Sozialgericht Lüneburg
Beschl. v. 16.05.2008, Az.: S 25 AS 645/08 ER
Gerichtliche Überprüfung der Voraussetzungen des § 66 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) aufgrund der Anfechtung einer Leistungsentziehung wegen fehlender Mitwirkung; Erstrecken der Leistungspflichten Dritter auf die dem Leistungsempfänger selbst bekannten Tatsachen; Mitwirkungsobliegenheitsverletzung i.S.d. § 60 Abs. 1 SGB I und § 66 Abs. 1 S. 1 SGB I bei subjektiver Unmöglichkeit
Bibliographie
- Gericht
- SG Lüneburg
- Datum
- 16.05.2008
- Aktenzeichen
- S 25 AS 645/08 ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 18878
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGLUENE:2008:0516.S25AS645.08ER.0A
Rechtsgrundlagen
- § 60 Abs. 1 SGB I
- § 66 SGB I
- § 86b Abs. 2 S. 2 SGG
Tenor:
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 11. April 2008 wird angeordnet. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, der Antragstellerin im Wege der Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes ab dem 24. April 2008 bis zu einer Entscheidung über ihren Widerspruch gegen den Bescheid vom 11. April 2008, längstens jedoch für sechs Monate, Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende in Höhe der Regelleistung nach § 20 SGB II zu gewähren. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt. Die Antragsgegnerin hat 2/3 der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu tragen. Der Antragstellerin wird für das gesamte erstinstanzliche einstweilige Rechtsschutzverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsanordnung unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt E. gewährt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Entziehung und die Nichtgewährung von Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II).
Die am 09. Dezember 1962 geborene Antragstellerin bezog seit dem Jahre 2005 Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) von der Antragsgegnerin. Zuletzt bewilligte ihr die Antragsgegnerin derartige Leistungen mit Bescheid vom 05. September 2007 für den Zeitraum vom 01. Oktober 2007 bis zum 31. März 2008 in Höhe von 711,50 EUR. Bereits im Rahmen der ersten Antragstellung im Dezember 2004 hatte die Antragstellerin angegeben, dass in der Wohnung bzw. dem Haus ihr 20jähriger Sohn und ihr Vermieter F. lebe. Nachdem die Antragsgegnerin der Antragstellerin bis zum 31. März 2008 Leistungen ohne Berücksichtigung des Einkommens und Vermögens des Herrn G. gewährt hatte, führte sie am 19. März 2008 einen Hausbesuch durch (vgl. Bl. 94 - 96 der Verwaltungsvorgänge). Bereits zuvor - nämlich am 21. Februar 2008 - beantragte die Antragstellerin die Fortzahlung der Leistungen ab dem 01. April 2008, wobei sie etwaige Veränderungen in den persönlichen Verhältnissen verneinte. Mit Schreiben vom 04. April 2008 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin unter Hinweis auf §§ 60 und 66 SGB I mit, dass über ihren Antrag noch nicht entschieden werden könne, weil u.a. Unterlagen und Nachweise bezüglich Herrn F. fehlen würden.
Die Antragstellerin erklärte daraufhin am 08. April 2008, dass eine eheähnliche Gemeinschaft mit Herrn G. nicht bestehe und er lediglich ihr Vermieter sei.
Mit Bescheid vom 11. April 2008 versagte die Antragsgegnerin der Antragstellerin ab dem 01. April 2008 die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts "nach § 66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I)". Zur Begründung gab sie an, dass die mit Schreiben vom 04. April 2008 angeforderten Unterlagen/Nachweise trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht vorgelegt worden seien. Über den hiergegen am 24. April 2008 erhobenen Widerspruch der Antragstellerin ist bislang - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden worden.
Die Antragstellerin hat am 24. April 2008 bei dem Sozialgericht Lüneburg um die Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes nachgesucht, mit dem Ziel, die Antragsgegnerin zu verpflichten, Leistungen ab dem 01. April 2008 weiter zu gewähren. Zur Begründung hat sie ausgeführt, sie habe nicht gegen ihre Mitwirkungspflichten verstoßen, weil sie im Februar 2008 einen Neuantrag gestellt habe und über diesen zu entscheiden sei. Die Ausführungen im Schreiben der Antragsgegnerin vom 04. April 2008 entbehrten jeder Logik. Sie sei aufgrund des Vorgehens der Antragsgegnerin ohne Einkommen und Krankenversicherungsschutz, was den Erlass der begehrten gerichtlichen Anordnung rechtfertige.
Sie beantragt (sinngemäß),
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Versagungsbescheid vom 11. April 2008 anzuordnen und die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vorläufig zu verpflichten, ab dem 01. April 2008 Leistungen nach dem SGB II ohne Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen des Herrn G. zu gewähren.
Die Antragsgegnerin tritt dem entgegen, stellt jedoch keinen Antrag.
Wegen der übrigen Einzelheiten des Sachverhaltes wird ergänzend Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die Prozessakte und die die Antragstellerin betreffenden Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin zum Aktenzeichen 25102 BG 0003826. Diese lagen vor und waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.
II.
Der Antrag hat im tenorierten Umfang Erfolg.
1.
Die Rechtsschutzgewährung hinsichtlich des Bescheides vom 11. April 2008 hat zunächst nicht in Form einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu erfolgen. Vorläufiger Rechtsschutz ist nach § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG statthaft. Denn die Antragstellerin wendet sich gegen eine Versagung auf der Grundlage des § 66 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch - Erstes Buch - Allgemeiner Teil (SGB I). Richtige Rechtsschutzform dagegen ist in der Hauptsache die Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1, 1. Alternative SGG). Denn Streitgegenstand eines derartigen Rechtsstreits ist nicht der materielle Anspruch, sondern die Auseinandersetzung über Rechte und Pflichten der Beteiligten im Verwaltungsverfahren beziehungsweise während der laufenden Bewilligung. Die Anfechtung einer Leistungsentziehung wegen fehlender Mitwirkung führt nur zur gerichtlichen Überprüfung der Voraussetzungen des § 66 SGB I, mangels einer Sachentscheidung nicht zu einer Überprüfung der materiell-rechtlichen Voraussetzungen des Leistungsanspruchs (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 25. Oktober 1988 - 7 RAr 70/87 -; Urteil vom 17.02.2004 - B 1 Kr 4/02 R -). Der von der Antragstellerin insoweit erhobene Widerspruch hat gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG in Verbindung mit § 39 Nr. 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) jedoch keine aufschiebende Wirkung. In diesen Fällen kann das Gericht in der Hauptsache im einstweiligen Rechtsschutz nach § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs ganz oder teilweise anordnen. Bei verständiger Würdigung ist deshalb davon auszugehen, dass die Antragstellerin begehrt, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs anzuordnen (vgl. § 123 SGG).
Über ein derartiges Begehren entscheidet das Gericht nach Ermessen und aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung. Die aufschiebende Wirkung ist in der Regel anzuordnen, wenn das Interesse des belasteten Leistungsempfängers daran überwiegt und die Behörde keine Umstände dargelegt hat, die einen Vorrang an alsbaldiger Vollziehung erkennen lässt (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, § 86b Rdnr. 12). Die vorzunehmende Interessenabwägung orientiert sich in der Regel an den Erfolgsaussichten der Hauptsache.
a)
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe war die aufschiebende Wirkung der gegen die Leistungsentziehung eingelegten Klage anzuordnen. Bei summarischer Prüfung ist davon auszugehen, dass diese Erfolg haben wird. Denn der Bescheid der Antragsgegnerin vom 11. April 2008 ist rechtswidrig und verletzt die Antragstellerin ihren Rechten. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Leistungsentziehung wegen fehlender Mitwirkung nach § 66 Abs. 1 SGB I sind nicht erfüllt. Nach dieser Vorschrift kann ein Leistungsträger, sofern die Voraussetzungen einer Leistung nicht nachgewiesen sind, diese ohne weitere Ermittlungen bis zur Nachholung einer verlangten Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, wenn derjenige, der die Leistung erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62 und 65 SGB I nicht nachkommt und dadurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert wird. Nach dem hier einschlägigen § 60 Abs. 1 Satz 1 SGB I hat derjenige, der Sozialleistungen erhält, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen (Nr. 1). Ferner hat er Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen (Nr. 2). Schließlich hat er Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen (Nr. 3). Die Entscheidung über eine Leistungsentziehung oder -versagung erfordert die Ausübung von Ermessen (vgl. Kampe in: [...] PK-SGB I, § 66 Rdnr. 31; Bundessozialgericht, Urteil vom 31. Januar 2006 - B 11a AL 13/05 R -; Landessozialgericht Niedersachsen - Bremen, Beschluss vom 29. Juni 2006 - L 9 AS 239/06 ER -).
Die bewilligten Grundsicherungsleistungen konnten nicht wegen fehlender Mitwirkung entzogen werden. Die Antragstellerin hat nicht gegen ihre Pflichten aus § 60 Abs. 1 S. 1 SGB I verstoßen, denn die sich aus § 65 Abs. 1 Nr. 2 SGB I ergebende Grenze der Mitwirkung ist überschritten. Nach dieser Vorschrift bestehen Mitwirkungspflichten nach den § 60 bis 64 SGB I nicht, soweit ihre Erfüllung den Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann. Dies ist hier hinsichtlich der angeforderten Unterlagen bezüglich des Herrn G. und der im Kern verlangten gemeinsamen Antragstellung der Fall. Die Anforderung dieser Unterlagen betrifft einen privaten Dritten, der nicht am Sozialleistungsverhältnis beteiligt ist. Auskunftspflichten, die Dritte betreffen, erstrecken sich jedoch nur auf Tatsachen, die dem Leistungsempfänger selbst bekannt sind (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 10. März 1993 - 14b/4 REg 1/91 -; vgl. auch Urteil vom 25. Oktober 1988 - 7 RAr 70/87 -). Grundsätzlich besteht keine Ermittlungspflicht des Leistungsempfängers gegenüber Dritten. Er braucht sich keine Erkenntnisse zu verschaffen. Daraus folgt, dass auch keine Verpflichtung besteht, Beweismittel - etwa Urkunden - von einem privaten Dritten zu beschaffen und vorzulegen. Der Antragstellerin steht nicht die Rechtsmacht zu, eine gemeinsame Antragstellung mit Herrn G. oder dessen Einkommens- und Vermögensnachweise zu verlangen beziehungsweise diesen zur Ausfüllung der entsprechenden Antragsformulare veranlassen zu können (vgl. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 29. Juni 2006 - L 9 AS 239/05 ER -). Da die Antragsgegnerin insoweit von der Antragstellerin etwas subjektiv Unmögliches verlangt hat, kann von einer Mitwirkungsobliegenheitsverletzung im Sinne der §§ 60 Abs. 1, 66 Abs. 1 S. 1 SGB I von vornherein nicht ausgegangen werden (vgl. Kampe: [...] PK-SGB I, § 65 Rdnr. 18; vgl. auch Seewaldt in: KS. Kommentar, 53. Erg.Lieferung 2007, SGB I § 66 Nr. 7; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 04. Oktober 2007 - L 7 AS 546/07 ER -).
Die Antragsgegnerin ist gehalten, die von ihr insoweit für entscheidungserheblich erachteten Auskünfte nach § 60 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 SGB II unmittelbar von Herrn G. zu beschaffen (vgl. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschlüsse vom 30. März.2007 - L 7 B 13/07 AS -, vom 06. September 2007 - L 7 AS 263/07 ER - und vom 04. Oktober 2007 - L 7 AS 546/07 ER -). § 60 Abs. 4 S. 1 SGB II normiert insoweit eine eigenständige öffentlich-rechtliche Auskunftspflicht des Partners, die bußgeldbewährt ist und bei deren Verletzung der Auskunftspflichtige schadenersatzpflichtig werden kann (vgl. §§ 63 Abs. 1 Nr. 4, 62 SGB II). Wenn die Antragsgegnerin somit vom Vorliegen einer Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft überzeugt ist, muss sie die gegenüber Herrn G. bestehende Auskunftspflicht durch Verwaltungsakt feststellen und gegebenenfalls im Wege der Verwaltungsvollstreckung durchsetzen. Eine Leistungsversagung wegen fehlender Mitwirkung gegenüber der Antragstellerin kommt insoweit nicht in Betracht.
b)
Im Übrigen erweist sich die Versagungsentscheidung der Antragsgegnerin vom 11. April 2008 - ohne dass es darauf ankommt, ob überhaupt die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage vorliegen - schon deshalb als rechtswidrig, weil dem Bescheid die nach dieser Vorschrift erforderliche Ermessensausübung nicht einmal ansatzweise zu entnehmen ist. Insoweit reicht es nämlich nicht aus, wenn - wie hier - lediglich die Tatbestandsvoraussetzungen genannt und auf die vorliegende Fallgestaltung angewandt werden, aber insbesondere das Ermessen selbst hinsichtlich der Frage, ob eine teilweise, eine völlige oder gar keine Leistungsversagung erfolgen soll, überhaupt nicht ausgeübt wird. So verhält es sich hier aber mit dem streitgegenständlichen Bescheid der Antragsgegnerin.
2.
a)
Soweit die Antragstellerin einstweiligen Rechtsschutz im Hinblick auf die Zeit nach Ablauf des Bewilligungsabschnitts am 31. März 2008 geltend macht, hat auch dieses Begehren (teilweise) Erfolg. Auf den entsprechenden Fortzahlungsantrag vom 21. Februar 2008 hat die Antragsgegnerin - wie ausgeführt - eine Leistungsgewährung mit Bescheid vom 11. April 2008 (rechtswidrig) versagt. Die Rechtsschutzgewährung insoweit muss zusätzlich auf der Grundlage des § 86b Abs. 2 S. 2 SGG erfolgen. Dies gilt nach der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen (vgl. Beschluss vom 12. April 2006 - L 7 AS 453/05 ER -) auch dann, wenn die Leistungsablehnung wegen Verletzung von Mitwirkungspflichten auf der Grundlage des § 66 SGB I ausgesprochen wurde. Zwar müsste eine derartige Leistungsversagung in der Hauptsache mit der Anfechtungsklage angegriffen werden, im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes würde (nur) ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG im Ergebnis jedoch keine abschließende effektive Rechtsschutzgewährleistung bewirken, ist hier jedoch geboten, um der Leistungsgewährung ab dem 01. April 2008 letztlich den Weg zu ebnen.
Die Voraussetzungen für den Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG liegen vor. Gemäß § 86b Abs. 2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs - die Rechtsposition, deren Durchsetzung im Hauptsacheverfahren beabsichtigt ist - sowie des Anordnungsgrunds - die Eilbedürftigkeit der begehrten vorläufigen Regelung - sind glaubhaft zu machen (§ 86 Abs. 2 S. 4 SGG, § 920 Abs. 3 Zivilprozessordnung (ZPO)). Steht dem Antragsteller ein von ihm geltend gemachter Anspruch voraussichtlich zu und ist ihm nicht zuzumuten, den Ausgang des Verfahrens abzuwarten, hat er Anspruch auf die beantragte Leistung im Wege vorläufigen Rechtsschutzes. Zwar sind im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung grundsätzlich die Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu prüfen. Ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage jedoch nicht möglich, so ist eine Entscheidung auf der Grundlage einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragtellers einerseits und der öffentlichen Belange des Antragsgegners andererseits vorzunehmen (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/06 - NVwZ 2005, S. 927 ff).
Dies zugrunde gelegt, ist eine Folgenabwägungsentscheidung zu treffen. Zwar bestehen nach den Umständen des Falls nicht unerhebliche Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin und Herr G. eine Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II bilden. Dafür sprechen insbesondere die bei dem Hausbesuch der Antragsgegnerin festgestellten Umstände. In diesem Fall könnte die Beurteilung der Bedürftigkeit der Antragstellerin nur unter Berücksichtigung des Einkommens und Vermögens von Herrn G. erfolgen (vgl. §§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 und 9 Abs. 1, Abs. 2 SGB II). Eine abschließende Klärung ist im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes indes nicht möglich, weil insbesondere eine Zeugeneinvernahme des Herrn G. erforderlich ist, um den Sachverhalt weiter aufzuklären. Liegen damit die Voraussetzungen für eine Folgenabwägungsentscheidung vor, ist diese zugunsten der Antragstellerin zu treffen. Mit der begehrten Leistung wird das verfassungsrechtlich gewährleistete "soziokulturelle Existenzminimum" abgesichert. Dem Hilfeempfänger muss es möglich sein, in der Umgebung von Nichthilfeempfängern ähnlich wie diese zu leben. Für die Abwägungsentscheidung bedeutet dies, dass die Antragstellerin eine auf dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz (GG)) und der Verpflichtung des Staates zum Schutz der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) beruhende Position für sich reklamieren kann. Demgegenüber hat das Interesse der Antragsgegnerin, dass finanzielle Mittel nur den gesetzlichen Regelungen entsprechend verwendet werden dürfen, zurückzutreten. Es geht für die Antragstellerin um die Befriedigung existenzieller, vom Grundgesetz anerkannter Bedürfnisse. Somit sind der Antragstellerin Leistungen ohne Berücksichtigung einer Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft zu gewähren. Stehen derartige existenzsichernde Leistungen einem Hilfeempfänger nicht zur Verfügung, ist regelmäßig vom Vorliegen eines Anordnungsgrundes im Sinne des § 86b Abs. 2 S. 3 SGG auszugehen.
b)
Hinsichtlich der Kosten für die Unterkunft und Heizung fehlt es jedoch an einem Anordnungsgrund, weil die Antragstellerin nicht dargelegt und glaubhaft gemacht hat, dass Wohnungslosigkeit droht. Insoweit ist es ihr zuzumuten, den Ausgang eines Hauptsacheverfahrens abzuwarten.
3.
Die vorläufige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Leistungsgewährung (erst) ab dem 24. April 2008 beruht auf der Überlegung, dass erst durch den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes selbst die existenzielle Notlage dokumentiert wird und eine einstweilige Regelung regelmäßig - und auch hier - nur für die Zukunft gewährt werden kann.
4.
Da die Antragstellerin nur zu einem Teil obsiegt hat, entspricht es nach Auffassung der Kammer billigem Ermessen im Sinne des § 193 Abs. 1 S. 1 SGG, die Antragsgegnerin zur Übernahme von 2/3 der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu verpflichten.
5.
Gerichtskosten werden in Verfahren der vorliegenden Art nicht erhoben.
III.
Der Antragstellerin war gemäß § 73 a SGG i.V.m. §§ 114 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt H. zu gewähren, weil der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nach den obigen Ausführungen Aussicht auf Erfolg hatte. Eine Ratenzahlung war wegen der nachgewiesenen Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht anzuordnen.