Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 18.10.2005, Az.: VgK - 47/05

Vergabe von Entsorgungsdienstleistungen; Mangelnde Zuverlässigkeit bei staatsanwaltlichem Ermittlungsverfahren gegen Geschäftsführer wegen fahrlässiger Tötung; Nachweis schwerer Verfehlung für Ausschluss von Vergabeverfahren; Obergrenze der Rügepflicht; Unschuldsvermutung für Angeklagten bis zur Verurteilung; Geltung der Unschuldsvermutung im Vergabeverfahren; Erstattungsfähigkeit der Kosten der Beigeladenen ; Persönliche Unzuverlässigkeit als hinreichender Grund für Gebotszurückweisung

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
18.10.2005
Aktenzeichen
VgK - 47/05
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 24344
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgegenstand

Vergabe von Entsorgungsdienstleistungen für die Insel xxx

Die Vergabekammer hat
durch
den Vorsitzenden RD Gause,
die hauptamtliche Beisitzerin BOAR'in Schulte und
den ehrenamtlichen Beisitzer BOR Weyer
auf die mündliche Verhandlung
vom 13.10.2005
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

  3. 3.

    Die Kosten werden auf 5.243 EUR festgesetzt.

  4. 4.

    Die Antragstellerin hat den Auftraggebern und der Beigeladenen die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war sowohl für die Auftraggeber als auch für die Beigeladene notwendig.

Begründung

1

I.

Die Auftraggeber haben mit Datum vom 08.06.2005 die Abfuhr verschiedener Abfallarten sowie Betriebsführung der Umschlaganlage (Los 1) und die weitere Entsorgung - See- und Landtransport sowie Behandlung der Abfälle (hinsichtlich des "nassen Restmülls" optional) (Los 2) europaweit im offenen Verfahren für die Zeit vom 01.04.2006 bis 31.03.2014 ausgeschrieben. Der Bekanntmachung war zu entnehmen, dass eine Unterteilung der zu erbringenden Leistungen in Lose vorgesehen ist. Die Bieter wurden darauf hingewiesen, dass Nebenangebote/Alternativvorschläge berücksichtigt werden.

2

Als Nachweise zur Beurteilung der Eignung wurden verschiedene Angaben und Unterlagen gefordert, die mit dem Angebot vorzulegen waren. Ferner waren zu den einzelnen Losen noch spezielle Angaben und Unterlagen gefordert.

3

Zuschlagskriterium sollte der niedrigste Preis sein.

4

Aufgrund einer Rüge einer der Beigeladenen wurde ein Bieterrundschreiben versandt.

5

Bei der Angebotseröffnung am 01.08.2005 ergab sich, dass sechs Bieter Angebote eingereicht hatten. Die Antragstellerin hatte ebenso wie die beigeladene Bietergemeinschaft beide Lose bedient. Die Antragstellerin hat die zu erbringenden Leistungen für 347.419,54 EUR (Los1) und 734.311,91 EUR (Los 2) angeboten. Ferner hatte sie noch ein losübergreifendes Nebenangebot eingereicht. Die Beigeladene hatte die zu erbringenden Leistungen für 325.059,84 EUR bzw. 684.200,40 EUR angeboten.

6

In der Vergabeakte ist ein ausführlicher Vergabevermerk des mit der Auswertung beauftragten Ingenieurbüros vom 22.08.2005 enthalten. Dort wurde u.a. festgehalten, dass das Angebot der Antragstellerin 7 % teurer als das der Beigeladenen zu Los 1 und 9 % teurer zu Los 2 ist. Das losübergreifende Nebenangebot der Antragstellerin ist danach rd. 56.000 EUR teurer als die Summe der beiden günstigsten losbezogenen Angebote der Beigeladenen.

7

Zur Bietereignung heißt es, dass keine Bedenken hinsichtlich der Eignung der Antragstellerin bestehen. Zur Eignung der Beigeladenen wurde festgehalten, dass mit Blick auf die Zuverlässigkeit die xxx bei der Angebotsabgabe mitgeteilt habe, dass gegen sie verschiedene Verfahren anhängig seien, nämlich

  • - ein derzeit ruhendes Ermittlungsverfahren gegen eine Mitarbeiterin ohne verantwortliche Position wegen eines tödlichen Arbeitsunfalls im Jahre 2002;

  • - ein Ermittlungsverfahren des Bundeskartellamtes und der Staatsanwaltschaft gegen 120 Firmen der Entsorgungsbranche aus September 2003; Hintergrund war die damalige erste DSD-Ausschreibung;

  • - ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft xxx gegen die Geschäftsführung und zwei weitere Mitarbeiter aufgrund eines tödlichen Verkehrsunfalls Anfang April 2005 in xxx.

8

Diese laufenden Verfahren könnten lt. Auffassung des Ingenieurbüros allerdings schon aufgrund der Unschuldsvermutung keine Grundlage dafür darstellen, der xxx die Zuverlässigkeit abzusprechen.

9

Abschließend hielt das beauftragte Büro fest, dass die Zuverlässigkeit beider Unternehmen und die Leistungsfähigkeit sowie Fachkunde von xxx und xxx gegeben seien.

10

Als Fazit seiner Wertung empfahl das beauftragte Büro, sowohl hinsichtlich des Loses 1 als auch des Loses 2 den Zuschlag auf die Beigeladene zu erteilen, da sie das wirtschaftlichste Angebot vorgelegt habe.

11

Nachdem das zuständige RPA keine Bedenken gegen die beabsichtigte Vergabe erhoben hat, stimmte der zuständige Werksausschuss des Auftraggebers zu 1 der empfohlenen Vergabe an die Beigeladene am 08.09.2005 zu.

12

Mit Schreiben vom 09.09.2005, abgesandt am selben Tage, informierten die Auftraggeber die Antragstellerin gem. § 13 VgV, dass sie beabsichtigen, bezüglich beider Lose den Zuschlag auf das Hauptangebot der Beigeladenen zu erteilen, da in beiden Fällen die Angebote der Beigeladenen die wirtschaftlichsten seien. Auch auf das losübergreifende Nebenangebot habe der Zuschlag nicht erteilt werden können, weil auch dieses nicht das wirtschaftlichste Angebot gewesen sei.

13

Mit Anwaltsschriftsatz vom 19.09.2005, eingegangen per Telefax bei den Auftraggebern am selben Tage, rügte die Antragstellerin diese Entscheidung der Auftraggeber. Sie vertritt die Auffassung, dass die Beigeladene von der Wertung auszuschließen ist, da sie nicht zuverlässig sei. Gegen die Geschäftsführung der Beigeladenen laufe ein staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Tötung im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall am 02.04.2005.

14

Nachdem die Auftraggeber mit Schreiben vom 20.09.2005 auf die Rüge geantwortet hatten, hat die Antragstellerin mit Anwaltsschriftsatz vom 22.09.2005, eingegangen bei der Vergabekammer am 23.09.2005, die Vergabekammer angerufen. Sie begründet ihren Nachprüfungsantrag unter Zugrundelegung ihrer Argumente in dem Rügeschreiben gegenüber den Auftraggebern.

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Nach Durchführung der eingeschränkten Akteneinsicht macht sie geltend, dass gegen die Beigeladene xxx staatsanwaltliche Ermittlungen wegen massiver Verstöße gegen die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes im Zusammenhang mit der Ausführung von Entsorgungsdienstleistungen in einem Nachbarlandkreis laufen. In diesem Zusammenhang seien die Geschäftsräume der Beigeladenen wiederholt durchsucht und dabei ca. 2400 Tachoscheiben beschlagnahmt worden. Bereits die bisherigen Auswertungen hätten ergeben, dass im Betrieb der Beigeladenen regelmäßig im größeren Umfang Lenk- und Ruhezeiten der Müllfahrer nicht eingehalten werden.

16

Sie vermutet, dass die Vergabestelle nicht in der gebotenen Weise nach der Frage der Unzuverlässigkeit des Bieters einerseits und der strafrechtlichen Verantwortung des Geschäftsführers andererseits differenziere. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit entspräche anderen Maßstäben als das hier von den Bietern zu erfüllende Zuverlässigkeitskriterium. Ein Bieter gelte nur dann als zuverlässig, wenn er seinen gesetzlichen Verpflichtungen nachkomme und beispielsweise aufgrund Erfüllung früherer Verträge eine einwandfreie Ausführung erwarten lasse. Diesen Verpflichtungen sei die Firma xxx nicht nachgekommen.

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Die Auftraggeber könnten sich auch nicht auf ihren Beurteilungsspielraum im Rahmen der Zuverlässigkeitsprüfung berufen. Sie wollten vielmehr trotz der Rüge von einem nicht zutreffenden, geschweige denn vollständig ermittelten Sachverhalt ausgehen und unterstellten der xxx unvermindert Zuverlässigkeit. Damit läge ein Überschreiten des Beurteilungsspielraumes vor, der sehr wohl der Rechtsprechung der Vergabekammern und der Vergabesenate unterliege. Der Ermessensspielraum der Auftraggeber reduziere sich auf Null, da sie nicht sehenden Auges parallel zu einem Strafermittlungsverfahren, bei denen sich die Verdachtsmomente von Mal zu Mal verdichten, den Zuschlag erteilen dürften.

18

Soweit die Auftraggeber die Auffassung vertreten, dass die Rüge nicht unverzüglich im Sinne des § 107 GWB erfolge, weist die Antragstellerin darauf hin, dass sie erst durch das Informationsschreiben Kenntnis von der anderen Bietergemeinschaft erlangt habe, an der die xxx beteiligt sei. Da mit Rücksicht auf die laufenden Ermittlungen umfangreiche Recherchen in den Pressearchiven sowie eine persönliche Anfrage bei dem ermittelnden Staatsanwalt notwendig seien, sei der Zeitraum von fünf Arbeitstagen unschädlich.

19

Die Antragstellerin beantragt:

  1. 1.

    Den Antragsgegnern wird untersagt, den Zuschlag auf das Hauptangebot der Bietergemeinschaft xxx GmbH& Co. KG / xxx mbH xxx für die Lose 1 und 2 für Entsorgungsdienstleistungen auf der Insel xxx, Leistungsbeginn 1. April 2006, zu erteilen.

  2. 2.

    Den Antragsgegnern wird aufgegeben, die unter Ziffer 1 genannte Bietergemeinschaft von der Wertung dieses Vergabeverfahrens wegen Unzuverlässigkeit auszuschließen.

  3. 3.

    Den Antragsgegnern wird aufgegeben, die Wertung der Angebote nach Ausschluss der unter Ziffer 1 genannten Bietergemeinschaft fortzusetzen.

  4. 4.

    Hilfsweise zu 1. bis 3; den Antragsgegnern wird aufgegeben, die Zuschlagserteilung um zwei Monate zurückzustellen und die entsprechenden Zustimmungen der Bieter zur Verlängerung der Bindefrist einzuholen.

  5. 5.

    Die Antragsgegner tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der zum Zwecke der Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin für die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten.

20

Die Auftraggeber beantragen:

  1. 1.

    die Anträge aufgrund mündlicher Verhandlung zurückzuweisen;

  2. 2.

    der Antragstellerin die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten der Antragsgegner aufzuerlegen;

  3. 3.

    festzustellen, dass es für die Antragsgegnerin erforderlich war, einen Bevollmächtigten hinzuzuziehen.

21

Die Auftraggeber treten den Behauptungen und Rechtsauffassungen der Antragstellerin entgegen.

22

Der Nachprüfungsantrag sei bereits mangels rechtzeitiger Rüge unzulässig. Die Antragstellerin habe die Vergabeentscheidung erst mit Telefax vom 19.09.2005, Eingang bei den Auftraggebern um 18:24 Uhr, gerügt und damit nahezu acht Tage nach Übermittlung des Schreibens gemäß § 13 VgV. Das Rügeschreiben nach sieben oder acht Tagen gegen die unmissverständliche und nicht interpretationsbedürftige Mitteilung sei nach einheitlicher Rechtsprechung verspätet.

23

Im vorliegenden Falle könne offen bleiben, ob im Falle von äußerst komplizierten Rechtslagen und umfangreichen rechtlichen Untersuchungen davon abgewichen werden könne. Die Rüge der Antragstellerin enthalte im Wesentlichen nur Hinweise auf allgemein bekannte Presseberichte, für deren Recherche man keine acht Tage benötige.

24

Der Nachprüfungsantrag sei jedenfalls offensichtlich unbegründet. Die Auftraggeber führen dazu aus, dass keine Gründe für den Ausschluss des Angebotes der Beigeladenen vorlägen.

25

Zwar können Angebote von Bietern ausgeschlossen werden, wenn sie nachweislich eine schwere Verfehlung begangen haben, die ihre Zuverlässigkeit in Frage stellen; diese Voraussetzungen lägen jedoch nicht vor.

26

Abgesehen davon, dass ein möglicher Verstoß gegen die Vorschriften über die Lenk- und Ruhezeiten sowie die gesamtbetriebswirtschaftliche Verantwortung der beigeladenen xxx für diese Vorfälle erhebliche Auswirkungen haben kann, fehle es hier am Nachweis. In ihren langjährigen geschäftlichen Beziehungen mit der xxx seien bisher keine Unregelmäßigkeiten aufgetreten. Sie könnten nach derzeitigem Stand der Beigeladenen eine schwere Verfehlung nicht nachweisen. Zwar bestünden verdichtete Verdachtsmomente: die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft stünden jedoch erst am Anfang und deren Ausgang ließe sich nicht hinreichend sicher prognostizieren. Insofern könne von einer gesicherten Erkenntnis keine Rede sein. Die Staatsanwaltschaft betone selbst, dass ein Ende der Ermittlungen und Auswertungen noch nicht absehbar sei. Daher seien auch die hohen Anforderungen an einen Ausschluss der Beigeladenen nicht erfüllt.

27

Selbst wenn man unterstellen würde, dass die Voraussetzungen für den Nachweis anzunehmen wären, wäre ein Ausschluss dennoch nicht zwingend. Als Auftraggeber hätten sie einen weiten Beurteilungs- bzw. Ermessensspielraum, der lediglich dahin zu überprüfen sei, ob das Ermessen tatsächlich ausgeübt wurde, der Sachverhalt ermittelt und die Entscheidung nicht durch sachfremde Erwägungen bestimmt worden seien. Diesen Ermessensspielraum hätten sie dahingehend ausgeschöpft, dass sie sich mit den angeblichen Verfehlungen unter Berücksichtigung der ihnen zur Verfügung stehenden Informationen, inkl. der der Staatsanwaltschaft, auseinander gesetzt und also ihr Ermessen ausgeübt haben. Wegen der begründeten Zweifel am Ausgang des Ermittlungsverfahrens hätten sie sich bei ihrer Entscheidung über den Ausschluss von dem tragenden rechtsstaatlichen Grundsatz der Unschuldsvermutung leiten lassen. Eine Ermessensreduzierung käme allenfalls im Falle einer rechtskräftigen Verurteilung in Frage.

28

Soweit die Antragstellerin hilfsweise beantragt, die Zuschlagserteilung um zwei Monate zurückzustellen, sei nicht klar, aufgrund welcher Bieter schützenden Vorschrift ein solcher Anspruch abgeleitet werde. Im Übrigen seien sie gemäß § 19 Nr. 2 VOL/A gehalten, die Zuschlagsfrist möglichst kurz zu halten. Ferner sei auch nicht sicher, ob sich in zwei Monaten die Erkenntnislage wesentlich geändert haben wird.

29

Die Beigeladene beantragt:

  1. 1.

    den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen

  2. 2.

    der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Beigeladenen aufzuerlegen

  3. 3.

    die Hinzuziehung anwaltlicher Bevollmächtigter durch die Beigeladene für notwendig zu erklären.

30

Die Beigeladene unterstützt den Vortrag der Auftraggeber. Auch sie hält den Nachprüfungsantrag für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet.

31

Sie führt ferner aus, dass zur Absetzung der Rüge im vorliegenden Fall keine umfangreiche rechtliche Prüfung erforderlich gewesen sei, da lediglich die Zuverlässigkeit der Beigeladenen angegriffen werde. Dieser Vorwurf hätte auch ohne umfangreiche Erkundigungen bei der Staatsanwaltschaft allein aufgrund der gesicherten Nachrichtenlage vorgetragen werden können, da weitere Auskünfte durch die Staatsanwaltschaft wegen der Vertraulichkeit der Ermittlungen ohnehin nicht zu erwarten waren.

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Soweit der Nachprüfungsantrag nicht unzulässig ist, sei er aber unbegründet. § 7 Nr. 5 lit. c VOL/A fordere ausdrücklich den Nachweis einer schweren Verfehlung. Einen solchen rechtsverbindlichen Nachweis könne die Antragstellerin nicht führen. Eine schwere Verfehlung gelte als nachgewiesen, wenn sie zu einer rechtskräftigen Verurteilung geführt habe, ein rechtskräftig gewordener Bußgeldbescheid vorliege oder angesichts der Beweislage vor Durchführung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens für die Auftraggeber kein Zweifel an der Verfehlung bestehe. Die Auftraggeber könnten der Antragstellerin nicht nachweisen, dass sie eine schwere Verfehlung schuldhaft begangen habe.

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Die Vergabekammer hat im Rahmen der ihr gem. § 110 Abs. 1 GWB obliegenden Amtsermittlung die Staatsanwaltschaft xxx gebeten, ihr den Stand der Ermittlungen im dort anhängigen Ermittlungsverfahren gegen den Geschäftsführer und weitere Mitarbeiter der zur beigeladenen Bietergemeinschaft gehörenden xxx mitzuteilen. Der zuständige Staatsanwalt hat daraufhin mit Schreiben vom 12.10.2005 darauf hingewiesen, dass die Ermittlungen durch die Polizei in xxx noch nicht abgeschlossen sind. Zurzeit werden die Tachoscheiben ausgewertet und die Mitarbeiter richterlich vernommen. Er selbst habe nur teilweise Einsicht in die Beweismittel gehabt. Diese hätten die vorläufige Wertung bestätigt, dass ein Anfangsverdacht von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten anzunehmen ist. Der Schwerpunkt liege auf eventuellen Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz sowie gegen die EU-Lenkzeitverordnung.

34

Auf telefonische Nachfrage der Vergabekammer vom 13.10.2005 bestätigte der zuständige Staatsanwalt, dass sowohl die Ermittlungen wegen des Verdachts auf fahrlässige Tötung als auch wegen Verdachts des Verstoßes gegen die Arbeits- und Ruhezeiten des Arbeitszeitgesetzes noch laufen. Die bisherige Auswertung der beschlagnahmten Tacho-Scheiben habe jedoch ergeben, dass einige Fahrer von Entsorgungsfahrzeugen über 15 Stunden am Tag gefahren sind. Die xxx berufe sich allerdings auf die Regelung des § 5 Abs. 4 ArbZG. Danach gelten abweichend vom Arbeitszeitgesetz Vorschriften der Europäischen Gemeinschaften, soweit diese für Kraftfahrer und Beifahrer geringere Mindestruhezeiten zulassen. Die Arbeitsruhezeiten ihrer Mitarbeiter seiennach Auffassung der xxx durch entsprechende Vorschriften der EG gedeckt.

35

Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 13.10.2005 verwiesen.

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II.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, aber unbegründet. Die Antragstellerin ist nicht in ihren Rechten gem. § 97 Abs. 7 GWB verletzt. Die Auftraggeber sind entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht gehalten, der beigeladenen Bietergemeinschaft aufgrund des gegen den Geschäftsführer und weitere Mitarbeiter der xxx anhängigen staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung pp. im Zusammenhang mit dem Unfalltod eines Mitarbeiters Anfang April 2005 in xxx die erforderliche Zuverlässigkeit abzusprechen und das Angebot der Beigeladenen gem. § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A von der Wertung auszuschließen. Die Auftraggeber haben sich vielmehr im Rahmen des ihnen gem. § 7 Nr. 5 lit. c i.V.m. § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. b VOL/A vergaberechtlich eingeräumten Ermessens gehalten, als sie im Zuge der Wertung zu dem Schluss gelangt sind, dass eine zum Ausschluss berechtigende schwere Verfehlung noch nicht im Sinne des § 7 Nr. 5 lit. c VOL/A nachgewiesen ist. Der Grundsatz der Unschuldsvermutung als Ausprägung des Rechtsanspruchs auf ein faires Verfahren (Artikel 6 Abs. 2 EMRK) ist auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des OLG Saarbrücken vom 18.12.2003, Az.: 1 Verg 4/03, nach wie vor ein sachlicher Grund, den die Auftraggeber im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung nach § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. b VOL/A berücksichtigen durften. Eine zum zwingenden Ausschluss führende Ermessensreduzierung auf Null liegt nicht vor.

37

1.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei dem Auftraggeber zu 1 handelt es sich um eine Gebietskörperschaft und damit um einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB. Bei der Auftraggeberin zu 2, der xxx GmbH, handelt es sich ausweislich der Informationen der Auftraggeber unter Ziffer 2.1 der Aufforderung zur Angebotsabgabe um eine hundertprozentige Tochter des Abfallwirtschaftsbetriebs des Auftraggebers zu 1 und somit um eine öffentliche Auftraggeberin im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um einen Dienstleistungsauftrag betreffend Entsorgungsdienstleistungen für die Insel xxx für den Vertragszeitraum 01.04.2006 bis 31.03.2014, für den gem.§ 2 Nr. 3 der Vergabeverordnung (VgV) ein Schwellenwert von 200.000 EUR gilt. Der Wert des streitbefangenen Auftrags übersteigt diesen Schwellenwert bei weitem. Bereits die Jahreskosten des Auftrags betragen unter Zugrundelegung der von den Auftraggebern ausweislich der Vergabeakte als jeweils niedrigste Angebote ermittelten Angebote der Beigeladenen für das Los 1 (Abfuhr verschiedener Abfallarten sowie Betriebsführung der Umschlaganlage) 325.059,84 EUR p.a. und für das Los 2 (die weitere Entsorgung - See- und Landtransport sowie Behandlung der Abfälle; hinsichtlich des "nassen Restmülls" optional) 684.200,40 EUR p.a.

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Die Antragstellerin ist auch antragsbefugt im Sinne des § 107 Abs. 2 GWB, da sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie die Auffassung vertritt, der Auftraggeber sei verpflichtet, die favorisierten Angebote der Beigeladenen gem. § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A nicht zu berücksichtigen, weil die zur Bietergemeinschaft gehörende xxx nicht die erforderliche Zuverlässigkeit aufweise. Dies folge daraus, dass gegen den Geschäftsführer und weitere Mitarbeiter der xxx wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung und des Verstoßes gegen die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes im Zusammenhang mit dem Unfalltod eines Mitarbeiters der xxx Anfang April 2005 in xxx ein Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft xxx anhängig ist. Der Tatverdacht habe sich derartig verdichtet, dass die Auftraggeber im Rahmen des ihnen nach § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. b VOL/A eingeräumten Ermessens nur davon ausgehen dürften, dass die verantwortlichen Personen der xxx nachweislich eine schwere Verfehlung im Sinne des § 7 Nr. 5 lit. c VOL/A begangen haben, die im vorliegenden Fall nur zum Ausschluss der Angebote führen dürfe. Voraussetzung für die Antragsbefugnis gem. § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass die Antragstellerin diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, VergabeR, § 107, Rdnr. 52). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis dargelegt. Die diesbezüglichen Anforderungen an die Darlegungslast dürfen nichtüberspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, VergabeR, 2. Auflage, § 107 GWB, Rdnr. 954). Sie hat schlüssig vorgetragen, dass sie bei aus ihrer Sicht vergaberechtskonformer Angebotswertung eine Chance auf den Zuschlag gehabt hätte, was sich vorliegend schon daraus ergibt, dass sie ausweislich der in der Vergabeakte (Beschlussvorlage Nr. 2005/133 v. 18.08.2005 für den Werksausschuss Abfallwirtschaft der Auftraggeberin zu 1) enthaltenen Preisübersicht mit ihren Angeboten sowohl hinsichtlich Los 1 als auch hinsichtlich Los 2 preislich an zweiter Stelle nach der Beigeladenen rangiert. Es ist im Übrigen nicht erforderlich, dass ein Antragsteller auch schlüssig darlegt, dass er bei vergabekonformem Verhalten des Auftraggebers den Zuschlag auch tatsächlich erhalten hätte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 13.04.1999, Az.: Verg 1/99, S. 24). Das tatsächliche Vorliegen der Rechtsverletzung ist vielmehr eine Frage der Begründetheit (vgl. OLG Celle, Beschluss v. 24.11.1999, Az.: 13 Verg 7/99).

39

Die Antragstellerin ist auch ihrer Pflicht gem. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer die behaupteten Verstöße gegen Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren selbst gegenüber dem Auftraggeber unverzüglich nach positiver Kenntnisnahme zu rügen. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Bieters von den Tatsachen. Vorliegend hatten die Auftraggeber die Antragstellerin mit Schreiben vom 09.09.2005, eingegangen bei der Antragstellerin am 12.09.2005, darüber informiert, dass beabsichtigt sei, der Beigeladenen den Zuschlag für beide Lose zu erteilen. Erst mit Anwaltsschriftsatz vom 19.09.2005, also 8 Kalendertage oder 5 Werktage später, rügte die Antragstellerin diese Entscheidung gegenüber den Auftraggebern und beanstandete die beabsichtigte Vergabe unter Hinweis auf das staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren gegen die Geschäftsführung der xxx. Die Frage, ob eine Rüge noch unverzüglich nach positiver Kenntniserlangung erfolgt, hängt vom Einzelfall ab. Nach der Rechtsprechung muss die Rüge angesichts der kurzen Fristen, die im Vergaberecht allgemein gelten, grundsätzlich binnen 1 bis 3 Tagen erfolgen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss v. 18.09.2003, Az.: 1 Verg 4/00; Bechtold, GWB, § 107, Rdnr. 2). Eine Rügefrist von 2 Wochen, die in der Rechtsprechung als Obergrenze anerkannt wird (vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2000, S. 45 ff. [OLG Düsseldorf 13.04.1999 - Verg 1/99]), kann einem Bieterunternehmen allenfalls dann zugestanden werden, wenn eine verständliche Abfassung der Rüge durch eine schwierige Sach- und/oder Rechtslage erschwert wird und die Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe erfordert. Unter Zugrundelegung dieses zutreffenden Maßstabes erfolgte die nach einer Woche abgesandte Rüge noch unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB. Dabei ist unstreitig, dass die Tatsache des staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens und der den Ermittlungen zu Grunde liegende Sachverhalt nicht nur aufgrund der Presseberichterstattung schon seit Frühjahr branchenbekannt war. In den aus den Presseveröffentlichungen ersichtlichen Grundzügen war die Tatsache des Ermittlungsverfahrens gerade auch der Antragstellerin bekannt, zumal sich der zu Grunde liegende tödliche Unfall im Rahmen des Auftragsverhältnisses zwischen der xxx und dem Landkreis xxx ereignet hat. Die Antragstellerin selbst hat ihren Sitz im Landkreis xxx und hat bis zum 31.12.2004 die Entsorgungsdienstleistungen im Landkreis xxx durchgeführt, ist jedoch mit ihrem Angebot im Rahmen der Ausschreibung des Anschlussauftrages seinerzeit der xxx unterlegen gewesen. Die Antragstellerin hat in der mündlichen Verhandlung die frühe Kenntnis von den staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen die Geschäftsführung der xxx, auf die sie ihren Nachprüfungsantrag stützt, nicht in Abrede gestellt. Sie hat jedoch wie bereits zuvor auch schriftsätzlich erklärt, dass sich diese Kenntnisse lediglich auf den Gehalt der Presseveröffentlichungen beschränkten. Sie habe deshalb zunächst den Sachverhalt näher recherchieren müssen. Deshalb habe sie sich entschlossen, mit der Abfassung der Rüge einen Rechtsanwalt zu beauftragen, der zur Vertiefung des Sachstandes eine persönliche Anfrage bei dem ermittelnden Staatsanwalt durchgeführt habe. Es ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass die Antragstellerin vor Abfassung der Rüge anwaltliche Beratung zur Klärung der Rechtslage gesucht hat, zumal es sich hier nicht aufdrängen musste, dass die Ermittlungen im Landkreis xxx im Zusammenhang mit dem tödlichen Unfall auch vergaberechtliche Auswirkungen auf das hier streitbefangene Vergabeverfahren im Landkreis xxx haben können.

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2.

Der Nachprüfungsantrag ist jedoch unbegründet. Die Antragstellerin ist durch die Entscheidung der Auftraggeber, der Beigeladenen den Zuschlag für beide streitbefangenen Lose zu erteilen, nicht in ihren Rechten im Sinne der §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB verletzt. Die Auftraggeber sind nicht gehalten, das Angebot der Beigeladenen wegen vermeintlich fehlender Zuverlässigkeit gem. § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A von der Wertung auszuschließen. Die Auftraggeber haben sich im Rahmen des ihnen vergaberechtlich gem. § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. b VOL/A i.V.m. § 7 Nr. 5 lit. c VOL/A eingeräumten Ermessens gehalten, als sie sich entschieden, die Tatsache des staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren gegen die Geschäftsführung der zur Beigeladenen gehörenden xxx noch nicht als nachgewiesene schwere Verfehlung zu werten und das Angebot der Beigeladenen bei der Wertung zu berücksichtigen. Eine Ermessensreduzierung auf Null, die gegen eine Berücksichtigung des Angebotes der Beigeladenen sprechen würde, liegt nicht vor.

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Gemäß § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A sind bei der Auswahl der Angebote, die für den Zuschlag in Betracht kommen, nur Bieter zu berücksichtigen, die für die Erfüllung der vertraglichen Pflichten die erforderliche Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit besitzen. Diese Regelung deckt sich grundsätzlich mit der entsprechenden Regelung in § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOB/A und § 97 Abs. 4 1. Hs. GWB. Bei den Begriffen der Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe (vgl. BayObLG, Beschluss v. 03.07.2002, Az.: Verg 13/02). Da die Prüfung der Eignung eines Unternehmens ein wertender Vorgang ist, in den zahlreiche Einzelumstände einfließen, ist davon auszugehen, dass diese Begriffe den Auftraggebern einen Beurteilungsspielraum einräumen, der nur einer eingeschränkten Kontrolle durch die Nachprüfungsinstanzen zugänglich ist. Die Vergabekammer kann im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens die Entscheidung der Vergabestelle über die Eignung eines Unternehmens folglich nur daraufhin prüfen, ob die rechtlichen Grenzen des Beurteilungsspielraums überschritten sind (vgl. Weyand, VergabeR, § 97 GWB, Rdnr. 240, m.w.N.). Eine Überschreitung des Beurteilungsspielraums ist anzunehmen,

  • - wenn das vorgeschriebene Vergabeverfahren nicht eingehalten wird,

  • - wenn nicht von einem zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen wird,

  • - wenn sachwidrige Erwägungen in die Wertung einbezogen werden oder

  • - wenn der sich im Rahmen der Beurteilungsermächtigung haltende Beurteilungsmaßstab nicht zutreffend angewendet wird

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(vgl. OLG Celle, Beschluss v . 11.03.2004, Az.: 13 Verg 3/04; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 04.09.2002 - Az.: Verg 37/02). Ein Beurteilungsfehler liegt insbesondere auch dann vor, wenn der Auftraggeber von dem ihm eingeräumten Beurteilungsspielraum gar keinen Gebrauch macht, weil er diesen nicht mit einer eigenen Abwägungsentscheidung ausfüllt (vgl. VK Brandenburg, Beschluss v. 25.08.2002, Az.: VK 45/02).

43

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist den Auftraggebern nicht vorzuwerfen, dass sie ihrer Ermessensentscheidung über die Berücksichtigung des Angebotes der Beigeladenen sachwidrige Erwägungen zu Grunde gelegt haben oder dass sie von dem ihnen eingeräumten Ermessen keinen hinreichenden Gebrauch gemacht haben. Insbesondere bleibt die von den Auftraggebern herangezogene Unschuldsvermutung als Ausprägung des Rechtsanspruchs auf ein faires Verfahren (Art. 6 Abs. 2 EMRK) auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des OLG Saarbrücken vom 18.12.2003 (Az.: 1 Verg 4/03 = Europa kompakt 2/2004, S. 23 ff.) ein sachlicher Grund, den der öffentliche Auftraggeber bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit eines Bieters zumindest mit hohem Gewicht berücksichtigen darf. Darüber hinaus kann die Antragstellerin ihr mit den Hauptanträgen zu 1 bis 3 verfolgtes Ziel, die Auftraggeber zu verpflichten, die Angebote der Beigeladenen von der Wertung auszuschließen, ohnehin nur erreichen, wenn die Tatsache der staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen die Geschäftsführung der zur Beigeladenen gehörenden xxx sich zu einer Sachlage verdichtet haben, die eine Ermessensreduzierung auf Null zu Lasten der Beigeladenen bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit bewirkt. Gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. b VOL/A können Angebote von Bietern, die von der Teilnahme am Wettbewerb ausgeschlossen werden können (§ 7 Nr. 5 VOL/A), von der Wertung ausgeschlossen werden. Gemäß § 7 Nr. 5 lit. c VOL/A können von der Teilnahme am Wettbewerb Bewerber ausgeschlossen werden, die nachweislich eine schwere Verfehlung begangen haben, die ihre Zuverlässigkeit als Bewerber in Frage stellt. Mit der "nachweislich schweren Verfehlung", die die Zuverlässigkeit als Bewerber in Frage stellt, ist eine Verfehlung gemeint, die im Rahmen der beruflichen Tätigkeit begangen wurde, wie sich aus dem Wortlaut des Artikels 20 Abs. 1 Buchst. d LKR und des Artikels 29 Abs. 1 Buchst. d DKR entnehmen lässt. In Betracht kommen dabei insbesondere auf den Geschäftsverkehr bezogene strafrechtliche Verurteilungen, wie z.B. wegen vollendeter oder versuchter Beamtenbestechung, Vorteilsgewährung, Diebstahls, Unterschlagung etc. (vgl. Daub/Eberstein, VOL/A, 5. Aufl., § 7, Rdnr. 64, m.w.N.). Auch die im vorliegenden Fall gegen den Geschäftsführer und weitere Mitarbeiter der xxx laufenden staatsanwaltlichen Ermittlungen wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung und des vorsätzlichen oder fahrlässigen Verstoßes gegen die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) vom 06.06.1994 (vgl. die Strafvorschriften des § 23 ArbZG) wären im Falle einer Verurteilung ohne weiteres dem Rahmen der beruflichen Tätigkeit zuzurechnen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft auf dem Verdacht beruhen, dass der Unfalltod eines Mitarbeiters der xxx im Rahmen der Entsorgungstätigkeiten für den Landkreis xxx Anfang April 2005 in xxx auf eine zur Fahruntüchtigkeit führende Übermüdung des Mitarbeiters zurückzuführen ist. Diese Übermüdung des Kraftfahrers - so der Tatverdacht und der Vorwurf der Staatsanwaltschaft xxx - hat ihre Ursache vermeintlich in Verstößen gegen die Arbeitszeit und die Ruhezeiten gem. §§ 3, 4, 5 ArbZG.

44

Die Vergabekammer verkennt nicht, dass es sich hier um einen schwer wiegenden Tatverdacht handelt. Die Auftraggeber haben sich jedoch ausweislich der Vergabeakte mit diesen staatsanwaltlichen Ermittlungen und der Frage, ob der Beigeladenen deswegen gem. §§ 7 Nr. 5 lit. c, 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. b und 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A die Zuverlässigkeit abzusprechen ist, im Zuge der Eignungsprüfung im erforderlichen Rahmen auseinander gesetzt und eine vertretbare Ermessensentscheidung getroffen. Die Antragstellerin selbst hat in ihrem Angebot vom 22.07.2005 unter der Register-Nr. 8 die Auftraggeber auf die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft xxx im Zusammenhang mit dem tödlichen Verkehrsunfall des Mitarbeiters der xxx Anfang April 2005, auf die Ermittlungen des Bundeskartellamtes und der Staatsanwaltschaft xxx gegen die xxx und 119 weitere Unternehmen der Entsorgungsbranche wegen des Verdachts wettbewerbsbeschränkender Absprachen pp. sowie ein Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfs der fahrlässigen Tötung gegen eine Mitarbeiterin der xxx in nicht verantwortlicher Position hingewiesen und den entsprechenden Schuldvorwurf in beigefügten Pressemitteilungen ausdrücklich zurückgewiesen. Die Auftraggeber haben diese Angaben zum Anlass genommen, dem Sachverhalt hinsichtlich der Ermittlungen wegen des tödlichen Verkehrsunfalls des Mitarbeiters der xxx im Rahmen der Eignungsprüfung näher nachzugehen und die Staatsanwaltschaft xxx um Mitteilung des Standes ihrer Ermittlungen zu bitten. Der Vergabekammer liegt ein Vermerk über ein entsprechendes Telefonat des mit der Vorbereitung und Durchführung der streitbefangenen Ausschreibung beauftragten Ingenieurbüros xxx GmbH, Dr.-Ing. xxx vom 10.08.2005 vor (vgl. Anlage 1 zum Anwaltsschriftsatz der Auftraggeber vom 27.09.2005). Ausweislich dieses Vermerks hat der zuständige Staatsanwalt bestätigt, dass gegen die Geschäftsführung der xxx aufgrund eines Verkehrsunfalls ein Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen Arbeitszeitvorschriften und fahrlässiger Tötung eingeleitet worden sei. Die Vorwürfe seien zwar ernst zu nehmen. Eine Vorverurteilung finde jedoch nicht statt. Die Ermittlungen seien noch nicht abgeschlossen. Der Ausgang der Ermittlungen und ihre Dauer ließen sich nicht sicher prognostizieren. Dies gelte sowohl für eine etwaige strafrechtliche Verantwortlichkeit wie auch für denkbare Lenkzeitverstöße. Der Sachverhalt sei nicht hinreichend aufgeklärt. Weitere Auskünfte habe die Staatsanwaltschaft unter Hinweis auf das laufende Verfahren nicht erteilt.

45

Auch eine erneute Anfrage im Zuge des Nachprüfungsverfahrens durch das beauftragte Ingenieurbüro und den verfahrensbevollmächtigten Rechtsanwalt führte ausweislich eines mit Schriftsatz des Auftraggebers vom 10.10. als Anlage 2 überreichten Vermerks vom 05.10.2005 zu keinem anderen Ergebnis. Der Staatsanwalt habe erklärt, dass eine Auswertung der beschlagnahmten Tacho-Scheiben durch die Polizei noch nicht abgeschlossen sei. Dies sei zwar zeitnah zu erwarten, ein genauer Zeitpunkt allerdings stehe noch nicht fest. Die Angaben der xxx und einiger Mitarbeiter seien widersprüchlich und bedürften der Aufklärung. Zurzeit würden alle Mitarbeiter richterlich vernommen. Der Zeitpunkt einer Anklage sei völlig offen und sei frühestens Ende des Jahres zu erwarten, wenn es dennüberhaupt zu einer Anklage käme.

46

Die Vergabekammer hat im Rahmen ihrer Amtsermittlung gem. § 110 GWB ihrerseits die Staatsanwaltschaft xxx mit Telefax vom 07.10.2005 um Mitteilung des Standes der Ermittlungen gebeten. Der zuständige Staatsanwalt, Herr Dr. xxx, hat daraufhin mit Schreiben vom 12.10.2005, eingegangen bei der Vergabekammer am 18.10.2005, darauf hingewiesen, dass die Ermittlungen durch die Polizei in xxx noch nicht abgeschlossen sind. Zurzeit werden die Tachoscheiben ausgewertet und die Mitarbeiter richterlich vernommen. Er selbst habe nur teilweise Einsicht in die Beweismittel gehabt. Diese hätten die vorläufige Wertung bestätigt, dass ein Anfangsverdacht von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten anzunehmen ist. Der Schwerpunkt liege auf eventuellen Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz sowie gegen die EU-Lenkzeitverordnung.

47

Eine Akteneinsicht der Vergabekammer werde anheim gestellt. Bereits am 13.10.2005 hat der Staatsanwalt auf telefonische Nachfrage der Vergabekammer bestätigt, dass sowohl die Ermittlungen wegen des Verdachts auf fahrlässige Tötung als auch wegen Verdachts des Verstoßes gegen die Arbeits- und Ruhezeiten des Arbeitszeitgesetzes noch nicht abgeschlossen seien. Die bisherige Auswertung der beschlagnahmten Tacho-Scheiben habe jedoch ergeben, dass einige Fahrer von Entsorgungsfahrzeugen über 15 Stunden am Tag gefahren sind. Die xxx berufe sich allerdings auf die Regelung des § 5 Abs. 4 ArbZG. Danach gelten abweichend vom Arbeitszeitgesetz Vorschriften der Europäischen Gemeinschaften, soweit diese für Kraftfahrer und Beifahrer geringere Mindestruhezeiten zulassen. Die Arbeitsruhezeiten ihrer Mitarbeiter seien nach Auffassung der xxx durch entsprechende Vorschriften der EG gedeckt.

48

Auch unter Berücksichtigung des Fortgangs des staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens und der Konkretisierung der dortigen Vorwürfe ist die unter Ziffer 6.2 (S. 15, 16) der Angebotsauswertung des beauftragten Ingenieurbüros vom 22.08.2005 und in der Beschlussvorlage des Auftraggebers zu 1 vom 18.08.2005 für die Sitzung des Werksausschusses Abfallwirtschaft vom 08.09.2005 dokumentierte Entscheidung, die laufenden Ermittlungsverfahren aufgrund der Unschuldsvermutung nicht zum Anlass zu nehmen, der xxx die Zuverlässigkeit abzusprechen, nicht zu beanstanden. Die Auftraggeber haben sich sowohl hinsichtlich der Frage, ob der zur beigeladenen Bietergemeinschaft gehörenden xxx eine nachweislich schwere Verfehlung im Sinne des § 7 Nr. 5 lit. c VOL/A anzulasten ist und erst recht hinsichtlich der Frage, ob das Angebot der Beigeladenen aufgrund der staatsanwaltlichen Ermittlungen gem. § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. b VOL/A von der Auswertung ausgeschlossen werden kann oder ggf. - bei Ermessensreduzierung auf Null - ausgeschlossen werden muss, im Rahmen des ihnen vergaberechtlich eingeräumten Ermessens gehalten. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin waren die Auftraggeber auch nicht gehalten, über die Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft zum aktuellen Ermittlungsverfahren, auf das die Antragstellerin sich beruft, weitere eigene Ermittlungen anzustellen. Sie waren und sind insbesondere nicht gehalten, unmittelbaren Kontakt zu den mit den Ermittlungen befassten Polizeidienststellen aufzunehmen. Die Staatsanwaltschaft ist gemäß §§ 160, 161 StPO Herrin des Ermittlungsverfahrens. Die Polizeibeamten sind als Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft gem. § 152 Abs. 1 GVG und § 161 S. 2 StPO in dieser Eigenschaft verpflichtet, den Anordnungen der Staatsanwaltschaft ihres Bezirks und dieser vorgesetzten Beamten Folge zu leisten. Sie können daher keine über die Auskünfte der Staatsanwalt hinausgehenden Erklärungen gegenüber Dritten abgeben.

49

Für das Vorliegen von Ausschlussgründen ist der Auftraggeber darlegungs- und beweispflichtig. Im Falle einer schweren Verfehlung müssten zumindest konkrete Anhaltspunkte gegeben sein, reine Verdachtsmomente reichen nicht aus. Zwar setzt dies nicht zwingend voraus, dass ein rechtskräftiger Bußgeldbescheid oder ein rechtskräftiges Urteil vorliegt (vgl. Rusam in: Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, 10. Aufl., A § 8, Rdnr. 56, m.w.N.). Die Verfehlung muss aber andererseits nachweisbar sein. Die vom Auftraggeber in jedem Einzelfall zu klärende Frage ist daher stets, ob sich im Raum stehende Vorwürfe und Tatbestände derartig konkretisiert haben, dass von einem Nachweis im Sinne des § 7 Nr. 5 lit. c VOL/A oder § 8 Nr. 5 Abs. 1 lit. c VOB/A auszugehen ist.

50

Die Vergabekammer Lüneburg hat bislang (vgl. Beschluss v. 04.12.2000, Az.: 203-VgK-15/2000) die Auffassung vertreten, dass im Hinblick auf die im deutschen Strafrecht nach rechtsstaatlichen Grundsätzen für Angeklagte bis zur Verurteilung geltende Unschuldsvermutung die Tatsache, dass staatsanwaltliche Ermittlungen eingeleitet wurden, auch dann nicht ausreicht, wenn diese bereits zur Anklageerhebung geführt haben. Demgegenüber hat das OLG Saarbrücken mit Beschluss vom 29.12.2003 (Az.: 1 Verg 4/03, zitiert nach VERIS) entschieden, dass der Grundsatz der Unschuldsvermutung einem auf staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren gestützten Angebotsausschluss wegen vermeintlicher Unzuverlässigkeit nicht entgegensteht. Der Nachweis der Unzuverlässigkeit des Bieters erfordere keine rechtskräftige Verurteilung. Auch die Anklageerhebung und die Eröffnung des Hauptverfahrens brauche nicht abgewartet zu werden. Die Unschuldsvermutung als Ausprägung des Rechtsanspruchs auf ein faires Verfahren (Art. 6 Abs. 2 EMRK) wolle sicherstellen, dass niemand als schuldig behandelt wird, ohne dass ihm in einem gesetzlich geregelten Verfahren eine Schuld nachgewiesen ist. Daraus folge, dass Maßnahmen, die den vollen Nachweis der Schuld erfordern, nicht getroffen werden dürfen, bevor jener erbracht ist. Schwere, die Zuverlässigkeit in Frage stellende Verfehlungen im Sinne von § 7 Nr. 5 lit. c VOL/A müssten nicht unbedingt strafbare Handlungen sein. Ihre Annahme setze, auch wenn ein kriminelles Verhalten im Raume steht, nicht den vollen Nachweis strafrechtlicher Schuld voraus. Die Unschuldsvermutung besage im Übrigen nicht, dass einem Tatverdächtigen bis zur rechtskräftigen Verurteilung als Folge der Straftaten, deren er verdächtig ist, überhaupt keine Nachteile entstehen dürften. Die Unschuldsvermutung hindere dementsprechend auch nicht geschäftliche Nachteile als Folge eines durch den dringenden Tatverdacht strafbarer Handlungen "provozierten Vertrauensverlustes".

51

Der Entscheidung des OLG Saarbrücken lag jedoch ein mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbarer Sachverhalt und vor allem eine andere Ausgangsentscheidung des Auftraggebers zu Grunde. Dort hatte der Auftraggeber einem Unternehmen im Rahmen der Eignungsprüfung die notwendige Zuverlässigkeit aberkannt, weil gegen den Geschäftsführer des Bieterunternehmens ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft xxx eingeleitet worden war. Gegenstand dieser Ermittlungen war unter anderem der Vorwurf des Abrechnungsbetruges in 24 Fällen, begangen in den Jahren 1999/2000, durch den einem Tochterunternehmen des Antragsgegners ein Gesamtschaden von rund 462.000 EUR entstanden sein soll. Das OLG Saarbrücken hat betont, dass der dortige Auftraggeber sich im Rahmen des ihm eingeräumten vergaberechtlichen Ermessens gehalten hat, als er dem Bieterunternehmen die erforderliche Zuverlässigkeit abgesprochen hat. Er habe nicht die Anklageerhebung und die Eröffnung des Hauptverfahrens abzuwarten brauchen. In Fällen, bei denen die zum Ausschluss führenden Verfehlungen ein strafrechtlich relevantes Verhalten zum Gegenstand haben, könne man nicht verlangen, dass eine Anklageerhebung oder gar eine rechtskräftige Verurteilung erfolgt ist. Dies würde in der Praxis zu schwer erträglichen Ergebnissen führen. Zwischen dem Bekanntwerden strafbarer Handlungen, der Anklageerhebung und deren rechtskräftiger Aburteilung liegen - gerade bei Straftaten mit wirtschaftlichem Bezug - oft Jahre. Dem öffentlichen Auftraggeber könne bei dringenden Verdachtsmomenten, zumal wenn sich die vorgeworfenen Taten gegen ihn selbst oder ihm nahe stehende Unternehmen richten, nicht zugemutet werden, mit dem betreffenden Bewerber dessen ungeachtet weiter ohne Einschränkungen in Geschäftsverkehr zu treten, denn dies setze gegenseitiges Vertrauen voraus.

52

Indessen lässt sich auch aus der Entscheidung des OLG Saarbrücken nicht ableiten, dass staatsanwaltliche Ermittlungen und ein Tatverdacht ohne weiteres dazu führen, dass das dem Auftraggeber durch § 7 Nr. 5 lit. c VOL/A und § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. b VOL/A ausdrücklich eingeräumte Ermessen hinsichtlich der Frage, obüberhaupt eine schwere Verfehlung nachgewiesen ist und ob - gesetzt den Fall, ein entsprechender Nachweis ist erbracht - das Angebot ausgeschlossen werden soll, auf Null reduziert wird.

53

Der BGH hat in seinem Urteil vom 18.09.2001 (Az.: X ZR 51/00 = VergabeR 1/2002, S. 36 ff.) vielmehr betont, dass auch eine nachgewiesene schwere Verfehlung nicht automatisch zum Angebotsausschluss führen müsse. Die persönliche Zuverlässigkeit stelle nur eines der Merkmale dar, auf die bei der Prüfung der Frage, wem der Zuschlag erteilt werden solle, abgestellt werden muss. Zwar werde ein unzuverlässiger Bieter regelmäßig auch dann nicht die Erteilung des Zuschlags verlangen können, wenn sein Gebot mit dem niedrigsten Preis endet. Das Fehlen der persönlichen Zuverlässigkeit stelle vielmehr regelmäßig einen hinreichenden Grund dar, ein Gebot zurückzuweisen. Das bedeute jedoch nicht umgekehrt, dass der öffentliche Auftraggeber rechtlich gezwungen wäre, von einem solchen Gebot unter keinen Umständen Gebrauch zu machen. Auch insoweit bedürfe es vielmehr einer Abwägung, in die die für und gegen die Annahme eines solchen Gebotes sprechenden Umstände einzustellen sind. Die Regelung in § 8 VOB/A eröffnet dem Ausschreibenden nur eine in seinem Ermessen stehende Möglichkeit, ungetreue Bieter auszuschließen, nicht jedoch eine entsprechende zwingende rechtliche Verpflichtung. Ermessen bedeute, dass der Ausschreibende eine auf sachlichen Erwägungen beruhende Entscheidung über die weitere Teilnahme der einzelnen Bieter zu treffen hat. Der Anspruch der übrigen Teilnehmer an der Ausschreibung gehe nicht weiter. Zwar können diese vom Auftraggeber eine ermessensfehlerfreie Entscheidung verlangen. Auch das bedeutet jedoch nur, dass er seine Entscheidung nicht aus unsachlichen Gründen treffen darf und kann. Eine hinreichend sachlich motivierte und begründete Entscheidung zu Gunsten eines Bieters, dem eine schwere Verfehlung vorzuwerfen sei, sei dem Auftraggeber jedoch auch danach nicht schlechthin verwehrt.

54

Unter Zugrundelegung dieses zutreffenden Maßstabes ist bereits nicht zu beanstanden, dass die Auftraggeber im Rahmen der ihnen obliegenden Eignungsprüfung zu dem Schluss gelangt sind, dass die Vorwürfe im Zusammenhang mit dem staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren gegen die Geschäftsführung der xxx noch nicht geeignet sind, vom Nachweis einer schweren Verfehlung im Sinne des § 7 Nr. 5 lit. c VOL/A auszugehen. Die Berufung der Auftraggeber auf die Unschuldsvermutung ist nach wie vor zumindest ein sachlicher Grund, den die Auftraggeber im Rahmen ihres Ermessens berücksichtigten durften. Dabei konnten die Auftraggeber - wie von ihnen in der mündlichen Verhandlung erklärt - im Rahmen der Abwägung auch dem Umstand Rechnung tragen, dass die bisherige Zusammenarbeit der xxx, die bislang auf der Grundlage des noch laufenden Vertrages die Abfallentsorgung im Kreisgebiet durchführt, bislang keinen Anlass für Zweifel an der Zuverlässigkeit der xxx geboten hat.

55

Die Auftraggeber sind daher nicht gehindert, der Beigeladenen, die ausweislich der Vergabeakte für beide Lose das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hat, den Zuschlag zu erteilen.

56

Der Nachprüfungsantrag war daher zurückzuweisen.

57

III.

Kosten

58

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art. 7 Nr. 5 des 9. Euro-

59

Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, so dass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 EUR, die Höchstgebühr 25.000 EUR bzw. in Ausnahmefällen 50.000 EUR beträgt.

60

Es wird eine Gebühr in Höhe von 5.243 EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.

61

Der zu Grunde zu legende Auftragswert für den streitbefangenen Gesamtauftrag beträgt nach der Verwaltungsvorlage des Auftraggebers zu 1 vom 18.05.2005 für die Sitzung des Werksausschusses Abfallwirtschaft vom 29.06.2005 für die gesamte ausgeschriebene 8-jährige Vertragslaufzeit 8.653.851,60 EUR. Dieser Gesamtwert entspricht den Angeboten der Antragstellerin in Höhe von 347.419,54 EUR/a für das Los 1 und 734.311,91 EUR/a für das Los 2 und damit ihrem Interesse am Auftrag.

62

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999 in der z. Zt. gültigen Fassung vom 01.01.2003. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 25.000 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 -1998) gegenübergestellt. Bei einer Ausschreibungssumme von 8.653.851,60 EUR ergibt sich durch Interpolation eine Basisgebühr von 5.243 EUR.

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Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten von Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.

64

Die in Ziffer 2 des Tenors geregelte Kostentragungspflicht folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Verfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin keinen Erfolg hatte.

65

Die Erstattungspflicht bezüglich der Kosten der Auftraggeber, die diesen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstanden sind, folgt aus § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 VwVfG. Danach war festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch die Auftraggeber im konkreten Verfahren erforderlich war. Auch wenn man von öffentlichen Auftraggebern grundsätzlich verlangen darf, dass sie über das notwendige personelle Know-how bezüglich der für eine Ausschreibung erforderlichen Rechtsgrundlagen, insbesondere der VOL/A und der VOB/A verfügen, bedurften die Auftraggeber für eine angemessene Reaktion in der auch für einen erfahrenen öffentlichen Auftraggeber ungewohnten Situation eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens besonderen rechtskundigen Beistandes.

66

Nach den zu § 80 VwVfG geltenden Grundsätzen ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes dann notwendig, wenn sie vom Standpunkt eines verständigen Beteiligten für erforderlich gehalten werden durfte (BVerwGE 55, 299, 306). Dies ist nach der herrschenden Lehre nicht nur in schwierigen und umfangreichen Verfahren zu bejahen, sondern entspricht der Regel (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 80, Rdnr. 45; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl., § 80, Rdnr. 81). Dieser Grundsatz soll allerdings nur im Verhältnis des Bürgers zum Staat gelten. Zu Gunsten der Ausgangsbehörde im Verwaltungsverfahren wird demgegenüber die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten nur in besonders gelagerten Einzelfällen angenommen, da die Ausgangsbehörde in der Regel mit eigenem Fachpersonal so gut ausgestattet sein muss, dass sie ihre Verwaltungstätigkeit, zu der auch die Mitwirkung im Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) gehört, ohne fremde Unterstützung ausführen kann. Diese für die Situation der Ausgangsbehörde in einem Widerspruchsverfahren zutreffende Auffassung kann jedoch nicht auf das vergaberechtliche Nachprüfungsverfahrenübertragen werden. Schon beim materiellen Vergaberecht handelt es sich um eine überdurchschnittlich komplizierte Materie, die nicht nur in kurzer Zeit zahlreiche Veränderungen und Neuregelungen erfahren hat, sondern auch durch komplexe gemeinschaftsrechtliche Fragen überlagert ist. Entscheidend aber ist, dass das Nachprüfungsverfahren gerichtsähnlich ausgebildet ist, die Beteiligten also auch prozessuale Kenntnisse haben müssen, um ihre Rechte umfassend zu wahren. Deshalb ist im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren die nach § 80 VwVfG gebotene Rechtspraxis zur Erstattung der Rechtsanwaltskosten nicht übertragbar (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 09.11.2001, Az.: Verg 1/01; OLG Stuttgart, Beschluss v. 19.07.2000, 2 Verg 4/00, NZBau 11/2000, S. 543 ff.). Denn durch seinen Charakter als gerichtsähnlich ausgestaltetes Verfahren unterscheidet sich das Vergabenachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer eben grundlegend von dem Widerspruchsverfahren nach der VwGO.

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Kosten der Beigeladenen:

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Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit der Kosten der Beigeladenen folgt aus analoger Anwendung des § 162 Abs. 3 VwGO. Dort ist für das verwaltungsgerichtliche Verfahren geregelt, dass die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nur erstattungsfähig sind, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt. Die analoge Anwendung dieser Vorschrift zu Gunsten eines obsiegenden Beigeladenen ist im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer geboten (vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2000, S. 155, 158 [OLG Düsseldorf 12.01.2000 - Verg 3/99]; sowie OLG Düsseldorf, Beschluss v. 15.06.2000, Az.: Verg 6/00). Die für eine analoge Anwendung von Vorschriften erforderliche Regelungslücke ergibt sich daraus, dass gem. § 128 Abs. 4 Satz 2 lediglich geregelt wird: "Soweit ein Beteiligter im Verfahren unterliegt, hat er die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Auslagen des Antragsgegners zu tragen. § 80 des Verwaltungsverfahrensgesetzes und die entsprechenden Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder gelten entsprechend." Eine daraus folgende Ungleichbehandlung eines Beigeladenen gegenüber den anderen Beteiligten des Nachprüfungsverfahrens wäre jedoch nicht sachgerecht, zumal der Beigeladene schließlich gem. § 109 GWB deshalb den Beteiligten-Status erhält, weil "dessen Interessen durch die Entscheidung schwer wiegend berührt werden".

69

Einerseits darf daher zwar für den Antragsteller durch (mögliche) Beiladungen kein unkalkulierbares und damit abschreckendes Kostenrisiko entstehen. Andererseits dürfen aber auch Kosten des Beigeladenen nicht zu einer Waffenungleichheit zu seinen Lasten führen (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, § 128, Rdnr. 1034).

70

Unter Berücksichtigung dieser sachgerechten Grundsätze entspricht es im vorliegenden Fall der Billigkeit i.S.d. hier analog anzuwendenden § 162 Abs. 3 VwGO, dass die unterlegene Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Nachprüfungsverfahren erforderlichen Aufwendungen der Beigeladenen, zu denen auch die Kosten einer in einem derartig komplexen, nicht nur materielles Vergaberecht, sondern auch prozessuale Rechtsfragen berührenden Verfahren ohne weiteres erforderlichen Hinzuziehung eines Rechtsanwalts gehören, zu tragen hat.

71

Die Antragstellerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses den Betrag von 5.243 EUR unter Angabe des Kassenzeichens xxx auf folgendes Konto zu überweisen: NORD/LB (BLZ 250 500 00) Konto 106035355.

Gause
Schulte
Weyer