Sozialgericht Lüneburg
Beschl. v. 25.01.2008, Az.: S 41 AS 1782/07 ER
Anspruch auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) ohne Berücksichtigung des Einkommens und Vermögens von einer im Haushalt lebenden Person (Mitbewohner); Prüfung des Bestehens einer Bedarfsgemeinschaft bei Zusammenleben in einer Wohnung; Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft bei Zusammenleben von Partnern mit einem gemeinsamen Kind in einer Wohnung
Bibliographie
- Gericht
- SG Lüneburg
- Datum
- 25.01.2008
- Aktenzeichen
- S 41 AS 1782/07 ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 29968
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGLUENE:2008:0125.S41AS1782.07ER.0A
Rechtsgrundlagen
- § 7 Abs. 3a SGB II
- § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II
- § 9 Abs. 2 S. 1 SGB II
- § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Wenn einer der vier Vermutungstatbestände des § 7 Abs. 3a SGB II vorliegt, so trifft den Anspruchsteller die Darlegungslast, dass der entsprechende Sachverhalt eben nicht vorliegt.
- 2.
Das Tatbestandsmerkmal des "Zusammenlebens" ist so zu verstehen, dass das Zusammenleben geeignet sein muss, den Schluss auf das Bestehen einer Einstandsgemeinschaft zu begründen.
- 3.
Die fehlende Unterteilung des gemeinsam genutzten Kühlschrankes ist alleine kein ausreichendes Indiz für eine Wirtschaftsgemeinschaft.
Tenor:
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 10. Dezember 2007 wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die außergerichtlichen Kosten der Rechtsverfolgung zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller war bis zum Sommer 2006 in C. ansässig und bezog von der dort zuständigen Behörde bereits Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Im August 2006 verzog er in den Zuständigkeitsbereich der Antragsgegnerin in eine Wohnung in D., E ... Bei der Antragsgegnerin stellt er am 17. August 2006 einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum ab dem 01. September 2006. Im Zuge des Antragsverfahrens gab er gegenüber der Antragsgegnerin an, dass er die Wohnung gemeinsam mit Frau F. und deren damals dreijährigen Sohn als Untermieter von Frau F. bewohne. Gemeinsam mit seinem Antrag reichte er einen Hauptmietvertrag vom 09. Juli 2006 zwischen einer Erbengemeinschaft als Vermieterin und Frau F. als Mieterin für die Zeit ab dem 01. August 2006, die schriftliche Zustimmung der Vermieterin zu einer Untervermietung sowie einen zwischen ihm und Frau F. geschlossenen Untermietvertrag vom 15. August 2006 für den Zeitraum ab dem 01. August 2006 ein. In einem Schreiben vom 26. August 2006 teilte der Antragsteller der Antragsgegnerin als Grund für seinen Umzug nach G. mit, dass er in einem Pflegeheim im Landkreis H. eine Stelle als Beikoch in Aussicht habe. Weiter heißt es in dem Schreiben:
"Frau F. ist eine langjährige Bekannte, die mich um Unterstützung bat, als es um Ihre Arbeitsaufnahme ging. Da für die Stelle Schichtbereitschaft vorausgesetzt wurde und Frau F. die Mutter eines dreieinhalbjährigen Sohnes ist, bestand die Notwendigkeit einer weiteren Betreuungsperson. Zurzeit übernehme ich diese Aufgabe."
Im Rahmen eines Hausbesuchs besichtigten Mitarbeiter der Antragsgegnerin am 06. September 2006 die Wohnung in I ... In dem schriftlichen Bericht über diesen Hausbesuch vom 06. September 2006 heißt es sinngemäß, dass sich der Antragsteller und Frau F. in der 4-Zimmer-Wohnung je einen eigenen privaten Bereich mit Bett, Kleiderschrank, Schreibtisch und persönlichen Dingen eingerichtet hätten. Es sei erkennbar, dass hier zwei Menschen zusammengezogen seien, die bisher eigene Hausstände gehabt hätten. Der Antragsteller verfüge über einen von seinen Eltern geliehenen Pkw, und habe angegeben, dass er Frau F., die keinen Pkw besitze, in dem Wagen mit zum Einkaufen nehme; ihre Einkäufe würden Frau F. und er jedoch getrennt bezahlen. Eine klare Trennung der Lebensmittel sei im Kühlschrank abgesehen von zwei verschiedenen Butterpaketen und zwei verschiedenen Sorten Nuss-Nougat-Creme nicht erkennbar; Herr J. habe aber versichert, dass jeder für sich einkaufe und auch wisse, welche Dinge im Kühlschrank ihm gehören würden. Der Bericht kommt zu dem zusammenfassenden Ergebnis, dass die Bewertung der Wohn- und Lebenssituation in diesem Fall nicht leicht falle, weil es sich nicht um eine klassische Wohngemeinschaft handele. Eine nichteheliche Lebensgemeinschaft zwischen dem Antragsteller und Frau F. läge im Ergebnis jedoch nicht vor.
Die Antragsgegnerin bewilligte dem Antragsteller daraufhin für den Zeitraum ab dem 01. September 2006 durchgehend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, die durch zwei Sanktionsbescheide im Zeitraum zwischen Dezember 2006 und April 2007 anteilig gekürzt wurden. Für die Monate Dezember 2006 und Januar 2007 wurden die Leistungen zudem wegen der Anrechung von Einkommen gekürzt, da der Antragsteller einer geringfügigen Beschäftigung im Seniorenheim K. nachging, in dem auch Frau F. als Altenpflegerin tätig ist. Letztmalig bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit Bescheid vom 30. Juli 2007 Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01. September 2007 bis zum 29. Februar 2008 in Höhe von monatlich 526,47 Euro. Dieser Betrag setzt sich aus dem Regelsatz in Höhe von 347,00 Euro und Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 179,47 Euro zusammen.
Am 30. Oktober 2007 führten Mitarbeiter der Antragsgegnerin einen weiteren Hausbesuch in der Wohnung durch. In dem Bericht über diesen Hausbesuch vom 06. November 2006 heißt es sinngemäß, dass sich die Aufteilung der Wohnung innerhalb des letzten Jahres nicht geändert habe. Im Zimmer des Antragstellers stehe nunmehr jedoch ein Computer von Frau F., da der Antragsteller angegeben habe, sich selbst keinen leisten zu können. Frau F. habe einen weiteren Computer im gemeinsam genutzten Wohnzimmer. Eine klare Trennung im Kühlschrank und in den Schränken sei nach wie vor - abgesehen von zwei angebrochenen Gläsern Nuss-Nougat-Creme - nicht erkennbar. Es gebe bereits wie beim letzten Hausbesuch keine Quittungen, kein Haushaltsbuch, keine Abrechnungen. Der Antragsteller habe angeben, dass alles in bar abgerechnet werde. Weiterhin würden der Antragsteller und Frau F. weiterhin den auf die Eltern des Antragstellers zugelassenen Pkw nutzen. Ferner werden in dem Bericht zwei Einträge aus Kundendateien der Antragsgegnerin zitiert, die die Bereitschaft des Antragstellers belegen sollen, sich um das Kind von Frau Kluge zu kümmern:
"09.10.06: Kunde erkundigt sich nach Nebenverdienst. Kunde hat evtl. die Möglichkeit die Kinderbetreuung für das Kind seiner Mitbewohnerin zu übernehmen. Kunde möchte durch den Nebenverdienst versuchen aus dem Leistungsbezug zu kommen."
"06.08.07: Der Kunde teilt außerdem mit, dass er auf das Kind seiner Mitbewohnerin aufpassen müsse, wenn diese ihrer Beschäftigung nachgeht."
Zudem heißt es in dem Bericht, dass der Antragsteller im Rahmen des Hausbesuchs geäußert habe, dass Frau F. beabsichtige, in zwei Jahren eine andere Arbeit anzunehmen und dann von I. in das Zentrum von G. zu ziehen. Dort werde auch er bessere Möglichkeiten haben, Arbeit zu finden. Der Antragsteller und Frau F. seien sich aber einig gewesen, dass die Kindergartenzeit des Kindes zunächst ohne Brüche verlaufen solle. Zudem habe er Antragsteller den Mitarbeitern der Antragsgegnerin im Rahmen des Hausbesuches erklärt, dass er und Frau F. versucht hätten, ihn als Tagesvater für das Kind von Frau F. über das Jugendamt bezahlen zu lassen. Dieser Versuch habe aber nicht geklappt.
Zusammenfassend kommt der Bericht über den Hausbesuch zu dem Ergebnis, dass zwischen dem Antragsteller und Frau F. nunmehr eine gegenseitige Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft vorliege, da beide länger als ein Jahr zusammenleben und mit einem Kind im selben Haushalt wohnen würden.
Mit Schreiben vom 14. November 2007 forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller auf, bis spätestens zum 01. Dezember 2007 Unterlagen über das Einkommen von Frau F. vorzulegen. Die Zahlungen an den Antragsteller würden ab dem 01. Dezember 2007 vorläufig ausgesetzt. Mit Schreiben vom 28. November 2007 teilte Frau F. der Antragsgegnerin mit, dass sie mit dem Antragsteller nicht in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebe und sie daher nicht beabsichtige, dem Antragsteller Unterlagen über ihre Einkünfte zur Verfügung zu stellen. Daraufhin stellte die Antragsgegnerin mit dem auf § 66 SGB I gestützten Bescheid vom 10. Dezember 2007 die Leistungen an den Antragsteller ab dem 01. Dezember 2007 ein. Zur Begründung heißt es, dass der Antragsteller die Unterlagen und Nachweise gemäß dem Schreiben vom 14. November 2007 trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht vorgelegt habe.
Am 24. November 2007 legte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 14. Dezember 2007 ein.
Der Antragsteller hat am 17. Dezember 2007 beim Sozialgericht Lüneburg einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Er meint, dass zwischen ihm und Frau F. keine eheähnliche Gemeinschaft bestehe. Frau F. sei nicht seine Partnerin, sondern seine Vermieterin. Die Betreuung des Kindes von Frau F. erfolge hauptsächlich durch die Familie von Frau F ... Er habe das Kind lediglich aus reiner Gefälligkeit gelegentlich betreut.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 14. Dezember 2007 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Sie meint, dass der Antragsteller keinen Anspruch auf Leistungen ohne Berücksichtigung des Einkommens und Vermögens von Frau F. habe. Eine Bedarfsgemeinschaft werde gemäß § 7 Abs. 3 a SGB II unter anderem vermutet, wenn die Partner länger als ein Jahr zusammen leben oder ein Kind im Haushalt versorgt werde. Die Voraussetzungen seien beim Antragsteller, der das Kind von Frau F. umfangreich betreue, während diese arbeite, beide gegeben.
Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Frau F. als Zeugin. Insoweit wird auf das Protokoll des Termins vom 21. Januar 2008 Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Sie waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.
II.
Der ausdrücklich auf § 86 b Abs. 2 SGG gestützte Antrag des rechtsunkundigen und anwaltlich nicht vertretenen Antragstellers ist bei verständiger Würdigung als Antrag nach § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG auszulegen. Wie sich aus dem Wortlaut von § 86 b Abs. 2 in Satz 1 SGG ergibt, ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegenüber dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vorrangig. Im vorliegenden Fall ist die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ausreichend, um das Begehren des Antragstellers durchzusetzen.
Nach § 39 Nr. 1 SGB II hat ein Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt, der über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende entscheidet, keine aufschiebende Wirkung. Der Einstellungsbescheid der Antragsgegnerin vom 14. Dezember 2007 ist daher sofort vollziehbar. Der Antrag nach § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG ist daher die statthafte Verfahrensart, um gegen diesen Bescheid im Wege des Eilrechtschutzes vorzugehen.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist auch ausreichend, um dass Begehren des Antragstellers durchzusetzen. Die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung hat zur Folge, dass keine Maßnahmen zur Durchsetzung oder Vollstreckung des Verwaltungsaktes eingeleitet oder durchgeführt werden dürfen. Bereits eingeleitete Maßnahmen sind einzustellen. Es tritt ein vorläufiger Schwebezustand ein, der bis zur Klärung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes durch Abschluss des Verfahrens den "status quo ante" beibehält. Während dieses Schwebezustandes darf die Behörde keine Folgerungen aus dem angefochtenen Bescheid ziehen. Bei der Entziehung von Leistungen muss deshalb, wenn Widerspruch eingelegt wird, zunächst weiter die Leistungen nach dem alten Verwaltungsakt gewährt werden (Bundessozialgericht, Urteil vom 23. September 1997 - 2 RU 44/96 - NZS 1998, 300; Keller, in: Meyer-Ladewig u.a., SGG-Kommentar, 8. Auflage, § 86 a Rdnr. 5).
Für den Antragsteller hat das zur Folge, dass mit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Leistungsbescheid vom 30. Juli 2007 wiederauflebt und die Behörde vorläufig verpflichtet ist, an ihn die bis Ende Februar 2008 festgesetzten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts auszuzahlen. Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG kommt für den Antragsteller daher erst für den Leistungszeitraum ab dem 01. März 2008 in Betracht, da dieser bisher durch den Leistungsbescheid vom 30. Juli 2007 nicht geregelt worden ist. Zurzeit würde ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung für diesen Zeitraum jedoch daran scheitern, dass der Antragsteller bei der Antragsgegnerin für diesen Leistungszeitraum bisher keinen Folgeantrag gestellt hat.
Der Antrag hat Erfolg, weil der Bescheid vom 10. Dezember 2007 rechtswidrig ist und daher das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin überwiegt.
Die Antragsgegnerin durfte die Leistungen an den Antragsteller nicht nach § 66 SGB I wegen fehlender Auskünfte über das Einkommen und Vermögen seiner Mitbewohnerin einstellen, da nicht vom Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft zwischen dem Antragsteller und seiner Mitbewohnerin ausgegangen werden kann.
Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II ist bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit von Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Zur Bedarfsgemeinschaft gehört nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 c SGB II als Partner des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen eine Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung für einander zu tragen und für einander einzustehen. Das Gesetz knüpft damit an die Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts zur eheähnlichen Gemeinschaft an. Eine eheähnliche Gemeinschaft liegt bei einer Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau vor, die auf Dauer angelegt ist, daneben keine weiteren Lebensgemeinschaften gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet die ein gegenseitige Einstehen der Partner für einander begründen, also über die Beziehungen in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen. Erfasst sind nur Gemeinschaften, in denen die Bindungen der Partner so eng sind, dass von ihnen ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann. Nur wenn sich die Partner einer Gemeinschaft so sehr für einander verantwortlich fühlen, dass sie zunächst den gemeinsamen Lebensunterhalt sicher stellen, bevor sie ihr persönliches Einkommen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwenden, liegt eine nichteheliche Lebensgemeinschaft vor. Ob eine derartige Gemeinschaft zwischen Mann und Frau besteht, lässt sich nur anhand von Indizien wie der Dauer des Zusammenlebens, der Versorgung von Kindern und Angehörigen und der Befugnis, über Einkommen und Vermögensgegenstände des Partners zu verfügen, feststellen (Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 17. November 1992 -1 B vL 8/87-, BVerfGE 87,234).
Derartige Indizien hat der Gesetzgeber inzwischen in § 7 Abs. 3 a SGB II geregelt. Danach wird ein wechselseitiger Wille, Verantwortung für einander zu tragen und für einander einzustehen, vermutet, wenn Partner länger als ein Jahr zusammen leben (Nr. 1), mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben (Nr. 2), Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen (Nr. 3) oder befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des Anderen zu verfügen (Nr. 4). Diese Vermutungsregelung führt zu einer teilweisen Umkehr der Beweislast. Grundsätzlich gilt zwar, dass der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft beweisen muss (Hänlein, in: Gagel, SGB III - Kommentar, § 7 SGB II, Randnr. 58 a mit Nachweisen zur Rechtssprechung). Diese Beweislastverteilung wurde mit der Einfügung des § 7 Abs. 3 a SGB II jedoch modifiziert. Greift einer der vier Vermutungstatbestände ein, so trifft den Anspruchsteller die Darlegungslast, dass der entsprechende Sachverhalt nicht vorliegt. Unsubstanziierte Behauptungen genügen für eine Widerlegung der Vermutung nicht (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 17. Dezember 2007 - L 7 AS 5125/07 ER, B L 7 AS 5125/07 ER -, [...]; Beschluss vom 22. März 2007 - L 7 AS 640/07 ER-B -, [...]).
Gegen die Vorschrift des § 7 Abs. 3 a SGB II werden verfassungsrechtliche Bedenken erhoben (siehe nur Brosius-Gersdorf, NZS 2007, 410, 412 ff.). Um diesen Bedenken zu begegnen sind an dass Vorliegen der Vermutungstatbestände des § 7 Abs. 3 a SGB II strenge Anforderungen zu stellen. Da die Regelung ausweislich der Gesetzesbegründung (Bundesstags-Drucksache 16/1410, S 19 f.) ausdrücklich an die oben bereits zitierte verfassungsgerichtliche Rechtsprechung anknüpft, soll als Bedarfsgemeinschaft nach wie vor nur eine derart dichte und auf Dauer angelegte Verbindung eingeordnet werden, dass angenommen werden kann, die Partner fühlten sich so für einander verantwortlich, dass sie zunächst ihren gemeinsamen Lebensunterhalt sicherstellen, bevor sie ihre persönlichen Bedürfnisse befriedigen (Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 03. August 2006 - L 9 AS 349/06 ER - , Info also 2006, 266). Zudem tragen die Leistungsträger der Grundsicherung die volle Beweislast für das Vorliegen der Vermutungstatbestände des § 7 Abs. 3 a SGB II).
Bei Anwendung dieses Maßstabes konnte die Antragsgegnerin nicht beweisen, dass die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 a Nr. 1 oder Nr. 3 SGB II vorliegen.
Nach § 7 Abs. 3 a Nr. 3 SGB II besteht eine Vermutung für eine Verantwortungsgemeinschaft, wenn Partner Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen. Die Regelung betrifft im Gegensatz zu Nr. 2 den Fall, dass es sich nicht um ein gemeinsames Kind der Partner handelt. Dies trifft auch auf den Antragsteller zu, da dieser unstreitig nicht der Kindesvater des Sohnes seiner Mitbewohnerin ist. Die Formulierung "versorgen" in § 7 Abs. 3 a Nr. 3 SGB II macht deutlich, dass ein bloßes Zusammenwohnen von dem Kind und dem Mitglied der Haushaltsgemeinschaft, dass kein Elternteil des Kindes ist, nicht ausreicht. Vielmehr ist erforderlich, dass dieses Haushaltsmitglied selbst Betreuungsleistungen für das Kind erbringt. Dabei kommt es wesentlich auf den Umfang der Versorgung an (Brühl/Schoch, in: LPK-SGB II, 2. Auflage, § 7 Rdnr. 69). Eine lediglich gelegentliche Betreuung des Kindes reicht daher nicht aus.
Die Antragsgegnerin hat den Beweis nicht geführt, dass der Antragsteller den Sohn seiner Mitbewohnerin im erheblichen Umfang betreut. Der Antragstellerin ist zuzugeben, dass es im Verwaltungsverfahren erhebliche Indizien dafür gab, dass der Antragsteller im erheblichen Maße an der Versorgung des Kindes teilnimmt. So hatte der Antragsteller in seinem Schreiben vom 26. August 2006 der Antragsgegnerin mitgeteilt, dass er auch deshalb bei seiner Mitbewohnerin eingezogen sei, um sie wegen ihrer Arbeitsaufnahme in Schichtbereitschaft bei der Kindesbetreuung zu unterstützen. Zudem hat der Antragsteller der Antragsgegnerin im Herbst 2006 Mitteilung gemacht, dass er die Betreuung des Kindes eventuell im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses übernehmen werde.
Der Eindruck, dass der Antragsteller für das Kind seiner Mitbewohnerin erhebliche Betreuungsleistungen erbringt, konnte jedoch bei der informatorischen Befragung des Antragstellers und bei der Zeugenbefragung seiner Mitbewohnerin stark relativiert werden. Wie der Antragsgegnerin im Verwaltungsverfahren vollständig unbekannt blieb, sind am Wohnort des Antragstellers und seiner Mitbewohnerin die Eltern und eine 14-jährige Schwester der Mitbewohnerin ansässig. Die Mitbewohnerin des Antragstellers sagte als Zeugin aus, dass diese Familienmitglieder ganz überwiegend die Betreuung ihres heute 4-jährigen Sohnes übernehmen. Die Ansässigkeit ihrer Familie in G. sei für sie der ausschlaggebende Grund gewesen, dort eine Arbeit anzunehmen, weil dadurch die Betreuung ihres Sohnes gewährleistet wurde. Die Zeugin sagte ferner aus, dass ihr Sohn zwischen 6:30 Uhr und 17:00 Uhr in seiner Kindertagesstätte betreut werde. Wenn die Zeugin Frühdienst habe, nehme sie ihren Sohn mit zum Schichtantritt, wo er von ihrer Mutter übernommen werde, die im gleichen Altenpflegeheim wie sie als Nachtschwester arbeite. Ihre Mutter bringe ihren Sohn dann in die Kindertagesstätte. Soweit ihre Mutter keinen Nachdienst habe, bringe sie - die Zeugin - ihren Sohn vor Antritt der Frühschicht zu ihrer Mutter nach Hause. Soweit sie Spätdienst habe, bringe sie ihren Sohn morgens selbst in die Kindertagesstätte. Nachmittags werde er von ihren Eltern oder von der Schwester in der Kindertagesstätte abgeholt und in deren Wohnung in G. mitgenommen, wo er bis zum Abend betreut werde. Der Antragsteller hole den Sohn der Zeugin nur sehr gelegentlich nachmittags von der Kindertagesstätte ab, um ihn in der gemeinsamen Wohnung zu betreuen. Er nehme auch nicht die Position eines Ersatzvaters ein; diese falle dem Vater der Zeugin zu.
Die Zeugin bestätigte, dass im Herbst 2006 zwischen ihr und dem Antragsteller darüber gesprochen worden sei, ob der Antragsteller für sie im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung entgeltlich die Betreuung ihres Sohnes übernehmen solle. Dazu erklärte die Zeugin, dass diese Idee kurz nach ihrem Umzug nach I. aufgekommen sei, als sich die Betreuung ihres Sohnes durch ihre Familie noch nicht fest eingespielt habe. Im Verlaufe der weiteren Zeit habe sich jedoch herausgestellt, dass hinsichtlich einer Betreuung durch den Antragsteller kein Bedarf bestanden habe, da die Kindesbetreuung durch ihre Familie vollständig übernommen worden sei.
Durchgreifende Zweifel an der Glaubhaftigkeit oder Glaubwürdigkeit der Zeugin, deren Angaben sinngemäß auch vom Antragsteller im Rahmen seiner informatorischen Befragung bestätigt worden sind, ergaben sich aus Sicht des Gerichts nicht. Daher konnte nicht zur zweifelsfreien Überzeugung festgestellt werden, dass der Antragsteller über eine gelegentliche Betreuung hinausgehende regelmäßige Versorgungsleistungen für das Kind der Zeugin übernimmt.
Die Antragsgegnerin konnte auch nicht beweisen, dass die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 a Nr. 1 SGB II vorliegen. Das Tatbestandsmerkmal des "Zusammenlebens" in dieser Vorschrift muss unter Berücksichtigung der oben begründeten strengen Auslegung des § 7 Abs. 3 a SGB II so verstanden werden, dass das Zusammenleben geeignet sein muss, den Schluss auf das Bestehen einer Einstandsgemeinschaft zu begründen. Das setzt wenigstens das Vorliegen einer Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft voraus. Sonst würde bei jeder Wohngemeinschaft ohne weiteres die Vermutungsregelung eingreifen und den Bewohnern der Wohngemeinschaft die Pflicht auferlegt, die Nichtexistenz einer Einstandsgemeinschaft nachzuweisen. Dies wird schon aus der Wortwahl des Gesetzgebers ersichtlich, der ausdrücklich vom "Zusammenleben" und nicht vom "Zusammenwohnen" gesprochen hat (Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 03. August 2006 - L 9 AS 349/06 ER -, Info also 2006, 266).
Eine Wirtschaftsgemeinschaft zwischen dem Antragsteller und der Zeugin konnte das Gericht nicht zweifelsfrei feststellen. Auf Befragung durch das Gericht haben sowohl der Antragsteller als auch die Zeugin versichert, dass sie ihre Lebensmittel und Bedarfsgegenstände getrennt einkaufen und ihre Mahlzeiten nur sehr selten gemeinsam einnehmen. Dass der Antragsteller und die Zeugin selten gemeinsame Mahlzeiten einnehmen, ist aufgrund der Beschäftigung der Zeugin im Schichtdienst ohne weiteres glaubhaft. Zudem ergaben sich dem Gericht aus den Aussagen des Antragstellers und der Zeugin sowie aus dem Verwaltungsvorgang keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Bekräftigung, die Einkäufe getrennt zu finanzieren, wahrheitswidrig und auf Leistungsbetrug angelegt ist. Auch die fehlende Unterteilung des gemeinsam genutzten Kühlschrankes ist alleine kein ausreichendes Indiz für eine Wirtschaftsgemeinschaft (Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 16. März 2006 - L 7 AS 23/06 ER - Zfsh/SGB 2006, 417). Ferner ergeben sich auch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Behauptungen des Antragstellers und der Zeugin wahrheitswidrig ist, dass der Antragsteller die Miete für die Monate Juni bis November 2007 in bar an die Zeugin geleistet habe.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.