Sozialgericht Lüneburg
Beschl. v. 11.04.2008, Az.: S 13 R 518/07 ER

Bibliographie

Gericht
SG Lüneburg
Datum
11.04.2008
Aktenzeichen
S 13 R 518/07 ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2008, 44844
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGLUENE:2008:0411.S13R518.07ER.0A

Tenor:

  1. Der Antrag wird abgelehnt. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

1

I.

Die Antragsgegnerin fordert vom Antragsteller Sozialversicherungsbeiträge für die Zeit vom 1. Januar 1994 bis 31. Dezember 1997 in Höhe von insgesamt 60 836,24 EUR zurück. In der Nachforderung sind Säumniszuschläge nach § 24 Abs. 2 SGB IV in Höhe von 32 487,23 EUR enthalten.

2

Das Finanzamt G. stellte im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung fest, dass Lohnzahlungen für diverse Arbeitnehmer des Antragstellers nicht in der Lohnbuchhaltung erfasst wurden und Arbeitnehmer zusätzlich zu ihrem Arbeitsentgelt Schwarzlohnzahlungen erhielten. Es waren hierüber Unterlagen vorhanden, wobei seinerzeit streitig war, wer diese Unterlagen angefertigt hatte. Im Rahmen der Prüfung des Finanzamtes kam es zu einer Schlussbesprechung betreffend das Unternehmen des Antragstellers. Hierbei wurde zwischen dem Finanzamt und dem Antragsteller am 30. März 2006 eine sog. tatsächliche Verständigung erzielt. Im Rahmen der tatsächlichen Verständigung wurden die Schwarzlöhne im Vergleich zu den Prüfungsfeststellungen der Lohnsteueraußenprüfung erheblich reduziert und der Pauschalversteuerung nach § 40a Einkommenssteuergesetz (EStG) unterworfen.

3

Die Beklagte erließ am 7. Februar 2007 gegenüber dem Antragsteller einen Bescheid, in dem der oben genannte Betrag nachgefordert wurde. Grundlage der Berechnung der nachgeforderten Beiträge waren die Feststellungen des Finanzamtes im Rahmen der Lohnsteueraußenprüfung (auch) aufgrund der vorhandenen Unterlagen, jedoch nicht die Feststellungen im Rahmen der tatsächlichen Verständigung. Gegen den Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein mit der Begründung, es seien die Prüfungsfeststellungen, die im Rahmen einer der tatsächlichen Verständigung am 30. März 2006 erzielt wurden, zugrunde zu legen. Diesen Widerspruch wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 4. Juni 2007 zurück. Zur Begründung verwies sie darauf, dass die Beitragsfestsetzung sowohl für die Sozialversicherungspflichtigen als auch für die geringfügig entlohnten Arbeitnehmer insgesamt in Form eines Summenbeitragsbescheides gemäß § 28f Abs. 2 Satz 1 SGB IV erfolge, da der Antragsteller trotz mehrfacher Aufforderung seiner Vorlagepflicht nicht nachgekommen sei und der sozialversicherungsrechtliche Status und die tatsächlichen Sachverhalte (personenbezogene Zuordnung) - nach Aussage des Antragstellers - nicht mehr festgestellt werden könne. Die durchgeführte Pauschalversteuerung nach § 40a Einkommenssteuergesetz seitens der Finanzbehörde löse keine Beitragsfreiheit in der Sozialversicherung aus.

4

Gegen diesen Bescheid hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Lüneburg erhoben. Zugleich beantragte er die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage.

5

II.

Nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen.

6

Die aufschiebende Wirkung ist anzuordnen, wenn der Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig ist und der Betroffene dadurch in seinen subjektiven Rechten verletzt wird. Ist die in der Hauptsache zulässige Klage hingegen aussichtslos, wird die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet. Sind die Erfolgsaussichten der Klage nicht abschließend zu beurteilen, erfolgt eine allgemeine Interessenabwägung (Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 8. Auflage, § 86b Rz. 12c ff.).

7

Im vorliegenden Fall bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes. Die Beklagte fordert zu Recht die Sozialversicherungsbeiträge in der geforderten Höhe nach.

8

Gemäß § 20 Abs. 1 SGB IV werden die Mittel der Sozialversicherung durch Beiträge der Versicherten, der Arbeitgeber und Dritter, durch staatliche Zuschüsse und sonstige Einnahmen aufgebracht. Zur Aufbringung dieser Beiträge statuiert § 28a SGB IV eine Meldepflicht des Arbeitgebers. Sofern ein Arbeitgeber dieser gesetzlich festgelegten Meldepflicht nicht nachkommt, gilt § 28f Abs. 2 Satz 1 SGB IV. Hat danach ein Arbeitgeber die Aufzeichnungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt und können dadurch die Versicherungs- oder Beitragspflicht oder die Beitragshöhe nicht festgestellt werden, kann der prüfende Träger der Rentenversicherung den Beitrag in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung und zur Arbeitsförderung von der Summe der vom Arbeitgeber gezahlten Arbeitsentgelte geltend machen.

9

Im vorliegenden Fall ist der Antragsteller seiner Aufzeichnungspflicht nicht ordnungsgemäß nachgekommen, so dass die Versicherungs- bzw. Beitragspflicht und die Beitragshöhe nicht mehr festgestellt werden können. Auf dieser Grundlage hat die Antragsgegnerin zu Recht den Beitrag von der Summe der vom Arbeitgeber gezahlten Arbeitsentgelte geltend gemacht. Dies entspricht der in § 28f Abs. 2 Satz 2 SGB IV geregelten Rechtsfolge. Soweit der Antragsteller vorträgt, tatsächliche Zahlungen seien nicht mehr feststellbar, geht dieser Einwand ins Leere. Immerhin waren im Rahmen der Lohnsteueraußenprüfung Aufzeichnungen für tatsächliche Zahlungen festgestellt worden. Im Rahmen der Steuerprüfung hatte der Antragsteller lediglich bestritten, dass er diese Unterlagen selbst angefertigt habe. Darüber hinaus hatte er hinsichtlich der Schwarzlöhne geltend gemacht, es habe sich nur um geringfügig Beschäftigte gehandelt. Für das vorliegenden Verfahren macht dies jedoch keinen Unterschied. Die Unterlagen können als Grundlage für den Bescheid der Beklagten herangezogen werden, denn es liegen insoweit konkrete Summen vor.

10

Soweit der Antragsteller von einer niedrigeren Summe ausgehen will, liegt insoweit die Beweislast bei ihm. Nach dem in allen Bereichen des Sozialrechts geltenden Grundsatz der sog. objektiven Beweis- und Feststellungslast sind die Folgen der Nicht-Aufklärbarkeit einer Tatsache von demjenigen zu tragen, der aus dieser Tatsache ein Recht herleiten will. Für den Fall, dass eine Aufklärung der tatsächlichen gezahlten Beiträge nicht möglich ist, hat das Gesetz gerade in § 28f die Folge geregelt. Die Antragsgegnerin hätte die Zahlungen sogar gemäß § 28f Abs. 2 Satz 3 SGB IV schätzen können. Das SGB IV statuiert in § 28a die Meldepflicht des Arbeitgebers. Ergeben sich aus der Nichterfüllung Unklarheiten, die letztlich nicht aufklärbar sind (worauf sich der Antragsteller letztlich beruft) folgt die Rechtsfolge, nämlich der Summenbescheid oder die Schätzung, aus § 28f SGB IV, sofern der Antragsteller nicht anderes nachweisen kann. Es muss also nicht die Antragsgegnerin dem Antragsteller nachweisen, in welcher Höhe er Löhne gezahlt hatte (und ob eine geringfügige Beschäftigung vorlag), sondern der Antragsteller hätte dies im Rahmen seiner Pflichten melden müssen. Hinsichtlich der unterlassenen Meldung folgt die Rechtsfolge aus dem Gesetz, wie oben dargelegt.

11

Der Antragsteller hat weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht, dass eine geringere Summe an Löhnen gezahlt wurde, als die Antragsgegnerin in ihrem Bescheid zugrunde gelegt hat. Insbesondere ist die tatsächliche Verständigung mit dem Finanzamt vom 30. März 2006 nicht geeignet, eine Grundlage für eine Beitragsnachforderung zu bilden. Zum einen ist § 28f SGB VI lex spezialis, wenn es um die Nichtfeststellbarkeit von gezahlten Beträgen geht. Darüber hinaus hat der BFH mit Urteil vom 5. Oktober 1990 (III R 19/88) entschieden, dass an Feststellungen aus tatsächlichen Verständigungen nicht einmal die Finanzbehörde selbst gebunden ist, wenn auf Seiten der Finanzbehörde an der Vereinbarung nicht ein Amtsträger beteiligt ist, der für die Entscheidung über die Steuerfestsetzung zuständig ist. Auf die Beteiligung eines solchen Amtsträgers kann nach der Rechtsprechung des BFH auch für den Fall, dass die Vereinbarung im Rahmen einer Außenprüfung - insbesondere bei einer Schlussbesprechung - zustande kommt, nicht verzichtet werden. Da nicht einmal die Finanzbehörde zwingend an Feststellungen aus tatsächlichen Verständigungen gebunden ist, wenn nicht ein Behördenleiter dabei war, kann dies noch viel weniger für den Sozialversicherungsträger gelten, der an dem Verfahren der tatsächlichen Verständigung gar nicht beteiligt war. Im Übrigen stellt § 28f SGB IV - wie bereits oben dargelegt - lex spezialis dar, wenn es um die Nichtfeststellbarkeit von gezahlten Beträgen geht.

12

Die Nachforderung der Sozialversicherungsbeiträge in der oben genannten Summe war somit rechtmäßig.

13

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.