Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 20.06.2023, Az.: 3 A 68/19

Aufwandsspaltungsbeschluss; Festsetzungsverjährung; klassifizierte Straße; Ortsdurchfahrt; Straßenausbaubeitrag; Erhebung von Straßenausbaubeiträgen bei Ortsdurchfahrten klassifizierter Straßen

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
20.06.2023
Aktenzeichen
3 A 68/19
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 28388
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGLUENE:2023:0620.3A68.19.00

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Eines Aufwandsspaltungsbeschlusses im Verhältnis zwischen Fahrbahn und Nebenanlagen bedarf es nicht, wenn der Straßenausbau die Ortsdurchfahrt einer klassifizierten Straße betrifft und von vornherein feststeht, dass die Gemeinde allein die Kosten für den Ausbau der Nebenanlagen zu tragen hat, weil sich ihre Straßenbaulast nicht auf die Fahrbahn, sondern lediglich auf die Nebenanlagen erstreckt.

  2. 2.

    Bei klassifizierten Straßen wird der Anlagenbegriff im Sinne der natürlichen Betrachtungsweise durch die Regelungen über die Straßenbaulast dahingehend eingeschränkt, dass die öffentliche Einrichtung aus Rechtsgründen nicht über die festgesetzte Ortsdurchfahrtsgrenze hinausgeht. Beitragsfähige Anlage bei einer durchlaufenden klassifizierten Straße sind daher (nur) die innerhalb der festgesetzten Ortsdurchfahrt gelegenen Teileinrichtungen, die in der Straßenbaulast der Gemeinde liegen.

  3. 3.

    Die gesetzlichen Bestimmungen über die Zuweisung der Straßenbaulast gelten hinsichtlich der Beitragserhebung selbst dann, wenn der Gemeinde der Ausbau der Nebenanlagen vom Träger der Straßenbaulast vertraglich wirksam übertragen worden sein sollte. Gegenstand einer beitragsfähigen Maßnahme können nur solche öffentlichen Einrichtungen sein, deren Ausbau der Gemeinde als eigene (gesetzliche) Aufgabe obliegt

  4. 4.

    Außerhalb der festgesetzten Ortsdurchfahrt kommt eine Beitragserhebung durch die Gemeinde nicht für Gehwege und Parkflächen, sondern allein für den Ausbau der Beleuchtungseinrichtungen in Betracht. Herstellung und Ausbau der Beleuchtungseinrichtungen sind keine sich aus der Straßenbaulast ergebenden Verpflichtungen der Gemeinde. Die Bereitstellung einer Straßenbeleuchtung stellt vielmehr eine selbständige öffentliche Aufgabe dar, die der Gemeinde unabhängig davon obliegt, wer Träger der Straßenbaulast ist.

Tatbestand

Die Kläger wenden sich gegen die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen für Ausbauarbeiten am Gehweg, den Parkflächen und der Beleuchtung an der G. (Kreisstraße H.) in der Gemeinde A-Stadt, einer Mitgliedsgemeinde der beklagten Samtgemeinde.

Die Hauptstraße (I.) beginnt im Norden im Ortskern der Gemeinde A-Stadt an der Kreuzung mit der Straße J.. An dieser Stelle trifft der hier maßgebliche südliche Teil der Hauptstraße mit der aus Richtung Osten in den Kreuzungsbereich einmündenden Straße J. und dem in nordwestliche Richtung abgehenden nördlichen Teil der Hauptstraße gleichgewichtet zusammen. Die Straße J. und der nördliche Teil der Hauptstraße bilden die Kreisstraße K.. Von diesem Kreuzungsbereich aus verläuft die Hauptstraße (I.) zunächst in südliche bzw. südwestliche Richtung. Nach ca. 270 m mündet aus Richtung Westen die Bahnhofstraße in die Hauptstraße ein, in diesem Bereich biegt die Hauptstraße in Richtung Südosten ab und verläuft von hier aus auf einer Länge von ca. 1.300 m in südöstliche Richtung, bis sie an ihrem südlichen Ende in die Landesstraße L. einmündet. Aus östlicher und westlicher Richtung münden im Verlauf mehrere Straßen in die Hauptstraße ein. Die Bebauung auf der östlichen Straßenseite endet etwa in Höhe der Einmündung der Straße M., während die Bebauung auf der westlichen Straßenseite ca. 75 m vor der Einmündung in die L. endet.

Bis zum Jahr 1984 war die hier maßgebliche Strecke Teil der damaligen Bundesstraße N., die aufgrund der Verlegung der Bundesstraße zur Gemeindestraße abgestuft wurde. Im Jahr 2000 wurde der gesamte Straßenzug der Hauptstraße von der Einmündung in die K. im Norden bis zur Einmündung in die L. im Süden durch eine Umstufungsvereinbarung zwischen dem Landkreis O. und der Gemeinde A-Stadt wiederum zur Kreisstraße aufgestuft.

Im Jahr 2011 wurde eine Vereinbarung zwischen dem Landkreis O. und der Gemeinde über die Durchführung von Ausbauarbeiten an der Hauptstraße (P. geschlossen. Die vertraglichen Regelungen zwischen der Gemeinde und dem Landkreis lauten auszugsweise:

"§ 4 Kostenregelung

...

(3) Die endgültige Höhe der Kostenanteile ergibt sich aus der Schlussrechnung.

...

Die Gemeinde trägt die Kosten:

1. für den Neubau des Geh-/Radweges im 2. BA zur Hälfte,

2. für den Bau der Straßenentwässerungseinrichtungen im 1. BA anteilig der Einleitmengen,

3. für den Neubau der Parkbuchten.

§ 5 Straßenbaulast

Die Straßenbaulast an den fertig gestellten Straßenteilen richtet sich nach den OD-Richtlinien und dem Niedersächsischen Straßengesetz in der zurzeit gültigen Fassung.

Den Gehweg auf der östlichen Seite der I. von der Einmündung in die K 54 bis zur Einmündung der Gemeindestraße Q. übernimmt die Gemeinde in ihre Baulast. Zudem unterhält die Gemeinde das Straßenbegleitgrün innerhalb der Ortsdurchfahrt.

Der Geh-/Radweg auf der westlichen Seite der I. von der Einmündung in die K. bis zur Einmündung in die Landesstraße Nr. R. liegt in der gemeinsamen Baulast von Landkreis und Gemeinde."

Entsprechend dieser Vereinbarung wurden durch den Landkreis Ausbauarbeiten sowohl an der Fahrbahn als auch an den Gehwegen, Geh- und Radwegen, den Parkflächen sowie der Straßenentwässerung durchgeführt. Ausbauarbeiten an der Beleuchtung wurden durch die Gemeinde A-Stadt selbst vorgenommen. In tatsächlicher Hinsicht wurde der Ausbau in zwei Ausbauabschnitte unterteilt: Abschnitt 1 mit einer Länge von 647 m, beginnend an S. bei km 15,833 und bis km 16,480 in Höhe der Einmündung der T. aus Richtung Westen, sowie Abschnitt 2 mit einer Länge von 912 m, beginnend ab dem Ende des 1. Bauabschnittes bis km 17,392 an der Einmündung in die L.. Auf der östlichen Straßenseite wurde der Gehweg bis südlich der Einmündung der Straße U. ausgebaut, auf der westlichen Straßenseite wurde ein kombinierter Geh- und Radweg durchgängig ausgebaut.

Über die Ausbaumaßnahmen wurde in einer Anliegerversammlung am 3. Februar 2011 informiert. Die abschließende Abrechnung der entstandenen Kosten durch den Landkreis erfolgte gegenüber der Gemeinde A-Stadt im August 2013. Die letzte Unternehmerrechnung für die durch die Gemeinde beauftragen Arbeiten an der Beleuchtungseinrichtung ging im Jahr 2012 ein.

Am 13. Dezember 2018 beschloss der Rat der Gemeinde A-Stadt die Abrechnung der Kosten für die Teileinrichtungen Gehweg, Parkflächen und Straßenbeleuchtung gegenüber den Anliegern im Wege der Aufwandsspaltung.

Die Kläger sind Eigentümer des mit einem eingeschossigen Wohnhaus bebauten Grundstücks mit der postalischen Anschrift A-Straße, A-Stadt (Flurstücksnummer V., Flur W. Gemarkung A-Stadt) mit einer Fläche von 3.287 m2. Das Grundstück grenzt mit seiner östlichen Seite an die Hauptstraße und hat seine Zufahrt zu dieser Straße. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. X. "A-Stadt Süd", welcher ein Baugebiet westlich der Hauptstraße erfasst. In dem Bebauungsplan ist ein allgemeines Wohngebiet mit eingeschossiger und teilweise zweigeschossiger Bebauung festgesetzt. Entlang der Hauptstraße sind in dem Bebauungsplan zudem mit geringer Tiefe Flächen zum Anpflanzen und zum Erhalt von Bäumen und Sträuchern festgesetzt. Diese sind unterbrochen von Bereichen für notwendige Ein- und Ausfahrten, u.a. im Bereich der Ausfahrt des klägerischen Grundstücks.

Mit Schreiben vom 2. Juli 2018 wurden die Kläger zur beabsichtigten Beitragserhebung angehört. Die Kläger wiesen in ihrer schriftlichen Stellungnahme darauf hin, dass in der Anliegerversammlung mitgeteilt worden sei, dass sie keine Kosten zu tragen hätten, da sich ihr Grundstück außerhalb der festgesetzten Ortsdurchfahrt befinde.

Mit Bescheid vom 21. Mai 2019 setzte die Beklagte gegenüber den Klägern einen Straßenausbaubeitrag für die Ausbaumaßnahmen an der Hauptstraße -Y. in Höhe von 1.653,36 EUR fest. Straßenbaulastträger sei der Landkreis O., der die Bauleitung und -überwachung sowie die Abrechnung mit dem Zuwendungsgeber übernommen habe. Die Straßenbaulast für die Gehwege, die Parkflächen und die Straßenbeleuchtung liege bei der Gemeinde. Für die Ausbaumaßnahmen an diesen Teileinrichtungen seien Kosten in Höhe von insgesamt 159.767,09 EUR (56.975,00 EUR Gehwege, 7.512,00 EUR Parkflächen, 95.280,09 EUR Beleuchtung) als beitragsfähig zu berücksichtigen. Da es sich um eine Straße mit überwiegendem Durchgangsverkehr handele, seien hiervon insgesamt 71.106,74 EUR (Gehwege: 50 %, Parkflächen: 60 %, Beleuchtung: 40 %) umlagefähig. Bei einer insgesamt beitragspflichtigen Fläche von 141.365,45 m2 ergebe sich daher ein Beitragssatz in Höhe von 0,201517 EUR/m2 für die Gehwege, 0,031883 EUR/m2 für die Parkflächen und 0,269599 EUR/m2 für die Beleuchtungseinrichtungen. Aufgrund der Größe des klägerischen Grundstücks, welches aufgrund der Zahl der Vollgeschosse mit dem Faktor 1,0 zu berücksichtigen sei, ergebe sich ein Straßenausbaubeitrag in der festgesetzten Höhe von 1.653,36 EUR.

Die Kläger haben am 12. Juni 2019 Klage erhoben. Mitarbeiter der Beklagten hätten vor Bescheiderlass in der Anliegerversammlung erklärt, dass das Grundstück der Kläger außerhalb der Ortsdurchfahrt liege. Eine Beitragserhebung sei daher nicht zulässig. Dass sich die Grenze der Ortsdurchfahrt in Höhe der Einmündung der Straße M. und damit nördlich des klägerischen Grundstücks befinde, ergebe sich aus einer entsprechenden E-Mail des Landkreises O. und aus Fotos, auf denen das entsprechende Schild "OD" sowie der Einmündungsbereich der Straße M. zu sehen seien.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid der Beklagten vom 21. Mai 2019 aufzuheben

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Straßenbaumaßnahme stelle eine Verbesserung der vorhandenen Geh- und Radwege und eine Erweiterung eines Geh- und Radweges entlang dem Bereich des Bebauungsplanes Nr. X. "A-Stadt Süd" dar. Da es sich um eine Kreisstraße handele, sei die Gemeinde als Straßenbaulastträger nur an den Teileinrichtungen Gehweg, Parkflächen und Straßenbeleuchtung an den Baukosten beteiligt worden. Gemäß der Beitragssatzung der Gemeinde A-Stadt habe es auch eines Aufwandsspaltungsschlusses bedurft. Nach der Rechtsprechung sei ein solcher Beschluss im Fall der Ortsdurchfahrt einer klassifizierten Straße nur dann entbehrlich, wenn von vornherein feststehe, dass der Landkreis die Kosten für die Fahrbahn und die Gemeinde die Kosten für den Ausbau der Nebenanlagen trage. Da jedoch eine vertragliche Regelung zur Kostenverteilung bezüglich der Geh-/Radwege getroffen worden sei, die Radwege in der Straßenbaulast des Landkreises lägen und die Gemeinde den Gehweg auf der östlichen Straßenseite von der K. bis zur Einmündung der Straße U. in ihre Baulast übernehme, sei ein Beschluss gerade nicht entbehrlich. Soweit noch alte Ortsdurchgangssteine vorhanden seien, hätten diese entfernt werden können, da es sich insgesamt um eine geschlossene Ortslage handele. In Anliegerversammlungen würden Auskünfte zur Ausbaumaßnahme selbst sowie zur bautechnischen Gestaltung der Straße gegeben. Soweit in diesem Rahmen voraussichtliche Kosten und Beitragssätze genannt worden seien, sei eine solche mündliche Erklärung für die endgültige Heranziehung nicht maßgeblich. Es bestehe auch keine Möglichkeit der Gemeinde für einen Beitragsverzicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Gerichtsakten in dem Verfahren 3 A 75/19 und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 21. Mai 2019 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage der Beitragserhebung ist die "Satzung über die Erhebung von Beiträgen nach § 6 NKAG für straßenbauliche Maßnahmen in der Gemeinde A-Stadt" - im Folgenden: Straßenbaubeitragssatzung (SBS) - vom 17. Mai 2005 (Amtsblatt für den Landkreis Celle vom 14.4.2005) i. V. m. § 6 Abs. 1 Niedersächsisches Kommunalabgabengesetz (NKAG). Nach § 1 Abs. 1 SBS erhebt die Gemeinde zur Deckung ihres Aufwandes für die Herstellung, Erweiterung, Verbesserung und Erneuerung ihrer öffentlichen Straßen, Wege und Plätze (öffentliche Einrichtungen) - insgesamt, in Abschnitten oder Teilen - von den Grundstückseigentümern, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere wirtschaftliche Vorteile bietet (Anlieger), Beiträge nach Maßgabe dieser Satzung, sofern Erschließungsbeiträge nach den §§ 127 ff. BauGB nicht erhoben werden können. Gemäß § 1 Abs. 3 SBS ermittelt die Gemeinde den beitragsfähigen Aufwand jeweils für die einzelne Ausbaumaßnahme; abweichend hiervon kann der Aufwand für bestimmte Teile einer Maßnahme (Aufwandsspaltung) oder für einen selbständig nutzbaren Abschnitt einer Maßnahme (Abschnittsbildung) gesondert ermittelt werden.

Die Beklagte war für den Erlass der streitgegenständlichen Bescheide zuständig. Sie nimmt als Samtgemeinde gemäß § 98 Abs. 5 NKomVG die Festsetzung von Gemeindeabgaben wie Straßenausbaubeiträgen nach §§ 1 Abs. 1, 6 NKAG als eigene Aufgabe für ihre Mitgliedsgemeinden, zu denen auch die Gemeinde A-Stadt zählt, wahr und ist im vorliegenden Verfahren passivlegitimiert (vgl. hierzu Nds OVG, Urt. v. 9.5.1978 - IX A 127/77 -, juris).

Der Beitragsbescheid ist rechtswidrig, da - unabhängig davon, ob der Straßenausbaubeitrag in der vollen mit dem streitgegenständlichen Bescheid festgesetzten Höhe entstanden ist - zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides am 21. Mai 2019 hinsichtlich der Beitragsforderungen in Bezug auf die streitgegenständlichen Ausbauarbeiten bereits Festsetzungsverjährung eingetreten war.

Gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 4 b) NKAG i. V. m. § 169 Abgabenordnung (AO) beträgt die Festsetzungsfrist einheitlich vier Jahre. Die Festsetzungsfrist für Straßenausbaubeiträge beginnt nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 b) NKAG i. V. m. § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die sachliche Beitragspflicht entstanden ist. Gemäß § 6 Abs. 6 NKAG entsteht die sachliche Beitragspflicht mit der Beendigung der beitragsfähigen Maßnahme. Ferner setzt das Entstehen der sachlichen Beitragspflichten voraus, dass eine Widmung vorliegt und der Aufwand berechenbar ist, was regelmäßig dann der Fall ist, wenn nach Abschluss der technischen Ausbauarbeiten die letzte Unternehmerrechnung eingegangen ist (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 15.8.2017 - 9 LA 231/16 -, juris Rn. 4).

Die Ausbauarbeiten wurden in tatsächlicher Hinsicht im Jahr 2011 abgeschlossen. Der entstandene Aufwand war für die Gemeinde A-Stadt auch spätestens im August 2013 insgesamt berechenbar. Die Rechnungen für den Ausbau der Straßenbeleuchtung, den die Gemeinde selbst beauftragt hatte, waren bereits im Jahr 2012 eingegangen. Der Landkreis hat die Kosten, die durch die von ihm beauftragten Arbeiten an den anderen Teileinrichtungen entstanden waren, im August 2013 abschließend abgerechnet. Die Festsetzungsverjährungsfrist begann daher im vorliegenden Fall spätestens mit dem Ablauf des Jahres 2013 und endete somit spätestens am 31. Dezember 2017.

Entgegen der Ansicht der Beklagten begann die Festsetzungsverjährungsfrist nicht erst mit Ablauf des Jahres 2018 zu laufen, in welchem die Gemeinde A-Stadt die Abrechnung der Ausbauarbeiten im Wege der Aufwandsspaltung beschlossen hat. Ein Aufwandsspaltungsbeschluss im Sinne von § 6 Abs. 6 und Abs. 2 NKAG i. V. m. § 1 Abs. 3 SBS war vorliegend nicht erforderlich und der gefasste Beschluss bleibt daher ohne Auswirkung auf die bereits zu einem früheren Zeitpunkt entstandenen sachlichen Beitragspflichten.

Wird nicht die gesamte öffentliche Einrichtung ausgebaut, sondern beschränkt sich die beitragsfähige Ausbaumaßnahme auf eine oder mehrere Teileinrichtungen, so ist rechtliche Voraussetzung für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht aufgrund der Regelungen des § 6 Abs. 6 und Abs. 2 NKAG zusätzlich ein ausdrücklicher Beschluss des Rates über die Aufwandsspaltung (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 19.12.2008 - 9 LA 99/06 -, juris Rn. 5). Hierbei handelt es sich um eine Möglichkeit, die der Gemeinde offensteht, um den an einer ausgebauten Teileinrichtung entstandenen Aufwand schon vor dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht für die gesamte Einrichtung vorzufinanzieren (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 2.9.2015 - 9 LA 316/14 -, juris Rn. 4). Eines Aufwandsspaltungsbeschlusses im Verhältnis zwischen Fahrbahn und Nebenanlagen bedarf es hingegen nicht, wenn der Ausbau die Ortsdurchfahrt einer klassifizierten Straße betrifft und von vornherein feststeht, dass die Gemeinde allein die Kosten für den Ausbau der Nebenanlagen zu tragen hat, weil sich ihre Straßenbaulast nicht auf die Fahrbahn, sondern gemäß § 43 Abs. 5 Nds. Straßengesetz (NStrG) lediglich auf die Nebenanlagen erstreckt (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 22.1.1999 - 9 L 413/97 -, n.v., UA S. 7 m.w.N.).

Eines Aufwandsspaltungsbeschlusses bedurfte es danach im vorliegenden Fall nicht.

Zum einen ist soweit ersichtlich ein Ausbau aller Teileinrichtungen erfolgt.

Zum anderen stand auch bereits vor Ausführung der Arbeiten fest, auf welchen Teil der ausgebauten Einrichtung sich die Straßenbaulast der Gemeinde A-Stadt bezog. Für den Umfang der Straßenbaulast der Gemeinde ist in Bezug auf eine klassifizierte Straße insoweit entscheidend, ob es sich um eine festgesetzte Ortsdurchfahrt handelt. Der Teil der Einrichtung, welcher als Ortsdurchfahrt festgesetzt ist, und der Teil außerhalb der Ortsdurchfahrtsgrenze stellen jeweils selbständige öffentliche Einrichtungen dar.

Der Begriff der öffentlichen Einrichtung ist im Straßenausbaubeitragsrecht grundsätzlich identisch mit dem erschließungsbeitragsrechtlichen Begriff der Straße (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 4.3.2016 - 9 LA 154/15 -, juris Rn. 38; Urt. v. 9.4.2015 - 9 LC 320/13 -, juris Rn. 25). Eine öffentliche Einrichtung im Sinne des Straßenausbaubeitragsrechts ist danach grundsätzlich jeder Straßenzug, den der unbefangene Beobachter bei natürlicher Betrachtungsweise als selbständiges, von anderen Straßen abgegrenztes Element des gemeindlichen Straßenverkehrsnetzes ansieht (Nds. OVG, Beschl. v. 16.7.2019 - 9 LA 45/18 -, juris Rn. 7). Nach natürlicher Betrachtungsweise beginnt die Hauptstraße im Norden an der Einmündung in die K., das südliche Ende läge an der Einmündung in die L.. Aus Rechtsgründen zerfällt die Einrichtung jedoch in unterschiedliche selbständige öffentliche Einrichtungen. Eine solche Trennung ergibt sich hier in Höhe der Ortsdurchfahrtsgrenze, da die Straßenbaulast insoweit unterschiedlich verteilt ist. Im Bereich der festgesetzten Ortsdurchfahrt obliegt der Gemeinde die Straßenbaulast für Gehwege und Parkplätze, außerhalb der festgesetzten Ortsdurchfahrt ist die Gemeinde nicht Trägerin der Straßenbaulast für diese Teileinrichtungen.

Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 NStrG sind die Landkreise und kreisfreien Städte Träger der Straßenbaulast für die Kreisstraßen. Nur Gemeinden mit mehr als 50.000 Einwohnern sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 NStrG Träger der Straßenbaulast für die Ortsdurchfahrten von Kreisstraßen. Soweit der Landkreis - bei kleineren Gemeinden wie hier - Träger der Straßenbaulast auch für die Ortsdurchfahrten ist, erstreckt sich diese Baulast gemäß § 43 Abs. 5 NStrG im Bereich dieser Ortsdurchfahrten nicht auf Gehwege und Parkplätze. Hiermit korrespondiert die Vorschrift des § 49 Satz 1 NStrG, wonach die Gemeinde bei Ortsdurchfahrten klassifizierter Straßen - wie der vorliegenden Kreisstraße I. - Träger der Straßenbaulast für Gehwege und deren Straßenteile an Ortsdurchfahrten sind, für die kein anderer die Straßenbaulast trägt.

Nur wenn und soweit die Gemeinde Trägerin der Straßenbaulast ist, kann sie auch Straßenausbaubeiträge für Ausbaumaßnahmen an qualifizierten Straßen erheben (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 10.3.1998 - 9 L 2841/96 -, juris Rn. 35; Beschl. v. 2.12.1988 - 9 B 85/88 -, KStZ 1990, 99; Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: Juli 2019, § 8 Rn 236). Zu den beitragsfähigen Einrichtungen im Sinne des § 6 NKAG gehören damit auch die auf dem Gemeindegebiet verlaufenden Ortsdurchfahrten klassifizierter Straßen, und zwar unabhängig davon, dass sie straßenrechtlich Teil dieser klassifizierten Straße sind (vgl. BayVGH, Beschl. v. 10.4.2014 - 6 ZB 14.85 -, juris Rn. 6; ferner Driehaus/Raden, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 11. Aufl. 2022, § 31 Rn. 5). Bei klassifizierten Straßen wird der Anlagenbegriff im Sinne der natürlichen Betrachtungsweise durch die Regelungen über die Straßenbaulast nach dem oben Dargestellten dahingehend eingeschränkt, dass die öffentliche Einrichtung im Sinne des Beitragsrechts aus Rechtsgründen nicht über die festgesetzte Ortsdurchfahrtsgrenze hinausgeht. Beitragsfähige Anlage bei einer "durchlaufenden" klassifizierten Straße sind daher (nur) die innerhalb der - gemäß § 5 Abs. 4 Satz 4 FStrG bzw. § 4 Abs. 2 Satz 2 NStrG - festgesetzten Ortsdurchfahrt gelegene Teileinrichtungen, die in der Straßenbaulast der Gemeinde liegen (VG Lüneburg, Urt. v. 6.5.2020 - 3 A 226/16 -, juris Rn. 34 m.w.N.). Außerhalb der festgesetzten Ortsdurchfahrt liegen auch die Nebenanlagen nach der gesetzlichen Regelung nicht in der Straßenbaulast der Gemeinde. Die Straßenbaulast der Gemeinde endet damit an der Grenze der Ortsdurchfahrt. Eine gemeinschaftliche oder gemischte Straßenbaulast gibt es nicht. Baut die Gemeinde gleichwohl Teileinrichtungen über die Ortsdurchfahrtsgrenze hinaus aus, kann sie keine Ausbaubeiträge erheben.

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Ortsdurchfahrt nach den dem Gericht vorliegenden Unterlagen nördlich des klägerischen Grundstücks in Höhe der Einmündung der Straße M. endet. Das Grundstück der Kläger liegt daher außerhalb der festgesetzten Ortsdurchfahrt. Der Verwaltungsakt, mit dem das Ende der Ortsdurchfahrt festgesetzt worden ist, liegt dem Gericht zwar nicht vor. Die Kläger haben jedoch eine Bestätigung des Landkreises beigebracht, dass sich die Ortsdurchfahrtgrenze an der von ihnen beschriebenen Stelle befindet. Dies wird durch die Lichtbilder, auf denen die entsprechenden Markierungen an der Einmündung der Straße M. erkennbar sind, bestätigt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass es sich dabei um einen der von der Beklagten in Bezug genommenen - eventuell funktionslosen - Ortsdurchfahrtssteine aus der Zeit vor der Abstufung von der Bundesstraße zur Gemeindestraße handelt.

Außerhalb der festgesetzten Ortsdurchfahrt konnte eine Beitragserhebung nach dem oben Dargelegten nicht für Gehwege und Parkflächen, sondern allein für den Ausbau der Beleuchtungseinrichtungen erfolgen. Herstellung und Ausbau der Beleuchtungseinrichtungen sind keine sich aus der Straßenbaulast ergebenden Verpflichtungen der Gemeinde. Die Bereitstellung einer Straßenbeleuchtung stellt vielmehr eine selbständige öffentliche Aufgabe dar, die der Gemeinde unabhängig davon obliegt, wer Träger der Straßenbaulast ist (Driehaus/Raden, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 11. Aufl. 2022, § 28 Rn. 6; vgl. aber auch VG Oldenburg, Urt. v. 23.4.2013 - 1 A 5065/12 -, juris).

Eine Unklarheit über die Verteilung der Straßenbaulast und damit die Notwendigkeit eines Aufwandsspaltungsbeschlusses ergibt sich entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht daraus, dass die Gemeinde A-Stadt in §§ 4 und 5 des Vertrages mit dem Landkreis O. aus dem Jahr 2011 Vereinbarungen zur Kostentragungspflicht hinsichtlich der Ausbauarbeiten sowie zur Übernahme der Straßenbaulast getroffen hat. Zunächst waren diese Vereinbarungen bereits im Jahr 2011 getroffen worden, so dass eine Unklarheit über die Verpflichtungen zwischen Gemeinde und Landkreis aus Sicht der Gemeinde jedenfalls ab diesem Zeitpunkt nicht mehr bestehen konnte.

In rechtlicher Hinsicht ist unabhängig hiervon aber jedenfalls maßgeblich, dass die Festsetzung der Ortsdurchfahrtsgrenze ein Verwaltungsakt mit konstitutiver Wirkung ist. Dies ergibt sich daraus, dass die Ortsdurchfahrt nicht mit der Grenze der geschlossenen Ortslage im Sinne des § 5 Abs. 4 Satz 2 FStrG übereinstimmen muss, sondern abweichend erfolgen kann. Die Festsetzung hat damit auch für die Beitragserhebung Tatbestandswirkung (für das Erschließungsbeitragsrecht vgl. BVerwG, Urt. v. 12.4.2000 - 11 C 11.99 -, juris Rn. 22; für das Straßenausbaubeitragsrecht BayVGH, Beschl. v. 18.1.2012 - 6 ZB 11.593 -, juris Rn. 7; vgl. VG Greifswald, Urt. v. 13.2.2012 - 3 A 1017/10 -, juris Rn. 27). Die gesetzlichen Bestimmungen über die Zuweisung der Straßenbaulast gelten selbst dann, wenn der Gemeinde der Ausbau der Nebenanlagen vom Landkreis vertraglich wirksam übertragen worden sein sollte. Gegenstand einer beitragsfähigen Maßnahme können nur solche öffentlichen Einrichtungen sein, deren Ausbau der Gemeinde als eigene (gesetzliche) Aufgabe obliegt (vgl. Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: März 2023, § 8 Rn 236 m.w.N.). Eine vertragliche Übernahme der Straßenbaulast durch die Gemeinde gegenüber dem Landkreis kann nicht zum Entstehen einer Beitragsverpflichtung der Anlieger führen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO durch das Verwaltungsgericht liegen nicht vor.