls die Rechtsharmonisierung bzw. –vereinfachung ist nicht erkennbar.

c) Die Beklagte war zum maßgeblichen Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung sowohl für die Rückforderung unberechtigt ausgezahlter Mittel nach dem Vertrag vom 3. bzw. 17. Dezember 2004 als auch vom 11. bzw. 16. Dezember 2009 zuständig. Die Zuständigkeit folgt aus der Verordnung zur Übertragung von staatlichen Aufgaben auf die C. (LwKAufgÜtrV ND) in der vom 1. Juni 2010 bis 31. August 2015 gültigen Fassung. Gemäß § 1 Nr. 42 werden der Landwirtschaftskammer danach als Aufgabe zur Erfüllung nach Weisung übertragen:

„die Gewährung von Beihilfen als Agrarumweltmaßnahmen nach Titel IV Kapitel I Abschnitt 2 der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 des Rates vom 20. September 2005 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) (ABl. EU Nr. L 277 S. 1), zuletzt geändert durch Artikel 2 der Verordnung (EG) Nr. 2012/2006 des Rates vom 19. Dezember 2006 (ABl. EU Nr. L 384 S. 8), und die Gewährung von Beihilfen als Agrarumweltmaßnahmen nach Kapitel VI der Verordnung (EG) Nr. 1257/1999 des Rates vom 17. Mai 1999 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL) und zur Änderung bzw. Aufhebung bestimmter Verordnungen (ABl. EG Nr. L 160 S. 80; 2000 Nr. L 302 S. 72), zuletzt geändert durch Artikel 93 der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 des Rates vom 20. September 2005 (ABl. EU Nr. L 277 S. 1), soweit die Maßnahmen von der Kommission vor dem 1. Januar 2007 genehmigt wurden;“

Bei dem Vertrag für den Zeitraum 2005 bis 2009 handelt es sich um eine Agrarumweltmaßnahme im Sinne des Kapitels VI der Verordnung (EG) Nr. 1257/1999 (siehe auch Ziffer 1.1 der Richtlinie über die Gewährung von Zahlungen für freiwillige Vereinbarungen zur Erhaltung und Entwicklung von Dauergrünland in Naturschutzgebieten, Nationalparken und Biosphärenreservaten, Kooperationsprogramm Dauergrünland NSG/NLP/BR, Nds. MBl. 2001, 722 ff.).

Der Vertrag für den Zeitraum 2010 bis 2014 beruht auf der Richtlinie über die Gewährung von Zahlungen zur naturschutzgerechten Bewirtschaftung landwirtschaftlich genutzter Flächen in den Ländern Bremen und Niedersachsen, Kooperationsprogramm Naturschutz – KoopNat – vom 2. Juni 2008 (Nds. MBl. 2008, 683). Nach dem Zuwendungszweck dieser Richtlinie gewähren die Länder Bremen und Niedersachsen auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER, Schwerpunkt 2: Verbesserung der Umwelt und der Landschaft) Zahlungen. Bei derartigen Maßnahmen handelt es sich um Agrarumweltmaßnahmen nach Titel IV Kapitel I Abschnitt 2 der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005.

Da die Berufung bereits auf Grund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils zuzulassen ist, kommt es auf die Frage, ob der von der Beklagten ebenfalls geltend gemachte Zulassungsgrund der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) hinreichend dargelegt ist, nicht entscheidungserheblich an.

Soweit die Berufung zugelassen worden ist, wird das Zulassungsverfahren als Berufungsverfahren fortgeführt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht (§ 124a Abs. 5 Satz 5 VwGO). Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht, Uelzener Straße 40, 21335 Lüneburg, oder Postfach 2371, 21313 Lüneburg, einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig (§ 124a Abs. 3 Sätze 3 bis 5 und Abs. 6 VwGO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).