Sozialgericht Lüneburg
v. 10.10.2008, Az.: S 13 R 308/07

Bibliographie

Gericht
SG Lüneburg
Datum
10.10.2008
Aktenzeichen
S 13 R 308/07
Entscheidungsform
Gerichtsbescheid
Referenz
WKRS 2008, 55029
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgelehnt.

Kosten werden nicht erstattet.

Tatbestand:

1

Die Beklagte fordert von dem Kläger die Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Zeit vom 1. Januar 1994 bis 31. Dezember 1997 in Höhe von insgesamt 60.836,24 €. In der Nachforderung sind Säumniszuschläge nach § 24 Abs. 2 SGB IV in Höhe von 32.487,23 € enthalten.

2

Das Finanzamt D. stellte im Jahr 2005 im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung fest, dass Lohnzahlungen für diverse Arbeitnehmer des Klägers nicht in der Lohnbuchhaltung erfasst wurden und Arbeitnehmer zusätzlich zu ihrem Arbeitsentgelt Schwarzlohnzahlungen erhielten. Es waren hierüber Unterlagen vorhanden, wobei seinerzeit streitig war, wer diese Unterlagen angefertigt hatte. Im Rahmen der Prüfung des Finanzamtes kam es letztlich zu einer Schlussbesprechung betreffend das Unternehmen des Klägers. Hierbei wurde zwischen dem Finanzamt und dem Kläger am 30. März 2006 eine sog. tatsächliche Verständigung erzielt. Im Rahmen der tatsächlichen Verständigung wurden die Schwarzlöhne im Vergleich zu den Prüfungsfeststellungen der Lohnsteueraußenprüfung erheblich reduziert und der Pauschalversteuerung nach § 40 a Einkommenssteuergesetz (EStG) unterworfen.

3

Die Beklagte erließ am 7. Februar 2007 gegenüber dem Kläger einen Bescheid, in dem der oben genannte Betrag nachgefordert wurde. Grundlage der Berechnung der nachgeforderten Beiträge waren die Feststellungen des Finanzamtes im Rahmen der Lohnsteueraußenprüfung (auch) aufgrund der vorhandenen Unterlagen, jedoch nicht die Feststellungen im Rahmen der tatsächlichen Verständigung. Gegen den Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein mit der Begründung, es seien die Prüfungsfeststellungen, die im Rahmen einer der tatsächlichen Verständigung am 30. März 2006 erzielt wurden, zugrunde zu legen. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. Juni 2007 zurück. Zur Begründung verwies sie darauf, dass die Beitragsfestsetzung sowohl für die Sozialversicherungspflichtigen als auch für die geringfügig entlohnten Arbeitnehmer insgesamt in Form eines Summenbeitragsbescheides gemäß § 28 f Abs. 2 Satz 1 SGB IV erfolge, da der Kläger trotz mehrfacher Aufforderung seiner Vorlagepflicht nicht nachgekommen sei und der sozialversicherungsrechtliche Status und die tatsächlichen Sachverhalte (personenbezogene Zuordnung) – nach Aussage des Klägers – nicht mehr festgestellt werden könne. Die durchgeführte Pauschalversteuerung nach § 40 a Einkommenssteuergesetz seitens der Finanzbehörde löse keine Beitragsfreiheit in der Sozialversicherung aus.

4

Gegen diesen Bescheid hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Lüneburg erhoben.

5

Zugleich beantragte er die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage. Dieser Antrag wurde mit Beschluss vom 11. April 2008 (Aktenzeichen S 13 R 518/07 ER) abgelehnt.

6

Der Kläger trägt vor, im Rahmen der tatsächlichen Verständigung mit dem Finanzamt seien die Schwarzlöhne erheblich reduziert und der Pauschalversteuerung nach § 40a EStG unterworfen worden. Hierüber habe die Beklagte sich hinweggesetzt und ihre Nachforderung nach dem Ergebnis der ursprünglichen Feststellungen des Finanzamtes berechnet. Dieses Vorgehen sei unzulässig. Die Feststellungen aus dem Bericht über die Lohnsteueraußenprüfung des Finanzamtes vom 27. April 2006 seien überholt und ihr Inhalt sei streitig gewesen. Aus diesem Grund habe man mit dem Finanzamt eine tatsächliche Verständigung erzielt.

7

Der Kläger beantragt,

8

den Bescheid der Beklagten vom 07. Februar 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04. Juni 2007 aufzuheben.

9

Die Beklagte beantragt,

10

die Klage abzuweisen.

11

Zur Begründung beruft sie sich auf den Inhalt ihres Widerspruchsbescheides sowie der Verwaltungsakten.

12

Zum Verfahren wurden die Barmer Ersatzkasse und die AOK Krankenkasse beigeladen.

13

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten sowie der Gerichtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

14

Der Rechtsstreit wird durch Gerichtsbescheid nach § 105 Abs. 1 SGG entschieden, denn die Sache weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher und rechtlicher Art auf und der Sachverhalt ist geklärt. Den Beteiligten ist zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme zu dieser Entscheidungsform gegeben worden.

15

Die Klage ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingereicht. Sie ist jedoch nicht begründet. Die Beklagte fordert zu Recht die Sozialversicherungsbeiträge in der geforderten Höhe nach.

16

Gemäß § 20 Abs. 1 SGB IV werden die Mittel der Sozialversicherung durch Beiträge der Versicherten, der Arbeitgeber und Dritter, durch staatliche Zuschüsse und sonstige Einnahmen aufgebracht. Zur Aufbringung dieser Beiträge statuiert § 28 a SGB IV eine Meldepflicht des Arbeitgebers. Sofern ein Arbeitgeber dieser gesetzlich festgelegten Meldepflicht nicht nachkommt, gilt § 28 f Abs. 2 Satz 1 SGB IV. Hat danach ein Arbeitgeber die Aufzeichnungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt und können dadurch die Versicherungs- oder Beitragspflicht oder die Beitragshöhe nicht festgestellt werden, kann der prüfende Träger der Rentenversicherung den Beitrag in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung und zur Arbeitsförderung von der Summe der vom Arbeitgeber gezahlten Arbeitsentgelte geltend machen.

17

Im vorliegenden Fall ist der Kläger seiner Aufzeichnungspflicht nicht ordnungsgemäß nachgekommen, so dass die Versicherungs- bzw. Beitragspflicht und die Beitragshöhe nicht mehr festgestellt werden können. Auf dieser Grundlage hat die Beklagte zu Recht den Beitrag von der Summe der vom Arbeitgeber gezahlten Arbeitsentgelte geltend gemacht. Dies entspricht der in § 28 f Abs. 2 Satz 2 SGB IV geregelten Rechtsfolge. Soweit der Kläger vorträgt, tatsächliche Zahlungen seien nicht mehr feststellbar, geht dieser Einwand ins Leere. Immerhin waren im Rahmen der Lohnsteueraußenprüfung Aufzeichnungen für tatsächliche Zahlungen festgestellt worden. Im Rahmen der Steuerprüfung hatte der Kläger lediglich bestritten, dass er diese Unterlagen selbst angefertigt habe. Darüber hinaus hatte er hinsichtlich der Schwarzlöhne geltend gemacht, es habe sich nur um geringfügig Beschäftigte gehandelt. Für das vorliegenden Verfahren macht dies jedoch keinen Unterschied. Die Unterlagen können als Grundlage für den Bescheid der Beklagten herangezogen werden, denn es liegen insoweit konkrete Summen vor.

18

Soweit der Kläger von einer niedrigeren Summe ausgehen will, liegt insoweit die Beweislast bei ihm. Nach dem in allen Bereichen des Sozialrechts geltenden Grundsatz der sog. objektiven Beweis- und Feststellungslast sind die Folgen der Nicht-Aufklärbarkeit einer Tatsache von demjenigen zu tragen, der aus dieser Tatsache ein Recht herleiten will.Für den Fall, dass eine Aufklärung der tatsächlichen gezahlten Beiträge nicht möglich ist, hat das Gesetz gerade in § 28 f SGB IV die Folge geregelt. Die Beklagte hätte die Zahlungen sogar gemäß § 28 f Abs. 2 Satz 3 SGB IV schätzen können. Das SGB IV statuiert in § 28 a die Meldepflicht des Arbeitgebers. Ergeben sich aus der Nichterfüllung Unklarheiten, die letztlich nicht aufklärbar sind (worauf sich der Kläger letztlich beruft) folgt die Rechtsfolge, nämlich der Summenbescheid oder die Schätzung, aus § 28 f SGB IV, sofern der Kläger nicht anderes nachweisen kann. Es muss also nicht die Beklagte dem Kläger nachweisen, in welcher Höhe er Löhne gezahlt hatte (und ob eine geringfügige Beschäftigung vorlag), sondern der Kläger hätte dies im Rahmen seiner Pflichten melden müssen. Hinsichtlich der unterlassenen Meldung folgt die Rechtsfolge aus dem Gesetz, wie oben dargelegt.

19

Der Kläger hat weder nachgewiesen noch der Kammer glaubhaft gemacht, dass eine geringere Summe an Löhnen gezahlt wurde, als die Beklagte in ihrem Bescheid zugrunde gelegt hat. Insbesondere ist die tatsächliche Verständigung mit dem Finanzamt vom 30. März 2006 nicht geeignet, eine Grundlage für eine Beitragsnachforderung zu bilden. Zum einen ist § 28 f SGB VI lex spezialis, wenn es um die Nichtfeststellbarkeit von gezahlten Beträgen geht. Darüber hinaus hat der BFH mit Urteil vom 5. Oktober 1990 (III R 19/88) entschieden, dass an Feststellungen aus tatsächlichen Verständigungen nicht einmal die Finanzbehörde selbst gebunden ist, wenn auf Seiten der Finanzbehörde an der Vereinbarung nicht ein Amtsträger beteiligt ist, der für die Entscheidung über die Steuerfestsetzung zuständig ist. Auf die Beteiligung eines solchen Amtsträgers kann nach der Rechtsprechung des BFH auch für den Fall, dass die Vereinbarung im Rahmen einer Außenprüfung – insbesondere bei einer Schlussbesprechung – zustande kommt, nicht verzichtet werden. Da nicht einmal die Finanzbehörde zwingend an Feststellungen aus tatsächlichen Verständigungen gebunden ist, wenn nicht ein Behördenleiter dabei war, kann dies noch viel weniger für den Sozialversicherungsträger gelten, der an dem Verfahren der tatsächlichen Verständigung gar nicht beteiligt war. Im Übrigen stellt § 28 f SGB IV – wie bereits oben dargelegt - lex spezialis dar, wenn es um die Nichtfeststellbarkeit von gezahlten Beträgen geht.

20

Die Nachforderung der Sozialversicherungsbeiträge in der oben genannten Summe war somit rechtmäßig.

21

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.