Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 04.07.2019, Az.: 4 PA 124/19

Klagebefugnis; Unterhaltsvorschuss

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
04.07.2019
Aktenzeichen
4 PA 124/19
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2019, 69754
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 17.04.2019 - AZ: 4 A 199/19

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Der alleinerziehende Elternteil, bei dem das Kind lebt, ist für die Geltendmachung des Anspruchs auf Gewährung eines Unterhaltsvorschusses für sein Kind selbst klagebefugt. Die Klagebefugnis des Elternteils besteht auch gegen an das Kind gerichtete Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide.

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Lüneburg - 4. Kammer - vom 17. April 2019 wird zurückgewiesen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Gründe

Die Beschwerde der Klägerin gegen den erstinstanzlichen Beschluss hat keinen Erfolg, weil das Verwaltungsgericht den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren im Ergebnis zu Recht mangels hinreichender Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO abgelehnt hat.

Allerdings kann dem Verwaltungsgericht nicht in der Annahme gefolgt werden, dass die Klage mangels Klagebefugnis der Klägerin bereits unzulässig ist. Der Senat hat mit Beschluss vom 26. Mai 2014 (- 4 LA 198/13 -) entschieden, dass der alleinerziehende Elternteil, bei dem das Kind lebt, für die Geltendmachung des Anspruchs auf Gewährung eines Unterhaltsvorschusses für sein Kind selbst klagebefugt ist. Dafür sprechen das aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG folgende elterliche Erziehungsrecht und die Regelung des § 9 Abs. 1 UVG, mit welcher der Gesetzgeber sicherstellen wollte, dass der alleinerziehende Elternteil, bei dem das Kind lebt, den Anspruch auf Gewährung eines Unterhaltsvorschusses für das nach § 1 UVG berechtigte Kind ggf. auch gegen den Willen des anderen Elternteils, bei dem das Kind nicht lebt, durchsetzen kann. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest (ebenso: Sächs. OVG, Urt. v. 16.3.2011 - 5 D 181/10 -; VGH München, Beschl. v. 20.1.2014 - 12 C 13.2488 -; OVG Berlin-Bbg., Urt. v. 13.12.2018 - OVG 6 B 9.17 -; vgl. auch OVG NRW, Urt. v. 23.9.1999 - 16 A 461/99 -). Für die hier vorliegende Klage, jedenfalls soweit sie sich gegen den Bescheid des Beklagten vom 17. Mai 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Februar 2019 richtet, mit dem der Bewilligungsbescheid über Unterhaltsvorschussleistung vom 20. Dezember 2017 ab dem 1. Juni 2018 in Höhe von 40,00 Euro aufgehoben worden ist, gilt nichts anderes. Denn auch dann, wenn ein bereits erlassener Bewilligungsbescheid teilweise gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X für die Zukunft aufgehoben worden ist, weil nach § 2 Abs. 3 UVG Einkünfte des Berechtigten auf die Unterhaltsleistung anzurechnen sind, geht es um die (zukünftige) Zahlung von Unterhaltsleistungen, für die § 9 Abs. 1 UVG ein Antragsrecht und nach der o.a. Rechtsprechung auch ein eigenständiges Klagerecht des alleinerziehenden Elternteils vorsieht. Die Klägerin ist daher insoweit klagebefugt. Entsprechendes dürfte auch mit Blick auf die Anfechtung des weiteren Bescheides des Beklagten vom 17. Mai 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Februar 2019, mit dem der Beklagte die Bewilligungsbescheide über Unterhaltsvorschussleistung vom 20. Dezember 2016 und vom 20. Dezember 2017 für die Zeit vom 1. Dezember 2017 bis zum 31. Dezember 2017 und vom 1. Januar 2018 bis zum 31. Mai 2018 in Höhe von 40,00 Euro monatlich rückwirkend aufgehoben und Leistungen in Höhe von 120,00 Euro (3 x 40,00 Euro für die Monate Dezember 2017, Januar 2018 und Februar 2018) auf der Grundlage von § 5 Abs. 2 UVG von der Tochter der Klägerin zurückgefordert hat, anzunehmen sein. Denn die Gründe, die dafür sprechen, dass der Anspruch des Kindes auf Unterhaltsvorschuss vom alleinerziehenden Elternteil, bei dem das Kind lebt, in eigenem Namen im Klagewege verfolgt werden kann, sind auch bei einer rückwirkenden Aufhebung eines Bewilligungsbescheides und der Rückforderung bereits erbrachter Unterhaltsvorschussleistungen gegeben (anders noch Senatsbeschl. v. 13.8.2012 - 4 PA 198/12 -).

Die Rechtsverfolgung weist jedoch deshalb keine hinreichende Aussicht auf Erfolg auf, weil die Klage gegen die o.a. Bescheide des Beklagten bei summarischer Prüfung unbegründet ist. Denn die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide begegnet keinen Bedenken.

Nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 UVG werden auf die sich nach § 2 Abs. 1 und 2 UVG ergebende Unterhaltsleistung in demselben Monat erzielte Einkünfte des Berechtigten in Gestalt von Unterhaltszahlungen des Elternteils, bei dem der Berechtigte nicht lebt, angerechnet. Der Senat hat keine Zweifel, dass es sich bei den vom Kindesvater monatlich geleisteten 40,00 Euro um eine Unterhaltszahlung im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 1 UVG gehandelt hat bzw. handelt. Dies wird auch durch die Mitteilung des Amtsgerichts C. vom 25. Juni 2018, welche die Klägerin im Klageverfahren vorgelegt hat, bestätigt. Aus § 2 Abs. 3 Nr. 1 UVG ergibt sich ferner unzweideutig, dass es für die Anrechnung der Einkünfte auf die Unterhaltsleistung auf den Monat ankommt, in dem diese erzielt worden sind. Das ist der Monat, in dem sie dem Berechtigten zugeflossen sind. Die Nichtberücksichtigung dieser Zahlungen wegen ihrer Verrechnung mit weiter zurückliegenden Unterhaltsrückständen ist entgegen der Auffassung der Klägerin im Unterhaltsvorschussgesetz nicht vorgesehen. Auch § 7 UVG ist nicht dazu angetan, die Auffassung der Klägerin zu stützen, weil diese Norm lediglich den Übergang von Ansprüchen des Berechtigten gegen den Elternteil, bei dem er nicht lebt, auf das Land regelt, sich aber nicht dazu verhält, wie mit tatsächlich geleisteten Unterhaltszahlungen dieses Elternteils an den Berechtigten zu verfahren ist. Daher waren die Zahlungen des Kindesvaters an die Tochter der Klägerin nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 UVG für den Monat, in dem die Berechtigte sie (voraussichtlich) erhalten wird bzw. erhalten hat, anzurechnen. Die teilweise Aufhebung des Bescheides vom 20. Dezember 2017 mit Wirkung für die Zukunft (ab dem 1. Juni 2018) durch Bescheid vom 17. Mai 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Februar 2019 auf der Grundlage von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X begegnet somit keinen Bedenken. Auch die teilweise Aufhebung der Bewilligungsbescheide vom 20. Dezember 2016 und vom 20. Dezember 2017 mit Wirkung für die Vergangenheit sowie die Rückforderung von bereits erbrachten Unterhaltsvorschussleistungen in Höhe von 120,00 Euro unterliegt keinen Zweifeln. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X soll ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Die seit Dezember 2017 vom Kindesvater an die Tochter der Klägerin monatlich gezahlten 40,00 Euro sind nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 UVG Einkünfte und damit auch Einkommen im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X. § 5 Abs. 2 UVG bestimmt überdies, dass der Berechtigte den geleisteten Betrag zurückzuzahlen hat, soweit die Voraussetzungen für die Zahlung der Unterhaltsleistung in dem Kalendermonat, für den sie gezahlt worden ist, nicht vorgelegen haben, weil der Berechtigte nach Stellung des Antrages auf Unterhaltsleistungen Einkommen im Sinne des § 2 Abs. 3 UVG oder Einkünfte und Erträge im Sinne des § 2 Abs. 4 UVG erzielt hat, die bei der Bewilligung der Unterhaltsleistung nicht berücksichtigt worden sind. § 48 SGB X wird damit dergestalt abgeändert, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 UVG – wie sie hier gegeben sind – die Rückzahlung des Unterhaltsvorschusses und damit auch die (teilweise) Aufhebung des Bewilligungsbescheides zwingend ist (vgl. Conradis, UVG, 2. Aufl. 2013, § 5 Rn. 7), so dass der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid der Beklagten sich als rechtmäßig erweist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 188 VwGO und § 166 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).