Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 09.09.2005, Az.: 16 Sa 37/05
Voraussetzungen für die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung; Anwendbarkeit der Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) für Anstalten und Einrichtungen, die dem Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland angeschlossen sind; Kündigung eines langjährigen Mitarbeiters; Grundsatz des Vorrangs der Änderungskündigung
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 09.09.2005
- Aktenzeichen
- 16 Sa 37/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 22910
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2005:0909.16SA37.05.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Osnabrück - 04.11.2004 - AZ: 1 Ca 139/04
Rechtsgrundlagen
- § 1 Abs. 2 AVR-K
- § 1 KSchG
- § 35 Abs. 2 AVR-K
Fundstellen
- EzA-SD 23/2005, 8
- PflR 2006, 60-64 (Volltext mit amtl. LS u. Anm.)
- ZMV 2006, 102-104
Amtlicher Leitsatz
- 1.
In Verfahren nach § 35 AVR-K ist die Mitarbeitervertretung jedenfalls zu beteiligen, auch wenn es sich um einen Mitarbeiter in leitender Stellung nach § 4 Abs. 3 MVG-K handelt. Dieses gilt auch, wenn die Mitarbeitervertretung sich selbst für unzuständig erachtet. Für diesen Fall ist die Schlichtungsstelle anzurufen.
- 2.
Eine Anhörung der Mitarbeitervertretung im Rahmen der Kündigungsabsicht stellt nicht gleichzeitig die Einleitung des Verfahrens nach § 35 AVR-K dar.
- 3.
Die Arbeitgeberin ist zur Freikündigung eines Arbeitsplatzes verpflichtet, wenn nur so ein gleichwertiger Arbeitsplatz für den unkündbaren Arbeitnehmer angeboten werden kann.
In dem Rechtsstreit
hat die 16. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 9. September 2005
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Hannes,
den ehrenamtlichen Richter Herrn Herlyn,
den ehrenamtlichen Richter Herrn Winkelmann
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 04.11.2004 - Az. 1 Ca 139/04 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich mit der Klage gegen zwei ihm gegenüber ausgesprochene Kündigungen vom 12.02.2004 zum 30.09.2004 sowie vom 19.05.2004 zum 31.12.2004 und begehrt darüber hinaus seine Weiterbeschäftigung als Heimleiter bei der Beklagten.
Der 1947 geborene Kläger ist bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin seit dem 01.10.1979 zu einer Bruttovergütung von zuletzt ca. 3.880,-- EUR beschäftigt. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder in der Ausbildung. Er war zuletzt tätig als Heimleiter des KM...-Stiftes in O... der Beklagten.
Grundlage der arbeitsvertraglichen Beziehungen ist der Dienstvertrag (ohne Datum). In § 3 ist Folgendes vereinbart:
Für das Dienstverhältnis gelten die Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) für Anstalten und Einrichtungen, die dem Diakonischen Werk - Innere Mission und Hilfswerk - der Evangelischen Kirche in Deutschland angeschlossen sind, in der jeweils gültigen Fassung, soweit nicht etwas anderes schriftlich vereinbart wird. Sie sind bei der Mitarbeitervertretung, der Heimleitung oder der Geschäftsstelle einzusehen.
Wegen des Inhalts des Arbeitsvertrags im Übrigen wird auf diesen (Blatt 9/10 d. A.) verwiesen.
Die Beklagte betreibt Krankenhäuser, Senioreneinrichtungen sowie Einrichtungen der Jugendhilfe.
Bei den Senioreneinrichtungen betreibt die Beklagte das BL...-Altenzentrum (BLA), das KM...-Stift (KMS), das HB...-Haus (HBH), die Fachschule für Altenpflege, die Sozialstation Dissen sowie Alten- und Mietwohnungen sowie das Wohnstift A... mit ambulanter Pflege.
Im Gespräch vom 28.01.2004 wurde gegenüber dem Kläger angekündigt, dass er von der Arbeit freigestellt werde, was ihm durch Schreiben vom 30.01.2004 (Blatt 11 d. A.) übermittelt wurde. Tatsächlich wurde der Kläger ab 02.02.2004 von der Arbeitsleistung freigestellt.
Der Kläger stellte am 03.02.2004 einen Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft, der noch nicht endgültig beschieden wurde.
Die Beklagte kündigte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis zunächst mit Kündigungsschreiben vom 12.02.2004 und sodann nach Einholung der Zustimmung des Integrationsamtes erneut mit Schreiben vom 19.05.2004 zum 31.12.2004. Grund der Kündigung nach Angaben der Beklagten ist der Wegfall des Arbeitsplatzes des Klägers.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass die ausgesprochenen Kündigungen sozial ungerechtfertigt seien. Er hat bestritten, dass sein Arbeitsplatz wegfiele bzw. Gründe vorlägen, nach denen die Beschäftigungsmöglichkeit für ihn entfalle. Die Beklagte beschäftige zwei Einrichtungsleiter weiter, möglicherweise eine Stufe niedriger als bisher, ein Heimleiter sei befördert worden. Da die Beklagte weitere Einrichtungen der Altenbetreuung und Pflege habe, könne der Kläger tatsächlich weiterbeschäftigt werden. Ihm hätte ein freier anderweitiger Arbeitsplatz angeboten werden müssen. Insoweit sei auch die Sozialauswahl in Bezug auf die weiterbeschäftigten Einrichtungsleiter nicht zutreffend vorgenommen worden.
Darüber hinaus sei der Kläger auf Grund der AVR ordentlich betriebsbedingt unkündbar, sodass die Kündigung bereits aus diesen Gründen unwirksam sei. Er habe nach § 31 der Arbeitsvertragsrichtlinien der Konförderation Evangelischer Kirchen Niedersachsen für Einrichtungen, die sich dem ARRGD angeschlossen haben (AVR-K), bereits einen solchen Kündigungsschutz erworben. Die Änderung der AVR-K zum 01.01.2004 und damit die erleichterte Möglichkeit der betriebsbedingten Kündigung auch für ältere Arbeitnehmer, verstoße gegen das Rückwirkungsverbot und den Vertrauensschutz des Klägers, den dieser bereits erworben habe, sodass diese Regelungen für sein Arbeitsverhältnis keine Anwendung fänden.
Darüber hinaus habe die Beklagte die Grundsätze nach § 35 AVR-K, Stand 01.01.2004, nicht angewandt, sodass auch die Voraussetzungen für eine betriebsbedingte Kündigung nicht vorgelegen hätten.
Der Kläger hat beantragt,
- 1.
festzustellen, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers durch schriftliche Kündigungserklärung der Beklagten vom 12.02.2004 unwirksam ist,
- 2.
festzustellen, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers mit Schreiben der Beklagten vom 19.05.2004 unwirksam ist,
- 3.
die Beklagte zu verurteilen, den Kläger als Leiter des KM...-Stifts in O..., tatsächlich zu beschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, auf Grund wirtschaftlicher Schwierigkeiten in der Vergangenheit sei ein neues Führungsmodell für sämtliche Einrichtungen entwickelt worden. Sämtliche Einrichtungen in der Altenpflege stünden in Zukunft unter einer gemeinsamen Leitung, die aus zwei Führungskräften bestehe, der kaufmännischen und der fachlichen Gesamtleitung. Die Leitungsfunktionen für einzelne Altenheime seien damit entbehrlich geworden und würden einerseits von den zwei Führungskräften mit ausgefüllt, andererseits durch die Bereichsleitungen mit ausgeübt. Diese Entscheidung sei im Oktober 2003 gefallen, sodass mit der Umsetzung der Arbeitsplatz des Klägers entfallen sei. Da die Positionen der bisherigen Einrichtungsleitungen entfallen seien, sei allen vier Einrichtungsleitern die Kündigung ausgesprochen worden, sodass eine Sozialauswahl nicht vorzunehmen gewesen sei.
Eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger sei nicht vorhanden. Die unter der Beschäftigung des Klägers liegende Ebene im Pflegebereich stelle keine im Wesentlichen gleichwertige Beschäftigungsmöglichkeit dar.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass die Neuregelung der Arbeitsvertragsrichtlinien zum 01.01.2004 wirksam erfolgt sei und damit die Möglichkeit der Kündigung bestanden habe.
Die Mitarbeitervertretung habe sich für unzuständig erklärt, sodass eine gemeinsame Feststellung im Rahmen des § 35 AVR-K nicht möglich gewesen sei, ebenso wenig wie die Anhörungen zu den Kündigungen des Klägers.
Durch Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 04.11.2004 wurde festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 12.02.2004 nicht beendet worden ist. Weiter wurde festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 19.05.2004 beendet worden ist. Schließlich wurde die Beklagte verurteilt, den Kläger als Heimleiter bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Kündigungsrechtsstreits tatsächlich weiter zu beschäftigen. Die Kosten des Rechtsstreits wurden der Beklagten auferlegt und der Streitwert auf 27.160,-- EUR festgesetzt.
Wegen des Inhalts des erstinstanzlichen Urteils wird auf dieses (Blatt 79 bis 88 d. A.) verwiesen.
Dieses Urteil wurde der Beklagten am 07.12.2004 zugestellt. Hiergegen legte diese am 05.01.2005 Berufung ein und begründete diese mit einem am 07.02.2005 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz.
Zur Begründung der Berufung trägt die Beklagte vor, die Kündigung sei deshalb gerechtfertigt, weil eine Weiterbeschäftigung des Klägers auf Grund einer betriebswirtschaftlichen Entscheidung nicht gegeben sei. Es sei eine Hierarchieebene im Betrieb der Beklagten weggefallen, nämlich die der Heimleiter auf Grund der veränderten Organisationsform. Insoweit wird auf die Organigramme, die die Beklagte mit der Berufung eingereicht hat, mit Stand 01.03.2003 (Organigramm alt) und Stand 01.07.2004 (Organigramm neu) verwiesen (Blatt 129/130 d. A.).
Die bisherigen Leitungsaufgaben des Klägers seien entweder auf die Geschäftsbereichsleitung Altenhilfe übertragen worden oder würden durch die Pflege/Abteilungsleitung im Wesentlichen übernommen. Insoweit wird auf die Aufstellung der Beklagten im Schriftsatz vom 20.01.2005, Seiten 3 bis 5 (Blatt 124 bis 126 d. A.) verwiesen.
Zu berücksichtigen sei, dass auf Grund der Neuorganisation einige Aufgaben wegfielen und damit die Arbeiten von den verbliebenen Mitarbeitern mit übernommen werden könnten.
Jedenfalls werde seit dem 01.03.2004 nach dem neuen Modell gearbeitet, Probleme seien hierbei nicht aufgetreten.
Eine Sozialauswahl sei entbehrlich gewesen, da allen Heimleitern gekündigt worden sei.
Eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger habe es nicht gegeben, da weder freie Arbeitsplätze vorhanden seien noch ein Anspruch auf Beförderung des Klägers in die Geschäftsbereichsleitung bestanden habe.
Die Anhörung der Mitarbeitervertretung sei entbehrlich gewesen, da der Kläger zum Bereich der Dienststellenleitungen gemäß § 4 des Mitarbeitervertretungsgesetzes der Konförderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen (MVG) zu zählen sei.
Da auch die Mitarbeitervertretung insgesamt nicht zuständig sei, habe auch ein Verfahren nach § 35 AVR-K nicht durchgeführt werden können und müssen. Zumindest liege es nicht im Verantwortungsbereich der Beklagten, wenn sich die Mitarbeitervertretung für unzuständig erkläre. Eine Unwirksamkeit der Kündigung werde hierdurch nicht herbeigeführt.
Ergänzend wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 20.01.2005 (Blatt 122 bis 128 d. A.) sowie vom 06.07.2005 (Blatt 181 bis 187 d. A.) sowie vom 26.07.2005 (Blatt 198 bis 199 d. A.) sowie auf die Erklärungen der Beklagten im Termin vom 09.09.2005 (Blatt 207 d. A.) verwiesen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 04.11.2004, Az. 1 Ca 139/04, abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe seiner Schriftsätze vom 18.02.2005, 26.06.2005 und 27.06.2005. Hierauf wird verwiesen (Blatt 133 bis 136 d. A., Blatt 162 bis 169 d. A.).
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten ist zulässig.
Entgegen der Auffassung des Klägers setzt sich diese mit den Urteilsgründen erster Instanz im Einzelnen auseinander und begründet, weshalb eine Abänderung des Urteils erster Instanz geboten sei.
Die Berufung der Beklagten ist jedoch nicht begründet.
Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist weder durch die Kündigung der Beklagten vom 12.02.2004 zum 30.09.2004 beendet worden noch durch die zweite ausgesprochene Kündigung vom 19.05.2004 zum 31.12.2004. Entsprechend dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ist der Kläger als Heimleiter weiter zu beschäftigen.
Die Unwirksamkeit der Kündigung ergibt sich insbesondere aus zwei Gründen:
1.
Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung die AVR-K Anwendung.
Dieses entspricht dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien. Es besteht auch keine Ausnahme vom Geltungsbereich gemäß § 1 Abs. 2 der AVR-K, wonach diese nicht gelten, sofern deren vollständige oder teilweise Anwendung nicht ausdrücklich schriftlich vereinbart ist, für leitende Angestellte im Sinne von § 4 Abs. 3 Ziff. 1 und 3 MVG-K.
Die Kammer kann es dahingestellt sein lassen, ob der Kläger ein entsprechender leitender Angestellter ist, denn mit ihm sind ausdrücklich die Arbeitsvertragsrichtlinien für Anstalten und Einrichtungen, die dem Diakonischen Werk der evangelischen Kirche in Deutschland angeschlossen sind, in der jeweils gültigen Fassung, vereinbart. Damit gilt für den Kläger auch § 35 der AVR-K, der Sonderregelungen für langjährig beschäftigte Arbeitnehmer beinhaltet. § 35 lautet wie folgt:
§ 35
Sonderregelung für langjährig beschäftigte Arbeitnehmerinnen(1)
Arbeitnehmerinnen, die das 40. Lebensjahr vollendet haben und dem Unternehmen mindestens 15 Jahre angehören, kann ordentlich gekündigt werden, wenn Arbeitgeber und Mitarbeitervertretung übereinstimmend feststellen,a)
dass das Verhalten der Arbeitnehmerin zu einer nicht hinnehmbaren betrieblichen Störung führt, die auch bei Weiterbeschäftigung unter veränderten Vertragsbedingungen fortbestehen wird oderb)
dass nach Ausschöpfung aller zumutbaren Möglichkeiten (z. B. Umstrukturierungsmaßnahmen, Qualifizierungsmaßnahmen) eine im Wesentlichen gleichwertige Beschäftigungsmöglichkeit ausgeschlossen ist und eine Weiterbeschäfitung der Arbeitnehmerin an einem anderen Arbeitsplatz, ggf. unter gleichzeitiger Herabsetzung um eine Entgeltgruppe nicht möglich ist.(2)
Vor Ausspruch einer Kündigung ist mit der Mitarbeitervertretung ein Ausgleich über die wirtschaftlichen Nachteile, die der Arbeitnehmerin infolge der Maßnahme entstehen, zu vereinbaren. Kommt es zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder zur Übertragung einer Tätigkeit, die nicht im Wesentlichen gleichwertig ist, so sind angemessene Ausgleichszahlungen oder andere Maßnahmen zur Milderung der sozialen Folgen zu bestimmen. Bei der Bemessung sind die sozialen Belange der Arbeitnehmerin und die wirtschaftliche Lage des Unternehmens zu berücksichtigen. Wird bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindungszahlung festgesetzt, darf deren Höhe die Sätze des § 42 (Rationalisierungsschutz) nicht unterschreiten.Kommt eine Einigung über den Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile nicht zustande, entscheidet auf Antrag die besondere Schlichtungsstelle gemäß Anlage VIII. Der Spruch der besonderen Schlichtungsstelle ersetzt die fehlende Einigung.
Der Kläger ist ein Arbeitnehmer, der das 40. Lebensjahr vollendet hat und dem Unternehmen mehr als 15 Jahre angehört. Für den Kläger ist deshalb eine Kündigung nur unter den Bedingungen des § 35 AVR-K möglich. Dieses bedeutet, dass der Kläger nur ordentlich gekündigt werden kann, wenn Arbeitgeber und Mitarbeitervertretung übereinstimmend feststellen, dass nach Ausschöpfung aller zumutbaren Möglichkeiten eine im Wesentlichen gleichwertige Beschäftigungsmöglichkeit ausgeschlossen ist und eine Weiterbeschäftigung des Klägers an einem anderen Arbeitsplatz, ggf. unter gleichzeitiger Herabsetzung einer Entgeltgruppe nicht möglich ist.
Weitere Voraussetzung ist gemäß § 35 Abs. 2 AVR-K, dass vor Ausspruch der Kündigung mit der Mitarbeitervertretung ein Ausgleich über die wirtschaftlichen Nachteile, die dem Kläger infolge der Maßnahme entstehen, zu vereinbaren ist.
Beide Voraussetzungen hat die Beklagte vorliegend nicht eingehalten.
Es ist nicht einmal ersichtlich, ob die Beklagte den Versuch gemacht hat, eine übereinstimmende Feststellung mit der Mitarbeitervertretung über Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten zu erreichen oder eine Vereinbarung über den Ausgleich wirtschaftlicher Nachteile.
Soweit aus der Akte ersichtlich, hat sich die Beklagte allein im Rahmen des Mitarbeitervertretungsgesetzes an die Mitarbeitervertretung gewandt im Rahmen der Mitbestimmung in Personalangelegenheiten der privatrechtlich angestellten Mitarbeiter (§§ 42 ff. MVG). In diesem Rahmen hat sich Mitarbeitervertretung für unzuständig erachtet vor dem Hintergrund, dass sie die Auffassung vertritt, dass der Kläger zur Dienststellenleitung zu zählen ist.
Eine Anhörung im Rahmen des § 35 AVR-K ist damit nicht gleichzeitig in Gang gesetzt.
Dieses war auch nicht entbehrlich, da § 35 AVR-K die Voraussetzungen für eine Kündigung aufstellt und insoweit die Mitarbeitervertretung zu beteiligen ist.
§ 35 AVR-K beinhaltet eine Ausweitung der Mitbestimmungsrechte der Mitarbeitervertretung für den Fall, dass auch bei Mitgliedern der Dienststellenleitung die Arbeitsvertragsrichtlinien ausdrücklich vereinbart worden sind. Für diese Fälle hat die Mitarbeitervertretung ein Mandat erhalten, über § 35 AVR-K beteiligt zu werden.
§ 35 AVR-K beinhaltet zum einen einen Schutz des einzelnen Arbeitnehmers vor betriebsbedingten Kündigungen, wenn eine langjährige Beschäftigung vorliegt. Diese Regelung beinhaltet aber gleichzeitig eine den gesamten Betrieb betreffende Regelung und damit auch andere Mitarbeiter, die von den Folgen der Regelung des § 35 AVR-K betroffen sein können. Aus diesem Grunde hat diese auch einen kollektiven Bezug, sodass die Einschaltung der Mitarbeitervertretung aus diesem Grunde gerechtfertigt erscheint.
Dieses ergibt sich insbesondere daraus, dass unter Umständen auch eine Weiterbeschäftigung des betroffenen Arbeitnehmers an einem anderen Arbeitsplatz erfolgen kann, ggf. unter gleichzeitiger Herabsetzung um eine Entgeltgruppe. Für diesen Fall kann der betroffene Arbeitnehmer einen anderen Arbeitnehmer verdrängen oder Anwartschaften auf einen erhofften Aufstieg im Betrieb vereiteln, sodass es sinnvoll erscheint, dass die Mitarbeitervertretung insoweit beteiligt wird.
Soweit es um einen Ausgleich von wirtschaftlichen Nachteilen geht, steht zwar insoweit im Vordergrund das persönliche Interesse des betroffenen Mitarbeiters. Andererseits kann aber auch die Höhe der Abfindungszahlung Einfluss auf den betrieblichen Bestand oder Beschäftigungsmöglichkeiten im Betrieb insgesamt haben, sodass auch insoweit die Mitarbeitervertretung im kollektiven Interesse handelt, wenn sie sich an einer derartigen Vereinbarung beteiligt.
Die Beklagte kann sich nicht darauf zurückziehen, dass sie die Mitarbeitervertretung nicht entsprechend der Vorschrift des § 35 AVR-K beteiligt, weil diese sich für unzuständig erachtet. Sie hat vielmehr die Voraussetzungen des § 35 AVR-K herbeizuführen, was ihr auch dadurch möglich ist, dass für den Fall, dass eine Einigung über den Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile nicht zu Stande kommt, auf Antrag die besondere Schlichtungsstelle gemäß Anlage 8 der AVR-K entscheidet, wobei der Spruch der besonderen Schlichtungsstelle die fehlende Einigung ersetzt. Es wäre deshalb Sache der Beklagten gewesen, einerseits die Mitarbeitervertretung konkret im Rahmen des § 35 AVR-K zu beteiligen, andererseits erforderlichenfalls die Schlichtungsstelle anzurufen, um die Voraussetzungen der Kündigung des § 35 AVR-K zu erfüllen.
Vorliegend hat demzufolge die Beklagte die Veraussetzungen des § 35 AVR-K für die betriebsbedingte Kündigung des Klägers nicht eingehalten, sodass eine ordentliche Kündigung des Klägers nicht möglich war und diese demzufolge unwirksam ist.
2.
Die Beklagte hat es unterlassen, dem Kläger einen anderen Arbeitsplatz anzubieten. § 35 Abs. 1 b) AVR-K regelt, dass der Kläger auch weiterhin zu beschäftigen ist an einem anderen Arbeitsplatz, ggf. unter gleichzeitiger Herabsetzung um eine Entgeltgruppe.
Wie die Beklagte vorgetragen hat, sind im Bereich der Bereichsleitung Pflege Mitarbeiter beschäftigt, die den besonderen Kündigungsschutz des § 35 AVR-K noch nicht erworben haben. Sie sind jünger, kürzer als der Kläger beschäftigt und damit auch weniger schutzbedürftig als der Kläger angesichts seiner 24-jährigen Betriebszugehörigkeit und seinem Alter von 57 Jahren im Zeitpunkt der Kündigung.
Zwar waren die Arbeitsplätze in der Bereichsleitung Pflege nach Angaben der Beklagten sämtlichst besetzt, sodass ein freier Arbeitsplatz nicht vorhanden war.
Die Beklagte ist jedoch verpflichtet, einen solchen Arbeitsplatz zu Gunsten des Klägers freizukündigen, damit der Sonderregelung des § 35 AVR-K Genüge getan wird. Die Beklagte war deshalb verpflichtet, vor Ausspruch einer Kündigung einem anderweitig kündbaren Arbeitnehmer eine Beendigungskündigung oder eine Änderungskündigung auszusprechen, wenn nur so ein gleichwertiger Arbeitsplatz, den der Unkündbare ausfüllen kann, frei gemacht werden kann. Das Bestandschutzinteresse des betriebsbedingt nicht mehr kündbaren Angestellten geht dem des insoweit noch kündbaren Angestellten vor. Diese Wertung kann aus § 35 AVR-K direkt entnommen werden, da eine Ausschöpfung aller zumutbaren Möglichkeiten nach § 35 Abs. 1 b) AVR-K notwendig ist, eine im Wesentlichen gleichwertige Beschäftigungsmöglichkeit zu finden, ggf. unter gleichzeitiger Herabsetzung um eine Entgeltgruppe, womit eine Wertung verbunden ist, dass eine Entgeltgruppe niedriger grundsätzlich als gleichwertige Beschäftigungsmöglichkeit noch angesehen werden muss.
Dieses ist vorliegend auch der Fall, da der Kläger in der Bereichsleitung Pflege nach eigenen Angaben der Beklagten Aufgaben zu erledigen hat, die er vorher als Heimleiter verrichtet hat und darüber hinaus die Höhe der Vergütung sich nur geringfügig nach unten verändert.
Gründe dafür anzunehmen, dass es der Beklagten vorliegend unzumutbar gewesen sei, den Kläger im Bereich der Bereichsleitung Pflege zu beschäftigen, sind nicht ersichtlich (vgl. hierzu BAG, AP Nr. 3 zu § 55 BAT, LAG Niedersachsen, Urteil vom 18.03.2005, Az. 10 Sa 405/04, nicht amtlich veröffentlicht), Kiel, Die Kündigung unkündbarer Arbeitnehmer in NZA, Beilage 1 aus 2005, S. 18 bis 31).
Der Beklagten wäre deshalb eine Weiterbeschäftigung des Klägers als Bereichsleiter Pflege möglich gewesen. Die Beklagte selbst hat die Entgeltgruppe des Klägers gleichgestellt mit der um eine Stufe niedrigeren Entgeltgruppe, sodass insoweit eine soziale Auswahl vorzunehmen ist.
Die Kündigungen erweisen sich deshalb insgesamt als unwirksam.
Auf die Frage, ob § 35 AVR-K, Stand 01.01.2004, die vorherige Regelung des § 31 AVR-K, Stand 01.01.1999 ablösen durfte, jedenfalls für die Mitarbeiter, die den besonderen Kündigungsschutz bereits erworben hatten, kommt es nicht mehr an (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 15.11.2001, Az. 6 AZR 88/01, in EzA, § 611 BGB, kirchliche Arbeitnehmer Nr. 48; BAG, Urteil vom 26.01.2005, 4 AZR 171/03, n. a. v.).
Zu Recht hat das Arbeitsgericht auch aus der Begründetheit der Kündigungsschutzanträge die Begründetheit des Weiterbeschäftigungsbegehrens hergeleitet. Nach der Entscheidung des Großen Senats des BAG vom 27.02.1985 (AP Nr. 14 zu § 611 BGB, Beschäftigungspflicht) überwiegt das Interesse des gekündigten Arbeitnehmers, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses weiterbeschäftigt zu werden, das gegenläufige Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung dann, wenn der Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht ein stattgebendes Urteil im Kündigungsschutzprozess erstritten hat.
Gründe dafür, dass vorliegend eine abweichende Interessenabwägung gerechtfertigt ist, sind nicht vorhanden.
Die Berufung der Beklagten ist deshalb insgesamt zurückzuweisen. Sie hat demzufolge die Kosten gemäß § 97 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG zu tragen.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Gegen dieses Urteil ist deshalb ein Rechtsmittel nicht gegeben.
Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72 a ArbGG wird hingewiesen.