Sozialgericht Lüneburg
Urt. v. 27.05.2008, Az.: S 2 U 149/04

Bibliographie

Gericht
SG Lüneburg
Datum
27.05.2008
Aktenzeichen
S 2 U 149/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 55028
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

1. Der Bescheid des Beklagten vom 18.08.1999 und der Widerspruchsbescheid vom 15.03.2000 werden aufgehoben.

2. Es wird festgestellt, dass es sich bei dem Ereignis vom 07.11.1998 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat.

3. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin als Rechtsnachfolgerin des verstorbenen Versicherten F. Entschädigungsleistungen zu gewähren.

4. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

1

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Arbeitsunfalls.

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Die im Jahr 1943 geborene Klägerin betreibt als Sonderrechtsnachfolgerin die Feststellung eines Arbeitsunfalls. Streitig ist, ob ihr - am 15. April 2003 verstorbener - Ehemann (hier: Herr B.) bei dem Ereignis vom 7. November 1998 unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand.

3

Die Klägerin ist seit einem im Jahr 1978 erlittenen Unfall querschnittsgelähmt (Tetraplegie). Der Grad der Behinderung nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (= SGB IX) beträgt 100 %. Als Merkzeichen sind „G, aG, H, RF“ und insbesondere auch „B“ anerkannt. Im Schwerbehindertenausweis ist dazu ausgeführt, dass die Notwendigkeit einer ständigen Begleitung daher nachgewiesen ist (Bl. 81, 82 der Akte des Sozialgerichts <= SG>). Seit ihrem Unfall wurde sie durch ihren Ehemann „rund um die Uhr“ gepflegt. Seit dem Inkrafttreten des Pflegeversicherungsgesetzes (= SGB XI) im Jahr 1995 ist sie in die Pflegestufe III eingestuft.

4

Seit ca. 1981 nimmt sie am Rehabilitationssport teil, wobei sie sich auf die Disziplin „Tischtennis“ spezialisiert hat. In der mündlichen Verhandlung hat sie hierzu ausgeführt, dass es ihr allerdings bis vor 10 Jahren kaum möglich gewesen sei, Rehabilitationssport im klassischen Sinne auszuüben, weil keine Vereine mit einem entsprechenden Angebot in der näheren Umgebung existiert hätten. Sie habe sich daher einem Integrationssportverein, dem G., angeschlossen, in dem Behinderte und Nichtbehinderte ihren Sport ausüben könnten (vgl. auch Bl. 62 der Akte des Beklagten <= UA>). Dabei sei meistens ein Arzt anwesend. Sofern dies ausnahmsweise nicht der Fall sei, würde eine entsprechende Rufbereitschaft bestehen. Der Rehabilitationssport werde von ihrer Krankenkasse mindestens zweimal pro Woche für erforderlich gehalten, damit ihre Fitness erhalten bleibe. Ohne den Rehabilitationssport hätte sie nicht genügend Kraft, den Rollstuhl zu beherrschen. Sie würde sonst zuhause „bei jeder Kurve aus dem Rollstuhl fallen“ . In dem Antrag auf Förderung des Rehabilitationssports für das 2. Halbjahr 1998 wurde von dem behandelnden Arzt Dr. H. bescheinigt, dass er die Durchführung des Rehabilitationssports wöchentlich 3 x empfehlen würde (Bl. 64 UA). Die Klägerin war auch mehrfach Teilnehmerin der Paralympics und hat dabei in der Disziplin „Tischtennis“ Medaillen gewonnen. Nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung sei aber das Training hierfür nicht während des Rehabilitationssports, sondern im Rahmen einer spezifischen Vorbereitung bei anderen Vereinen durchgeführt worden. Dabei habe ihr Ehemann immer anwesend sein müssen, weil dort - anders als beim Rehabilitationssport - kein Arzt vor Ort gewesen sei.

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Am 7. November 1998 wollte sie im Rahmen des Rehabilitationssports mit dem I. im Gemeinschaftshaus in J. Tischtennis spielen. Hinsichtlich der örtlichen Situation wird auf die Karte Bl. 52 UA Bezug genommen. Hierzu wurde sie von ihrem Ehemann in dem behindertengerecht umgebauten Kfz gebracht. Auf seinem Rückweg zur Wohnung kam es gegen 14.45 Uhr zu einem Verkehrsunfall mit einer landwirtschaftlichen Zugmaschine, wobei Herr B. schwerste Verletzungen erlitt. Auf den polizeilichen Unfallbericht Bl. 117 ff. UA wird Bezug genommen.

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Das berufsgenossenschaftliche Feststellungsverfahren wurde durch die Unfallanzeige der Krankenkasse des Herrn B. eingeleitet, in der diese einen Verkehrs- bzw. Wegeunfall „im Rahmen der hauswirtschaftlichen Versorgung als Pflegeperson“ geltend machte (Bl. 1 UA). Mit dem Bescheid vom 18. August 1999 lehnte der Beklagte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass Herr B. bei dem Unfall nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden habe. Zwar würde er grundsätzlich dem versicherten Personenkreis des § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII angehören. Das Verbringen seiner Frau zum Integrationssport könne jedoch nicht unter den Bereich der Mobilität i. S. des § 14 Abs. 4 SGB XI subsumiert werden, da hiervon nur solche Aktivitäten erfasst würden, die für die Aufrechterhaltung der Lebensführung zu Hause unumgänglich seien und das persönliche Erscheinen des Pflegebedürftigen erforderlich machen würden. Dies sei beim Integrationsport aber nicht der Fall gewesen, weil dieser in erster Linie der Integration in das gesellschaftliche Leben und nur als Nebenzweck der Aufrechterhaltung der Lebensführung im häuslichen Bereich dienen würde. Außerdem habe auch kein Unfallversicherungsschutz als Begleitperson für seine behinderte Ehefrau oder gem. § 2 Abs. 2 SGB VII bestanden. Zum einen habe es sich bei der zum Unfall führenden Tätigkeit nur um eine Gefälligkeit gehandelt, die wesentlich allein aus den familiären Beziehungen geprägt gewesen sei. Zum anderen würde gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII für Haushaltsführende bei Tätigkeiten für den eigenen Privathaushalt kein Unfallversicherungsschutz bestehen. Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit dem Widerspruchsbescheid vom 15. März 2000 zurückgewiesen. Darin wurde nochmals betont, dass es sich bei dem Rehabilitationssport im Wesentlichen um eine Art der Freizeitgestaltung gehandelt habe.

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Hiergegen hat Herr B. am 19. April 2000 beim SG Lüneburg Klage erhoben und darauf hingewiesen, dass er bei der DAK als Pflegekraft geführt werde (Az. S 2 U 78/00). Am 15. April 2003 ist er verstorben. Mit dem Beschluss des SG Lüneburg vom 27. Mai 2003 wurde das Ruhen des Verfahrens angeordnet.

8

Am 16. September 2004 wurde das Verfahren durch die Klägerin wieder aufgenommen (Az. S 2 U 149/04). Am 9. November 2005 haben ihre Prozessbevollmächtigten das Mandat niedergelegt.

9

Die Klägerin beantragt,

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1. den Bescheid des Beklagten vom 18. August 1999 und den Widerspruchsbescheid vom 15. März 2000 aufzuheben,

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2. festzustellen, dass es sich bei dem Ereignis vom 7. November 1998 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat,

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3. den Beklagten zu verurteilen, ihr Entschädigungsleistungen zu gewähren.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Der Entscheidung wurden die Gerichtsakten und die Akten des Beklagten zugrunde gelegt. Auf ihren Inhalt wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig. Da die Klägerin mit Herrn B. zum Zeitpunkt seines Todes in einem Haushalt gelebt hat, kann sie die zu seinen Lebzeiten bestehenden fälligen Ansprüche auf laufende Geldleistungen als Sonderrechtsnachfolgerin geltend machten (§ 56 SGB I). Sie tritt auch in die entsprechende verfahrensrechtliche Stellung ein (vgl. § 183 SGG).

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Die Klage ist auch begründet, da es sich bei dem Ereignis vom 7. November 1998 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat. Die angefochtenen, ablehnenden Bescheide waren daher rechtswidrig und aufzuheben.

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Gem. § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle solche Unfälle, welche Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 3 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII ist außerdem das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit versichert. Im vorliegenden Fall übte Herr B. während des Unfallzeitpunkts eine versicherte Tätigkeit gem. § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII aus. Danach besteht Versicherungsschutz grundsätzlich für Personen i. S. des § 19 SGB XI bei der Pflege eines Pflegebedürftigen i. S. des § 14 SGB XI. Es ist offenkundig und zwischen den Beteiligten unstreitig, dass Herr B. zum Unfallzeitpunkt diesem Personenkreis grundsätzlich angehört hat.

19

Allerdings ist zu beachten, dass die versicherte Tätigkeit nur Pflegetätigkeiten im Bereich Körperpflege und - soweit diese Tätigkeiten überwiegend dem Pflegebedürftigen zugute kommen - Pflegetätigkeiten in den Bereichen der Ernährung, der Mobilität sowie der hauswirtschaftlichen Versorgung umfasst. Das Gesetz nimmt hierbei auf § 14 Abs. 4 SGB XI Bezug. Darin ist bestimmt, dass im Bereich der Mobilität u. a. auch das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung als gewöhnliche und regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen i. S. d. § 14 Abs. 1 SGB XI anzusehen sind. Im vorliegenden Fall ist das Verbringen der Klägerin zum Rehabilitationssport dem Kriterium „Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung“ und damit dem Bereich der Mobilität zuzuordnen.

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In diesem Zusammenhang sei zunächst darauf hingewiesen, dass es bei ausschließlicher Betrachtung des Gesetzeswortlauts nahe liegen würde anzunehmen, dass jegliche Hilfestellung der Pflegeperson, die diese dem Pflegebedürftigen beim Verlassen oder Wiederaufsuchen der Wohnung zu Teil werden lässt, unter dem gesetzlichen Unfallversicherungsschutz steht. Allerdings wird vom Bundessozialgericht (= BSG) in der Rechtsprechung zur Ermittlung des Pflegebedarfs i. S. d. § 14 Abs. 4 SGB XI eine Einschränkung dahingehend vorgenommen, dass die Hilfe außerhalb der Wohnung erforderlich sein muss, um ein Weiterleben in der eigenen Wohnung zu ermöglichen. Außerhalb der Wohnung sind danach Hilfeleistungen für den Pflegebedarf nur insoweit beachtlich, als sie für die Aufrechterhaltung der Lebensführung zu Hause unumgänglich sind und das persönliche Erscheinen des Pflegebedürftigen notwendig ist . Dies wurde insbesondere für den Fall angenommen, dass der Pflegebedürftige Ärzte, Krankengymnasten, Sprachtherapeuten, Apotheken etc. aufsucht (BSG SozR 3-2200 § 14 Nr. 5, S. 31 f.).

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Allerdings stellt sich die Frage, ob diese, nur für die Bemessung des Pflegebedarfs und des Pflegegeldes entwickelten Maßstäbe, ohne Berücksichtigung unfallversicherungsrechtlicher Grundsätze und Zielsetzungen auf die Feststellung des Unfallversicherungsschutzes übertragen werden können. Dies gilt insbesondere für die Pflege von querschnittsgelähmten Menschen, denen wie hier sogar die Merkmale „B“ und „H“ nach dem SGB XI zuerkannt wurden und die in allen Bereichen der Mobilität ständig und bei jeder Gelegenheit auf eine Pflegeperson angewiesen sind. Aufgrund der äußerst differenzierten Rechtsprechung des BSG zur Einbeziehung bzw. Ausgrenzung bestimmter Tätigkeiten in den Pflegebedarf, könnte bei deren schematischer Anwendung die Pflegeperson, die mitunter sehr schnell auf aktuelle Erfordernisse der Pflegesituation zu reagieren hat, kaum je sicher sein, ob sie dabei unfallversichert wäre.

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Diese Thematik muss jedoch an dieser Stelle nicht vertieft werden, da hier auch nach den vom BSG zu § 14 Abs. 4 SGB XI entwickelten Kriterien Versicherungsschutz bestand. Der von der Klägerin betriebene Rehabilitationssport war nämlich für die Aufrechterhaltung der Lebensführung zu Hause unumgänglich. In diesem Zusammenhang ist zunächst zu beachten, dass sich der Rehabilitationssport nicht auf den Charakter eines Freizeitvergnügens reduzieren lässt. Vielmehr handelt es sich um eine Leistung der gesetzlichen Krankenkassen, die wiederum nur dann gewährt werden kann, wenn sie medizinisch notwendig ist (vgl. § 2 Abs. 4, 27 Abs. 1 S. 1 und 2 SGB V). Beim Rehabilitationssport ist dies nur der Fall, wenn er im Einzelfall unter Berücksichtigung von Art und Schwere der Behinderung erforderlich ist, um das Ziel der Rehabilitation zu erreichen oder zu sichern (§ 43 Abs. 1 Nr. 1 SGB V). Dabei wirkt er mit dem Mittel des Sports auf den Behinderten ein, um insbesondere Ausdauer, Konzentration, Flexibilität und Kraft zu stärken. Er dient dazu, die körperliche, geistige und psychische Leistungsfähigkeit zu verbessern, wobei ein Leistungsvergleich oder ein sportlicher Wettbewerb unschädlich ist, sofern nicht die genannten Ziele vom bloßen Leistungsstreben verdrängt werden (Höfler in Kasseler Kommentar, § 43 SGB V, Rz. 5c). Diese Zielsetzungen und die im Wege des Rehabilitationssports vermittelten Fähigkeiten dienen unmittelbar der Aufrechterhaltung der Lebensführung der Klägerin zu Hause. Sie hat nämlich in der mündlichen Verhandlung eindrucksvoll dargelegt, dass sie ohne den Rehabilitationssport alsbald die für die Beherrschung des Rollstuhls erforderliche Kraft verlieren und zuhause„bei jeder Kurve aus dem Rollstuhl fallen würde“. Dies hält die Kammer für unmittelbar einleuchtend, da aus einer Vielzahl von unfallversicherungsrechtlichen Verfahren bekannt ist, dass sich die Muskulatur an den Körperteilen, welche aufgrund einer Behinderung oder wegen Unfallfolgen geschont werden, innerhalb von kürzester Zeit abbaut. Eine sog. Schonatrophie und Kraftlosigkeit ist die Folge. Dies betrifft querschnittsgelähmte Rollstuhlfahrer umso mehr, da bei ihnen nahezu alle Körperteile betroffen sind. Dieser fatalen Entwicklung kann daher bei diesem Personenkreis nur durch ständige, intensive und regelmäßig wiederkehrende muskelaufbauende Maßnahmen entgegen gewirkt werden. Im Fall der Klägerin, die ihr schweres Schicksal aktiv angeht und die in § 6 SGB XI postulierte Eigenverantwortung in vorbildlicher Weise wahrnimmt, wurde daher im zweiten Halbjahr 1998 sogar die 3 x wöchentliche Durchführung des Rehabilitationssports von ärztlicher Seite empfohlen.

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Die Kammer kann von der Zielsetzung her auch keinen signifikanten Unterschied zwischen dem Rehabilitationssport und einer entsprechenden Langzeitbehandlung etwa im Rahmen einer krankengymnastischen Therapie erkennen. Denn auch die Ziele einer Therapie, die durch sog. Heilmittelerbringer durchgeführt wird, sind ebenfalls die Aktivierung der eigenen Fähigkeiten und nicht etwa nur auf das passive Erdulden von Übungen gerichtet. Auch eine Differenzierung nach dem Therapieansatz - ganzheitlich oder speziell - erscheint nicht sachgerecht, da sowohl bei der Durchführung von Rehabilitationsmaßnahmen als auch von den Heilmittelerbringern die gesamte breite der Therapieformen angewandt werden können. Die unter D 4.3. Nr. 15 der „Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem SGB IX“ entsprechend getroffene Abgrenzung überzeugt die Kammer jedenfalls im Hinblick auf den Unfallversicherungsschutz der Pflegeperson beim Verbringen des Pflegebedürftigen zur Therapie nicht. Denn auch eine ganzheitlich bzw. interdisziplinär ausgerichtete Therapie kann - von wem sie auch immer erbracht wird - zur Aufrechterhaltung der Lebensführung zu Hause notwendig sein. So war es auch hier. Da, wie bereits ausgeführt, bei Rollstuhlfahrern der gesamte Körper betroffen ist, erscheint gerade bei diesem Personenkreis ein ganzheitlicher Therapieansatz, wie er auch im Rahmen des Rehabilitationssports zu erkennen ist, ein probates Mittel für die Sicherung des Rehabilitationszwecks (vgl. § 2 Abs. 1 SGB XI). In diesem Zusammenhang sei auch darauf hingewiesen, dass die Pflegebedürftigen zwischen den Einrichtungen und Diensten verschiedener Träger wählen können, wobei ihren Wünschen zur Gestaltung der Hilfe im Rahmen des Leistungsrecht grundsätzlich entsprochen werden soll (§ 2 Abs. 2 SGB XI). Es kann daher für die rechtliche Einordnung keinen Unterschied machen, wenn die Klägerin zur Aufrechterhaltung der Lebensführung zu Hause anstatt einer krankengymnastischen Therapie den Rehabilitationssport gewählt hat, wenn sie hierdurch das Rehabilitationsziel in eine ihr selbst entsprechend Weise besser erreichen kann.

24

Ein überwiegender Freizeitcharakter des Rehabilitationssports kann daher weder im Allgemeinen noch im hier vorliegenden Fall erkannt werden. Dabei ist unschädlich, dass die Klägerin den Rehabilitationssport in einem Integrations-Sportverein durchführt bzw. zum Unfallzeitpunkt durchgeführt hat. Sie hat in der mündlichen Verhandlung nämlich schlüssig dargelegt, dass sie diesen Schritt nur unternommen hat, weil es bis vor 10 Jahren mangels entsprechender Vereine in der näheren Umgebung kaum möglich war, Rehabilitationssport - im klassischen Sinne - auszuüben. Der von der Klägerin gewählte Rahmen der Sportausübung entspricht dem Rehabilitationssport und wird auch von ihrer Krankenkasse bereits seit Jahren als solcher anerkannt. Selbst wenn aber der von der Klägerin ausgeübte Rehabilitationssport auch eine gesellschaftliche und integrative Komponente umfasste hat, kann dies zu keiner anderen Beurteilung führen. Nach der im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung ist es nämlich ausreichend, wenn der Rehabilitationssport wesentlich den genannten Zielen - sowie der Aufrechterhaltung der Lebensführung zu Hause - gedient hat. Dies wäre wiederum nur dann zweifelhaft, wenn die Rehabilitationszwecke durch die gesellschaftlichen Aspekte des Rehabilitationssports völlig in den Hintergrund gedrängt worden wären. Hierfür finden sich jedoch keine Anhaltspunkte. Die medizinischen Zwecke standen vielmehr deutlich im Vordergrund. Die von der Klägerin darüber hinaus aus rein sportlichen Gründen durchgeführten Trainingseinheiten im Zusammenhang mit ihrer Teilnahme an den Paralympics, wurden in anderen Vereinen durchgeführt.

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Da der Rehabilitationssport im konkreten Fall von ärztlicher Seite wöchentlich 3 x empfohlen worden war, kann auch kein Zweifel daran bestehen, dass es sich bei der von Herrn B. durchgeführten Beförderung der Klägerin zum Rehabilitationssport um eine regelmäßig wiederkehrende Verrichtung gehandelt hat. Die Kammer weist jedoch darauf hin, dass auch Arztbesuche, die nicht regelmäßig einmal pro Woche anfallen, zur Aufrechterhaltung der Lebensführung zu Hause unumgänglich sein können.

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Im vorliegenden Fall kann daher dahinstehen, ob Herr B. auch aufgrund von anderen Vorschriften zum Unfallzeitpunkt gesetzlich unfallversichert war, z. B.

27

- als Beschäftigter seiner Ehefrau gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII,

28

- als arbeitnehmerähnliche Person i. S. des § 2 Abs. 2 SGB VII,

29

- als Person, die im Gesundheitsdienst oder der Wohlfahrtspflege tätig war gem. § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VII (zu allen drei Aspekten: vgl. BSG, Urt. v. 29. November 1990 - 2 RU 18/90) oder

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- als arbeitnehmerähnliche Person i. S. des § 2 Abs. 2 SGB VII i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 a SGB VII als notwendiger Begleiter der Klägerin auf einem Weg zu einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation (vgl. Bereiter-Hahn, Kommentar, § 2 SGB VII, Rz. 34.27 und 29.18 f.).

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Die vom Beklagten in Bezug genommene Vorschrift des § 6 SGB VII bezieht sich demgegenüber nur auf die Berechtigung zur freiwilligen Versicherung, die aber Herr B. unstreitig gar nicht abgeschlossen hatte.

32

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.