Sozialgericht Lüneburg
Urt. v. 16.04.2008, Az.: S 1 RJ 155/03
Bibliographie
- Gericht
- SG Lüneburg
- Datum
- 16.04.2008
- Aktenzeichen
- S 1 RJ 155/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 44845
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGLUENE:2008:0416.S1RJ155.03.0A
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der am 30. Oktober 1942 geborene Kläger absolvierte von 1966 bis 1968 eine Lehre zum Einzelhandelskaufmann, war aber danach bis 1973 als Tiefbauarbeiter, Soldat und Rangierer tätig. Von 1973 bis 1977 war er als Kraftfahrer beschäftigt. Von 1977 bis 1979 wurde er zum Möbeltischler umgeschult, hat jedoch in diesem Beruf nicht gearbeitet. Vielmehr war er seit dem 15. Oktober 1979 bei der Deutschen (Bundes-)Post als Kraftfahrer beschäftigt. Eine Kraftfahrerprüfung hat er nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung nicht abgelegt.
Seit 1996 war der Kläger wiederholt arbeitsunfähig erkrankt. Seinen ersten Antrag auf Gewährung einer Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeitsrente vom 2. Januar 1997 lehnte die Beklagte mit dem Bescheid vom 11. März 1997 ab. Der Bescheid wurde nicht angefochten (Bl. 22. der Akte der Beklagten (= RA)).
Vom 1. April bis zum 30. November 1997 bezog er von der Versorgungsanstalt der Deutschen Post (= VAP) eine Rente. Mit dem Schreiben vom 17. Juni 1997 teilte er der Beklagten mit, dass er wegen einer Rentengewährung bei der Deutschen Post ausgeschieden sei, und fragte an, welche Möglichkeiten er zum Erhalt der Rentenanwartschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung habe (Bl. 34 RA). Mit Bescheid vom 26. Juni 1997 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger ab dem 1. April 1997 berechtigt sei, freiwillige Beiträge zu zahlen. Dem kam er in der Folgezeit nach. Mit Schreiben vom 21. Januar 1998 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er ab dem 1. Dezember 1997 bei der Post wieder voll beschäftigt sei und bat um Erstattung der Beiträge. Mit dem Bescheid vom 22. April 1998 wurde daraufhin die freiwillige Versicherung des Klägers mit Wirkung zum 31. Juli 1997 beendet.
Am 16. Oktober 1998 beantragte der Kläger erneut die Gewährung einer Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeitsrente. Auch dieser Antrag wurde abgelehnt (Bescheid vom 14. Januar 1999 (Bl. 66 RA)). Hiergegen erhob der Kläger am 6. Februar 1999 Widerspruch und stütze sich dabei u.a. auf eine Bescheinigung von Dr. H. vom 7. Juli 1998. Darin wurde ausgeführt, dass aufgrund einer degenerativen Wirbelsäulenerkrankung eine Weiterbeschäftigung im Frachtdienst der Deutschen Post nicht sinnvoll sei. Noch während des Widerspruchsverfahrens stellte der Kläger am 5. Oktober 1999 einen weiteren Rentenantrag. Der Hintergrund war ein am 7. September 1999 erlittener Herzinfarkt. Mit dem Bescheid vom 31. Januar 2000 gewährte ihm die Beklagte ausgehend von einem Leistungsfall vom 7. September 1999 ab dem 1. April 2000 eine bis zum 31. Januar 2001 befristete Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (Bl. 120 RA). Der Widerspruch wurde daraufhin zurückgenommen (Bl. 135 RA). Außerdem erhält der Kläger seit dem 18. Dezember 2000 bis heute wieder eine VAP-Rente. Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung hat er der VAP vollständig abgetreten (Bl. 172 RA).
Aufgrund seines Weitergewährungsantrags vom 6. Dezember 2000 wurde die Erwerbsunfähigkeitsrente zunächst bis zum 31. März 2001 weitergewährt (Bl. 149, 161 RA). Der Antrag wurde jedoch sodann mit dem Bescheid vom 8. März 2001 auf der Grundlage eines internistischen Gutachtens von Dr. I. vom 15. Februar 2001 abgelehnt. Im Widerspruchsverfahren wurde zusätzlich von Dr. J. ein orthopädisches Gutachten eingeholt, der zu dem Ergebnis gelangte, dass der Kläger weiterhin als Fahrer bei der Post tätig sein könne. Der Widerspruch wurde mit dem Widerspruchsbescheid vom 26. Oktober 2001 zurückgewiesen (Bl. 192 RA). Diese Entscheidung wurde nicht angefochten.
Am 13. November 2002 beantragte der Kläger erneut die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Den Antrag lehnte die Beklagte mit dem Bescheid vom 6. Januar 2003 ab. Zur Begründung wurde nunmehr ausgeführt, dass jetzt die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht mehr vorliegen würden. Im maßgeblichen Zeitraum vom 1. Juli 1996 bis zum 17. November 2002 seien statt der erforderlichen 36 nur 25 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen belegt. Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit dem Widerspruchsbescheid vom 2. Juli 2003 zurückgewiesen.
Hiergegen hat der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten am 17. Juli 2003 beim SG Lüneburg Klage erhoben (Az. S 1 RJ 155/03). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Dauerarbeitsunfähigkeit als Anrechungszeit und damit als Aufschubtatbestand zu berücksichtigen sei. Außerdem sei der Kläger wegen seiner orthopädischen Leiden und der koronaren Herzkrankheit nicht in der Lage, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.
Am 18. Juli 2003 beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers bei der Beklagten außerdem den Bescheid vom 8. März 2001 gem. § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (= SGB X) zurückzunehmen und die Rente über den 31. März 2001 hinaus weiter zu gewähren. Der Antrag wurde mit dem Bescheid vom 24. Juni 2004 abgelehnt, der hiergegen erhobene Widerspruch mit dem Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 2004 zurückgewiesen.
Hiergegen hat der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten am 26. August 2004 beim SG Lüneburg Klage erhoben (Az. S 1 RJ 184/04). Die Verfahren S 1 RJ 155/03 und S 1 RJ 184/04 wurden mit dem Beschluss des SG Lüneburg vom 29. September 2004 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Vor der mündlichen Verhandlung wurde der Kläger durch den sozialmedizinischen Sachverständigen, den Arzt für Chirurgie Dr. K., untersucht. Dr. K. ist in seinem in der mündlichen Verhandlung zu dem Ergebnis gelangt, dass die seinerzeitige Einschätzung der Dres.I. und J. insoweit zutreffend gewesen seien, als dass der Kläger noch leichte bis zeitweilig mittelschwere Arbeiten habe vollschichtig verrichten können. Die Hebe- und Tragefähigkeit sei jedoch schon damals auf ca. 10 kg begrenzt gewesen, so dass die Tätigkeit als Kraftfahrer mit Be- und Entladetätigkeit verbundenen Belastungen von bis zu über 30 kg nicht zumutbar gewesen seien. Auch jetzt könne der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig tätig sein, zumal nach seinen eigenen Angaben leichte Gartenarbeiten und Fahrradfahrten von bis zu 25 km problemlos möglich seien. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll und die schriftliche Terminsvorlage Bezug genommen.
Die Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt,
- 1.
die Bescheide der Beklagten vom 8. März 2001, 6. Januar 2003 und 24. Juni 2004 sowie die Widerspruchsbescheide vom 26. Oktober 2001, 2. Juli 2003 und 29. Juli 2004 aufzuheben,
- 2.
die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger über den 31. März 2001 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise eine Rente wegen Berufsunfähigkeit oder eine Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren,
- 3.
die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Entscheidung lagen die Gerichtsakten und die Akten der Beklagten zugrunde. Auf ihren Inhalt wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig, da der Kläger keinen Anspruch auf Weitergewährung der Erwerbsunfähigkeit bzw. auf Neugewährung eine Rente wegen Erwerbsminderung hat.
1. Zum Antrag gem. § 44 SGB X auf Weitergewährung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit über den 31. März 2001 hinaus:
Gem. § 44 Abs. 1 SGB X muss ein Verwaltungsakt zurückgenommen werden, soweit sich erweißt, dass das Recht unrichtig angewandt oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen wurde und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht wurden. Die angefochten Bescheide sind jedoch rechtmäßig, da die Beklagte die Weitergewährung einer Rente über den 31. März 2001 zu Recht abgelehnt hat.
Gem. § 302b Abs. 1, S. 1 und 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuches (= SGB VI) finden für die Frage der Weitergewährung der ab dem 1. April 2000 gewährten zeitlich befristeten Erwerbsunfähigkeitsrente in materiell-rechtlicher Hinsicht noch die §§ 43 Abs. 1, 44 Abs. 1 SGB VI in der vor dem 1. Januar 2000 gültigen Fassung (= a.F.) Anwendung. Danach bestand ein Anspruch auf Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeitsrente nur, wenn der/die Versicherte
1. berufs- bzw. erwerbsunfähig war, 2. vor Eintritt der Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, 3. die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt waren.
Der Kläger war und ist jedoch ab dem 31. März 2001 nicht mehr erwerbsunfähig i.S. der gesetzlichen Rentenversicherung. Dies waren nur Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande waren, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße überstieg (§ 44 Abs. 2 S. 1 SGB VI a.F.). Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes war dabei derjenige nicht erwerbsunfähig, der eine Tätigkeit vollschichtig ausüben konnte, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen war. Der Kläger besaß jedoch noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen. Dies ergibt sich aus den Gutachten und Stellungnahmen der Dres.L., J. und K ... Hierbei ist zunächst darauf hinzuweisen, dass im sozialgerichtlichen Verfahren auch die im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten und Stellungnahmen verwertbar sind (vgl. BSG, Urt.v. 8. Dezember 1988 - 2/9b RU 66/87; BSG SozR Nr. 66 zu § 128 SGG). Auf orthopädischem Fachgebiet bestand lediglich ein Wirbelsäulensyndrom ohne wesentliche Funktionseinschränkungen. Auch auf internistischem Fachgebiet konnten keine Befunde erhoben werden, welche eine Einschränkung des Leistungsvermögens in zeitlicher Hinsicht begründen könnten. Die Folgen des Herzinfarkts hatten sich deutlich gebessert. Im Fahrradergometertest war der Kläger sogar schon im Dezember 2000 bis zu 150 W belastbar (vgl. Bl. 105, 142 Gutachtenteil aus der Akte der Beklagten (= ÄU)). Ein Leistungsvermögen für die normale Alltagsbelastung wird nach der herrschenden medizinischen Lehrmeinung aber bereits ab 50 - 100 W angenommen (Sozialmedizinische Begutachtung in der gesetzlichen Rentenversicherung, VDR, 1995, S. 221; siehe auch Anhaltspunkte ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2004, wo eine mittelschwere körperliche Arbeit mit einer Ergometerbelastung von 75 Watt gleichgesetzt wird (Nr. 26.9, S. 71)). Den unzweifelhaft vorliegenden Beschwerden des Klägers wurde daher durch die genannten Anforderungen an die Arbeitsplatzgestaltung Rechnung getragen So konnte er nur noch leichte und bisweilen mittelschwere Arbeiten körperlicher Art, überwiegend im Sitzen verrichten, wenn Hebearbeiten, das Tragen und Bewegen von Lasten von 5 und bisweilen 10 kg sowie Bücken und Knien nicht häufig anfielen. Auch Arbeiten im Akkord, an schnell laufenden Maschinen und auf Leitern und Gerüsten waren zu vermeiden.
Der Kläger war nach dem 31. März 2001 auch nicht berufsunfähig. Dies waren nur Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit zu beurteilen ist, umfasste alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 43 Abs. 2 S. 1, 2 SGB VI a.F.). Die Zumutbarkeit einer adäquaten Verweisungstätigkeit beurteilte sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Maßgeblich hierfür war grundsätzlich die zuletzt ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung, also im Fall des Klägers die Tätigkeit als Kraftfahrer bei der Deutschen Post. Zur Ermittlung der Wertigkeit des Hauptberufs hat die Rechtsprechung die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt, welche durch - den besonders qualifizierten Facharbeiter, - den Facharbeiter (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), - den angelernten Arbeiter (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von weniger als zwei Jahren), - und den ungelernten Arbeiter charakterisiert sind (vgl. BSG, Urt.v. 25. August 1993 - 13 RJ 59/92 m.w.N.). Für die Einordnung eines bestimmten Berufs in dieses Mehrstufenschema kommt es auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 43 Abs. 1 S. 1 SGB VI genannten Merkmale umschrieben wird. Bei Beachtung dieser Grundsätze ist der Kläger angelernter Arbeiter im unteren Bereich anzusehen. Eine Einstufung als angelernter Arbeiter im oberen Bereich ist nicht möglich, da der Kläger keine Ausbildung zum Berufskraftfahrer nach den einschlägigen Ausbildungsverordnungen aus den Jahren 1973 (BGBl. 197 I, S. 1518 ff.) oder 2001 (BGBl. 2001 1, S 642) absolviert hat. Dies hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen erst kürzlich wieder unter Hinweis auf die höchstrichterliche Rechtsprechung entschieden (LSG Niedersachsen Bremen, Beschluss vom 10. Januar 2008 - L 1 R 442/07, m.w.N.). Zwar konnte der Kläger aufgrund der eingeschränkten Hebe- und Tragefähigkeit seine bisherige Tätigkeit als Kraftfahrer mit Be- und Entladetätigkeiten von schweren Paketen bei der Post nicht mehr ausüben. Damit war er jedoch noch nicht berufsunfähig. Vielmehr kam es darauf an, auf welche Tätigkeiten er gem. § 43 Abs. 2, S. 2 SGB VI a.F. medizinisch und sozial zumutbar verweisbar war. Nach dem von der Rechtsprechung entwickelten und auch heute noch gültigen sog. Mehrstufenschema kann ein Versicherter grundsätzlich nur auf eine Tätigkeit der jeweils niedrigeren Gruppe verwiesen werden (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 107), wobei auch eine entsprechende Verdiensteinbuße hinzunehmen ist. Als angelernter Arbeiter im unteren Bereich ist er jedoch auf alle ungelernten Arbeiten verweisbar, ohne dass es der konkreten Benennung einer Verweisungstätigkeit bedarf (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 109 m.w.N.). Auch in Bezug auf einen Kraftfahrer ohne die genannten Ausbildungen ist nach der o.g. Entscheidung des LSG Niedersachsen-Bremen der allgemeine Arbeitsmarkt ohne Benennungspflicht eröffnet (LSG Niedersachsen Bremen, Beschluss vom 10. Januar 2008 - L 1 R 442/07, m.w.N.). Angesichts der eindeutigen Aussagen der Rechtsprechung zur Wertigkeit des Kraftfahrerberufs ist die Einholung eines berufskundlichen Gutachtens nicht erforderlich.
2.) Zum Rentenantrag vom 13. November 2002: Da nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. K. zum Leistungsvermögen des Klägers zwischenzeitlich keine Verschlimmerung, sondern eher eine Verbesserung ein eingetreten ist - immerhin sind nach den eigenen Angaben des Klägers leichte Gartenarbeiten und Fahrradfahrten von bis zu 25 km problemlos möglich - kommt auch nach den ab dem 1. Januar 2001 geltenden Vorschriften der §§ 43, 240 SGB IV geltenden Vorschriften eine Rentengewährung nicht in Betracht.
Die vom Kläger gegenüber Dr. K. erwähnten Blutdruckprobleme und die Schwindelneigung wurden bislang von keinem Arzt dokumentiert. Da sich der Kläger deswegen nicht in ärztliche Behandlung begeben hat, hält er den Befund offenbar selbst von völlig untergeordneter Bedeutung. Dies wird schließlich auch dadurch bestätigt, dass er sowohl als Kraft- als auch als Fahrradfahrer am Straßenverkehr teilnimmt. Es handelt sich daher nach Auffassung der Kammer nicht um einen gesicherten Befund mit einer Relevanz für das Leistungsvermögen. Einen Anlass für weitere Sachverhaltsaufklärung kann die Kammer daher nicht erkennen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Nach welchen Kriterien sich eine Kostenentscheidung zu richten hat, ist im SGG nicht näher bestimmt. Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen ist hierbei zum einen auf die Erfolgsaussicht der Klage zum Zeitpunkt der Erledigung abzustellen. Zum anderen richtet sich die Kostenentscheidung - entsprechend dem Rechtsgedanken des § 93 der Zivilprozessordnung (= ZPO) - aber auch nach dem Veranlassungsprinzip.
Im vorliegenden Fall hat die Beklagte Veranlassung zur Erhebung der Klagen gegeben, da sie in unzutreffender und vor allem vermeidbarer Weise den Rentenanspruch mit der Begründung versagt hat, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Gem. § 43 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI besteht ein Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung nur, wenn in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit entrichtet wurden. Gem. § 43 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI verlängert sich der genannte Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung um Anrechnungszeiten und die Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Gem. § 58 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI zählen wiederum zu den Anrechnungszeiten auch solche Zeiten, in denen der Versicherte wegen Krankheit arbeitsunfähig gewesen ist. Der Begriff der Arbeitsunfähigkeit hat dabei dieselbe Bedeutung, wie in der gesetzlichen Krankenversicherung und bezieht sich daher auf die zuletzt ausgeübte Tätigkeit (Niesel in Kasseler Kommentar § 58 SGB VI Rz. 11, m.w.N.). Es kann nun kein Zweifel darüber bestehen, dass beim Kläger spätestens seit seinem Herzinfarkt am 7. September 1999 eine andauernde Arbeitsunfähigkeit besteht, zumal auch die Hebe- und Tragefähigkeit für seine Arbeit als Kraftfahrer bei der Post nicht mehr ausreicht. Dies wird nicht nur durch die Gewährung der VAP-Rente dokumentiert, die ohne die ärztliche Bestätigung der Arbeitsunfähigkeit nicht gewährt werden könnte, sondern auch durch die Ausführungen von M. bestätigt. Auf die Bl. 39, 93 und 98 ÄU sei - auch für die Zeit vorher - ebenfalls hingewiesen. Die Aussagen von Dr. J. zur Arbeitsfähigkeit des Klägers können nicht überzeugen, da nicht ersichtlich ist, dass er sich mit dem Anforderungsprofil für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit - insbesondere in Bezug auf die Hebe- und Tragefähigkeit - in ausreichender Weise auseinandergesetzt hat, sofern es ihm überhaupt von der Beklagten zugänglich gemacht wurde. In diesem Zusammenhang sei auch auf die Bescheinigung von Dr. H. vom 7. Juli 1998 hingewiesen, in der ausgeführt wurde, dass wegen der degenerativen Wirbelsäulenerkrankung eine Weiterbeschäftigung im Frachtdienst der Deutschen Post nicht sinnvoll sei. Zwar ist es für die Annahme einer Anrechnungszeit grundsätzlich erforderlich, dass dadurch eine versicherungspflichtige Beschäftigung unterbrochen wurde (§ 58 Abs. 2 S. 1 SGB VI). Es ist jedoch bereits seit langem anerkannt, dass entgegen dem allgemeinen Sprachgebrauch eine Unterbrechung in diesem Sinn auch dann vorliegt, wenn der Anrechnungszeit später keine weitere versicherungspflichtige Tätigkeit folgt. Es ist daher keine Umrahmung der Anrechnungszeit durch eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit erforderlich (Niesel, a.a.O., § 58 SGB VI, Rz. 100, m.w. N). Da der Kläger durch die Gewährung der zeitlich befristeten Erwerbsunfähigkeitsrente nicht endgültig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist, besteht die Anrechnungszeit auch nach deren Ende fort (vgl. Niesel, a.a.O., § 58 SGB VI Rz. 101). Im Übrigen sei auf § 43 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI hingewiesen, in dem für die Anerkennung eines Aufschubtatbestands das "Erfordernis der Unterbrechung" relativiert wird.
Die fehlerhafte Verneinung der versicherungsrechtlichen Voraussetzung beruht darüber hinaus auch auf einem Beratungsfehler aus einem früheren Verfahren. Mit dem Schreiben vom 17. Juni 1997 hatte der Kläger nämlich bei der Beklagten angefragt, welche Möglichkeiten er zum Erhalt der Rentenanwartschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung habe, weil er wegen einer Rentengewährung bei der Deutschen Post ausgeschieden sei. Anstatt die Gründe für die VAP-Rentengewährung und das Vorliegen von Aufschubtatbeständen zu klären, wurde der Kläger mit dem Bescheid vom 26. Juni 1997 veranlasst, ab dem 1. April 1997 freiwillige Beiträge zu zahlen. Dies war jedoch unnötig, da aufgrund der festgestellten Arbeitsunfähigkeit eine Gefahr für den Versicherungsschutz nicht bestand. Rückschauend betracht war die Zahlung der freiwilligen Beiträge im Hinblick auf den Erhalt der versicherungsrechtlichen Voraussetzung sogar schädlich, weil durch die Beitragszeit im Versicherungsverlauf nicht mehr ohne weiteres erkennbar war, dass zusätzlich auch eine Anrechnungszeit wegen Krankheit vorlagt. Konsekutiv fiel dann auch die Zeit vom 1. April bis zum 30. November 1997 bei der Feststellung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen aus dem Raster. Selbst der mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung gegebene gerichtliche Hinweis hat nicht dazu geführt, dass die Beklagte der Frage der Arbeitsunfähigkeit auf den Grund gegangen ist (Schriftsatz vom 21. Februar 2008). Es wird daher angeregt, dass die Parteien im gegenseitigen Einvernehmen den Versicherungsverlauf diesbezüglich zu durchforsten und Einigkeit über die Versicherungszeiten erzielen.
Da in der Zeit seit dem Ende der 80er Jahre bis zum Jahr 1996 jeder Kalendermonat durchgehend mit Pflichtbeiträgen belegt ist und der Kläger ab dem Jahr 1996 entweder versicherungspflichtig gearbeitet hat, arbeitsunfähig erkrankt war oder eine Rente bezogen hat, kann am Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht der geringste Zweifel bestehen. Diese sind auch weiterhin erfüllt, solange der Kläger arbeitsunfähig ist.
Im vorliegenden Verfahren hält die Kammer unter Berücksichtigung des Obsiegens einerseits und der Versäumnisse der Beklagten andererseits eine Erstattung der Kosten zur Hälfte für angemessen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass Feststellungen hinsichtlich des Fehlens der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Zukunft des Betroffenen von erheblicher Bedeutung sein können. Dem Prozessbevollmächtigten des Klägers bleibt daher auch kaum eine andere Wahl, als zusätzlich das Verfahren über die Rücknahme des Verwaltungsaktes vom 8. März 2001 gem. § 44 SGB X zu betreiben, da in diesem Fall die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen - auch nach der Auffassung der Beklagten - erfüllt gewesen wären. Dem Kläger sind daher auch die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten für die zwei anhängig gemachten Verfahren zu erstatten.