Sozialgericht Lüneburg
Urt. v. 29.07.2008, Az.: S 3 U 23/07

Forderung von Beiträgen für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten i.R.d. Beitragspflicht für die gesetzliche Unfallversicherung im Falle einer Mithilfe von Angestellten eines Unternehmens am Bauvorhaben

Bibliographie

Gericht
SG Lüneburg
Datum
29.07.2008
Aktenzeichen
S 3 U 23/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 34504
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGLUENE:2008:0729.S3U23.07.0A

Tenor:

Die Klage gegen den Beitragsbescheid vom 26. April 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Februar 2007 wird abgewiesen. Die Kläger tragen die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits sowie die Gerichtskosten in voller Höhe. Der Streitwert wird endgültig auf einen Betrag in Höhe von 7.638,56 EUR festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darum, ob die Kläger Beiträge für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten an die Beklagte zu entrichten haben.

2

Die Kläger sind seit dem Jahre 1998 ausweislich des Grundbuches von G., Blatt 230, je zur Hälfte Eigentümer eines Grundstückes in H., I., Flur 4, Flurstück 24/1 und waren Bauherren eines in der Zeit von April 2004 bis in das Jahr 2005 auf dem genannten Grundstück errichteten Doppelhauses. Der Kläger zu 2. ist ferner Inhaber der Firma J., die Mitglied der Beigeladenen ist.

3

Mit Bescheid vom 26. April 2006 setzte die Beklagte - ohne die Kläger zuvor angehört zu haben - aufgrund der durch die Kläger eingereichten Eigenbaunachweise Beiträge für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten für die Zeit von Dezember 2004 bis 2005 entsprechend den vom Kläger gemachten Angaben zu den Arbeitsstunden der mithelfenden Personen in Höhe von insgesamt 7.638,56 EUR fest.

4

Am 26. Mai 2006 erhoben die Kläger gegen den Beitragsbescheid Widerspruch. Zur Begründung führten sie aus, bei den mithelfenden Personen habe es sich um Angestellte der Firma K. gehandelt, die von den Klägern betrieben werde. Als solche seien diese Personen bei der Beigeladenen versichert. Ferner sei das Bauvorhaben zunächst auch aus Betriebsmitteln verwirklicht worden, so dass auch das Unternehmen als Bauherr anzusehen sei. Die Mitarbeiter der Firma L., hätten im Auftrag dieses Unternehmens gelegentlich bei der Erstellung des Bauvorhabens geholfen; eine (weitere) Versicherung bei der Beklagten könne daher nicht bestehen.

5

Den Widerspruch der Kläger wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13. Februar 2007 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, eine Auftragserteilung durch die Kläger an die Firma K. sei nicht nachgewiesen worden, so dass nicht von einer gewerblichen Ausführung der Bauarbeiten durch die Firma der Kläger auszugehen sei. Daher hätten die von den Klägern beschäftigten Hilfskräfte kraft Gesetzes dem Versicherungsschutz durch die Beklagte unterlegen, so dass der Beitrag für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten nach § 156 SGB VII in Verbindung mit § 57 der Satzung der Beklagten zu bestimmen sei.

6

Die Kläger beantragen nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,

den Beitragsbescheid vom 26. April 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. Februar 2007 aufzuheben.

7

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Zur Begründung verweist sie im Wesentlichen auf ihre Ausführungen in den angegriffenen Entscheidungen. Ergänzend führt sie aus, beide Kläger seien zu gleichen Teilen Eigentümer des Grundstücks, auf dem das Doppelhaus errichtet worden sei. Das Bauvorhaben gereiche beiden zum direkten Vor- oder Nachteil, so dass sie im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung als Unternehmer anzusehen seien; insbesondere bestehe keine Unternehmeridentität zu dem der Beigeladenen zugehörigen Einzelunternehmen.

9

Die mit Beschluss der Kammer vom 07. Juni 2007 beigeladene M. stellt keinen Antrag.

10

Die Kammer hat die Beteiligten mit Verfügungen vom 09. Juni 2008 und 11. Juli 2008 darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid zu entscheiden.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, auf den Inhalt der Prozessakte sowie auf die die Kläger betreffenden Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen. Diese Unterlagen lagen vor und waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

12

Die Kammer konnte den Rechtsstreit gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Den Beteiligten ist zuvor rechtliches Gehör gewährt worden; eine Zustimmung der Beteiligten zu dieser Entscheidungsform ist nicht erforderlich.

13

Die als (isolierte) Anfechtungsklage (vgl. dazu Meyer-Ladewig, SGG, § 54 Rdnr. 3 a, 32 ff.) zulässige Klage gegen den Beitragsbescheid vom 26. April 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. Februar 2007 ist unbegründet, denn dieser ist rechtmäßig und beschwert die Kläger nicht, § 54 Abs. 2 S. 1 SGG.

14

Die angefochtene Entscheidung ist zunächst formell rechtmäßig. Zwar ist eine Anhörung der Kläger vor Erlass des streitgegenständlichen Beitragsbescheides vom 26. April 2006 unterblieben. Dies führt hier aber nicht zu dessen Rechtswidrigkeit. Dabei kann zunächst dahingestellt bleiben, ob die Beklagte von einer Anhörung nach § 24 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB X) hätte absehen können, wofür indes auch nichts ersichtlich ist. Selbst wenn von einer Verletzung der Anhörungspflicht ausgegangen werden müsste, wäre dieser Fehler unbeachtlich, da die Anhörung im Widerspruchsverfahren wirksam nachgeholt worden ist (§ 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X). Im vorliegenden Fall genügt hierfür die Durchführung des Widerspruchsverfahrens, da die Beklagte in der angegriffenen Entscheidung die für die Entscheidung maßgebenden Tatsachen angegeben und den Widerspruch sachlich beschieden hat (vgl. Bundessozialgericht , Urteil vom 24. März 1994 - 5 RJ 22/93, zitiert nach [...]).

15

Der danach formell rechtmäßige Beitragsbescheid ist auch in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Beitragspflichtig sind in der gesetzlichen Unfallversicherung gemäß § 150 Abs. 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) die Unternehmer, für deren Unternehmen Versicherte tätig sind, oder zu denen Versicherte in einer besonderen, die Beitragspflicht begründenden Beziehung stehen.

16

Ein Unternehmen in diesem Sinne setzt eine planmäßige, für eine gewisse Dauer bestimmte Vielzahl von Tätigkeiten voraus, die auf ein einheitliches Ziel gerichtet sind und mit einer gewissen Regelmäßigkeit ausgeübt werden. Auch Tätigkeiten des privaten Lebens, wie etwa solche als Bauherr eines eigenen Wohnhauses bzw. als Auftraggeber nicht gewerbsmäßiger Bauarbeiten zum Eigenheimbau, kann ein Unternehmen im Sinne von § 121 Abs. 1 SGB VII (vgl. Bundessozialgericht , Urteil vom 24. März 1998, - B 2 U 21/97 R) darstellen.

17

Dass die Kläger als jeweils hälftige Miteigentümer des Grundstücks in N. jeweils das unmittelbare wirtschaftliche Risiko der dafür verrichteten nicht gewerbsmäßigen Bauarbeiten, deren Ergebnis ihnen zugute kam, trugen und daher insoweit Unternehmer im Sinne von § 136 Abs. 3 Nr. 1 SGB VII waren, ist nicht zweifelhaft. Insbesondere steht dieser Annahme nicht entgegen, dass das Einzelunternehmen K. nach dem Vortrag der Kläger das Bauvorhaben zunächst finanziert hat. Entscheidender Gesichtspunkt ist - darauf hat die Beklagte bereits zu Recht hingewiesen -, dass die Kläger als Miteigentümer sämtliche mit ihrer Eigentümerstellung einhergehenden Vor- und Nachteile selbst trugen. Dies ist für die Unternehmereigenschaft im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung ausreichend, zumal die Kläger ihre Bauherreneigenschaft im gesamten Verwaltungsverfahren zu keinem Zeitpunkt bestritten haben.

18

Nur zur ergänzenden Verdeutlichung sei angemerkt, dass der entscheidende Gesichtspunkt für die Versicherungspflicht der Kläger bei der Beklagten ist, dass sich die Kläger die Mitarbeiter der Firma O. unabhängig von deren Arbeitnehmereigenschaft bei der vorgenannten Firma quasi "ausgeliehen" haben, um sie in ihrer Eigenschaft als Grundstückseigentümer für den Zweck der Errichtung des Bauvorhabens als mithelfende Personen zu beschäftigen. Diese Auffassung wird insbesondere dadurch genährt, dass eine Beauftragung der Firma P. zur Verrichtung von Arbeiten an dem Doppelhaus der Kläger weder nachgewiesen noch wegen des völlig andersartigen Gewerbezweigs überhaupt wahrscheinlich ist.

19

Soweit ferner die Vorschrift des § 135 SGB VII zugunsten der Kläger bemüht werden soll, vermag sich die Kammer auch dieser Argumentation nicht anzuschließen, weil diese Norm nur regelt, dass das Bestehen mehrerer Versicherungen für ein und dasselbe Unternehmen ausgeschlossen sein soll. Darum geht es im vorliegenden Rechtsstreit aber gerade nicht: Denn das Unternehmen der Kläger als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) ist offensichtlich nicht mit dem Unternehmen der Firma O. identisch.

20

Wenn die Kläger danach der Versicherungspflicht bei der Beklagten unterliegen, ist auch der zu zahlende Beitrag zutreffend ermittelt worden. Nach § 165 Abs. 2 SGB VII ist der Unternehmer nicht gewerbsmäßiger Bauarbeiten verpflichtet, der Beklagten zur Berechnung der Beiträge einen Nachweis über geleistete Arbeitsstunden der helfenden Personen einzureichen. Nach § 167 SGB VII i.V.m. § 157 Abs. 2 S. 2 SGB VII und § 62 der Satzungen der Beklagten werden die angegebenen Helferstunden der Berechnung des Beitrages zugrunde gelegt. Reicht der Unternehmer den Nachweis nicht, nicht rechtzeitig, falsch oder unvollständig ein, kann der Unfallversicherungsträger eine Schätzung vornehmen. Sollte sich später herausstellen, dass der Lohnnachweis des Unternehmers unrichtige Angaben enthält oder sich die vom Versicherungsträger vorgenommene Schätzung als unrichtig erweist, so darf gem. § 168 Abs. 2 SGB VII der darauf beruhende Beitragsbescheid mit Wirkung für die Vergangenheit zu Ungunsten des Beitragspflichtigen aufgehoben werden. Darüber hinaus sind Bauherren gem. § 199 Abs. 5 SGB VII gegenüber dem zuständigen Unfallversicherungsträger auskunftspflichtig. Dies umfasst die Auskunft darüber, ob und welche nicht gewerbsmäßigen Bauarbeiten ausgeführt werden sowie welche Unternehmer mit der Ausführung der gewerblichen Bauarbeiten beauftragt sind.

21

Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze hat die Beklagte die Beiträge zutreffend festgesetzt, nachdem die Kläger ihren oben skizzierten Mitwirkungspflichten nachgekommen waren. Dabei besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit über den Umfang der geleisteten Helferstunden und die Berechnung der Beitragsforderung. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen wird wegen der Berechnungsgrundsätze auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 13. Februar 2007 Bezug genommen; der dortigen Begründung folgt die Kammer und macht sie zur Grundlage ihrer eigenen Entscheidung, § 136 Abs. 3 SGG.

22

Nach alledem war die Klage abzuweisen.

23

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG. Gemäß § 197 a Abs. 1 SGG werden auch im Sozialgerichtsverfahren Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben, wenn weder Kläger noch Beklagte bzw. Antragsteller oder Antragsgegnerin Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenen-Leistungsempfänger, Behinderte oder deren Sonderrechtsnachfolger sind. In diesen Fällen finden die §§ 154 bis 162 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) entsprechend Anwendung. Es war deshalb nach § 154 Abs. 1 VwGO zu entscheiden, dass die Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen haben, weil sie im Verfahren unterlegen sind.

24

Das Prozessgericht setzt ferner den Wert für die zu erhebenden Gebühren gem. § 63 Abs. 2 GKG durch Beschluss von Amts wegen fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 52 Abs. 1 GKG). Betrifft der Antrag des Antragstellers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend (§ 52 Abs. 3 GKG). Für die Wertberechnung entscheidend ist der Zeitpunkt der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden Antragstellung, die den Rechtszug einleitet. Dies war bei Klageeinreichung eine Beitragsforderung in Höhe von 7.638,56 EUR; dieser Betrag war daher festzusetzen.