Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 12.05.2005, Az.: VgK-15/2005

Folgen des Verstoßes gegen eine produktneutrale Ausschreibung im Vergabeverfahren; Anforderungen an die ausnahmsweise Zulässigkeit einer Fabrikatsvorgabe i.S.d. § 8 Nr. 3 Abs. 3 Allgemeine Bestimmungen für die Vergabe von Leistungen (VOL/A); Sinn und Zweck des § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOL/A; Begründung der Notwendigkeit einer herstellerbezogenen und produktbezogenen Ausschreibung mit der Notwendigkeit einer homogenen, nur auf bestimmte Produktlinien zugeschnittenen Beschaffung im IT-Bereich; Voraussetzungen der Antragsbefugnis im Vergabenachprüfungsverfahren

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
12.05.2005
Aktenzeichen
VgK-15/2005
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 22337
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgegenstand

VOL-Vergabeverfahren Lieferung des 2-Jahresbedarfs von xxxx-Servern/SAN-Komponenten und Zubehör, Vergabeverfahren Nr. 04/05

Die Vergabekammer hat
durch
den Vorsitzenden RD Gause,
die hauptamtliche Beisitzerin BOAR'in Schulte und
den ehrenamtlichen Beisitzer RA Mencke
auf die mündliche Verhandlung
vom 03.05.2005
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Die Auftraggeberin wird verpflichtet, das Vergabeverfahren aufzuheben.

  2. 2.

    Die Kosten des Verfahrens trägt die Auftraggeberin.

  3. 3.

    Die Kosten werden auf 3.434 EUR festgesetzt.

  4. 4.

    Die Auftraggeberin hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war für die Antragstellerin notwendig.

Gründe

1

I.

Die Auftraggeberin hat mit Datum vom 07.01.2005 den Abschluss eines Rahmenvertrages über xxxx SAN (= Storage Area Network) und Server-Beschaffung sowie Zubehör im offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben. Der Rahmenvertrag sollte für zwei Jahre abgeschlossen werden. Aufgabe des Auftragnehmers sollte die Lieferung, Installation sowie Konfiguration vor Ort sein. Die Bieter wurden darauf hingewiesen, dass bei der Installation vor Ort anschließend am Aufstellungsort Funktions- und Betriebsabnahmetests entsprechend den Erfordernissen der vereinbarten Lieferungen und Leistungen durchzuführen seien. Der Auftragnehmer habe hierüber schriftliche Abnahmeerklärungen auszustellen. Es wurde darauf hingewiesen, dass ein Auftragsvolumen i. H. v. ca. 3,0 Mio EUR erwartet werde.

2

Eine Aufteilung der zu vergebenden Leistungen in Lose war nicht vorgesehen. Die Bieter wurden nicht darauf hingewiesen, ob Nebenangebote/Alternativangebote berücksichtigt werden sollten.

3

Hinsichtlich der Bedingungen für die Teilnahme am Wettbewerb sollten die Bieter zur Beurteilung der wirtschaftlichen und technischen Leistungsfähigkeit fachkundiges Personal im Raum xxxxxxx vorhalten. Ferner waren verschiedene Angaben, Erklärungen und Bescheinigungen gefordert.

4

Nach Versendung der Angebotsunterlagen an die Bieter wies ein Bewerber unter Hinweis auf ein Merkblatt des Bundesinnenministeriums, der Richtlinien für die Beschreibung technischer Merkmale bei der Beschaffung von Computern und entsprechenden EU-Presseartikeln die Auftraggeberin darauf hin, dass die Intelanforderung zu entfernen sei. Diesem Begehren entsprach die Auftraggeberin. Hausintern wurde verfügt: "Es bleibt bei xxxx die Intel-Anforderung ist zu entfernen."

5

Am 02.02.2005 und 08.02.2005 begründete die für den Bereich Informations- und Kommunikationssysteme zuständige Stelle der Auftraggeberin die produktbezogene Ausschreibung und Vergabe damit, dass ein wirtschaftlicher Mehraufwand vermieden werden soll, der durch den Betrieb und die Integration einer zweiten Produktlinie entstehen würde. Es wurde dabei auch darauf hingewiesen, dass für einen störungsarmen, verlässlichen Rechenzentrumsbetrieb eine grundsätzliche Festlegung auf einen Systemhersteller erforderlich sei. Bei diesen Annahmen wurde der personelle Mehraufwand bei Produktwechsel dargestellt und die wirtschaftlichen Auswirkungen für eine zweite Produktlinie in folgender Höhe wie folgt beziffert:

"- Wartungsverträge ca. 10% - 15% des eingesetzten Materialwerts jährlich,

- Alternative Ersatzteile ca. 2% - 4% des eingesetzten Materialwerts jährlich, in Abhängigkeit der installierten Menge ab etwa 50 Servereinheiten.

- System-Management ca. 150.000 EUR einmalig, zuzüglich ca. 15% der Lizenzkosten Wartung für jährlich."

6

Mit Fax vom 15.02.2005 fragte die Antragstellerin nach, ob ihre Annahme zutreffend sei, dass die in den Unterlagen genannte Fabrikatsbezeichnung nur beispielhaft sei. Diese Anfrage wurde dahingehend beantwortet, dass die Produktbezeichnung nicht beispielhaft sei. Man verwende z.Z. nur xxxx-Produkte und die Einbindung anderer Systeme sei nur mit Aufwand möglich.

7

Mit Fax vom 18.02.2005 rügte die Antragstellerin die produktbezogene Ausschreibung als Verstoß gegen geltendes Vergaberecht. Nachdem die Auftraggeberin mit Fax vom 24.02.2005 bei ihrer Auffassung blieb, dass für diese Ausschreibung die Ausnahmeregelungen vom Diskriminierungsverbot greifen würden, stellte die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 06.04.2005, eingegangen bei der Vergabekammer am 08.04.2005,einen Nachprüfungsantrag. Sie macht einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des § 97 Abs. 2 GWB geltend. Zur Begründung ihrer Auffassung vertieft sie ihre Ausführungen aus dem Rügeschreiben an die Auftraggeberin.

8

Nach Durchführung der eingeschränkten Akteneinsicht ergänzt die Antragstellerin ihren bisherigen Vortrag und führt aus, dass sich aus der Vergabeakte ergäbe, dass die Auftraggeberin bereits seit 1997 ausschließlich Produkte von xxxx einsetze, ohne auch nur vergleichbare Produkte anderer Hersteller mit in die Auswahl zu nehmen.

9

Die Tatsache, dass die Auftraggeberin einen Auftrag mit einem Beschaffungsvolumen in Höhe von ca. 3,0 Mio. EUR und mit einer weiteren Bindung über zwei Jahre wieder beabsichtige, ausschließlich xxxx Produkte zu beziehen, führe zu einer weiteren massiven Einschränkung des Wettbewerbs.

10

Ausweislich der eigenen Vermerke der Auftraggeberin wurde das Auftragsvolumen "des alten Rahmenvertrages" in Höhe von 1,6 Mio. EUR bereits ausgeschöpft. Setze man dieses Volumen in Relation zu den voraussichtlichen Investitionen des neuen Rahmenvertrages ergäbe sich, dass Anschaffungen letztlich geplant sind, die geeignet seien, das gesamte installierte System komplett auszutauschen sowie eventuellen Ersatzbedarf komplett zu decken. Hieraus ergäbe sich, dass es sich nicht um die Erweiterung bzw. Ausbau eines vorhandenen Systems handelt, sondern zum überwiegenden Teil um eine Neubeschaffung.

11

Ferner vertritt sie die Auffassung, dass die technische Notwendigkeit für den Einsatz der xxxx-Produkte kaum nachvollziehbar sei. Die ausgeschriebenen Produkte würden üblicherweise der sog. "Open Systems World" zugeordnet, innerhalb derer Kompatibilitätsprobleme keine wesentliche Rolle spielten, da für sie internationale Standards sowie Industriestandards vorlägen, die z.B. auch heterogene SAN-Infrastrukturen erlauben.

12

Ferner hätte die Auftraggeberin auch die Möglichkeit gehabt, durch Aufteilung in Lose einerseits die Server herstellerneutral auszuschreiben und andererseits die Storagesysteme ggf. herstellergebunden als Ergänzungsbedarf.

13

Die Antragstellerin beantragt,

  1. 1.

    ein Nachprüfungsverfahren gemäß § 107 Abs. 1 GWB gegen die Vergabe des Auftrags über die Lieferung des Zwei-Jahresbedarfs von xxx-Servern/SAN-Komponenten und Zubehör bei der Stadt xxxxxxx, Vergabeverfahren Nr. 04/05, einzuleiten;

  2. 2.

    festzustellen, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist;

  3. 3.

    die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Ausschreibung aufzuheben und bei Fortbestehen der Vergabeabsicht die neue Ausschreibung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer durchzuführen;

  4. 4.

    die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Angebote der an dieser Ausschreibung beteiligten Bieter ungeöffnet zurückzusenden;

  5. 5.

    die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigen für die Antragstellerin für notwendig zu erklären;

  6. 6.

    dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens sowie die Kosten für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung gemäß §§ 124 Abs. 4 GWB, § 80 VwVfG einschließlich der vorprozessualen Anwaltskosten aufzuerlegen.

14

Die Auftraggeberin beantragt,

den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.

15

Zur Begründung ihrer Auffassung, dass die herstellerbezogene Ausschreibung im vorliegenden Fall zulässig sei, weist sie darauf hin, dass sie gegenwärtig 160 Server und zwei zentrale Datenspeicher von xxxx im Einsatz habe. Sowohl aus technischen als auch organisatorischen Gründen sei es geboten, weiterhin Produkte von xxxx einzusetzen.

16

Sie führt aus, dass aus technischer Sicht die Verbindung der einzelnen Hard- und Softwarekomponenten verschiedener Hersteller Schwierigkeiten bereiten würde. Speziell bei den Schnittstellen würden bei der Fehlererkennung und -beseitigung sowie der Systemintegration erhebliche Probleme auftreten. Dies könne sie bei ca. 6000 Anwendern nicht in Kauf nehmen. Ferner könne sie nicht die vorhandenen Komponenten mit den Produkten anderer Hersteller ausbauen. Die von ihr verwendeten Hot-Plug Festplattenschächte und Anschlüsse an den Servergehäusen sowie in den Disk-Enclosures seien nicht mit den Produkten anderer Hersteller kompatibel; Gleiches gelte auch für die beiden zentralen Datenspeicher. In beiden Fällen ließen die Anschaffungskosten eine Integration der Hardware eines anderen Herstellers nicht rechtfertigen. Sie beabsichtige, einen dritten Datenspeicher zu beschaffen, um durch eine sog. Spiegelung der Speicher jederzeit die Verfügbarkeit zu Gewähr leisten. Sie führe ferner Cloningverfahren im Wege der Festplattenduplizierung durch. Auch dies setze identische Hardware voraus. Da sie auch beabsichtige, einzelne Server zu einer Clusterumgebung zu erweitern, ergäbe sich bei der Antragstellerin das Problem, dass sie eine uneingeschränkte technische Unterstützung nur anbieten könne, wenn die IT-Infrastruktur homogen aufgebaut sei. Ebenfalls nutze sie für den automatisierten Ablauf von Speichermanagementfunktionen eine Scriptsprache in Verbindung mit zeit- und ereignisgesteuerten Mechanismen, die für Speichersysteme anderer Hersteller nicht einsetzbar seien. Auch seien Speichernetze mit Switchen unterschiedlicher Hersteller insbesondere bei den regelmäßigen Firmware-Upgrades fehleranfälliger und würden durch ihren Vertrag mit xxxxx nicht abgedeckt werden.

17

Da sie sich entschlossen habe, die Wartung der Server und zentralen Datenspeicher weitgehend selbst durchzuführen, sei die Festlegung auf einen bestimmten Hersteller auch aus organisatorischer Sicht ausnahmsweise geboten. Die Entscheidung, die Wartung weitgehend selbst durchzuführen, wäre in Frage gestellt, wenn Produkte eingeführt würden, die anderen Wartungsregeln unterliegen. Der vorhandene Mitarbeiterstamm könne ein weiteres System nicht zusätzlich betreuen, sodass für diesen Bereich externe Dienstleistungsunternehmen in Anspruch genommen werden müssen, was dem Konzept einer selbstständigen und kurzfristigen Fehlerbehebung die Grundlage entziehen würde. Ferner müsse auch in jedem Einzelfall geklärt werden, wen die Verantwortung für die Problembeseitigung trifft.

18

Die Auftraggeberin weist darauf hin, dass sie aus technischen Gründen oder Zweckmäßigkeitserwägungen berechtigt sei, ausnahmsweise die Fortführung der homogenen Infrastruktur zu fordern, um den reibungslosen Betrieb in der bisherigen Form auch künftig zu Gewähr leisten.

19

Soweit die Antragstellerin davon ausgehe, dass das Auftragsvolumen "des alten Rahmenvertrages" 1,6 Mio. EUR betrage, habe sie nicht berücksichtigt, dass diese Summe nur die Anschaffungen im Jahr 2004 betreffen. Insgesamt hätten die Anschaffungskosten der vorhandenen Anlage in den Jahren 1999 bis 2004 mehr als 5 Mio. EUR betragen.

20

Hinsichtlich der Frage der Kompatibilität von Produkten verschiedener Hersteller mit der vorhandenen Anlage weist die Auftraggeberin darauf hin, dass die Antragstellerin selbst eingeräumt habe, dass die vorhandenen Komponenten mit Produkten anderer Hersteller nicht ohne gewisse wirtschaftliche bzw. technische Nachteile ausgebaut werden können. In diesem Zusammenhang weist die Auftraggeberin darauf hin, dass die Antragstellerin nicht eigene Produkte benannt habe, die die erforderliche Kompatibilität aufweisen.

21

Die Auftraggeberin vertritt ferner die Auffassung, dass zwar das Cloningverfahren und der Aufbau einer Clusterumgebung auf bei heterogenen IT-Infrastrukturen denkbar seien, dies jedoch mit einem weitaus höheren Störungsrisiko behaftet sei. Dies ergäbe sich auch aus einer Mitteilung der Firma Microsoft, in der zum Ausdruck gebracht werde, dass die Fehlerbeseitigung bei einer heterogen Clusterumgebung nur unter Vorbehalt unterstützt werde.

22

Die Beigeladene hat keine eigenen Anträge gestellt. Sie unterstützt den Vortrag der Auftraggeberin.

23

Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Vergabeakte, die Schriftsätze der Beteiligten und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 03.05.2005 Bezug genommen.

24

II.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig und begründet. Die Antragstellerin ist im Sinne der §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB in ihren Rechten verletzt. Die Auftraggeberin hat gegen das Diskriminierungsverbot des § 97 Abs. 2 GWB verstoßen, indem sie in der Leistungsbeschreibung für den Rahmenvertrag über die Lieferung von SAN und Server ausschließlich Produkte des Herstellers xxxxxxx (xxxx) vorgegeben hat, ohne gem. § 8 Nr. 3 Abs. 5 VOL/A ausdrücklich auch andere Produkte "gleichwertiger Art" zuzulassen. Die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Zulässigkeit einer derart pauschalen und geschlossenen Fabrikatsvorgabe gem. § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOL/A liegen nicht vor.

25

1.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei der Auftraggeberin handelt es sich um eine Gebietskörperschaft und damit um einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um einen Rahmenvertrag über SAN- und Serverbeschaffung sowie Zubehör mit einer 2-jährigen Laufzeit und damit um einen Lieferauftrag im Sinne des § 99 Abs. 1, Abs. 2 GWB, für den gem. § 2 Nr. 3 der am 01.02.2001 in Kraft getretenen Vergabeverordnung (VgV) vom 09.01.2001 ein Schwellenwert von 200.000 EUR gilt. Die Auftraggeberin geht ausweislich der Vergabebekanntmachung selbst von einem Auftragsvolumen in Höhe von ca. 3 Mio. EUR aus. Der Wert des ausgeschriebenen Auftrags überschreitet damit deutlich den für die Anrufung der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert.

26

Die Antragstellerin ist auch gem. § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie als potenzielle Bewerberin ein Interesse am Auftrag hat. Sie hat zwar kein eigenes Angebot abgegeben, macht jedoch eine Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend, indem sie darauf hinweist, dass sie sich aufgrund der markenspezifischen Ausschreibung nicht mit eigenen, von ihr selbst hergestellten Produkten am Vergabeverfahren beteiligen kann. Voraussetzung für die Antragsbefugnis nach § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt. Die diesbezüglichen Anforderungen an die Darlegungslast dürfen nicht überspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, 2. Aufl., § 107, Rdnr. 954). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis dargelegt. Sie hat zumindest schlüssig vorgetragen, dass sie bei aus ihrer Sicht erforderlicher produktoffener Ausschreibung in der Lage wäre, sich mit einem konkurrenzfähigen, auf die eigenen Produktlinien gestützten Angebot erfolgreich am Vergabeverfahren zu beteiligen. Es ist nicht erforderlich, dass die Antragstellerin auch schlüssig darlegt, dass sie bei vergabekonformem Verhalten der Auftraggeberin den Zuschlag auch tatsächlich erhalten hätte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 13.04.1999, Az.: Verg 1/99, S. 24).

27

Die Antragstellerin ist auch ihrer Pflicht gem. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer die behaupteten Verstöße gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren gegenüber der Auftraggeberin unverzüglich zu rügen. Mit Telefax vom 15.02.2005 hatte die Antragstellerin unter Bezugnahme auf die Ausschreibungsunterlagen die Auftraggeberin darauf hingewiesen, dass sie sich gerne mit eigenen leistungsstarken Intel-Servern an der Ausschreibung beteiligen möchte und davon ausgehe, dass die Angaben unter Pos. 1 der Leistungsbeschreibung nur beispielhaft genannt seien. Die Technik im Bereich der 2 - 8 Wege Intel-Server sei so weit vorangeschritten, dass Systeme unterschiedlicher Hersteller miteinander arbeiten und gemeinsame Aufgaben erfüllen könnten. Sie bitte daher darum, auch xxxxxxx Server anbieten zu dürfen. Diese Anfrage beantwortete die Auftraggeberin mit Schreiben vom 16.02.2005 dahingehend abschlägig, dass die Angaben unter Pos. 1 nicht beispielhaft genannt worden seien. Vielmehr bestünden die Server-Systeme und auch die SAN-Komponenten der Auftraggeberin zurzeit nur aus xxxx-Produkten. Die Einbindung anderer Systeme sei technisch nicht ohne Aufwand möglich. Deshalb habe man nur diese Produkte ausgeschrieben. Auf diesen Hinweis der Auftraggeberin rügte die Antragstellerin bereits mit Fax vom 18.02.2005 diese fabrikatsgebundene Ausschreibung mit dem Hinweis, dass diese Verfahrensweise gegen § 8 Nr. 3 VOL/A verstoße. Die Rüge der Antragstellerin erfolgte unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB. Diese Rügepflicht entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Ausreichend für die positive Kenntnis eines Mangels im Sinne von § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betrachtung gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.08.2002, Az.: Verg 9/02). Da die Antragstellerin erst aufgrund des Schreibens der Auftraggeberin vom 16.02.2005 endgültig Klarheit darüber hatte, dass sie sich nicht mit einem auf eigenen Produkten basierenden Angebot am Vergabeverfahren beteiligen kann, erfolgte die nur zwei Tage später per Fax abgesetzte Rüge unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB.

28

2.

Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet. Die Voraussetzungen für eine nur ausnahmsweise zulässige fabrikatsgebundene Ausschreibung mag für einzelne Teilleistungen vorliegen. Die Auftraggeberin war jedoch nicht berechtigt, für den gesamten Rahmenvertrag durchgehend nur xxxx-Komponenten zuzulassen. Die hersteller- und produktspezifische Ausschreibung verstößt gegen das durch das Diskriminierungsverbot des§ 97 Abs. 2 GWB bedingte Erfordernis der produktneutralen Ausschreibung. Sie verstößt ferner gegen § 2 Nr. 2 VOL/A. Danach sind wettbewerbsbeschränkende und unlautere Maßnahmen zu bekämpfen. Aus diesen Vorgaben leitet sich der Grundsatz ab, dass Leistungen grundsätzlich hinsichtlich der Anforderungen produktneutral zu beschreiben sind, um nicht bereits im Vorfeld geeignete Bieter von einer Beteiligung an der Ausschreibung auszuschließen. § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOL/A legt als Ausnahmeregelung fest, dass bestimmte Erzeugnisse bei Verfahren sowie bestimmte Ursprungsorte und Bezugsquellen nur dann ausdrücklich vorgeschrieben werden dürfen, wenn dies durch die Art der zu vergebenden Leistung gerechtfertigt ist. Bestimmte Erzeugnisse in diesem Sinne sind Produkte oder Teile, die genau bestimmte technische Merkmale aufweisen und bei der Ausführung der Leistung verwendet werden sollen. Bestimmte Bezugsquellen werden dann gefordert, wenn in der Leistungsbeschreibung ein bestimmter Hersteller oder Lieferant namentlich vorgegeben wird. Vom Grundsatz der produktneutralen Ausschreibung kann nur unter den Voraussetzungen des § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOL/A abgewichen werden. Diese Bestimmung ist eine zwingende Vorschrift, die dem öffentlichen Auftraggeber keinen Ermessensspielraum lässt. Sinn und Zweck dieser Bestimmung ist es, eine Verengung oder sogar Ausschaltung des Wettbewerbs durch einseitige Orientierung der Vergabestelle zu verhindern und den Grundsatz der Chancengleichheit der Bewerber zu wahren. Die Vorschrift will eine Bevorzugung bestimmter Unternehmen, Erzeugnisse oder Verfahren ausschließen (vgl. Zdzieblo in: Daub/Eberstein, VOL/A, 5. Aufl., § 8, Rdnr. 66, m.w.N.). Aus § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOL/A folgt ebenso wie aus der Regelung des § 9 Nr. 5 Abs. 1 VOB/A, dass im Interesse des technischen und kaufmännischen Wettbewerbs grundsätzlich offene Leistungsbeschreibungen erfolgen sollen. Deshalb dürfen bestimmte Erzeugnisse oder Verfahren nur dann ausdrücklich vorgeschrieben werden, wenn dies durch die Art der geforderten Leistung gerechtfertigt ist. Aus dem Wortlaut der Norm ergibt sich damit, dass eine derartige Regelung in jedem Fall die Ausnahme bleiben soll (vgl. Hertwig in: Beck'scher VOB-Kommentar, A § 9, Rdnr. 45).

29

Grund für diese Einschränkung ist, dass man im Allgemeinen davon ausgehen muss, dass es Sache der Bieter ist, aufgrund ihrer Sach- und Fachkunde die für die Ausführung der Leistung notwendigen Erzeugnisse oder Verfahren auszuwählen. Dies ergibt sich daraus, dass sie insoweit die Leistung unter eigener Verantwortung eigenständig und selbstständig auszuführen haben (§ 4 VOL/B). Außerdem schließt der Auftraggeber - oft zum eigenen Nachteil - den technischen und kaufmännischen Wettbewerb aus, wenn er bestimmte Erzeugnisse oder Verfahren vorschreibt, da die unnötige Nennung eines Richtfabrikates die potenziellen Bewerber in Richtung dieses Richtfabrikates lenkt und somit den Wettbewerb negativ beeinflusst (vgl. Weyand, Vergaberecht, § 8 VOL/A, Rdnr. 5283, m.w.N.). Zweck der auf Artikel 8 Abs. 6 der Lieferkoordinierungsrichtlinie beruhenden Bestimmungen des § 8 VOL/A ist es daher auch, den Marktzugang für die Bieter offen zu halten und vor Beschränkungen des Wettbewerbs durch zu enge, auf bestimmte Produkte oder Bieter zugeschnittene Leistungsbeschreibungen zu schützen (vgl. VK Sachsen, Beschluss v. 07.02.2003 - Az.: 1/SVK/007-03). Auf der anderen Seite kann und will jedoch weder die VOL noch die VOB ein legitimes Interesse des Auftraggebers, ein bestimmtes Produkt zu verwenden oder eine bestimmte Art der Ausführung zu erhalten, nicht einschränken. Dem trägt die Ausnahmeregelung des § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOL/A Rechnung. Diese Vorschrift sieht die produktspezifische Ausschreibung vor, wenn sie durch die Eigenart und die Beschaffenheit der zu vergebenden Leistung gerechtfertigt ist. Subjektive Erwägungen oderÜberlegungen eines Auftraggebers wie z.B. bisher gute Erfahrungen mit bestimmten Unternehmen, genügen nicht (vgl. Zdzieblo, a.a.O., § 8 VOL/A, Rdnr. 68). Gründe für die Vorgabe eines bestimmten Fabrikats können insbesondere in technischen Zwängen liegen, gestalterischen Gründen folgen oder der Zweckmäßigkeit einer einheitlichen Wartung dienen (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss v. 28.10.2003 - Az.: 11 Verg 9/03). Das OLG Frankfurt hat in der zitierten Entscheidung, der die Ausschreibung einer Gebäudeautomation - Mess-, Steuer- und Regeltechnik für Heizung, Lüftung, Sanitär, Aufzugsanlagen, Labortechnik etc. - zugrunde lag, ein derartiges legitimes Interesse des Auftraggebers an einer produktspezifischen Ausschreibung bejaht. Dieses begründete Interesse liege darin, dass jedes vermeidbare Risiko, das aus Kompatibilitätsproblemen resultieren kann, auszuschließen sei. Ferner sei zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Auftraggeber um eine Universität handle und dass der Forschungsbetrieb hohe Ansprüche an die extreme Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Gebäudeautomation stellt und mit Störfällen sogar der unwiederbringliche Verlust von Forschungsergebnissen weit reichende finanzielle Schäden und möglicherweise Umweltgefahren verbunden sein könnten. Aus dieser Entscheidung lässt sich jedoch nicht ableiten, dass jegliche nie völlig auszuschließende Gefahr von Kompatibilitätsproblemen den öffentlichen Auftraggeber ohne weiteres berechtigt, vom vergaberechtlichen Grundsatz der produktneutralen Ausschreibung abzuweichen. Dies würde vielmehr dazu führen, dass die absolute Ausnahmeregelung des § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOL/A zumindest für den gesamten EDV- und IuK-Bereich zur Regel würde.

30

Die Auftraggeberin hat die streitbefangene herstellerbezogene Ausschreibung im Nachprüfungsverfahren damit begründet, dass sie gegenwärtig 160 Server und zwei zentrale Datenspeicher des Herstellers xxxx im Einsatz habe. Sowohl aus technischen wie auch aus organisatorischen Gründen sei es geboten, weiterhin Produkte von xxx einzusetzen. Die Verbindung der einzelnen Hard- und Software-Komponenten verschiedener Hersteller würde Schwierigkeiten bereiten. Speziell bei den Schnittstellen würden bei der Fehlererkennung und -beseitigung sowie bei der Systemintegration erhebliche Probleme auftreten, was sie angesichts von 6.000 Anwendern nicht in Kauf nehmen könne. In der mündlichen Verhandlung hat die Auftraggeberin erläutert, dass sie durchaus bei der Beschaffung von Arbeitsplatzcomputern und anderer Hardware ein produktoffenes Verfahren praktiziere. Dort gebe es im Gegensatz zu früheren Zeiten nicht mehr derartig gravierende Kompatibilitätsprobleme. Sie gehe auch davon aus, dass auch im Serverbereich die Probleme in naher Zukunft gelöst werden, so dass dort zumindest keine gewichtigen Kompatibilitätsprobleme bei einer offenen heterogenen Beschaffung auftreten würden. Zurzeit könne man aber die Risiken hinsichtlich der Kompatibilität bei der Serverbeschaffung für die IuK-Zentrale nicht hinnehmen. Es ist unstreitig, dass die Auftraggeberin dort seit 1997 ausschließlich Produkte von xxxx einsetzt. Die Auftraggeberin hat ihre derzeitige IuK-Philosophie dahingehend erläutert, dass sie darauf angewiesen sei, für einen Zeitraum von etwa drei Abschreibungszyklen - das entspricht etwa 10 Jahre - auf eine homogene Produktlinie zu setzen. Angesichts der Tatsache, dass hier im Zweijahresrhythmus Ausschreibungen erfolgen, sei es wirtschaftlich nicht vertretbar, die Produktlinien zu wechseln. Man sei aber durchaus bestrebt, sich auch anderen Produktlinien zuöffnen. Dies erfordere einen entsprechenden Vorlauf, um im Rahmen eines Projektes "Re-Design der IT-Infrastruktur" insofern eine Öffnung zu Gewähr leisten. Die produktbezogene Beschaffung einzelner Komponenten des streitbefangenen Rahmenvertrages mag gerechtfertigt sein. Dies gilt für solche Komponenten, bei denen die Auftraggeberin auf eine Kompatibilität mit den von ihr verwendeten Hot-Plug Festplattenschichten und Anschlüssen an den Servergehäusen und den beiden bereits vorhandenen zentralen Datenspeichern zwingend angewiesen ist. Durch die Festlegung auf xxxx-Produkte nimmt sie jedoch konkurrierenden Herstellerunternehmen wie etwa der Antragstellerin jegliche Möglichkeit, ein auf eigene Komponenten gestütztes Angebot zu erarbeiten, das sämtlichen Kompatibilitätsanforderungen genügt. Zu Recht hat die Antragstellerin darauf hingewiesen, dass die Auftraggeberin grundsätzlich die Möglichkeit gehabt hätte, den ausgeschriebenen Gesamtauftrag in Lose aufzuteilen und einerseits den Serverhersteller neutral auszuschreiben und andererseits die sog. Storage-Systeme ggf. herstellergebunden als Ergänzungsbedarf auszuschreiben. Dies gilt erst recht für die Beschaffung des neuen, dritten Datenspeichers.

31

Die Vergabekammer verkennt nicht, dass es die Hersteller im IT-Bereich selbst sind, die den Auftraggebern eine homogene, nur auf ihre Produktlinien zugeschnittene Beschaffung nahe legen, um so alle Möglichkeiten der angebotenen Hard- und Software optimal nutzen zu können. Damit ist häufig eine - offenbar gewollte - Produktabschirmung verbunden. So wirbt etwa xxxx auf seiner Internetseite http:// xxxxxxx für ein umfassendes Managementwerkzeug für die Installation,Überwachung und Verwaltung von xxxx-Servern unter dem Label "xxxx Insight", das offenbar nur auf xxxx-Hardware zugeschnitten ("proprietär") ist. Diese Managementsoftware hat u.a. folgende Funktionen:

  • Proaktive Fehlererkennung
  • Automatische Reaktion auf definierte Ereignisse (z.B. Ausführen von Befehlen, Benachrichtigung per E-Mail oder SMS)
  • Möglichkeit, gleichzeitig auf mehreren Systemen Aufgaben auszuführen
  • Nutzung von Sicherheitsmechanismen des Betriebssystems für das System-Management
  • Inventarisierung der verwalteten Systeme
  • Dokumentation von Systemkonfigurationen
  • Kontrolle der Betriebssystemstände mit der Möglichkeit, Systeme gleichzeitig zu aktualisieren
  • Unterstützung von Clustern
  • Übersichtliche Anzeige des Systemstatus
  • Analyse der Arbeitsgeschwindigkeit von Systemkomponenten, um Engpässe zu erkennen.

32

Auch die Antragstellerin, die Firma xxxxxxx, bietet mit ihrem Produktlinien "xxxxxxx" und "xxxxxxx" eigene, vergleichbare Management-Werkzeuge an, die aber ebenso vorrangig auf xxxxxxx-Hardware ausgerichtet sein dürften.

33

Die Auftraggeberin hat ein berechtigtes Interesse daran, dass die einzelnen Komponenten der IuK-Zentrale möglichst problemlos miteinander arbeiten und dass insbesondere auftretende Systemfehler unverzüglich den Administratoren automatisch gemeldet werden, damit sie unverzüglich behoben werden können. Diesem berechtigten Interesse kann die Auftraggeberin jedoch auch dadurch Rechnung tragen, dass sie ihre Ausschreibung so gestaltet, dass sie zwar Leitfabrikate vorgibt, diese jedoch gem. § 8 Nr. 3 Abs. 5 VOL/A nur mit dem Zusatz "oder gleichwertiger Art" verwendet. Ferner bleibt es ihr unbenommen, ihre Leistungsbeschreibung um detaillierte Mindestanforderungen für die Bereiche zu ergänzen, in denen es ihr besonders auf eine Unterstützung der Anwendungen der bereits vorhandenen Komponenten ankommt. Sie kann auch, wie dies das BMWA in seinem auch den Kommunen und damit auch der Auftraggeberin bekannt gemachten, anlässlich mehrerer EU-Beanstandungen herausgegebenen "Merkblatt zu diskriminierungsfreien Leistungsbeschreibungen bei IT-Ausschreibungen" vom 03.12.2004 empfiehlt, ein Benchmark-Verfahren wählen, mittels dessen durch eine softwaregestützte Simulation typischer Anwendungsschritte eine Aussage über die Leistungsfähigkeit des IT-Systems in dem jeweiligen Anwendungsbereich möglich ist. Dies gilt insbesondere auch für die Überwachungsfunktionen und die für den automatisierten Ablauf von Speichermanagementfunktionen genutzte Skriptsprache in Verbindung mit zeit- und ereignisgesteuerten Mechanismen. Dies gibt nicht xxxx-gebundenen Bietern, die - wie die Antragstellerin - selbst Komponenten herstellen, die Möglichkeit, ein auf die Bedürfnisse der Auftraggeberin zugeschnittenes Angebot auszuarbeiten. Weil der Bieter verpflichtet ist, die Vergleichbarkeit der angebotenen Komponenten mit den ausgeschriebenen Leitfabrikaten mit dem Angebot nachzuweisen, ist das mit der produktoffenen Ausschreibung verbundene Risiko des Auftraggebers begrenzt. Er vermeidet auf der anderen Seite dadurch aber eine sich ständig perpetuierende Gebundenheit an die Systeme und Komponenten eines bestimmten Herstellers (vgl. VK Düsseldorf, Beschluss vom 23.01.2001, Az.: VK-1/2001-B). Ferner ist er in der Lage, auf einer größeren Anzahl von Angeboten das wirtschaftlichste Angebot auszuwählen (vgl. Zdzieblo, a.a.O., § 8 VOL/A, Rdnr.74).

34

Es ist im Übrigen angesichts der ständig und erheblich fortschreitenden Entwicklung im Hard- und Softwarebereich nicht auszuschließen, dass ein Bieter wie die Antragstellerin bei konkreter Aufforderung zur Angebotsabgabe durchaus in der Lage ist, ein auf eigene Produktlinien gestütztes Angebot auszuarbeiten, dass mit den ausgeschriebenen Leitfabrikaten gleichwertig, mit der bereits vorhandenen IT-Ausstattung der Auftraggeberin kompatibel und auch wirtschaftlich konkurrenzfähig ist. Diese Möglichkeit ist ihr jedoch bei der angefochtenen Art der Ausschreibung von vornherein genommen.

35

Festzustellen ist daher, das die Eigenart und Beschaffenheit der zu vergebenden Leistung im vorliegenden Fall zwar die Verwendung von Leitfabrikaten zulässt, aber nur - wie § 8 Nr. 3 Abs. 5 VOL/A dies ausdrücklich verlangt - mit dem Zusatz "oder gleichwertiger Art" (vgl. Weyand, a.a.O., § 8 VOL/A, Rdnr. 5287). Die Voraussetzungen für eine völlig herstellerspezifische Ausschreibung gemäß § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOL/A liegen dagegen nicht vor.

36

Gemäß § 114 GWB trifft die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Wegen des festgestellten Verstoßes gegen das vergaberechtliche Diskriminierungsverbot gemäß § 97 Abs. 2 GWB und § 2 Nr. 2 VOL/A aufgrund der rein produktspezifischen Ausschreibung ohne Einräumung einer Möglichkeit, gemäß § 8 Nr. 3 Abs. 5 VOL/A vom Leitfabrikat abweichende Angebote gleichwertiger Art unterbreiten zu können, ist es erforderlich, die Aufhebung der Ausschreibung durch Beschluss der Vergabekammer herbeizuführen. Da der Vergaberechtsverstoß die Leistungsbeschreibung selbst betrifft, kann er nicht durch mildere Maßnahmen beseitigt werden.

37

III. Kosten

38

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art. 7 Nr. 5 des 9. Euro-Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, so dass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 Euro, die Höchstgebühr 25.000 Euro bzw., in Ausnahmefällen, 50.000 Euro beträgt.

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Es wird eine Gebühr in Höhe von 3.434 EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.

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Der zu Grunde zu legende Auftragswert beträgt nach dem Ergebnis der streitbefangenen Ausschreibung 3.000.000 EUR. Dieser Betrag entspricht dem von der Auftraggeberin in der Vergabebekanntmachung genannten voraussichtlichen Gesamtvolumen des ausgeschriebenen Rahmenvertrages.

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Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999 in der z. Zt. gültigen Fassung vom 01.01.2003. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 25.000 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 -1998) gegenübergestellt. Bei einer Ausschreibungssumme von 3.000.000 EUR ergibt sich durch Interpolation eine Basisgebühr von 3.434 EUR. Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten von Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.

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Die im Tenor verfügteKostentragungspflicht ergibt sich daraus, dass die Auftraggeberin im Nachprüfungsverfahren i.S.d. § 128 Abs.3 Satz 1 GWB in der Hauptsache unterlegen ist.

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Die Erstattungspflicht bezüglich der Kosten der Antragstellerin, die dieser zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstanden sind, folgt aus § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 VwVfG. Danach war auf Antrag der Antragstellerin festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch die Antragstellerin im konkreten Verfahren erforderlich war. Auch wenn man von einem fachkundigen, erfahrenen Bieter wie der Antragstellerin grundsätzlich verlangen darf, dass erüber das notwendige personelle Know-how bezüglich der für eine Ausschreibung erforderlichen Rechtsgrundlagen, insbesondere der VOL/A verfügt, bedurfte er für eine angemessene Reaktion in der auch für einen erfahrenen Bieter ungewohnten Situation eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens besonderen rechtskundigen Beistandes. Nach den zu § 80 VwVfG geltenden Grundsätzen ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes dann notwendig, wenn sie vom Standpunkt eines verständigen Beteiligten für erforderlich gehalten werden durfte (BVerwGE 55, 299, 306). Dies ist nach der herrschenden Lehre nicht nur in schwierigen und umfangreichen Verfahren zu bejahen, sondern entspricht der Regel (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 80, Rdnr. 45; Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, 5. Aufl., § 80, Rdnr. 81). Dieser Grundsatz soll allerdings nur im Verhältnis des Bürgers zum Staat gelten. Schon beim materiellen Vergaberecht handelt es sich um eine überdurchschnittlich komplizierte Materie, die nicht nur in kurzer Zeit zahlreiche Veränderungen und Neuregelungen erfahren hat, sondern auch durch komplexe gemeinschaftsrechtliche Fragen überlagert ist. Entscheidend aber ist, dass das Nachprüfungsverfahren gerichtsähnlich ausgebildet ist, die Beteiligten also auch prozessuale Kenntnisse haben müssen, um ihre Rechte umfassend zu wahren. Deshalb ist im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren die nach § 80 VwVfG gebotene Rechtspraxis zur Erstattung der Rechtsanwaltskosten nicht übertragbar (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.11.2001, Az.: Verg 1/01; OLG Stuttgart, Beschluss v. 19.07.2000, 2 Verg 4/00, NZBau 11/2000, S. 543 ff.). Denn durch seinen Charakter als gerichtsähnlich ausgestaltetes Verfahren unterscheidet sich das Vergabenachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer eben grundlegend von dem Widerspruchsverfahren nach der VwGO.

44

Angesichts der oben erörterten Tatsache, dass die Auftraggeberin im Nachprüfungsverfahren unterlegen ist, hat sie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Kosten der Antragstellerin zu tragen.

45

Die Auftraggeberin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses den Betrag von 3.434 EUR unter Angabe des Kassenzeichens ... auf folgendes Konto zu überweisen: ...

Gause
Schulte
Herr Mencke, ehrenamtlicher Beisitzer, kann wegen urlaubsbedingter Abwesenheit nicht selbst unterschreiben. Gause