Sozialgericht Lüneburg
Beschl. v. 09.10.2008, Az.: S 25 SF 80/08 (PKH)
Bibliographie
- Gericht
- SG Lüneburg
- Datum
- 09.10.2008
- Aktenzeichen
- S 25 SF 80/08 (PKH)
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 55015
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Tenor:
Auf die Anschlusserinnerung des Erinnerungsgegners vom 26. August 2008 wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 02. Juli 2008 - E. - geändert.
Die aus der Staatskasse an die beigeordnete Prozessbevollmächtigte des Erinnerungsführers zu erstattende Prozesskostenhilfevergütung wird endgültig auf einen Betrag in Höhe von 416,50 € festgesetzt.
Die Erinnerung des Erinnerungsführers vom 04. Juli 2008 wird zurückgewiesen.
Diese Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde an das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen anfechtbar.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der der Prozessbevollmächtigten des Erinnerungsführers aus der Staatskasse im Rahmen der Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) zu erstattenden Gebühren.
Im zugrunde liegenden Klageverfahren F. stritten die Beteiligten um die Übernahme der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung sowie die Verrechnung eines Betriebskostenguthabens. Streitgegenständlich war insoweit der Bescheid der Beklagten des gerichtlichen Verfahrens vom 14. Mai 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. August 2007, wobei lediglich die Leistungshöhe der Monate Juni und Juli 2007 umstritten war. Gegen die Verwaltungsentscheidung der Beklagten erhob die Prozessbevollmächtigte des Erinnerungsführers bei dem Sozialgericht Lüneburg am 17. September 2007 Klage. Mit Beschluss vom 12. Oktober 2007 bewilligte die Kammer Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Prozessbevollmächtigten des Erinnerungsführers.
Im Rahmen des Termins zur mündlichen Verhandlung vom 12. Oktober 2007 hinsichtlich des zwischen den gleichen Beteiligten geführten Rechtsstreits betreffend Kosten der Unterkunft und Heizung ab dem 01. November 2006 - G. - schlossen die Beteiligten einen Vergleich, wonach sowohl dieses als auch das hier zugrunde liegende Verfahren erledigt sein sollten. Die Beklagte verpflichtete sich, für den Zeitraum von November 2006 bis November 2007 Heizkostenabschläge in Höhe von monatlich 55,00 € zu gewähren und darüber hinaus in beiden Verfahren jeweils 3/4 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Im Verfahren G. ist der Prozessbevollmächtigten des Erinnerungsführers aus der Staatskasse insgesamt eine Rechtsanwaltsvergütung in Höhe von 690,20 € unter Berücksichtigung einer Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV-RVG in Höhe von 170,00 €, einer Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG in Höhe von 200,00 € sowie einer Einigungsgebühr nach Nr. 1006 VV-RVG in Höhe von 190,00 € nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer antragsgemäß erstattet worden.
Mit Schriftsatz vom 13. Mai 2008 hat die Prozessbevollmächtigte des Erinnerungsführers die Festsetzung von Prozesskostenhilfevergütung für das Verfahren E. in Höhe von 690,20 € beantragt, die sich aus den Positionen zusammensetzt, die bereits Grundlage der für das Verfahren G. erstatteten Gebühren waren.
Mit Beschluss vom 02. Juli 2008 hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Prozesskostenhilfevergütung, welche der Prozessbevollmächtigten des Erinnerungsführers aus der Staatskasse zu erstatten ist, auf 452,20 € festgesetzt. Grundlage dieser Festsetzung war dabei folgende Berechnung:
Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3102 VV-RVG 170,00 € Erledigungs-/Einigungsgebühr gemäß Nr. 1006-VV-RVG 190,00 € Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV-RVG 20,00 € Mehrwertsteuer gemäß Nr. 7008 VV-RVG 72,20 € Gesamtsumme 452,20 €
Hiergegen hat die Prozessbevollmächtigte des Erinnerungsführers mit Schriftsatz vom 04. Juli 2008 Erinnerung eingelegt und wendet sich insbesondere gegen die fehlende Festsetzung einer Terminsgebühr.
Der Erinnerungsgegner seinerseits hat mit Schriftsatz vom 26. August 2008 Anschlusserinnerung gegen die Festsetzung der Verfahrensgebühr und gegen die Festsetzung der Einigungsgebühr in Höhe der Mittelgebühr eingelegt und vertritt die Auffassung, Dauer und Umfang sowie die Schwierigkeit der Angelegenheit seien deutlich unterdurchschnittlich; insbesondere seien die durch das andere Verfahren entstandenen Synergieeffekte zu berücksichtigen.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat die Erinnerungen der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die gemäß § 56 Abs. 1 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - (RVG)) gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 02. Juli 2008 - E. - erhobene zulässige Erinnerung des Erinnerungsführers und Klägers (im Folgenden: Erinnerungsführer) ist unbegründet, weil eine die bisherige Festsetzung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle übersteigende Rechtsanwaltsvergütung nicht angemessen ist; vielmehr ist bereits die bisherige Festsetzung kostenrechtlich nicht gerechtfertigt. Deshalb hat auch die zulässige Anschlusserinnerung des Erinnerungsgegners Erfolg.
Der Urkundsbeamte hat die Kosten des Rechtsstreits zu Unrecht auf insgesamt 452,20 € festgesetzt. Die Kammer hält eine Rechtsanwaltsvergütung in Höhe eines Betrages von 416,50 € für angemessen. Dabei ist eine Verfahrensgebühr in Höhe von 100,00 € (dazu unter 1.), eine Terminsgebühr in Höhe von 120,00 € (dazu unter 2.) und eine Einigungsgebühr in Höhe von 110,00 € (dazu unter 3.) entstanden. Die übrigen Gebührenpositionen standen zwischen den Beteiligten nicht im Streit (dazu unter 4.).
Die Höhe der nach Durchführung eines Sozialgerichtsverfahrens zu erstattenden Gebühr bestimmt sich grundsätzlich nach dem für die anwaltliche Tätigkeit im Verfahren vor den Sozialgerichten vorgesehenen Gebührenrahmen (§ 3 Abs. 1 RVG). Die Bestimmung der im Einzelfall angemessenen Gebühr ist gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 RVG dem billigen Ermessen des Prozessbevollmächtigten überlassen, wobei nach dem Gesetzeswortlaut alle Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, die Bedeutung der Angelegenheit und die Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers zu berücksichtigen sind. Das Haftungsrisiko ist nach § 14 Abs. 1 S. 3 RVG zu berücksichtigen. Was die Bestimmung der angemessenen Gebühr innerhalb des jeweiligen Gebührenrahmens angeht, entspricht es allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum, dass die Mittelgebühr ein angemessenes Äquivalent für die anwaltliche Tätigkeit in einem in jeder Hinsicht durchschnittlichen Streitverfahren darstellt. Davon ausgehend sind sodann Abschläge für unterdurchschnittliche und Zuschläge für überdurchschnittliche Verfahren vorzunehmen. Dabei kann im Übrigen etwa die Überdurchschnittlichkeit eines Bewertungskriteriums durch die Unterdurchschnittlichkeit anderer Bewertungskriterien kompensiert werden.
1. Die Verfahrensgebühr war dem Rahmen der Nr. 3103 des Vergütungsverzeichnisses (VV-RVG) - Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG - zu entnehmen. Dieser Rahmen sieht eine Gebührenspanne von 20,00 € bis 320,00 € vor. Erweist sich das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information nach den Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG als durchschnittliche Leistung, ist die Mittelgebühr von 170,00 € angemessen. Eine höhere bzw. niedrigere Gebühr kommt in Betracht, wenn auch nur ein Tatbestandsmerkmal des § 14 RVG fallbezogen über- oder unterdurchschnittlich zu bewerten ist, wobei die Überdurchschnittlichkeit eines Bewertungskriteriums durch die Unterdurchschnittlichkeit anderer Bewertungskriterien kompensiert werden kann.
Vorliegend war die Bedeutung der Angelegenheit unterdurchschnittlich, weil im Vergleich zu anderen sozialgerichtlichen Verfahren keine Leistungen dem Grunde nach auf Dauer, sondern lediglich um (anteilige) Kosten der Heizkosten für zwei Monate (Juni und Juli 2007) und die damit zusammenhängende Verrechnung eines Betriebskostenguthabens gestritten worden ist. Auch im Vergleich zu anderen Fällen, in denen das Existenzminimum im Streit steht, ist damit die Bedeutung der Angelegenheit unterdurchschnittlich, zumal auch nicht eine vollständige Leistungsversagung für mehrere Monate im Raum stand.
Der zeitliche Umfang und der Schwierigkeitsgrad der Sache, der die Fertigung von einem Schriftsatz, in dem keine Auseinandersetzung mit Literatur und Rechtsprechung erfolgen musste, waren ebenfalls (weit) unterdurchschnittlich. Dabei ist - worauf der Erinnerungsgegner völlig zu Recht hinweist - durchaus als für den Anwalt arbeitserleichternder Umstand zu berücksichtigen, wenn er - wie hier - in gleich oder ähnlich gelagerten Fällen tätig geworden ist. Der dadurch bedingte Rationalisierungseffekt kann gebührenrechtlich - mindernd - berücksichtigt werden (vgl. hierzu etwa Bundessozialgericht, Beschluss vom 22. Februar 1993, - Az. 14b/4 REg 12/91, SozR 3-1930 § 116 Nr. 4). Er ändert zwar grundsätzlich nichts am Grad der Schwierigkeit einer Angelegenheit, wohl aber am objektiven Umfang der anwaltlichen Tätigkeit, der nach der Gesetzesfassung neben der Schwierigkeit der Sache gleichermaßen von Bedeutung ist. Weil der Prozessbevollmächtigten des Erinnerungsführers im ähnlich gelagerten Parallelverfahren - G. - jeweils die Mittelgebühr erstattet worden ist, ist es gerechtfertigt, von einem - weit - unterdurchschnittlichen Umfang der vorliegenden Sache auszugehen, zumal das vorliegende Verfahren von der Klageerhebung am 17. September 2007 bis zur Erledigung des Rechtsstreits am 12. Oktober 2007 nicht einmal einen Monat anhängig war.
Mit Blick darauf, dass um Leistungen nach dem SGB II gestritten worden ist, kann ferner von unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Erinnerungsführers ausgegangen werden, die in die Abwägung einzustellen sind. Damit rechtfertigen die unterdurchschnittliche Anforderung an die anwaltlichen Tätigkeit, die unterdurchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit, die unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Erinnerungsführers und das unterdurchschnittliche Haftungsrisiko seiner Prozessbevollmächtigten die Zuerkennung einer Verfahrensgebühr in Höhe eines Betrages von 100,00 €; der darüber hinausgehend geltend gemachte Betrag ist - auch unter Berücksichtigung eines Toleranzrahmens - unbillig.
2. Die Terminsgebühr ist - entgegen der Auffassung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle - dem Grunde nach entstanden, weil allein entscheidend ist, dass über den Rechtsstreit im Rahmen eines gerichtlichen Termins verhandelt worden ist; auf eine Ladung oder einen Aufruf der Sache kommt es dabei nicht an. Für die Terminsgebühr, die sich nach Nr. 3106 VV-RVG richtet und für die ein Gebührenrahmen zwischen 20,00 € und 380,00 € bei einer Mittelgebühr von 200,00 € vorgesehen ist, hält die Kammer einen Betrag in Höhe von 120,00 € für angemessen; der darüber hinausgehend geltend gemachte Betrag ist - auch unter Berücksichtigung eines Toleranzrahmens - unbillig. Unter Berücksichtigung der unterdurchschnittlichen Bedeutung der Angelegenheit und mit Blick auf die bereits erörterten Synergieeffekte wegen der Terminierung im Parallelverfahren, für das der Prozessbevollmächtigten jeweils die Mittelgebühr vergütet wurde, und dem für beide Verfahren durchschnittlichen Zeitaufwand kommt für die Terminsgebühr nur ein Ansatz unterhalb der Mittelgebühr - hier also in Höhe eines Betrages von 120,00 € - in Betracht.
3. Aus den gleichen Gründen war die Erledigungsgebühr nach Nr. 1006 VV-RVG, die bei einem Gebührenrahmen von 30,00 € bis 350,00 € eine Mittelgebühr von 190,00 € vorsieht, auf 110,00 € zu reduzieren; der darüber hinausgehend geltend gemachte Betrag ist - auch unter Berücksichtigung eines Toleranzrahmens - unbillig.
4. Da die übrigen Gebührenpositionen zwischen den Beteiligten nicht im Streit stehen, ergibt sich folgende Berechnung:
Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3103 VV-RVG 100,00 € Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 VV-RVG 120,00 € Erledigungs-/Einigungsgebühr gemäß Nr. 1006 VV-RVG 110,00 € Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV-RVG 20,00 € Mehrwertsteuer gemäß Nr. 7008 VV-RVG 66,50 € Gesamtsumme 416,50 €
5. Die Entscheidung ist in entsprechender Anwendung des § 197 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) endgültig (vgl. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 28. Dezember 2006, - L 8 B 4/06 SO SF).