Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 07.09.2005, Az.: VgK 38/05

Ausschreibung von Schadensversicherungsleistungen; Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens im Rahmen eines Vergabeverfahrens; Kenntnis eines Bieters oder Bewerbers im Vergabeverfahren von einem vermeintlichen Fehler ; Versicherungsschutz mit der Maßgabe eines Einschlusses von Terrorschäden bis zu einem maximalen Schaden von 10 Mio. EUR pro Jahr; Mitwirkung eines Unternehmens an der Erstellung eines Ausschreibungsmusters als Mitwirkung an Entscheidungen in einem Vergabeverfahren; Fall der Besorgnis einer "Doppelmandatschaft" von an Vergabeverfahren beteiligten natürlichen Personen

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
07.09.2005
Aktenzeichen
VgK 38/05
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 21205
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgegenstand

VOL-Vergabe von Schadensversicherungsleistungen

Die Vergabekammer hat
durch
den Vorsitzenden RD Gause,
die hauptamtliche Beisitzerin BOAR'in Schulte und
den ehrenamtlichen Beisitzer RA Thomas
auf die mündliche Verhandlung vom 06.09.2005
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Die Auftraggeberin wird verpflichtet, der Antragstellerin und den übrigen Unternehmen, die im streitbefangenen Vergabeverfahren die Verdingungsunterlagen angefordert haben, in Ergänzung der mit der Leistungsbeschreibung zur Verfügung gestellten Objektliste die Werte der einzelnen Objekte mit der Angabe des Jahres der Feststellung der jeweiligen Werte zu Kalkulationszwecken mitzuteilen. Die Angebotsfrist ist in dem zur Ermittlung und Mitteilung dieser Werte und für die Berücksichtigung der Daten im Rahmen der Kalkulation durch die Bieter erforderlichen Umfang zu verlängern.

    Im Übrigen wird der Nachprüfungsantrag zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu 1/3 zu tragen. Die Auftraggeberin ist von der Entrichtung des auf sie entfallenden Kostenanteils (2/3) befreit.

  3. 3.

    Die Kosten werden auf 2.768 EUR festgesetzt.

  4. 4.

    Die Auftraggeberin hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu 2/3 zu erstatten. Die Antragstellerin hat der Auftraggeberin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu 1/3 zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war sowohl für die Antragstellerin als auch für die Auftraggeberin notwendig.

Gründe

1

I.

Die Auftraggebergemeinschaft hat mit Datum vom 20.06.2005 die Schadenversicherungsleistungen europaweit für die Zeit vom 01.01.2006 bis zum 01.01.2010 im offenen Verfahren ausgeschrieben, nachdem sie mit Vorinformation vom 29.04.2005 auf die beabsichtigte Vergabe hingewiesen hat.

2

Die Bieter wurden darauf hingewiesen, dass eine losweise Vergabe vorbehalten werde. Nebenangebote undÄnderungsvorschläge sollten berücksichtigt werden.

3

Zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit war lediglich ein Auszug aus dem Gewerbezentralregister gefordert. Der Zuschlag sollte auf das wirtschaftlich günstigste Angebot auf Grund der in den Unterlagen genannten Kriterien erfolgen. Dort ist das Kriterium wiederholt.

4

Die Veröffentlichung wurde mit Datum vom 24.06.2005 dahingehend korrigiert, dass die Ausschreibungsunterlagen und zusätzlichen Unterlagen statt bis zum 28.09.2005 nur bis zum 26.09.2005 erhältlich sind.

5

Der Vergabeakte ist zu entnehmen, dass die Auftraggebergemeinschaft sich an das Ausschreibungsmuster Gebäude- und Inhaltsversicherung für Kommunen des Nds. Städte- und Gemeindebundes gehalten hat. Dort sind keine Versicherungssummen vorgesehen. Ein Versicherungsmakler habe die Auftraggebergemeinschaft bereits nach der Vorabinformation darauf hingewiesen, dass das seiner Meinung nach unzulässig sei. Es wurde in einem Vermerk vom 09.05.05 festgehalten, dass die Angabe von Versicherungssummen problematisch sei, da diese von den derzeitigen Versicherern ermittelt würden. Sie habe jedoch neben der Objektliste auch eine Schadensaufstellung der Schäden der vergangenen 5 Jahre den Ausschreibungsunterlagen beigefügt, die alle Kommunen vom bisherigen Versicherer mit Stand 31.05.05 erhalten hätten.

6

Diese Objektlisten würden die Grundlage für die Abgabe eines Angebotes bilden.

7

In der Objektliste der Stadt ... seien die für erforderlich gehaltenen zu versichernden Risiken aufgeführt. Diese seien gegenüber dem zurzeit laufenden Vertrag modifiziert.

8

Die von der Antragstellerin bevollmächtigte Versicherungsmaklerfirma erhielt die Verdingungsunterlagen am 30.06.2005.

9

Mit Schreiben vom 01.07.2005 rügte der von der Antragstellerin beauftragte Versicherungsmakler die Ausschreibung und erklärte, dass er eine Quotierung auf Grund der ihm vorliegenden Form der Verdingungsunterlagen nicht vornehmen könne. Er führte insbesondere auf, dass in den Verdingungsunterlagen nicht alle tatsächlichen Gegebenheiten und besonderen Einzelheiten enthalten seien, die den Preis beeinflussen würden.

10

Da jedoch diese Werte dem bisherigen Versicherer bekannt seien und ihm eine Kalkulation des Beitrages ohne weiteres möglich ist, stelle dies einen weiteren Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz dar. Für alle anderen Bieter als den bisherigen Versicherer würde die Ermittlung der fehlenden Summen eine ungewöhnliche Belastung darstellen.

11

Mit einem weiteren Schreiben vom 05.07.2005 rügte der Versicherungsmakler, dass den Sachversicherungsbedingungen für die Gebäude- und Inventarversicherung ein von einem anderen Versicherer entwickeltes Bedingungswerk zu Grunde gelegt wurde. Soweit dessen Versicherungsbedingungen als Grundlage vorgeschrieben werde, stelle auch dies einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz dar.

12

Nachdem die Auftraggebergemeinschaft die Vorwürfe zurückwies, beantragte die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 25.07.2005, eingegangen in der Vergabekammer am selben Tage, die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Der Versicherungsmakler, der die beiden Rügen verfasst hat, vertritt die Antragstellerin auch im Nachprüfungsverfahren. Die Antragstellerin ergänzt und vertieft den Vortrag des Versicherungsmaklers in Bezug auf die bereits in den Rügeschreiben vom 01.07.2005 und 05.07.2005 gegenüber der Auftraggeberin monierten Vergaberechtsverstöße.

13

Ferner führt sie aus, dass die Auftraggebergemeinschaft nicht alle für eine einwandfreie Preisermittlung (hier: Prämienermittlung) erforderlichen Umstände festgestellt und in den Verdingungsunterlagen angegeben habe. Die fehlenden Gebäude- und Inhaltssummen seien jedoch für die notwendige Risikoabschätzung erforderlich. Zur Erbringung einer korrekten Versicherungsleistung müsse sie wissen, welche Gebäude- und Inhaltswerte versichert werden sollen. Nur so ließe sich das Schadenrisiko seriös und einwandfrei ermitteln.

14

Da ihre wesentlichen preis- bzw. prämienbildenden Umstände nicht bekannt seien, sei auch eine Risikoabschätzung aus ihrer Sicht nicht möglich. Die genaue Kenntnis der Versicherungssummen sei dabei eine ganz wesentliche Voraussetzung für das Zeichnungsverhalten der Versicherer, die wiederum maßgeblich für die Rückversicherung sind. Hinzu komme, dass sie, weil sie die genauen Werte nicht kenne, vorsichtshalber ihre pauschalierende Schätzung zu hoch ansetzen würde und somit deutlich verminderte Chancen bei der Zuschlagserteilung habe.

15

Des Weiteren könne der bisherige Versicherer in genauer Kenntnis der Zahlen besser kalkulieren und besitze dadurch eindeutig einen Wettbewerbsvorsprung. Soweit die Auftraggebergemeinschaft auf die Möglichkeit der pauschalierenden Schätzung in ihrem Schreiben vom 07.07.2005 hingewiesen habe, beinhalte dies nicht nur eine Scheinlösung des Problems, sondern auch einen mehrfachen groben Vergaberechtsverstoß. Die Auftraggebergemeinschaft könne ohne größeren Aufwand die ihr aus dem bestehenden Versicherungsverhältnis bekannten Versicherungssummen mitteilen. Im Übrigen habe die Auftraggebergemeinschaft die Dienstleistung "Versicherung" ausgeschrieben und nicht die Ermittlung der Versicherungssummen. Diese Ermittlung stelle auch ganz generell und üblicherweise eine eigene Dienstleistung dar, die normaliter von einem Sachverständigen erbracht werde. Dies ergäbe sich auch aus der Vergabeakte. Dort sei u.a. festgehalten, dass sich der bisherige Versicherer auf Grund seines Versicherungskonzeptes im Vorfeld der Ausschreibung nicht in der Lage sehe, die Versicherungssummen mitzuteilen, da diese nicht mehr Gegenstand der Verträge seien. Auf Grund der fehlenden Versicherungssummen würde eine Vielzahl privatwirtschaftlicher Versicherer gehindert, ein Angebot einzureichen.

16

Zwar wäre es theoretisch möglich, wie in der Leistungsbeschreibung unter 3.1.1 gefordert, die Versicherungssummen zu ermitteln, dies würde jedoch einen enormen Personal- und Sachaufwand verursachen, da alle 566 zu versichernden Gebäude und Inhalte taxiert werden müssten. Die Kosten für die Ermittlung der Gebäude- und Inhaltswerte müssten sich zudem in der Angebotskalkulation niederschlagen. Dies würde alle Bieter gleichermaßen betreffen, nur nicht den bisherigen Versicherer, der einen eindeutigen kostenmäßigen Vorsprung hätte.

17

Der bisherige Versicherer habe durch die Nichtbekanntgabe der Versicherungssummen einen klaren Wettbewerbsvorteil. Er könne im Gegensatz zur Antragstellerin eine einwandfreie Kalkulation preiswesentlicher Umstände vornehmen, sodass die Angebote im Endeffekt nicht vergleichbar seien. Ihr, der Antragstellerin, würden Informationen vorenthalten, die ein Bieter (der bisherige Versicherer) besitze.

18

Soweit die Auftraggebergemeinschaft behaupte, dass ein Gutachten von Herrn Prof. ... belege, dass die Nichtbekanntgabe der Versicherungssummen rechtlich zulässig sei, handele es sich offenbar um ein Parteigutachten der ..., da dieses Gutachten offenbar weder beim Nds. Städte- und Gemeindebund noch bei der Auftraggebergemeinschaft vorläge.

19

Ferner habe die Auftraggebergemeinschaft ihre Leistungsbeschreibung nicht so neutral gestaltet, dass sie für alle Teilnehmer gleiche Startchancen biete. Die Auftraggebergemeinschaft habe vielmehr die Versicherungsbedingungen eines Wettbewerbers (...) durch die Übernahme des Ausschreibungsmusters des Nds. Städte- und Gemeindebundes praktisch unverändertübernommen. Die Auftraggebergemeinschaft habe sich insofern nicht die Mühe gemacht, eigene Versicherungsbedingungen zu entwickeln und diese zur Grundlage der Ausschreibung zu machen. Der formale Umstand, dass die Versicherungsbedingungen der ... praktisch unverändert vom Nds. Städte- und Gemeindebund als Empfehlung übernommen wurden, könne hier nicht weiterhelfen.

20

Soweit die Auftraggebergemeinschaft behaupte, dass die von ihr verwendeten Musterausschreibungsbedingungen in Abstimmung mit dem Gesamtverband der Versicherungswirtschaft (GDV) erarbeitet worden seien, ist aus ihrer Sicht nicht vorstellbar, das der GDV nicht Musterbedingungen billige, die von den Mitgliedsbetrieben nicht akzeptiert würden.

21

Hinsichtlich des Einschlusses von Terrorschäden dürfe die Auftraggebergemeinschaft keine wettbewerbsverengende und diskriminierende Leistungsbeschreibung vornehmen, sofern dies nicht sachlich begründet sei. Vielmehr müsse der Ausschluss von Terrorschäden und der eventuelle Wiedereinschluss gesondert behandelt werden.

22

Soweit die Auftraggeberin der Antragstellerin die Zulässigkeit des Nachprüfungsbegehrens abspricht, verkennt diese aus Sicht der Antragstellerin den Bedeutungsgehalt der Antragsbefugnis. Sie führt unter Bezugnahme auf den Beschluss des BVerfG vom 29.07.2004, Az. 2 BvR 2248/03, aus, dass die Anforderungen im Hinblick auf das Interesse am Auftrag nicht zu hoch gesetzt werden dürfen. Sei ein potenzieller Bieter, der nur glaubhaft zu machen brauche, dass er generell für die ausgeschriebene Leistung Angebote abzugeben in der Lage sei, antragsbefugt, so gelte dieser Maßstab auch im Hinblick auf die Anforderungen an die Person des Rügenden. Rügt, wie vorliegend, ein Bevollmächtigter eines Bieters, so sei dies vollkommen ausreichend.

23

Die Antragstellerin beantragt:

  1. 1.

    ein Vergabenachprüfungsverfahren einzuleiten und der Antragsgegnerin aufzugeben, das Vergabeverfahren nicht weiterzuführen und insbesondere die Erteilung des Zuschlags zu unterlassen;

  2. 2.

    die Antragsgegnerin anzuweisen, die erforderlichen Maßnahmen zu erlassen, das Vergabeverfahren in einen ordnungsgemäßen Zustand zu versetzen und dabei insbesondere die notwendige Korrektur der Verdingungsunterlagen (Nennung der Versicherungssummen, Verwendung von neutralen Versicherungsbedingungen) vorzunehmen;

  3. 3.

    der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen aufzuerlegen;

  4. 4.

    festzustellen, dass die Hinzuziehung der Bevollmächtigten der Antragstellerin notwendig war.

24

Die Auftraggeberin beantragt:

  1. 1.

    den Antrag auf Einleitung des Nachprüfungsverfahrens als unzulässig, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen;

  2. 2.

    der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Antragsgegnerin aufzuerlegen;

  3. 3.

    festzustellen, dass die Hinzuziehung der Bevollmächtigten der Antragsgegnerin notwendig war.

25

Zunächst weist die Auftraggebergemeinschaft darauf hin, dass die Ausschreibung letztendlich in enger Abstimmung mit dem Nds. Städte- und Gemeindebund, dem Nds. Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr sowie dem Gesamtverband der Versicherungswirtschaft und dem Kommunalen Schadenausgleich ... erfolgte.

26

Die Auftraggebergemeinschaft hält den Nachprüfungsantrag bereits für unzulässig, da aus den beiden Rügeschreiben nicht ersichtlich war, für welche Bieterin der beauftragte Versicherungsmakler die Ausschreibungsunterlagen rüge, da er für mehrere Bieter die Vertretung angezeigt hatte.

27

Soweit die Antragstellerin erstmalig im Nachprüfungsverfahren die Versicherung von Terrorschäden rüge, sei ihr Vortrag präkludiert, da sie diesen Punkt nicht rechtzeitig gegenüber der Auftraggebergemeinschaft gerügt habe.

28

Auch habe die Antragstellerin kein Interesse am Auftrag, da der beauftragte Versicherungsmakler die Vergabeunterlagen lediglich für eine andere Bieterin angefordert habe. Für die Antragstellerin habe der beauftragte Versicherungsmakler lediglich erklärt, dass sie sich ggf. am Angebot beteiligen werde.

29

Soweit der Nachprüfungsantrag nicht bereits unzulässig ist, sei er jedenfalls unbegründet. Die Auftraggebergemeinschaft führt dazu aus:

30

Sie habe alle kalkulationsrelevanten Umstände in den Verdingungsunterlagen angegeben. Aus ihren Verdingungsunterlagen ließe sich der Leistungsumfang zweifelsfrei erkennen. Sie habe im Rahmen des Mach- und Zumutbaren alles getan, um die Grundlagen der Leistungsbeschreibung zu ermitteln, soweit dies für die Preiskalkulation relevant sei.

31

Soweit die Antragstellerin meint, dass sie, die Auftraggebergemeinschaft, die Versicherungssummen zu bestimmen und mitzuteilen habe, weist sie darauf hin, dass der Nds. Städte- und Gemeindebund geprüft habe, inwieweit die bekannten Versicherungswerte angegeben werden müssen. Herr Prof. ..., sehe in einem Gutachten zu § 8 Nr. 1 VOL/A keine Pflicht des Auftraggebers zur Ermittlung und Anzeige ihm bekannter oder nur mittels externen Sachverstandes erkennbarer Gefahrumstände oder wertbildender Faktoren der zu versichernden Objekte. Eine Pflicht zur Offenlegung einer Risikobewertung, die entweder sie selbst oder der bisherige Versicherer vorgenommen habe und die ihr bekannt geworden sei, bestehe ebenfalls nicht. Sie gehe davon aus, dass alle Bieter ausreichende Möglichkeiten zur eigenen Risikoprüfung sowohl in zeitlicher als auch in sachlicher Hinsicht hätten. Die Mitglieder der Auftraggebergemeinschaft seien i.d.R. nicht ohne weiteres in der Lage, Versicherungen ihrer Objekte vollständig und abschließend zu kennen; auch sie müssten sich diese Leistung extern mit hohem Aufwand einkaufen.

32

Der Hinweis zu Wettbewerbsvorteilen für den bisherigen Versicherer läge immer wieder vor. Es sei jedoch zu berücksichtigen, dass es sich bei dem gesamten Versicherungsbestand nicht um einen plötzlich neu aufgetretenen Bestand handele. Ein bisheriger Sachversicherer besitze daher immer einen Vorteil dahingehend, dass er einen kleineren oder auch größeren Teil des Bestandes kennt und diese Erfahrung deshalb auch in sein Angebot einfließen lassen kann.

33

Zwar habe der bisherige Versicherer den Vorteil, die Versicherungssummen bereits ermittelt zu haben; die Ergebnisse ständen ihr aber nicht zur Verfügung. ImÜbrigen gehe sie davon aus, dass auch der bisherige Versicherer die ermittelten Versicherungssummen überprüfen müsse. Ein Zwang, eigene Ermittlungen zur Höhe der Versicherungssummen vorzunehmen oder die Verpflichtung, einen Sachverständigen hierzu einzuschalten, bestehe nicht.

34

Der Hinweis der Antragstellerin, sie habe die Versicherungsbedingungen eines Wettbewerbers übernommen, sei ebenfalls nicht zutreffend. Es müsse ihr zugestanden werden, einen Versicherungsschutz einzukaufen, der speziell auf ihre Bedürfnisse abgestimmt sei. Dabei könne sie durchaus aus branchenüblichen Bedingungen die für sie erforderlichen heraussuchen und daraus ihr Anforderungsprofil entwickeln.

35

Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 06.09.2005 verwiesen.

36

II.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, aber nur teilweise begründet. Zwar ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin vergaberechtlich nicht zu beanstanden, dass die Auftraggeberin das streitbefangene Vergabeverfahren unter Verwendung des vom Niedersächsischen Städte- und Gemeindebund herausgegebenen Ausschreibungsmusters "Gebäude- und Inhaltsversicherung für Kommunen" durchgeführt hat, Die Verwendung dieses Musters verstößt weder gegen § 2 Nr. 1, 2 und 3 VOL/A noch gegen das Verbot der Mitwirkung ausgeschlossener Personen gem. § 16 VgV. Die Auftraggeberin ist jedoch gem. § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A verpflichtet, den Wert der in den mit der Leistungsbeschreibung zur Verfügung gestellten Objektlisten aufgeführten und zu versichernden Objekte festzustellen und diese Werte unter Angabe des jeweiligen Jahres der Feststellung der Antragstellerin und den übrigen Unternehmen, die die Verdingungsunterlagen angefordert haben, zur Ermöglichung einer einwandfreien Preisermittlung mitzuteilen. Die Angebotsfrist gem. § 18 a VOL/A ist in dem für die Ermittlung, der Mitteilung und für die Berücksichtigung der Daten im Rahmen der Kalkulation durch die Bieter erforderlichen Umfang zu verlängern. Dagegen ist nicht zu beanstanden, dass die Auftraggeberin ausweislich der Verdingungsunterlagen den Versicherungsschutz mit der Maßgabe eines Einschlusses von Terrorschäden und der Maßgabe eines Maximalschutzes von 10 Mio. EUR p.a. verlangt. Die Auftraggeberin ist nicht verpflichtet, auch Angebote unter Ausschluss von Terrorschäden zu akzeptieren. Ein Verstoß gegen den Wettbewerbsgrundsatz des § 97 Abs. 1 GWB oder den Gleichbehandlungsgrundsatz des § 97 Abs. 2 GWB liegt nicht vor.

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1.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei der Auftraggeberin handelt es sich um eine Gemeinschaft von Gebietskörperschaften sowie - im Falle der Wohnungsbaugesellschaft ... ... - um ein der Regelung des § 98 Nr. 2 GWB unterfallendes kommunales Unternehmen und damit um einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 98 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um Versicherungsleistungen und damit um einen Dienstleistungsauftrag im Sinne des § 99 Abs. 1, Abs. 4 GWB, für die gem. § 2 Nr. 3 der Vergabeverordnung (VgV) ein Schwellenwert von 200.000 EUR gilt. Angebote liegen im derzeitigen Stadium des Vergabeverfahrens noch nicht vor. Der Wert des ausgeschriebenen Auftragsüberschreitet jedoch nach der Schätzung der Auftraggeberin den für die Anrufung der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert. Gemäß Ziffer II.2.1 der Vergabebekanntmachung vom 22.06.2005 beträgt der geschätzte Jahresauftragswert der Versicherungsprämie ca. 230.000 EUR. Die Gesamtauftragsdauer ist auf 4 Jahre festgesetzt (01.01.2006 bis 01.01.2010).

38

Die Antragstellerin ist auch antragsbefugt gem. § 107 Abs. 2 GWB, da sie als potenzielle Bewerberin ein Interesse am Auftrag hat. Sie hat zwar bislang kein eigenes Angebot abgegeben, macht jedoch eine Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend, in dem sie darauf hinweist, dass sie sich an einer Angebotsabgabe gehindert sieht, weil die aus ihrer Sicht für eine Kalkulation maßgeblichen Versicherungssummen der zu versichernden Gebäude in den Verdingungsunterlagen nicht genannt werden. Damit verstoße die Auftraggeberin gegen ihre Pflicht gem. § 8 Abs. 2 VOL/A, alle kalkulationsrelevanten Umstände festzustellen und in den Verdingungsunterlagen anzugeben. Ferner sei zu besorgen, dass der derzeitige Versicherer, die ..., vergaberechtswidrig bevorzugt werde, weil die Auftraggeberin mit der Verwendung des Ausschreibungsmusters offenbar die Versicherungsbedingungen der ... zur Grundlage ihrer Ausschreibung gemacht habe. Ferner wendet sie sich gegen die fehlende Möglichkeit eines Ausschlusses von Terrorschäden. Voraussetzung für die Antragsbefugnis nach § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das Antrag stellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt. Die diesbezüglichen Anforderungen an die Darlegungslast dürfen nichtüberspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, 2. Aufl., § 107, Rdnr. 954). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis dargelegt. Sie hat zumindest schlüssig vorgetragen, dass sie bei aus ihrer Sicht erforderlicher Ergänzung und Korrektur der Verdingungsunterlagen in der Lage wäre, sich mit einem konkurrenzfähigen Angebot erfolgreich am Vergabeverfahren zu beteiligen. Es ist nicht erforderlich, dass die Antragstellerin auch schlüssig darlegt, dass sie bei vergabekonformem Verhalten der Auftraggeberin den Zuschlag auch tatsächlich erhalten würde (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 13.04.1999, Az.: Verg 1/99, S. 24).

39

Die Antragstellerin ist auch ihrer Pflicht gem. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer die behaupteten Verstöße gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren gegenüber der Auftraggeberin unverzüglich zu rügen. Dem steht nicht entgegen, dass die Antragstellerin diese Rügen nicht unmittelbar selbst, sondern über die von ihr bevollmächtigte Versicherungsmaklerfirma ..., erhoben hat. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Die Versicherungsmaklerfirma ... hatte mit Schreiben vom 22.06.2005 die Verdingungsunterlagen ursprünglich lediglich namens und in Vollmacht der ... Versicherungsgesellschaft angefordert. Mit Schreiben vom 28.06.2005 zeigte die Versicherungsmaklerfirma unter Bezugnahme auf ihr Schreiben vom 22.06.2005 darüber hinaus auch die Vertretung der Antragstellerin sowie der ... Versicherung unter Vorlage der entsprechenden Vollmachten vom 27.06.2005 der Auftraggeberin an. Die Auftraggeberin wurde darauf hingewiesen, dass sich die ... (Antragstellerin) und die ... Versicherung ggf. am Angebot der ... Versicherung beteiligen werden. Eine zusätzliche Verwendung der Unterlagen sei nicht erforderlich. Die von der Antragstellerin bevollmächtigte Versicherungsmaklerfirma erhielt die Verdingungsunterlagen am 30.06.2005. Nach Durchsicht der Unterlagen rügte sie bereits mit Schreiben vom 01.07.2005 vermeintliche Mängel der Verdingungsunterlagen. Es sei den Versicherern nicht möglich, ein Angebot zu unterbreiten, weil für die Kalkulation des Angebotes für die Gebäude- und Inventarversicherung die Gebäudesummen eine unverzichtbare Grundlage seien. Dies gelte umso mehr, da für die Festlegung der Inhaltswerte ebenfalls in den Verdingungsunterlagen auf pauschale Prozentsätze bezogen auf Gebäudewerte verwiesen werde, die aber in den Verdingungsunterlagen eben nicht enthalten seien. Dies verstoße gegen die Vorgaben des § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A. Auch werde der derzeitige Versicherer dadurch bevorzugt, da diesem die Gebäude- und Inhaltssummen bekannt seien. Mit Schreiben vom 05.07.2005 ergänzte der Versicherungsmakler der Antragstellerin die Rüge und monierte, dass nach seinem Kenntnisstand bei den Sachversicherungsbedingungen für die Gebäude- und Inventarversicherung ein von einem anderen Versicherer entwickeltes Bedingungswerk zu Grunde gelegt worden sei. Dies verstoße gegen den Gleichbehandlungs- und den Wettbewerbsgrundsatz nach § 97 GWB. Beide Rügen sind der Antragstellerin zuzurechnen. Die Maklerfirma ... hatte der Auftraggeberin bereits mit Schreiben vom 28.06.2005 angezeigt, dass sich auch die Antragstellerin neben der ... Versicherung ggf. an einem Angebot der ... Versicherung beteiligen wolle und der Auftraggeberin entsprechende Vollmachten vorgelegt. Der Auftraggeberin war somit bekannt, dass die Maklerfirma auch für die Antragstellerin tätig war, dass diese gemeinsam mit zwei weiteren von der Maklerfirma betreuten Versicherungen am streitbefangenen Auftrag Interesse hatte. Dadurch, dass die Antragstellerin mit Maklerschreiben vom 05.07.2005 insgesamt gerügt hat, dass die Versicherungsbedingungen eines anderen Versicherers zur Grundlage der Ausschreibung gemacht worden seien, sind auch die in diesem Ausschreibungsmuster enthaltenen Regelungen hinsichtlich des Einschlusses von Terrorschäden in den Versicherungsschutz von dieser Rüge erfasst. Auch diesbezüglich macht die Antragstellerin geltend, dass der Einschluss von Terrorschäden ohne die Möglichkeit einer Abgabe unter Ausschluss von Terrorschäden wettbewerbsverengend sei, weil diese Regelung den bisherigen Versicherer und Urheber der für die Verdingungsunterlagen zu Grunde gelegten Versicherungsbedingungen bevorzuge. Beide Rügen, die nur einen bzw. fünf Tage nach Erhalt der Verdingungsunterlagen vom bevollmächtigten Maklerbüro abgesetzt wurden, erfolgten unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB.

40

2.

Der Nachprüfungsantrag ist teilweise begründet. Die Antragstellerin ist in dem aus dem Tenor zu 1 ersichtlichen Umfang im Sinne der §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB in ihren Rechten verletzt. Zwar ist nicht schon per se zu beanstanden, dass die Auftraggeberin die streitbefangenen Verdingungsunterlagen unter Verwendung des Ausschreibungsmusters "Gebäude- und Inhaltsversicherung für Kommunen" des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes (NSGB) erstellt hat. Auch die unstreitige Tatsache, dass an der Erarbeitung dieses Musters unter anderem auch Vertreter der Versicherungswirtschaft, darunter ein Mitarbeiter der ..., mitgewirkt haben, führt weder zu einem Verstoß gegen die wettbewerbsschützenden Regelungen des § 2 Nr. 1 und 2 VOL/A noch gegen das Gebot des § 2 Nr. 3 VOL/A, wonach Leistungen unter ausschließlicher Verantwortung der Vergabestellen zu vergeben sind. Auch ist mit der Verwendung dieses Musters keine Mitwirkung ausgeschlossener Personen gem. § 16 VgV verbunden (im Folgenden a). Die Auftraggeberin bleibt jedoch auch bei Verwendung eines Musters gem. § 2 Nr. 3 VOL/A für ein in jeder Hinsicht ordnungsgemäßes Vergabeverfahren verantwortlich. Entgegen der in den Allgemeinen Hinweisen des Ausschreibungsmusters geäußerten Rechtsauffassung des NSGB ist die Auftraggeberin gem. § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A verpflichtet, den Wert der in den mit der Leistungsbeschreibung zur Verfügung gestellten Objektlisten aufgeführten und zu versichernden Gebäude festzustellen und diese Werte unter Angabe des jeweiligen Jahres der Feststellung der Antragstellerin und den übrigen Unternehmen, die die Verdingungsunterlagen angefordert haben, zur Ermöglichung einer einwandfreien Preisermittlung mitzuteilen (im Folgenden b). Dagegen ist nicht zu beanstanden, dass die Auftraggeberin den Versicherungsschutz mit der Maßgabe eines Einschlusses von Terrorschäden bis zu einem maximalen Schaden von 10 Mio. EUR p.a. verlangt. Durch diese Forderung verstößt die Auftraggeberin entgegen der Auffassung der Antragstellerin weder gegen den Wettbewerbsgrundsatz gem. § 97 Abs. 1 GWB noch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des § 97 Abs. 2 GWB (im Folgenden c).

41

a)

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist die Entscheidung der Auftraggeberin, die Verdingungsunterlagen für die streitbefangene Ausschreibung unter Verwendung des Ausschreibungsmusters Gebäude und Inhaltsversicherung für Kommunen des NSGB zu erstellen, weder unter Wettbewerbsgesichtspunkten (§ 2 Nr. 1 u. 2 VOL/A) noch im Hinblick auf die Verpflichtung der Auftraggeberin, die Leistungen unter ausschließlicher Verantwortung der Vergabestelle zu vergeben (§ 2 Nr. 3 VOL/A), zu beanstanden. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass an der Erarbeitung des Ausschreibungsmusters Mitarbeiter von konkurrierenden Versicherungsunternehmen mitgewirkt haben, und selbst dann, wenn das Ausschreibungsmuster in den Vertragsgrundlagen Bedingungen enthält, die den Versicherungsbedingungen eines Konkurrenten - hier der ... - entsprechen.

42

Die Antragstellerin verkennt, dass die Versicherungsunternehmen und künftigen Bieter im streitbefangenen Vergabeverfahren keinen Anspruch auf einen bestimmten Zuschnitt des Beschaffungsgegenstandes - hier Versicherungsleistungen - haben. Bei der Ermittlung und Definition des zu deckenden Bedarfs ist der öffentliche Auftraggeber vergaberechtlich weitgehend frei. Das Vergaberecht regelt grundsätzlich nicht das "Ob" oder "Was" einer Beschaffung, sondern lediglich das "Wie". Sofern an die Beschaffenheit der Leistung im Sinne des § 8 Nr. 3 Abs. 1 VOL/A keine ungewöhnlichen Anforderungen gestellt werden, ist es deshalb vergaberechtlich auch nicht zu beanstanden, wenn die Auftraggeberin, wie im vorliegenden Fall, mit dem bisherigen Versicherungsschutz zufrieden war und daher den nunmehr zu vergebenden neuen Versicherungsvertrag unter Verwendung ähnlicher oder gleicher Bedingungen dem Wettbewerb unterstellt. Er kann daher auch unter Berücksichtigung des § 2 Nr. 3 VOL/A Regelungen des alten Versicherungsvertrages für die Verdingungsunterlagen übernehmen und sich damit Bedingungen eines Versicherungsunternehmens zu Eigen machen. Dies verstößt weder gegen den Wettbewerbsgrundsatz gem. § 2 Nr. 1 und 2 VOL/A, § 97 Abs. 1 GWB noch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz gem. § 97 Abs. 2 GWB i.V.m. § 2 Nr. 2 VOL/A, da diese Bedingungen des Auftraggebers für alle sich am Vergabeverfahren beteiligenden Versicherungsunternehmen gleichermaßen gelten und grundsätzlich auch von allen erfüllt werden können.

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Das streitbefangene Vergabeverfahren bietet keine Anhaltspunkte dafür, dass die Verwendung des Ausschreibungsmusters "Gebäude- und Inhaltsversicherung für Kommunen" des NSGB per se zu einer Ungleichbehandlung zu Lasten der Antragstellerin und zu Gunsten des bisherigen Versicherers - namentlich der ... - und damit zu einem Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz gem. § 97 Abs. 2 GWB geführt hat. Vielmehr hat die Auftraggeberin das Vergabeverfahren im Sinne des § 2 Nr. 3 VOL/A unter ausschließlicher eigener Verantwortung als Vergabestelle durchgeführt und sich im Rahmen des ihr vergaberechtlich zustehenden Ermessens gehalten, als sie sich entschlossen hat, die Ausschreibung unter Verwendung dieses Ausschreibungsmusters zu realisieren. Dem steht auch nicht entgegen, dass an der Erarbeitung des Musters Vertreter der Versicherungswirtschaft und namentlich auch ein Mitarbeiter des bisherigen Versicherers der Auftraggeberin, Herr ..., mitgewirkt haben (vgl. S. 7 ff. des Ausschreibungsmusters). Die Mitwirkung eines Unternehmens an der Erstellung eines Leitfadens oder eines Ausschreibungsmusters ist keine Mitwirkung an Entscheidungen in einem Vergabeverfahren im Sinne des § 16 Abs. 1 VgV (vgl. VK Lüneburg, Beschluss v. 21.01.2003, Az.: 203-VgK-30/2002).

44

Richtig ist, dass die Mitwirkung eines Bieterunternehmens bei der Planung einer Ausschreibung oder der Erstellung der Verdingungsunterlagen im Einzelfall zu wettbewerbswidrigen Vorteilen führen kann. In Rechtsprechung und Schrifttum wird deshalb einhellig die Auffassung vertreten, dass die Zulassung eines Unternehmens zum Wettbewerbs um die Vergabe des Auftrags im Hinblick auf das Diskriminierungsverbot des § 2 Nr. 2 VOL/A problematisch sein kann, wenn dieses Unternehmen im Vorfeld Entwurfs- und Planungsarbeiten oder sogar die Erstellung der Leistungsbeschreibung für den Auftraggeber durchgeführt hat. Die vertretenen Auffassungen unterscheiden sich jedoch hinsichtlich der Konsequenzen, die aus dieser grundsätzlichen Besorgnis zu ziehen sind. Zum Teil wird die Auffassung vertreten, eine Vergabestelle dürfe ein derartiges Unternehmen in gar keinem Fall beauftragen, weil die Vergabestelle schon den Anschein eines Verstoßes gegen die Vergabebestimmungen auch im Hinblick auf die Möglichkeit eines Nachprüfungsverfahrens vermeiden müsse (vgl. Daub/Eberstein, VOL/A, 5. Aufl., Rdnr. 27 zu § 8 VOL/A). Für den VOB-Bereich wird dagegen trotz aller Bedenken zugestanden, dass in Ausnahmefällen eine Beteiligung zweckmäßig oder - wenn sich kein geeigneter Projektant finden lässt - sogar notwendig sein kann. Dies könne beispielsweise der Fall sein bei komplexen Bauvorhaben mit umfangreichen betriebstechnischen Anlagen (z.B. einem Krankenhausbau), da hier die größeren Ausführungsfirmen, die meist eigene Planungsabteilungen unterhalten, gegenüber reinen Fachplanern oftmals einen Entwicklungsvorsprung haben. Solche Unternehmen seien häufig nicht bereit, die Planungsarbeiten zu übernehmen, wenn sie sich nicht an der Ausschreibung für die Bauleistungen beteiligen dürfen (vgl. Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, 10. Aufl., Rdnr. 34 zu § 8 VOB/A). Werden nach dieser Auffassung planende Unternehmen am Wettbewerb beteiligt, so kann und muss der Auftraggeber einen Verstoß gegen das Vergaberecht vermeiden, indem er im Interesse des Wettbewerbs zum Beispiel darauf achtet, dass der betreffende Projektant nicht die übrigen Bieter auswählt, die Verdingungsunterlagen abgibt, die Angebote entgegennimmt und verwahrt, die Angebotsprüfung und -wertung vornimmt oder gar - falls er den Auftrag erhält - seine eigene Leistung überwacht, abnimmt und abrechnet.

45

Bei den Nachprüfungsinstanzen hat sich demgegenüber die Auffassung durchgesetzt, dass allein die Tatsache, dass ein Bieter im Vorfeld der streitbefangenen Ausschreibung als Projektant mitgewirkt hat, nicht geeignet ist, die Annahme einer Wettbewerbsverzerrung zu begründen (vgl. VÜA des Landes Nordrhein-Westfalen, Az. 424-84-43-7/97; VÜA Thüringen, Az. 1 VÜ 4/97; VÜA des Bundes, ZVgR 1997, S. 136). Vielmehr müssen danach beim Vergabeverfahren selbst konkrete Verletzungen einzelner Vergabebestimmungen hinzukommen, um eine Vergaberechtswidrigkeit der Beteiligung eines Projektanten zu begründen.

46

Die Vergabekammer teilt diese Auffassung. Zwar kann die Beteiligung eines Bieters oder Bewerbers, der durch seine Tätigkeit als Projektant Informationsvorsprünge und damit Vorteile gegenüber anderen Bietern im Wettbewerb erlangt, einen schwer wiegenden Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des § 97 Abs. 2 GWB zur Folge haben. Es verstößt gegen den Neutralitätsgrundsatz, wenn der Auftraggeber einen Bieter zum Wettbewerb zulässt, von dem er weiß, dass er auf Grund seines Informationsvorsprungs ein konkurrenzfähigeres Angebot als die anderen Bieter abgeben kann. Der Neutralitätsgrundsatz als Ausfluss des Gleichbehandlungsgrundsatzes gem. § 97 Abs. 2 GWB bindet die öffentliche Hand auch dann, wenn es um die Auftragsvergabe in privatrechtlichen Formen geht. Die Vergabekammer teilt jedoch nicht die oben zitierte Auffassung (vgl. Daub/Eberstein, a.a.O.), dass bereits der "Anschein eines Verstoßes" gegen die Vergabebestimmungen zu einer Verletzung des Diskriminierungsverbots führt. Die Vergabekammer hat in dieser Konsequenz bereits für den Fall der Besorgnis einer "Doppelmandatschaft" von an Vergabeverfahren beteiligten natürlichen Personen entschieden, dass sie im Gegensatz etwa zur Entscheidung des OLG Brandenburg (Beschluss v. 03.08.1999 - 6 Verg 1/99 - NVwZ 1999 S. 1242 ff. - Flughafen BBI) nicht die Auffassung teilt, dass eine Verletzung des Diskriminierungsverbots bereits vorliegt, wenn lediglich ein "böser Schein der Parteilichkeit einer am Vergabeverfahren beteiligten natürlichen Person vorliegt. Vielmehr bedürfe es zusätzlich konkreter Umstände, die eine Parteilichkeit besorgen lassen (vgl. VK Lüneburg, Beschluss v. 24.07.2000, Az.: 203-VgK-8/2000; Beschluss v. 27.09.2000, Az.: 203-VgK-10/2000). Auch der Gesetzgeber hat bei der Regelung des Ausschlusses von als voreingenommen geltenden natürlichen Personen gem. § 16 VgV nicht den "bösen Schein" für ausreichend erachtet, sondern er geht vom Erfordernis eines tatsächlichen Interessenkonflikts und einer konkreten Auswirkung der Tätigkeiten der betroffenen Person auf die Entscheidungen des Vergabeverfahrens aus.

47

Unter Zugrundelegung dieses zutreffenden Maßstabs ist die Verwendung des vom NSGB gemeinsam mit Vertretern der Versicherungswirtschaft erarbeiteten Ausschreibungsmusters vergaberechtlich grundsätzlich unbedenklich. Entscheidend ist, dass die Auftraggeberin die Verdingungsunterlagen unter Verwendung dieses Ausschreibungsmusters ausschließlich in eigener Verantwortung gem. § 2 Nr. 3 VOL/A erstellt hat. Eine Mitwirkung von Mitarbeitern der ... oder eines sonstigen konkurrierenden Versicherungsunternehmens am Vergabeverfahren ist damit nicht verbunden. Eine vergaberechtswidrige und wettbewerbsschädigende Einflussnahme am Versicherungsunternehmen auf das streitbefangene Vergabeverfahren durch die Verwendung des Leitfadens ist daher nicht gegeben.

48

b)

Da der öffentliche Auftraggeber gem. § 2 Nr. 3 VOL/A verpflichtet ist, die Leistungen unter ausschließlicher eigener Verantwortung zu vergeben, kann er sich jedoch nicht unkritisch auf ein Ausschreibungsmuster oder einen Vergabeleitfaden verlassen, sondern bleibt selbst dafür verantwortlich, dass die Ausschreibung in jeder Hinsicht den vergaberechtlichen Anforderungen genügt. Die auf die in den Allgemeinen Hinweisen des Ausschreibungsmusters erläuterte Rechtsauffassung des NSGB gestützte, bewusste Entscheidung der Auftraggeberin, in den Objektlisten keine Gebäudewerte anzugeben und die Ermittlung dieser kalkulationsrelevanten Werte stattdessen anhand von bekannt gegebenen Parametern wie Bruttorauminhalt (cbm), Bruttogrundrissfläche (qm), Nutzfläche (qm) sowie Angaben zur Bauart, zum Baujahr und zur Ausstattung wie sonstiger zusätzlicher wertbestimmender Faktoren wie etwa Denkmalschutz etc. dem Versicherer selbst zu überlassen, führt dazu, dass die Verdingungsunterlagen nicht mehr den Anforderungen an eine erschöpfende Leistungsbeschreibung gem. § 8 Nr. 1 VOL/A und die Ermöglichung einer einwandfreien Preisermittlung anhand aller kalkulationsrelevanten Umstände gem. § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A entsprechen. Dabei ist, wie auch die mündliche Verhandlung vom 06.09.2005 bestätigt hat, zwischen den Beteiligten unstreitig, dass ein Versicherungsunternehmen zur Ermittlung des Versicherungsrisikos und zur Kalkulation der vom Versicherungsnehmer zu entrichtenden Versicherungsprämien zwar nicht unbedingt darauf angewiesen ist, dass er die vom bisherigen Versicherer ermittelten exakten Versicherungssummen kennt. Er ist jedoch bei der Kalkulation für ein Angebot einer Gebäudeversicherung darauf angewiesen, die Gebäudewerte zu berücksichtigen. Die Bedeutung der Versicherungswerte von Gebäuden und Inventaren für die Ermittlung des Versicherungsbeitrags wird auch vom NSGB nicht in Frage gestellt. So heißt es im Eildienst des NSGB, Ausgabe 11/2003 vom 23.10.2003 auf Seite 15 unter dem Titel "Ausschreibung von Versicherungen: Müssen die Versicherungssummen angegeben werden?" ausdrücklich:

"Funktion der Versicherungssumme

Die Versicherungssumme ist eine der Grundlagen für die Beitragsermittlung. Dabei führen höhere Versicherungssummen auch zu höheren Beiträgen. In erster Linie bildet die Versicherungssumme aber die Grundlage für die Entschädigungsberechnung. Eine zu niedrige Versicherungssumme, die den Versicherungswert (z.B. Wert des Gebäudes oder des Inventars) unterschreitet, führt zur Unterversicherung. Der Versicherer ersetzt dann lediglich einen Teil des Schadens ..."

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Es folgen sodann Hinweise zu Methoden zur Vermeidung einer Unterversicherung und zur Verlagerung des Risikos der Wertermittlung auf den Versicherer. Dort heißt es auf Seite 16:

"Zur Vermeidung von Deckungslücken benötigen die Kommunen Versicherungskonzepte, die das Risiko der Wertermittlung vollständig und umfassend dem Versichererübertragen. Dem "Ausschreibungsmuster Gebäude- und Inhaltsversicherung für Kommunen" des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes (NSGB) liegt ein solches Deckungsmodell zu Grunde. In diesem Konzept sind die Versicherungssummen nicht mehr Gegenstand des Versicherungsvertrages. Somit ist die Kommune auch nicht mehr für die Lieferung der Versicherungssummen verantwortlich. Stattdessen überträgt sie die Aufgabe der Wertermittlung dem Versicherer. Dazu benötigt der Versicherer Informationen, die ihn in die Lage versetzen, die Gebäudewerte hinreichend genau zu ermitteln. Dies geschieht z.B. durch Angabe von Kubaturen (Berechnungen des Rauminhalts), Nutzungen und anderen wertbestimmenden Faktoren."

50

Ebenso ist auf der anderen Seite unstreitig, dass ein Versicherer unter Zugrundelegung der Daten zu den vom NSGB vorgeschlagenen und von der Auftraggeberin in den mit den Verdingungsunterlagen zur Verfügung gestellten Objektlisten genannten wertbestimmenden Faktoren grundsätzlich auch tatsächlich in der Lage ist, die Objektwerte und damit die Versicherungssummen selbst zu ermitteln - wenn auch mit erheblichem Aufwand. So heißt es in einem Schreiben der Antragstellerin an die von ihr bevollmächtigte Maklerfirma vom 22.07.2005 ausdrücklich:

"Ich nehme Bezug auf die Ausschreibungsunterlagen - insbesondere aus Niedersachsen - in denen uns Objektlisten ohne Versicherungssummen zur Verfügung gestellt werden. In den Objektlisten gibt es sog. "wertbildende Faktoren" wie Art, Größe (qm, cbm), Geschosszahl, Bauart, Baujahr usw. Aus diesen Angaben kann man Versicherungssummen ermitteln, jedoch ist dies mit einem hohen Aufwand verbunden, da ggf. ein Sachverständiger hinzugezogen werden muss. Eine Besichtigung vor Ort ist in vielen Fällen insbesondere bei großen Objekten erforderlich. Des Weiteren ist der zeitliche Aspekt nicht zu vernachlässigen, da es sich teilweise um mehrere Hundert Objekte handelt. Wir wären theoretisch in der Lage, ein Angebot ohne Versicherungssummen auf Basis der o. g. Daten abzugeben, jedoch müssten wir die uns durch den erhöhten Aufwand der Ermittlung entstehenden Kosten auf die Prämie umlegen. Und genau da sehen wir das Problem bei dieser Art der Ausschreibung. Damit wird unser Angebot mit größter Wahrscheinlichkeit nicht mehr wirtschaftlich für den Kunden sein."

51

Streitig ist also nicht die Bedeutung der Gebäude und Inventarwerte für die Kalkulation eines Versicherungsangebotes. Streitig ist allein, ob die Auftraggeberin vor dem Hintergrund der Regelungen des § 8 Nr. 1 VOL/A befugt war, die Ermittlung der Gebäude und Inventarwerte unter Zurverfügungstellung dafür erforderlicher subsidiärerer wertbestimmender Faktoren den Versicherungsunternehmen und damit Bietern im Vergabeverfahren - wie vom NSGB vorgeschlagen - selbst zu überlassen.

52

Gemäß § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A ist die Leistung eindeutig und so erschöpfend zu beschreiben, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und die Angebote miteinander verglichen werden können. Um eine einwandfreie Preisermittlung zu ermöglichen, sind gem. § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A alle sie beeinflussenden Umstände festzustellen und in den Verdingungsunterlagen anzugeben. Entscheidend ist damit grundsätzlich die Perspektive des Bieters (vgl. OLG Dresden, Beschluss v. 20.01.2000, Az.: W Verg 0001/99). Dessen unbeschadet besteht allerdings die Anforderung an den Bieter, Professionalität an den Tag zu legen und sich mit der Leistungsbeschreibung eingehend inhaltlich auseinander zu setzen (vgl. Noch in: Müller-Wrede, VOL/A, § 8, Rdnr. 13, m.w.N.). Die in § 8 geregelten Anforderungen an die Gestaltung der Leistungsbeschreibung sind sowohl für das Vergabeverfahren als auch für die spätere Vertragsdurchführung mit dem erfolgreichen Bieter von fundamentaler Bedeutung. Die Leistungsbeschreibung bildet dabei das Kernstück der Vergabeunterlagen (vgl. Prieß, Die Leistungsbeschreibung - Kernstück des Vergabeverfahrens, NZBau 1/2004, S. 20 ff. und NZBau 2/2004, S. 87 ff., m.w.N.). Die Leistungsbeschreibung muss daher nicht nur eindeutig dahingehend sein, dass sie den Bieter nicht im Unklaren lassen darf, welche Leistung von ihm in welcher Form und welchen Bedingungen angeboten werden soll. Sie soll auch erschöpfend dahingehend sein, dass möglichst keine Restbereiche verbleiben sollen, die die Vergabestelle zuvor nicht bereits klar umrissen hat. Wenn die Vergabestelle diese allgemeinen Anforderungen bei der Erstellung der Leistungsbeschreibung nicht beachtet, kann nicht von einer VOL-gemäßen Leistungsbeschreibung als Grundlage des Vergabeverfahrens gesprochen werden. Das Vergabeverfahren leidet in diesem Fall schon von Beginn an unter einem erheblichen Mangel (vgl. Daub/Eberstein, VOL/A, 5. Aufl., § 8 Rdnr. 25). Der Grundsatz, dass die Auftraggeber die Verdingungsunterlagen so eindeutig und erschöpfend zu gestalten haben, dass sie eine einwandfreie Preisermittlung ermöglichen bzw. die Bieter die Preise exakt ermitteln können, findet seine Grenze im Prinzip der Verhältnismäßigkeit (vgl. Prieß, NZBau 2/2004, S. 87 ff., S. 90). Die Pflicht des Auftraggebers, alle kalkulationsrelevanten Parameter zu ermitteln und zusammenzustellen und damit den genauen Leistungsgegenstand und -umfang vor Erstellung der Leistungsbeschreibung aufzuklären, unterliegt daher der Grenze des Mach- und Zumutbaren. Er ist daher einerseits verpflichtet, zumutbaren finanziellen Aufwand zu treiben, um die kalkulationsrelevanten Grundlagen der Leistungsbeschreibung zu ermitteln (vgl. Kratzenberg, in: Ingenstau, Korbion, VOB, 14. Aufl., A § 9, Rdnr. 21). Diese Pflicht des Auftraggebers endet jedoch, wo eine in allen Punkten eindeutige Leistungsbeschreibung nur mit unverhältnismäßigem Kostenaufwand möglich wäre (vgl. Prieß, a.a.O., m.w.N.). Liegen dem Auftraggeber bereits Daten über kalkulationsrelevante Parameter vor, so ist er grundsätzlich gehalten, diese den Bietern über die Verdingungsunterlagen zur Verfügung zu stellen. Soweit der Auftraggeber tatsächlich bestehende Möglichkeiten zu einer vollständigen Ermittlung nicht nutzt, obliegt ihm der konkrete Nachweis, dass eine vollständige Aufklärung wegen des damit verbundenen Aufwands trotz Aufklärungspflicht unzumutbar ist. Die Auftraggeberin müsste daher im vorliegenden Fall darlegen können, dass der Aufwand und ggf. die Kosten für die Erhebung der Daten zu den kalkulationsrelevanten Gebäudewerten so hoch wären, dass sie auch unter Berücksichtigung der Kalkulationsrisiken, die sich aus einer unvollständigen Erhebung für ihn ergeben, wirtschaftlich völlig unangemessen wären. Der pauschale Verweis auf höhere Planungs- und Vorbereitungskosten reicht regelmäßig nicht aus (vgl. Prieß, a.a.O., NZBau 2/2004, S. 91).

53

Unter Zugrundelegung dieses zutreffenden Maßstabes obliegt es der Auftraggeberin, den Bietern sowohl die ihr bekannten als auch ggf. noch von ihr zu ermittelnde Gebäudewerte den Bietern mit den Verdingungsunterlagen zur Verfügung zu stellen. Dabei muss es sich nicht notwendigerweise um völlig aktuelle Daten handeln. Die Auftraggeberin kann vielmehr, soweit dort vorhanden, auch auf Erhebungen älteren Datums unter Angabe des jeweiligen Jahres der Erhebung zurückgreifen. Die Antragstellerin hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass sie - wie jedes andere Versicherungsunternehmen auch - bei der Angabe eines Gebäudewertes unter Nennung des Jahres der Datenerhebung in der Lage ist, den Gebäudewert auf den für die Kalkulation maßgeblichen Versicherungswert 1914 zurückzurechnen und damit auch den aktuellen Wert ohne weiteres zu errechnen. Auf diese übliche Verfahrensweise weist auch ein in der Vergabeakte enthaltener Vermerk des Verwaltungsbereichs 64 der Stadt ... vom 13.04.2004 hin. Dort heißt es:

"Nach Seminarunterlagen und dem vom Niedersächsischen Städte- und Gemeindebund herausgegebenen Ausschreibungsmuster 'Gebäude- und Inhaltsversicherung' sind nicht die Leistungsbeschreibung und die Mindestbedingungen das Problem, sondern die ebenfalls beizufügende Gebäudeliste mit Gebäudedaten. Als Beispiel mag hier das Muster des NSGB dienen, wovon die Seminarunterlagen in der Hinsicht abweichen, dass dort der Versicherungswert 1914 und der heutige Wert des Gebäudes anzugeben ist ..."

54

Die Auftraggeberin hat zwar nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass der derzeitige Versicherer, die ..., nicht bereit ist, die für die interne Kalkulation erhobenen Gebäudewerte der Auftraggeberin für die Ausschreibung zur Verfügung zu stellen. Dies hat die ... der Auftraggeberin mit Schreiben vom 23.01.2004 mitgeteilt. Die Auftraggeberin hat jedoch in der Vergabeakte dokumentiert, dass die Ermittlung der Daten zwar auf organisatorische Schwierigkeiten stößt, ihr jedoch grundsätzlich möglich ist. So heißt es im Vermerk vom 13.04.2004:

"Die Erhebung der Daten bereitet Probleme. Die erforderlichen Daten liegen nicht umfassend vor. Zudem soll der Bereich 64 neu organisiert werden, die Beratungsfirma zur Umstrukturierung der Gebäudewirtschaft hat eine Zusammenlegung aller gebäudewirtschaftlichen Leistungen vorgeschlagen. Dies soll nach meinem Kenntnisstand zum 01.07.2004 (Zusammenlegung aller Aufgaben mit zusätzlichem Personal) und 01.01.2005 (Eigenbetrieb) nach und nach erfolgen. Im Augenblick ist durch die geringe Zahl der Verwaltungsmitarbeiter/innen im Bereich 64 und durch die Auslastung des technischen Personals so schnell eine umfassende und korrekte Ermittlung der benötigten Daten nicht möglich ... Die möglichst genaue Ermittlung der Daten hat den Vorteil, unsere Daten aufzubereiten und aktuelles fortzuschreibendes Datenmaterial zu besitzen."

55

Die Vergabekammer verkennt nicht, dass die Ermittlung der Gebäudewerte, soweit sie der Auftraggeberin noch nicht bekannt sind, mit einem erheblichen Aufwand verbunden ist. Allein die Erhebung durch die Auftraggeberin und Angabe der Daten in den Verdingungsunterlagen gewährleistet jedoch, dass alle Bieter bei der Kalkulation ihrer Angebote von weitestgehend gleichen Kalkulationsgrundlagen ausgehen können und somit in jeder Hinsicht vergleichbare Angebote vorlegen können. Dies gilt vorliegend umso mehr, als nach der Leistungsbeschreibung die Gebäudewerte eben nicht nur für die Gebäudeversicherung, sondern auch für die Inhaltsversicherung unmittelbare Bedeutung haben. Die Auftraggeberin hat nämlich in den Objektlisten auch für das Inventar keine Einzelwerte mitgeteilt, sondern die Bieter angewiesen, zur Kalkulation der Inventarwerte von einem prozentualen Ansatz der Gebäudewerte auszugehen. Unter Nr. 3.1.2 der Leistungsbeschreibung heißt es:

"Für die Gebäude- und Inhaltsversicherungen einschließlich der Glasversicherung gilt: Die wertbestimmenden Faktoren für die Ermittlung der Gebäudewerte sind ebenfalls den Objektlisten zu entnehmen. Inhaltswerte sind nicht aufgeführt, sie sind vom Versicherer pauschal auf eigenes Risiko festzulegen. Die Inhaltswerte für kommunale Risiken betragen erfahrungsgemäß je nach Nutzung 10 - 20 % der Gebäudewerte, im Mittel ca. 15 %."

56

Eine derartige Regelung der Ermittlung der Inventarwerte ist den Bietern unter Zugrundelegung der Pflichten des Auftraggebers gem. § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A nur dann zuzumuten, wenn die dort genannten Ausgangsgröße, eben der Gebäudewert, den Bietern vom Auftraggeber auch benannt wird.

57

Soweit die Auftraggeberin ebenso wie der NSGB in seinen Allgemeinen Hinweisen zum Ausschreibungsmuster Gebäude- und Inhaltsversicherung für Kommunen sich bezüglich der Auffassung, der Auftraggeber könne es den Versicherungsunternehmen überlassen, die Gebäudewerte selbst anhand vom Auftraggeber in den Objektlisten anzugebenden Daten und wertbestimmenden Faktoren zu ermitteln, auf ein Rechtsgutachten von Prof. ..., ..., stützt, sah sich die Auftraggeberin auch auf telefonische Anforderung durch die Vergabekammer außer Stande, dieses Gutachten vorzulegen. Der Rechtsanwalt der Auftraggeberin erklärte gegenüber der Vergabekammer, er habe sich bemüht, dieses Gutachten zu erhalten. Der Gutachter sei jedoch nicht einverstanden, dieses Gutachten zur Verfügung zu stellen. In der Vergabeakte ist eine E-Mail eines Mitarbeiters des NSGB vom 29.07.2005 enthalten. Dieser weist darauf hin, dass ihm das Gutachten zwar vorliege, er es aber nur weitergeben könne, wenn der Gutachter dem zustimmt.

58

Da die Auftraggeberin die streitbefangenen Versicherungsleistungen unter Ausschluss eines Unterversicherungsrisikos ausgeschrieben hat, geht sie auch keinerlei Risiko dahingehend ein, dass die Werte auch tatsächlich dem aktuellen Versicherungswert entsprechen. Wie oben dargelegt, ist das Versicherungsunternehmen bei Angabe der Gebäudewerte unter Nennung des Jahres der jeweiligen Erhebung des einzelnen Gebäudewerte ohne weiteres in der Lage, den Versicherungswert mit zumutbarem Aufwand selbst zu errechnen. In einigen Fällen - insbesondere bei Einzelobjekten von besonders hohem Wert - wird das Versicherungsunternehmen den Wert regelmäßig ohnehin durch eigene Sachverständige überprüfen. Da gem. Ziffer 2.2 der in den Verdingungsunterlagen enthaltenen Sachversicherungsbedingungen für kommunale Objekte sowohl für Gebäude wie auch bewegliche Sachen ausdrücklich eine Versicherung zum Neuwert in den gem. Ziffer 2.1.2 der Leistungsbeschreibung angeführten Entschädigungsgrenzen ausgeschrieben ist und der Versicherer gem. Ziffer 3.1.3 der Leistungsbeschreibung für die Gebäude- und Inhaltsversicherung einschließlich Glasversicherung einen uneingeschränkten Unterversicherungsverzicht aussprechen muss, was vergaberechtlich nicht zu beanstanden ist, geht die Auftraggeberin auch diesbezüglich durch die Angabe von Objektwerten kein Vertragsrisiko ein. Es bleibt weiterhin dem Versicherer überlassen, anhand der in der Objektliste aufgeführten wertbestimmenden Faktoren und den von der Auftraggeberin noch nachzuliefernden Gebäudewerten das Versicherungsrisiko und damit die für sie kalkulationsrelevanten Versicherungssummen - ggf. nach eigener ergänzender Überprüfung vor Ort im Einzelfall - selbst zu ermitteln.

59

c) Im Übrigen sind die Verdingungsunterlagen vergaberechtlich nicht zu beanstanden. Die Tatsache, dass die Auftraggeberin für alle Lose und für alle vom streitbefangenen Vergabeverfahren erfassten Objekte Versicherungsleistungen gem. Nr. 2.1.4 der Leistungsbeschreibung nur unter Einschluss von Schäden durch Terrorakte ausgeschrieben hat, verstößt entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht gegen den Wettbewerbsgrundsatz des § 2 Nr. 1 VOL/A und § 97 Abs. 1 GWB. Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, dass die ausgeschriebene Leistung nicht derartig definiert werden darf, dass bestimmte Anbieter begünstigt und andere benachteiligt werden. Nicht alle Versicherungsgesellschaften hätten die Möglichkeit, für die Gewährung des Versicherungsschutzes gegen Terrorschäden die nötigen Rückversicherungsverträge abzuschließen. Die Auftraggeberin sei daher verpflichtet, Objekte mit einem Wert von über 25 Mio. EUR direkt bei der dafür von der Versicherungsbranche gegründeten ... AG zu versichern und im Übrigen auch Angebote von Versicherungen zu akzeptieren, die grundsätzlich Terrorschäden ausschließen und nur optional über einen gesonderten Wiedereinschluss anbieten. Die Antragstellerin verkennt auch hier, dass es einem öffentlichen Auftraggeber grundsätzlich unbenommen bleibt zu definieren, welchen Beschaffungsbedarf er decken möchte. Gerade das Risiko Terror ist seit den New Yorker Anschlägen vom 11.09.2001 ein beim Abschluss von Versicherungen für öffentliche Gebäude leider besonders zu berücksichtigendes Risiko. Richtig ist, dass sich der deutsche Versicherungsmarkt in der Einbeziehung solcher Schäden seit dem 11.09.2001 nicht einheitlich darstellt. Während das Risiko Terror vorher regelmäßig durch die Feuerversicherung mit abgedeckt wurde, verfolgen die Versicherungsunternehmen seither unterschiedliche Konzepte (vgl. OLG Celle, Beschluss v. 18.12.2003, Az.: 13 Verg 22/03). Während einige Gesellschaften bis zu einer Vertragssumme pro Versicherungsart von 25 Mio. EUR Schäden auf Grund von Terrorismus ohne Beitragszuschlag einbeziehen, akzeptieren andere überhaupt keinen Einschluss von Schäden durch Terrorismus oder bieten einen Versicherungsschutz ausschließlich über die ... AG an. Insbesondere auf Grund des Verhaltens der Rückversicherer wird regelmäßig ab einem Objektwert von 25 Mio. EUR, im Falle eines kommunalen Objekts ab 50 Mio. EUR in der Regel nur der Weg über die von den Versicherungsunternehmen eigens dafür gegründete ... AG gewährt. Wieder andere Versicherer schließen das Risiko Terrorschäden grundsätzlich aus, bieten aber einen Wiedereinschluss gegen einen Prämienzuschlag an.

60

Diese inhomogene Ausrichtung des Versicherungsmarktes zwingt einen öffentlichen Auftraggeber jedoch nicht dazu, allen geschilderten Ausrichtungen der Versicherungsunternehmen gerecht zu werden und auch Angebote unter Ausschluss des Terrorrisikos zu akzeptieren. Die unmissverständliche und alle ausgeschriebenen Objekte erfassende Forderung nach einer Einbeziehung des Risikos Terror entspricht vielmehr in vollem Umfang den Anforderungen an eine eindeutige und erschöpfende Leistungsbeschreibung gem. § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A. Diese Forderung bürdet den sich an der Ausschreibung beteiligenden Versicherungsunternehmen auch kein ungewöhnliches Wagnis im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 3 VOB/A auf. Der Einschluss des Versicherungsschutzes gegen Terrorschäden, wie ihn das Ausschreibungsmuster Gebäude- und Inhaltsversicherung für Kommunen des NSGB und auch die Verdingungsunterlagen der Auftraggeberin vorsehen, gehört vielmehr zum notwendigen und typischen Inhalt einer kommunalen Gebäude- und Inventarversicherung.

61

Auch der Einwand der Antragstellerin, einzelne Unternehmen könnten Probleme bei der Rückversicherung dieses Risikos bekommen, weil auch Gebäude mit einem Objektwert von über 25 Mio. EUR erfasst seien, überzeugt nicht. Wie die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung vom 06.09.2005 selbst eingeräumt hat, besteht für die Versicherungsunternehmen grundsätzlich die Möglichkeit, mit ihrer eigenen Rückversicherung über einen Dispens hinsichtlich der 25-Millionen-Euro-Grenze zu verhandeln. Darüber hinaus ist aber auch zu berücksichtigen, dass die Auftraggeberin selbst in ihren Verdingungsunterlagen das Risiko von Terrorschäden für die Versicherungsunternehmen beschränkt hat. Unter Nr. 2.1.4 a der Leistungsbeschreibung heißt es:

"Im Rahmen der mitzuversichernden Gefahren und Schäden sind Schäden und Kosten, die durch Terrorakte verursacht werden, bis zu einer Jahreshöchstentschädigung von 10 Mio. EUR mitversichert. Unter die Jahreshöchstentschädigung fallen alle Schäden, die im laufenden Versicherungsjahr beginnen."

62

Durch diese Begrenzung gewährleistet die Auftraggeberin, dass auch kleinere Versicherungsunternehmen auf dem Versicherungsmarkt die erforderliche Rückversicherungsdeckung für das Risiko Terrorschäden erhalten können. Im Übrigen bleibt es den Versicherungsunternehmen unbenommen, für einzelne Objekte, deren Versicherungswert 25 Mio. EUR überschreitet, dieses Risiko ggf. mit Hilfe der ... AG abzudecken.

63

Gemäß § 114 GWB trifft die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Wegen des unter II. 2. b festgestellten Verstoßes gegen die Pflicht des Auftraggebers zur erschöpfenden Leistungsbeschreibung gem. § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A und die Feststellung und Angabe aller kalkulationsrelevanten Umstände gem. § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A ist es geboten, die Auftraggeberin zu verpflichten, in Ergänzung der mit der Leistungsbeschreibung den Bietern zur Verfügung gestellten Objektliste die Gebäudewerte der einzelnen Objekte mit der Angabe des Jahres der Feststellung der jeweiligen Werte zu ermitteln und diese Werte der Antragstellerin und den übrigen Unternehmen, die im streitbefangenen Vergabeverfahren die Verdingungsunterlagen angefordert haben, zur Verfügung zu stellen. Um den Bietern die Berücksichtigung dieser Daten in ihrer Kalkulation zu ermöglichen, ist die Auftraggeberin gehalten, die Angebotsfrist gem. §§ 18, 18 a VOL/A in dem für die Ermittlung, die Mitteilung und die Berücksichtigung der Daten durch die Bieter erforderlichen Umfang zu verlängern. Im Übrigen war der Nachprüfungsantrag dagegen zurückzuweisen.

64

III. Kosten

65

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art.7 Nr. 5 des 9. Euro-Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1: 2 ersetzt, sodass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 EUR, die Höchstgebühr 25.000 EUR bzw., in Ausnahmefällen, 50.000 EUR beträgt.

66

Es wird eine Gebühr in Höhe von 2.768 EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.

67

Der zu Grunde zu legende Auftragswert für den streitbefangenen Gesamtauftrag beträgt nach dem Ergebnis der streitbefangenen Ausschreibung 920.000 EUR. Dieser Betrag entspricht den von der Auftraggeberin unter Ziffer II. 2.1 der Vergabebekanntmachung vom 22.06.2005 genannten voraussichtlichen Kosten über die gesamte ausgeschriebene Vertragslaufzeit (230.000 EUR p. a.X4 Jahre).

68

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999 in der z. Zt. gültigen Fassung vom 01.01.2003. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 25.000 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt. Bei einer Ausschreibungssumme von 920.000EUR ergibt sich durch Interpolation eine Basisgebühr von 2.768EUR.

69

Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten von Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.

70

Die in Ziffer 2 des Tenors verfügte Aufteilung der Kosten auf die Antragstellerin und die Auftraggeberin folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Verfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin nur teilweise begründet war. Soweit sich die Antragstellerin gegen die Verwendung des Ausschreibungsmusters des NSGB an sich und insbesondere gegen den nicht abdingbaren Einschluss des Risikos Terrorschäden in den Versicherungsschutz wendet, war der Nachprüfungsantrag dagegen erfolglos. Die anteilige Kostentragungspflicht entspricht daher dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens im Nachprüfungsverfahren (vgl. Beschluss des OLG Celle vom 06.06.2003, Az.: 13 Verg 5/03).

71

Die Auftraggeberin ist jedoch von der Entrichtung ihres Kostenanteils gemäß § 128 Abs. 1 GWB i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 VwKostG von der Kostentragungspflicht befreit (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 13.07.2005, Az.: 13 Verg 9/05; OLG Dresden, Beschluss vom 25. 01. 2005, Az.: WVerg 0014/04).

72

Gemäß § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2 VwVfG in entsprechender Anwendung war auf Antrag der Antragstellerin gem. Ziffer 4 des Tenors auszusprechen, dass die Zuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren notwendig war. Das folgt daraus, dass die Antragstellerin ungeachtet der Tatsache, dass das GWB für das Nachprüfungsverfahren 1. Instanz vor der Vergabekammer keine rechtsanwaltliche Vertretung vorschreibt, gleichwohl wegen der Komplexität des Vergaberechts und des das Nachprüfungsverfahren regelnden Verfahrensrechts einerseits sowie auch der Komplexität des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens rechtsanwaltlicher Beratung und Begleitung bedurfte.

73

Der Kostenanspruch ist wegen des teilweise Unterliegens der Antragstellerin jedoch auf 2/3 zu begrenzen.

74

Die anteilige Erstattungspflicht bezüglich der Kosten der Auftraggeberin, die dieser zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstanden sind, folgt aus § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 VwVfG. Danach war festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch den Auftraggeber im konkreten Verfahren erforderlich war. Auch wenn man von öffentlichen Auftraggebern grundsätzlich verlangen darf, dass sie über das notwendige personelle Know-how bezüglich der für eine Ausschreibung erforderlichen Rechtsgrundlagen, insbesondere der VOL/A und der VOB/A verfügen, bedurfte die Auftraggeberin für eine angemessene Reaktion in der auch für einen erfahrenenöffentlichen Auftraggeber ungewohnten Situation eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens besonderen rechtskundigen Beistandes.

75

Nach den zu § 80 VwVfG geltenden Grundsätzen ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes dann notwendig, wenn sie vom Standpunkt eines verständigen Beteiligten für erforderlich gehalten werden durfte (BVerwGE 55, 299, 306). Dies ist nach der herrschenden Lehre nicht nur in schwierigen und umfangreichen Verfahren zu bejahen, sondern entspricht der Regel (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 80, Rdnr. 45; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl., § 80, Rdnr. 81). Dieser Grundsatz soll allerdings nur im Verhältnis des Bürgers zum Staat gelten. Zu Gunsten der Ausgangsbehörde im Verwaltungsverfahren wird demgegenüber die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten nur in besonders gelagerten Einzelfällen angenommen, da die Ausgangsbehörde in der Regel mit eigenem Fachpersonal so gut ausgestattet sein muss, dass sie ihre Verwaltungstätigkeit, zu der auch die Mitwirkung im Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) gehört, ohne fremde Unterstützung ausführen kann. Diese für die Situation der Ausgangsbehörde in einem Widerspruchsverfahren zutreffende Auffassung kann jedoch nicht auf das vergaberechtliche Nachprüfungsverfahrenübertragen werden. Schon beim materiellen Vergaberecht handelt es sich um eine überdurchschnittlich komplizierte Materie, die nicht nur in kurzer Zeit zahlreiche Veränderungen und Neuregelungen erfahren hat, sondern auch durch komplexe gemeinschaftsrechtliche Fragen überlagert ist. Entscheidend aber ist, dass das Nachprüfungsverfahren gerichtsähnlich ausgebildet ist, die Beteiligten also auch prozessuale Kenntnisse haben müssen, um ihre Rechte umfassend zu waren. Deshalb ist im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren die nach § 80 VwVfG gebotene Rechtspraxis zur Erstattung der Rechtsanwaltskosten nicht übertragbar (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.11.2001, Az.: Verg 1/01; OLG Stuttgart, Beschluss v. 19.07.2000, 2 Verg 4/00, NZBau 11/2000, S. 543 ff.). Denn durch seinen Charakter als gerichtsähnlich ausgestaltetes Verfahren unterscheidet sich das Vergabenachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer eben grundlegend von dem Widerspruchsverfahren nach der VwGO. Angesichts der oben erörterten Tatsache, dass die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren teilweise unterlegen ist, hat sie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Kosten der Antragstellerin zu 1/3 zu tragen.

76

Die Antragstellerin wird aufgefordert, den anteiligen Betrag von 923 EUR unter Angabe des Kassenzeichens ... innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses auf folgendes Konto zu überweisen: ...

Gause
Schulte
Thomas