Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 06.09.2005, Az.: 5 Ta 255/05
Voraussetzungen der nachträglichen Zulassung einer Kündigungsschutzklage; Verschulden an der Fristversäumung bei depressiven Angststörungen
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 06.09.2005
- Aktenzeichen
- 5 Ta 255/05
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 35753
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2005:0906.5TA255.05.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Hannover - 14.03.2005 - AZ: 12 Ca 234/05
Rechtsgrundlagen
- § 5 Abs. 1 S. 1 KSchG
- § 5 Abs. 2 KSchG
- § 5 Abs. 3 KSchG
Fundstellen
- NZA-RR 2007, VI Heft 3 (amtl. Leitsatz)
- NZA-RR 2007, 219-221 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
Die Erkrankung eines Arbeitnehmers rechtfertigt die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage, wenn der Arbeitnehmer krankheitsbedingt außerstande war, selbst Klage einzureichen und keine andere Person (Ehegatte, Lebenspartner, Verwandte, Freunde) hiermit beauftragen konnte. Von einem Arbeitnehmer, der trotz einer depressiven Angststörung in der Lage ist, sein privates Umfeld neu zu ordnen, kann verlangt werden, anwaltlichen Rat wegen einer Kündigung einzuholen oder sich an eine geeignete Stelle zu wenden.
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover vom 14.03.2005 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Gebühr: 20,00 EUR.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um nachträgliche Zulassung einer verspäteten Kündigungsschutzklage.
Der Kläger ist Mitglied der IG Metall. Er war bei der Beklagten im Werk H seit 1990 zu einem monatlichen Bruttoentgelt von ca. 2.500.- EUR als Anlagenbediener beschäftigt.
Mit Schriftsatz vom 07.02.2005 hat der Kläger beim Arbeitgericht Hannover gegen eine fristlose Kündigung vom 21.12.2004 wegen unentschuldigten Fehlens sowie gegen eine weitere fristgemäße Kündigung vom 23.12.2004 Kündigungsschutzklage eingelegt und dazu die Auffassung vertreten, für die Kündigungen bestehe weder ein wichtiger Grund noch seien diese sozial gerechtfertigt. Außerdem sei der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden.
Mit weiterem Schriftsatz vom selben Tage hat der Kläger aus folgenden Gründen die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage beantragt:
Seit dem 25.10.2004 sei er an einer generalisierenden Angststörung erkrankt und befinde sich in einer depressiven Episode. Durch diese Erkrankung sei ihm eine rechtzeitige Klageerhebung unmöglich gewesen. Die Kündigungen seien ihm - entgegen dem Vermerk auf dem Kündigungsschreiben - nicht ausgehändigt, sondern während seiner Abwesenheit in den Briefkasten seiner Wohnung geworfen worden. Zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs habe er bei seiner Freundin in S gewohnt. Seinen Prozessbevollmächtigten habe er am Tag der Klageerhebung aufgesucht, nachdem seine Freundin dessen Anschrift im Internet herausgesucht um mit e-mail vom 06.02.2005 um anwaltliche Hilfe ersucht habe. Er habe über den Fall nicht sprechen können und sei am Tag nach der Besprechung von dem ihm behandelnden Arzt in das Landeskrankenhaus W überwiesen und dort stationär aufgenommen worden.
Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 11.03.2005 reichte der Kläger eine von ihm erstellte eidesstattliche Versicherung ein, mit der er seinen Sachvortrag glaubhaft macht. Darauf wird ergänzend Bezug genommen. Der Kläger trägt insbesondere vor, er habe sich seit dem 25.10.2004 in einer depressiven Episode befunden, die nicht vor dem 08.02.2005 geendet habe. Er sei gesundheitlich nicht in der Lage gewesen, sich selbst an einen Fachkundigen zu wenden und habe nur mit Hilfe seiner Freundin Klage erheben können. Vor einer Vertretung durch die IG-Metall habe er Angst gehabt, nachdem der Betriebsrat den Kündigungen zugestimmt habe.
Ebenso wird auf die mit gleichem Schriftsatz vorgelegte Erklärung des behandelnden Arztes Dr. W verwiesen, die auszugsweise folgenden Wortlaut hat:
"... zusätzlich ist mir der exakte Krankheitsverlauf zum Jahresende 2004 nicht bekannt, ich habe den Patienten wegen einer depressiven Verstimmung am 26.10., am 09.11., am 30.11. und zuletzt am 17.12.2004 persönlich in Augenschein genommen, bei dieser Arztkonsultation war er depressiv verstimmt und schien körperlich erschöpft. Zum Jahresanfang 2005 wurde der Patient persönlich nicht mehr vorstellig, er hat sich auch telefonisch nicht mehr gemeldet. Auch die Lebensgefährtin hat mir telefonisch keine Mitteilung gegeben, ich kann über den Gesundheitsverlauf zum Jahresanfang 2005 bis zur stationären Aufnahme im Krankenhaus W keine exakten Auskünfte und auch keine eidesstattliche Versicherung abgeben. ..."
Durch Beschluss vom 14.03.2005, auf dessen Begründung ergänzend Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht den Antrag des Klägers auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, der Kläger habe nicht glaubhaft gemacht, dass ihm die Einhaltung der Klagefrist objektiv unmöglich sei:
Die vorgelegten diagnostischen Leitlinien ermöglichten keine Beurteilung der individuellen Situation des Klägers zwischen dem Zugang der Kündigungserklärungen und der Klageerhebung.
Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 30.11.2004 beziehe sich nur auf den Zeitraum bis zum 05.12.2005 und besage folglich nichts über den Zeitraum zwischen dem 05.12.2004 und dem 07.02.2005.
Das Schreiben des behandelnden Arztes Dr. W , der ausdrücklich erklärt habe, über den Gesundheitsverlauf zum Jahresanfang 2005 bis zur stationären Aufnahme des Klägers im Februar keine exakten Auskünfte geben zu können, sei gleichfalls unergiebig.
Schließlich ergebe sich aus der eidesstattlichen Erklärung des Klägers vom 04.03.2005 kein Anhaltspunkt über die objektive Unmöglichkeit der rechtzeitigen Klageerhebung. Es bleibe unklar, wann und auf welche Weise dem Kläger bzw. dessen Freundin der Inhalt der beiden Kündigungsschreiben zur Kenntnis gelangt sei.
Der Beschluss ist dem Kläger am 01.04.2005 zugestellt worden. Mit seiner sofortigen Beschwerde vom 11.04.2005 verfolgt er seinen Antrag auf nachträgliche Zulassung nach Maßgabe der Schriftsätze vom 11.04.2005, vom 13.05.2005, vom 01.07.2005, vom 27.07.2005 sowie vom 29.07.2005, auf die ergänzend Bezug genommen wird, weiter. Der Kläger meint, das Arbeitsgericht sei bei seiner Entscheidung von übertriebenen Sorgfaltsanforderungen ausgegangen. Der zuzumutenden Sorgfalt liege ein subjektiver und kein objektiver Maßstab zugrunde; sie richte sich danach, was von dem jeweiligen Antragsteller in seiner konkreten Situation an Sorgfalt gefordert werden könne. Dem erkrankten Arbeitnehmer müsse also selbst die rechtzeitige Klageerhebung objektiv unmöglich gewesen sein, wobei er sich nicht auf die Möglichkeit einer rechtzeitigen schriftlichen Klageerhebung oder auf die Beauftragung von Verwandten verweisen lassen müsse. Dies gelte jedenfalls bei einer schweren psychischen Erkrankung seit dem 25.10.2004, deren Vorliegen er durch seine eidesstattliche Versicherung ausreichend glaubhaft gemacht habe.
Folgenden Sachvortrag hat der Kläger im Beschwerdeverfahren durch eine eidesstattliche Versicherung vom 09.05.2005 ergänzend vorgetragen und glaubhaft gemacht: Zwischen Weihnachten und Neujahr habe er sich im Urlaub befunden. Von dem Kündigungsschreiben habe er in der Zeit zwischen dem 04. und dem 08.01.2005 Kenntnis erhalten, wodurch sich sein psychischer Zustand drastisch verschlechtert habe. Verängstigt und antriebslos habe er sich in eine gedankliche Scheinwelt geflüchtet und mit niemandem über die Kündigung reden oder sich gar rechtlich beraten lassen können. Auf seine Arbeitsstelle angesprochen, habe er seiner Freundin wahrheitswidrig mitgeteilt, er befinde sich im Urlaub. Dass er trotz Fortbestehens seiner psychischen Erkrankungen am 04.02.2005 in der Lage gewesen sei, seine Freundin zu informieren, habe daran gelegen, dass die Erkrankung Schwankungen unterworfen und zu diesem Zeitpunkt der Druck durch die Lügengeschichten so groß geworden sei, dass er keinen anderen Ausweg gesehen habe, als sich seiner Freundin anzuvertrauen.
Frau S , die Lebensgefährtin des Klägers, hat am 09.05.2005 an Eides Statt versichert, der Kläger habe sie bei Themen im Zusammenhang mit seiner Arbeitsstelle belogen und nichts von den Kündigungen erzählt. Erst als er in den ersten Februartagen von einem anstehenden Gesprächstermin in der Personalabteilung der Beklagten berichtet und sie daraufhin genauer nachgefragt habe, worum es gehe, habe der Kläger ihr am 04.02.2005 per SMS mitgeteilt, dass ihm gekündigt worden sei.
Die Eltern des Klägers haben am 12.05.2005 an Eides Statt versichert, dass der Kläger ihnen im Januar 2005 die Bestellung eines Fahrzeugs zu Mitarbeiterkonditionen zugesagt habe, wissend, dass er dazu angesichts der Kündigungen nicht mehr in der Lage gewesen sei.
Schließlich hat der Kläger am 29.07.2005 ergänzend eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt, aus der sich ergibt, dass er noch über den 05.12.2004 bis zum 28.12.2004 arbeitsunfähig krank geschrieben worden sei.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses die mit Schriftsatz vom 07.02.2005 erhobene verspätete Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen.
Die Beklagte verteidigt mit ihrem Zurückweisungsantrag die angefochtene Entscheidung nach Maßgabe der Schriftsätze vom 21.06.2005, vom 01.08.2005 sowie vom 30.08.2005, auf deren vollständigen Inhalt ebenfalls ergänzend Bezug genommen wird. Sie meint, die Fristen zur Einlegung der Kündigungsschutzklage seien am 31.01.2005 bzw. am 01.02.2005 abgelaufen, der Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage sei unbegründet.
Die Beklagte hat durch eidesstattliche Versicherungen vom 20.06.2005 sowie - teilweise klarstellend - vom 30.08.2005 der Mitarbeiterin des Personalwesens B folgenden Sachverhalt glaubhaft gemacht:
Die erste Kündigung wegen unentschuldigten Fehlens datiere vom 21.12.2004. Das erste, als Einschreiben/Rückschein zugesandte Schreiben habe sie mit dem Vermerk "zurück" wieder erhalten, was nach Ablauf der Betriebspause am 10.01.2005 festgestellt worden sei. Aus diesem Grunde habe sie, Frau B , das Kündigungsschreiben persönlich in den Briefkasten des Klägers einwerfen lassen, und zwar im Beisein ihres Ehemannes um 17.40 Uhr.
Auch die zweite, auf den 23.12.2004 datierte fristgemäße Kündigung zum 28.02.2005 sei auf dem Postwege unzustellbar gewesen. Frau B sei deshalb am 11.01.2005 um 17.43 Uhr zur Wohnung des Klägers gefahren, habe das Kündigungsschreiben im Beisein ihres Ehemannes in einen Umschlag gesteckt und in den Hausbriefkasten des Klägers eingeworfen. Versehentlich habe Frau B in der ersten eidesstattlichen Versicherung das Datum verwechselt und eine Zustellung am 23.12.2004 angegeben.
Die Beklagte meint, der Kläger habe nicht ausreichend glaubhaft gemacht, dass er nicht in der Lage gewesen sei, rechtzeitig Kündigungsschutzklage zu erheben. Die Angststörung habe den Kläger auch nicht davon abhalten können, in diesem Zeitraum umzuziehen.
Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Beschwerdegericht mit Beschluss vom 21.04.2005 zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die frist- und formgerecht eingelegte und nach § 5 Abs. 4 Satz 2 KSchG insgesamt zulässige sofortige Beschwerde des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
1.
Die Kündigungsschutzklage ist nach § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG nachträglich zuzulassen, wenn der Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert ist, die Klage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung zu erheben. Den Arbeitnehmer darf kein Verschulden an der Fristversäumung treffen (LAG Niedersachsen 08.11.2002 - 5 Ta 257/02 - NZA-RR 2003, 556).
Die Erkrankung eines Arbeitnehmers rechtfertigt, wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, nur dann die nachträgliche Zulassung der Klage, wenn der Arbeitnehmer krankheitsbedingt außerstande war, selbst Klage einzureichen und auch keine andere Person (Ehegatte, Lebenspartner, Verwandte, Freunde) hiermit beauftragen konnte (LAG Düsseldorf 19.09.2002 - 15 Ta 343/02 - NZA-RR 2003, 78; LAG Berlin, 14.04.1999 - 9 Ta 498/99 NZA-RR 1999, 437; LAG Köln 18.02.1997 - 4 Ta 295/96 - RzK I 10 d Nr. 82; KR/Friedrich, 7. Aufl., § 5 KSchG Rn. 42 und APS/Ascheid 2. Aufl. § 5 KSchG Rn. 39, jew. m.w.N. zur Rspr.). Kriterium für das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist, wie der Arbeitnehmer seine anderen persönlichen Angelegenheiten in dieser Zeit besorgt hat (ErfK/Ascheid § 5 KSchG Rn. 11 mwN; LAG Düsseldorf 18.07.1978 LAGE KSchG 1969 § 5 Nr. 4). Selbst im Falle eines Krankenhausaufenthaltes wird es dem Arbeitnehmer in der Regel möglich sein, Angehörige, Bekannte oder eine "zuverlässige Stelle" (z.B. einen Rechtssekretär oder Rechtsanwalt) - notfalls telefonisch - zu beauftragen (vgl. LAG Köln 18.02.1997 - 4 Ta 295/96 - RzK I 10 d Nr. 82; LAG Hamm 12.09.1985 LAGE KSchG 1969 § 5 Nr. 20). Maßstab ist auch hier, wie er seine übrigen Angelegenheiten während des Krankenhausaufenthaltes wahrnimmt (ErfK/Ascheid aaO Rn. 12 und APS/Ascheid, 2. Aufl. § 5 KSchG Rn. 43).
§ 5 Abs. 2 Satz 1 KSchG bestimmt, dass die Klageerhebung mit dem Antrag zu verbinden ist. Nach § 5 Abs. 2 Satz 2 KSchG muss der Antrag ferner die Angabe der die nachträgliche Zulassung begründenden Tatsachen und der Mittel für deren Glaubhaftmachung enthalten.
Der Antrag ist gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG nur innerhalb von zwei Wochen nach Behebung des Hindernisses zulässig.
2.
Unter Beachtung dieser Vorschriften und Rechtssätze ist der Antrag auf nachträgliche Zulassung unbegründet.
Zwar hat der Kläger durch Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sowie der Bescheinigung des ihn behandelnden Arztes Dr. W glaubhaft gemacht, dass er seit Mitte Oktober 2004 an depressiven Verstimmungen und Angstzuständen gelitten hat, die bis zum 28.12.2004 zur Arbeitsunfähigkeit führten. Dass eine derartige Erkrankung mit dem Ablauf dieses Tages nicht ausgeheilt ist, entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung und ergibt sich daraus, dass der Kläger am 07.02.2005 nach der Besprechung bei seinem Rechtsanwalt über die Kündigung stationär in das Landeskrankenhaus aufgenommen wurde.
Allerdings unterliegen depressive Erkrankungen Schwankungen, wie der Kläger selbst vorträgt. Aus den ärztlichen Bescheinigungen, insbesondere aus der Erklärung des Arztes Dr. W ergibt sich nicht, dass sich der Kläger im Januar 2005 überhaupt wegen der depressiven Verstimmung in ärztlicher Behandlung befunden hat. Jedenfalls hat er Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht vorgelegt, obwohl er dazu vor dem Zugang der Kündigungen (nach eigenem Vortrag frühestens am 04.01.2005) verpflichtet gewesen wäre. Gegen eine so starke Depression, dass er nicht einmal ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen konnte, spricht, dass sich der Kläger, der im Dezember bei seiner Lebensgefährtin gewohnt hat, zwischen Zugang der Kündigung und dem anwaltlichen Gespräch am 07.02.2005 in eine neue, eigene Wohnung umgezogen ist.
Von einem Arbeitnehmer, der dazu in der Lage ist, sein privates Umfeld neu zu ordnen, kann auch verlangt werden, anwaltlichen Rat wegen der Kündigungen einzuholen oder sich an eine andere geeignete Stelle zu wenden. Zumindest hätte er sich mit den Kündigungen in der Weise auseinandersetzen können, dass er seine Eltern oder seine Lebensgefährtin, die ihn auf das Arbeitsverhältnis angesprochen haben, von der Kündigung berichtet und um Hilfe bittet. Der glaubhaft gemachte Tatsachenbehauptung, der Kläger habe im Januar 2005 gelogen, indem er die Vorstellung aufrechterhalten hat, er befinde sich im Urlaub (gegenüber seiner Lebensgefährtin) und könne ein Fahrzeug zu Mitarbeiterkonditionen beschaffen (gegenüber seinen Eltern), lässt nicht die Feststellung zu, ob der Kläger in dieser Situation nicht anders handeln wollte oder nicht anders handeln konnte. Aus den allgemeinen Ausführungen zum Krankheitsbild einer generalisierenden Angststörung folgt nicht, dass die depressive Phase bis zu 04.02.2005 durchgehend mit so starken Erschöpfungs- und Angstzuständen verbunden war, dass der Kläger niemanden um Hilfe wegen der Kündigungen ersuchen konnte.
Immerhin hat er Fragen nach seinem Arbeitsverhältnis mit einem Urlaub erklärt. Hätte er sich tatsächlich in einer schweren depressiven Phase befunden, hätte es wesentlich näher gelegen mitzuteilen, er sei weiter krankgeschrieben oder bedürfe ärztlicher Hilfe. Offensichtlich hat auch die Lebensgefährtin, die um die gesundheitlichen Probleme wusste, im Januar 2005 nicht festgestellt, dass sich der Kläger wegen einer akuten und so starken Depression mit wichtigen Angelegenheiten seines täglichen Lebens, zu denen insbesondere auch die das Arbeitsverhältnis betreffenden gehören, überhaupt nicht auseinandersetzen konnte. Tatsachen, die einen entsprechenden Schluss für den Dreiwochenzeitraum ab Zugang der Kündigungen zulassen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Es kann damit dahinstehen, ob die eidesstattliche Versicherung der Mitarbeiterin der Beklagten B zutrifft, wonach sie die Kündigungen am 10. bzw. am 11.01. in den Briefkasten des Klägers an seiner früheren Wohnanschrift eingeworfen habe, oder ob die Briefe bereits zuvor zugegangen sind, wie der Kläger an Eides Statt versichert, so dass er spätestens am 08.01.2005 Kenntnis erlangt. Die Frist lief jedenfalls vor dem 06.02.2005 ab, dem Tag, an dem der Kläger seine Lebensgefährtin um Hilfe ersuchte. Warum er dazu an diesem Tag und nicht schon früher in der Lage war, hat der Kläger nicht glaubhaft gemacht, weshalb sich des Weiteren auch nicht feststellen lässt, wann die Zweiwochenfrist des § 5 Abs. 3 KSchG abgelaufen ist, die "ab Behebung des Hindernisses" zu laufen beginnt.
III.
Die Rechtsbeschwerde ist nicht eröffnet (BAG 20.08.2002 AP KSchG 1969 § 5 Nr. 14). Der Beschluss ist damit unanfechtbar.