Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 03.11.2005, Az.: VgK 49/05

Anforderungen an die Antragsbefugnis im Vergabenachprüfungsverfahren; Zwingender Angebotsausschluss bei Nichtbeifügung der in den Ausschreibungsunterlagen angeforderten Formblätter EFB-Preis zum Angebot; Zeitpunkt des Entstehens der Rügepflicht des § 107 Abs. 3 S. 1 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB); Anforderungen an die positive Kenntnis eines Mangels i.S.d. § 107 Abs. 3 S. 1 GWB; Gebührenermittlung für das Vergabenachprüfungsverfahren; Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes im Vergabenachprüfungsverfahren

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
03.11.2005
Aktenzeichen
VgK 49/05
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 24456
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgegenstand

VOB-Vergabeverfahren für 5. TA Sanierung Bettenflügel Südost - Erweiterung Bettenhaus (Bauteil 1) Medizintechnische Anlagen (Deckenversorgungsanlagen)

Zusammenfassung

Mit dem vorliegenden Nachprüfungsantrag wendet sich die Antragstellerin dagegen, dass ihr Angebot im Rahmen einer Ausschreibung über die Sanierung des Bettenflügels eines Klinikums von der Wertung ausgeschlossen wurde. Die Nichtberücksichtigung, über die die Antragstellerin mit am 12.10.2005 abgesandtem Schreiben informiert wurde, hatte die Antragsgegnerin vor allem auf das Fehlen von Erklärungen gemäß den Formblättern EFB-Preis gestützt. Daraufhin beantragte die Antragstellerin mit Schreiben vom 24.10.2005 die Einleitung des Nachprüfungsverfahrens, was die Antragsgegnerin für verspätet hält.
Die Vergabekammer stimmt in ihrer Würdigung in vollem Umfang der Auffassung der Antragsgegnerin zu. Der Nachprüfungsantrag sei im Ergebnis aus zwei Gründen bereits unzulässig. Im Wesentlichen begründet die Kammer ihre Feststellung der fehlenden Antragsbefugnis der Antragstellerin mit einem Verweis auf eine Entscheidung des BGH, wonach Angebote, für die in den Ausschreibungsunterlagen gefordert ist, die Formblätter EFB-Preis beizufügen, zwingend gem. § 25 Nr. 1 Abs.1 lit. b VOB/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A von der Wertung auszuschließen sind, wenn die auf diesen Formblättern abzugebenden Erklärungen fehlen. Der Antragstellerin habe daher kein Schaden entstehen oder drohen können, da ein Angebot, das von vornherein vergaberechtlich nicht zuschlagsfähig ist, den Zuschlag nicht erhalten dürfe. Dass die Antragstellerin das in Rede stehende Formblatt bei ihren Angeboten mit einem Aufdruck "Die Kalkulation entspricht den Vorgaben gemäß VO PR 30/53 für öffentliche Aufträge mit den entsprechenden Zuschlägen auf Material und Leistung" versehen hat, genüge insoweit nicht, weil dieser Zusatz gerade nicht die im Formblatt verlangte Aufgliederung der Kalkulationsgrundlage in Einzelbeträge enthalte. Die Kammer macht außerdem zuletzt deutlich, dass sie angesichts des einfach gelagerten Sachverhalts von einer Rügefrist gem. § 13 VgV von 1 bis 3 Kalendertagen ausgeht. Insofern sei die Rüge auch nicht rechtzeitig erfolgt, was aber im Ergebnis dahinstehen könne.
Der Nachprüfungsantrag wird danach als unzulässig zurückgewiesen.

In dem Nachprüfungsverfahren
hat die Vergabekammer
durch
die Vorsitzende ORR'in Dr. Raab,
die hauptamtliche Beisitzerin BOAR'in Schulte und
den ehrenamtlichen Beisitzer Rechtsanwalt Dr. Freise
ohne mündliche Verhandlung
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

  3. 3.

    Die Kosten werden auf 2.574 Euro festgesetzt.

  4. 4.

    Die Antragstellerin hat der Auftraggeberin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war für die Auftraggeberin notwendig.

Gründe

1

I.

Die Auftraggeberin hat mit Datum vom 05.08.2005 die medizinischen Anlagen Deckenversorgungseinheiten (Los 1) und die Entnahmestellen (Los 2), Sanierung des Bettenflügels Südost des Klinikums xxx GmbH europaweit im offenen Verfahren ausgeschrieben. Der Bekanntmachung war zu entnehmen, dass eine Unterteilung der zu erbringenden Leistungen in Lose vorgesehen ist. Angebote waren möglich für ein Los oder beide Lose Die Bieter wurden darauf hingewiesen, dass Nebenangebote/Alternativvorschläge berücksichtigt werden.

2

Hinsichtlich der Zuschlagskriterien wurde auf die Unterlagen verwiesen. Dort war festgelegt, dass Zuschlagskriterien der Preis, die Qualität und die Betriebskosten sind.

3

Bei der Angebotseröffnung am 13.09.2005 ergab sich, dass fünf Bieter Angebote eingereicht hatten. Die Antragstellerin hatte beide Lose bedient. Für Los 1 hatte sie die zu erbringenden Leistungen für 269.811,62 EUR angeboten und für Los 2 für 42.866,78 EUR. Ferner hatte sie noch ein Nebenangebot eingereicht.

4

Es wurde festgehalten, dass ein Mitbewerber das wirtschaftlichste Angebot für Los 1 mit einer geprüften Angebotssumme in Höhe von 295.071,52 EUR eingereicht hatte und ein anderer mit einer geprüften Angebotssumme in Höhe von 17.917,33 EUR. Ferner wurde auf dem Formblatt 356.3 festgehalten, dass die Angebote der Antragstellerin und einer weiteren Bieterin von der Wertung ausgeschlossen wurden.

5

Als Nächstes befindet sich in der Vergabeakte der Vergabevorschlag der mit der Durchführung des Verfahrens beauftragten Architekten vom 04.10.2005. Dort ist das Ergebnis der rechnerischen Prüfung und Auswertung festgehalten. Der Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin zu Los 1 und Los 2 wurde jeweils wie folgt begründet:

"Auf Seite 20 der Leistungsbeschreibung befindet sich das Formblatt EFB-Preis 1d (Angaben zur Kalkulation bei Leistungen des Maschinenbaus und der Elektrotechnik), welches für die ausgeschriebene Leistung anwendbar ist. Dieses Formblatt enthält den Hinweis, dass die Nichtabgabe dazu führen kann, dass das Angebot nicht berücksichtigt wird.

In dem Urteil X ZR 19/02 des Bundesgerichtshofes, verkündet am 07.06.2005, sowie in der Verfügung der Oberfinanzdirektion Hannover vom 06.09.2005 ist geregelt, dass Angebote zwingend von der Wertung auszuschließen sind, die die geforderten Erklärungen zu den Formblättern EFB-Preis nicht enthalten."

6

Durch diese Vorgaben sahen sich die beauftragten Architekten gezwungen, das Angebot der Antragstellerin aus formellen Gründen von der weiteren Wertung auszuschließen. Weitere Angaben sind weder dem Vergabevorschlag noch einem Vergabevermerk zu entnehmen. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Wertung der Angebote bezüglich der bekannt gemachten Zuschlagskriterien.

7

Sodann empfahlen die beauftragten Architekten, den Zuschlag für Los 1 und Los 2 jeweils auf die Angebote von Mitbewerbern zu erteilen. Ob und wann die Auftraggeberin dem Vergabevorschlag zugestimmt hat, ist der Vergabeakte nicht zu entnehmen.

8

Mit Schreiben vom 13.09.2005, abgesandt am 12.10.2005 (Mittwoch), informierte die Auftraggeberin die Antragstellerin, dass ihr Angebot ausgeschlossen wird, da es nicht Preise bzw. geforderte Erklärungen enthält. Zur Erläuterung bezog sie sich dabei auf das o. g. Urteil des BGH und die Verfügung der OFD Hannover. Sie wies darauf hin, dass sie die Bieter auf Seite 20 der Leistungsbeschreibung auf das Risiko der Nichtberücksichtigung hingewiesen habe. Ferner wurde der Antragstellerin mitgeteilt, wer den Zuschlag zu Los 1 und 2 erhalten soll. Mit Einschreiben vom 18.10.2005 rügte die Antragstellerin die Nichtberücksichtigung ihres Angebotes gegenüber der Auftraggeberin. Sie vertritt die Auffassung dass ihr Angebot zu Unrecht ausgeschlossen worden sei. Das Formblatt EFB Preis 1d habe sie mit einer zutreffenden Bietererklärung gemäß VO PR 30/53 für öffentliche Aufträge versehen. Ferner habe sie hinsichtlich Los 2 das geforderte Fabrikat "Dxxx" angeboten und noch ein Nebenangebot mit einem anderen Fabrikat eingereicht, das gleichwertig sei. Dieses Nebenangebot habe die Auftraggeberin jedoch nicht berücksichtigt. Ferner habe die Auftraggeberin die geforderte Leistung nicht produktneutral ausgeschrieben. Der Zusatz "oder gleichwertiger Art" fehle bei allen Positionen.

9

Die Antragstellerin beantragte mit Schreiben vom 24.10.2005, eingegangen bei der Vergabekammer am selben Tage, die Einleitung des Nachprüfungsverfahrens. Zur Begründung führt sie ihre Beanstandungen in ihrem Rügeschreiben an der Auftraggeberin erneut aus. Hinsichtlich der Rügefrist weist sie darauf hin, dass das Informationsschreiben erst am 14.10.2004 (Freitag) um 15.30 Uhr bei ihr eingegangen sei. Auch habe die Auftraggeberin in der Leistungsbeschreibung zu Los 2 durch die Vorgabe des Produktes "Dxxx" die anderen Bieter benachteiligt. Durch die projektbezogene Preisanfrage bei der Firma xxx habe diese die Anfragen so gesteuert, dass den anbietenden Firmen wesentlich höhere Preise des Anbieters genannt wurden. Da der Bieter Fa. xxx als Hersteller Selbstanbieter war, sei hierdurch ein eindeutiger Wettbewerbsvorteil gegeben. Ferner beanstandet die Antragstellerin die Verwendung des Formblatts EFB-Preis 1d, da dieses Formblatt Angaben zur Kalkulation bei Leistungen des Maschinenbaus und der Elektrotechnik fordere; die ausgeschriebene Leistung jedoch die Medizintechnik beträfe.

10

Die Antragstellerin beantragt,

den Ausschluss aufzuheben und ihr Angebot bei der weiteren Wertung zu berücksichtigen.

11

Die Auftraggeberin beantragt,

ihr zu gestatten, den Zuschlag nach Ablauf von zwei Wochen seit Bekanntgabe dieser Entscheidung gemäß § 115 Abs. 2 Satz 1 GWB zu erteilen.

12

Ferner beantragt sie,

den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin als unzulässig,

13

hilfsweise

als offensichtlich unbegründet, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen;

festzustellen, dass die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin gemäß § 128 Abs. 4 GWB notwendig ist;

der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragsgegnerin aufzuerlegen.

14

Die Auftraggeberin tritt den Behauptungen und Rechtsauffassungen der Antragstellerin entgegen.

15

Der Nachprüfungsantrag sei bereits mangels rechtzeitiger Rüge unzulässig. Die Antragstellerin habe die Vergabeentscheidung erst mit Einschreiben vom 18.10.2005, Eingang bei der Auftraggeberin am 20.10.2005, gerügt und damit mindestens sechs Tage nach Übermittlung des Schreibens gemäß § 13 VgV. Auch habe die Antragstellerin durch die von ihr gewählte Form der Übermittlung des Rügeschreibens gegen das Gebot der Unverzüglichkeit der Rüge verstoßen. Im Übrigen sei das Rügeschreiben nach sieben oder acht Tagen gegen die unmissverständliche und nicht interpretationsbedürftige Mitteilung verspätet.

16

Darüber hinaus sei der Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin auch vergaberechtskonform. Der BGH habe mit seinem Urteil vom 07.06.2005, Az. X ZR 19/02, konkret bestätigt, dass das Fehlen von Erklärungen gemäß den zitierten Formblättern EFB-Preis zwingend zum Ausschluss des Angebots von der Wertung führt. Dem stände nach Auffassung des BGH auch nicht entgegen, dass der § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A als Sollvorschrift formuliert sei.

17

Auch die Bezugnahme der Antragstellerin auf die VO PR 30/53 könne zu keiner anderen Entscheidung führen. Diese Bezugnahme könne nicht die fehlenden Angaben zu ihrer Kalkulationsgrundlage ersetzen, die in Einzelbeträgen auszudrücken seien.

18

Soweit der Nachprüfungsantrag nicht unzulässig ist, sei er jedenfalls offensichtlich unbegründet. Die Auftraggeberin führt dazu aus, falls man die zuvor geäußerte Rechtsauffassung nicht teile, würde das nicht dazu führen, dass die Antragstellerin den Zuschlag zu Los 1 erhalten würde. In diesem Fall müsse ein weiterer Bieter, der auch aus denselben Gründen von der Wertung ausgeschlossen worden sei, ebenfalls berücksichtigt werden. Das Angebot dieses Bieters sei mit einer geprüften Angebotssumme in Höhe von 263.468,48 EUR wirtschaftlicher als das Angebot der Antragstellerin.

19

Schließlich komme auch eine Zuschlagserteilung für das Los 2 auf das Nebenangebot der Antragstellerin nicht in Betracht. In der Leistungsbeschreibung habe sie konkret dargelegt, dass aus Gründen der "Systemkontinuität" zwingend das Fabrikat "Dxxx" für die Entnahmestellen vorgegeben sei. Damit sei zugleich auch zum Ausdruck gebracht worden, dass andere Fabrikate nicht akzeptiert würden. Dies schließe eine Nebenangebotsabgabe zu diesen Fabrikaten aus.

20

Die Konzentration auf ein Fabrikat sei auch nicht vergaberechtswidrig, da im gesamten Klinikbereich bereits das Fabrikat für die Entnahmestellen verwendet werde. Es sei anerkannt, dass sie nicht zu einem Systemwechsel gezwungen sei, sofern ein derartiger Systemwechsel mit umfangreichen Mehraufwendungen, wie bei der Berücksichtigung des Nebenangebots der Antragstellerin, verbunden ist.

21

Zur Begründung seines Antrages auf Gestattung des Zuschlages gemäß § 115 Abs. 2 Satz 1 GWB führt sie aus, dass das Interesse der Vergabestelle an der vorzeitigen Zuschlagserteilung den Interessen der Antragstellerin überwiege. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass die streitbefangenen Lose 1 und 2 Teil der Gesamtbaumaßnahmen zur Erweiterung des Bettenhauses und der zwei Intensivstationen darstellen. Außerdem werde die Fertigstellung weiter verzögert, insbesondere auch die Erweiterung der intensivmedizinischen Einrichtungen, für die eine starke Nachfrage bestehe.

22

II.

Der Nachprüfungsantrag ist unzulässig.

23

Die Antragstellerin ist nicht in ihren Rechten gem. §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB verletzt. Die Auftraggeberin hat das Angebot der Antragstellerin zu Recht gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit b VOB/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A von der Wertung ausgeschlossen. Da dieser Ausschluss zwingend war, weil die Antragstellerin die in den Ausschreibungsunterlagen geforderten Formblätter EPB-Preis nicht vollständig ausgefüllt hat, fehlt der Antragstellerin bereits die Antragsbefugnis.

24

Bei der Auftraggeberin, der Klinikum xxx GmbH, handelt es sich um einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr.2 GWB. Sie führt im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art durch und wird von einer Gebietskörperschaft i.S.d. § 98 Nr. 1 GWB, der Stadt xxx als Krankenhausträger, finanziert, die zudem über ihre Leitung Aufsicht ausübt. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um einen Bauauftrag im Sinne des § 1 VOB/A. Für Bauaufträge gilt gem. § 2 Nr. 4 der am 01.02.2001 in Kraft getretenen Vergabeverordnung (VgV) vom 09.01.2001 ein Schwellenwert von 5 Mio. EUR. Werden Bauaufträge losweise ausgeschrieben, gilt gem. § 2 Nr. 7 VgV ein Schwellenwert von 1 Mio. EUR oder bei Losen unterhalb 1 Mio. EUR deren addierter Wert ab 20 % des Gesamtwertes aller Lose. Die Gesamtbaumaßnahme hat nach Auskunft der Auftraggeberin einen Wert von 9,4 Mio. EUR brutto. Der Wert des ausgeschriebenen Gesamtauftrages übersteigt damit deutlich den für die Anrufung der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert.

25

Die Antragstellerin ist aber nicht gem. 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie zwar als Bieterin ein Interesse am Auftrag hat, aber eine Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften nicht geltend machen kann. Ihr Vortrag, die Auftraggeberin habe ihre Angebote zu Unrecht von der Wertung ausgeschlossen, kann unter keinem Gesichtspunkt durchgreifen, denn es handelt sich um einen zwingenden Ausschluss. Voraussetzung für die Antragsbefugnis nach § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass die Antragstellerin diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt. Die diesbezüglichen Anforderungen an die Darlegungslast dürfen einerseits nicht überspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, VergabeR, 2. Aufl., § 107 GWB, Rdnr. 954). Andererseits ist hier jedoch ausschlaggebend, dass ein Angebot, das von vornherein vergaberechtlich nicht zuschlagsfähig ist, den Zuschlag nicht erhalten darf, so dass dem betroffenen Bieter kein Schaden entstehen oder drohen kann (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 08.09.2005, Az. 1 Verg 10/05). Die Antragstellerin hat demnach ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis nicht darlegen können, weil sie bei vergaberechtskonformer Angebotswertung keine Chance auf den Zuschlag gehabt hätte.

26

Dies ergibt sich vorliegend schon daraus, dass sie das Formblatt "EFB Preis 1d" bei ihren Angeboten für Los 1 und Los 2 nicht ausgefüllt hat, vielmehr lediglich mit einem Aufdruck "Die Kalkulation entspricht den Vorgaben gemäß VO PR 30/53 für öffentliche Aufträge mit den entsprechenden Zuschlägen auf Material und Leistung" versehen hat. Denn dieser Zusatz enthält gerade nicht die im Formblatt verlangte Aufgliederung der Kalkulationsgrundlage in Einzelbeträge. Der BGH hat entschieden, dass Angebote, für die in den Ausschreibungsunterlagen gefordert ist, die Formblätter EFB-Preis beizufügen, zwingend gem. § 25 Nr. 1 Abs.1 lit. b VOB/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A von der Wertung auszuschließen sind, wenn die auf diesen Formblättern abzugebenden Erklärungen fehlen (BGH, Urteil v. 07.06.2005, Az. X ZR 19/02). Dem steht laut BGH nicht entgegen, dass die die geforderten Erklärungen betreffende Bestimmung des § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A als Sollvorschrift formuliert sei. Der BGH führt insoweit aus: "Der Ausschlusstatbestand ist nicht erst dann gegeben, wenn das betreffende Angebot wegen fehlender Erklärungen im Ergebnis nicht mit den anderen abgegebenen Angeboten verglichen werden kann. Denn ein transparentes, auf Gleichbehandlung aller Bieter beruhendes Vergabeverfahren ist nur zu erreichen, wenn lediglich in jeder sich aus den Verdingungsunterlagen ergebenden Hinsicht vergleichbare Angebote gewertet werden. Dies erfordert, dass hinsichtlich jeder Position der Leistungsbeschreibung alle zur Kennzeichnung der insoweit angebotenen Leistung geeigneten Parameter bekannt sind, deren Angabe den Bieter nicht unzumutbar belastet und ausweislich der Ausschreibungsunterlagen gefordert war, so dass sie als Umstände ausgewiesen seien, die für die Vergabeentscheidung relevant sein sollen." Folglich fehlt es der Antragstellerin an der notwendigen Antragsbefugnis.

27

Eine andere Betrachtung ergibt sich auch nicht daraus, dass die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 02.11.2005 mitteilt, das der Ausschreibung beigefügte Formblatt EFB-Preis 1d sei auf "Leistungen für Maschinenbau und Elektrotechnik" bezogen, für die ausgeschriebenen Leistungen der Medizintechnik habe die Auftraggeberin das Formblatt EFB-Preis 1c "Sonstige Leistungen" verwenden müssen. Statt die Bietererklärung gemäß VO PR 30/53 einzutragen und im Übrigen kommentarlos auf das Ausfüllen des Formblattes EFB-Preis 1d zu verzichten, hätte die Antragstellerin unverzüglich noch vor Abgabe des Angebotes das nach ihrer Auffassung falsche Formblatt EFB-Preis rügen müssen. Angesichts ihres Versäumnisses ist sie mit diesem Vortrag präkludiert. Die Antragstellerin ist nicht ihrer Pflicht gem. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer die behaupteten Verstöße gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren selbst gegenüber dem Auftraggeber unverzüglich zu rügen. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Ausreichend für die positive Kenntnis eines Mangels im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betrachtung gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.08.2002, Az.: Verg 9/02). Unter Zugrundelegung dieses zutreffenden Maßstabes ist der vermeintliche Vergaberechtsverstoß in der Verwendung des falschen Formblattes EFB-Preis nicht rechtzeitig gerügt.

28

Da es bereits an der Antragsbefugnis fehlt, kann es dahinstehen, ob die Rüge der Antragstellerin nach Erhalt der Information gem. § 13 VgV rechtzeitig erfolgte. Die Auftraggeberin hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 12.09.2005, abgesandt am 12.10.2005, eingegangen bei der Antragstellerin am Freitag, dem 14.10.2005, gem. § 13 VgV darüber informiert, dass ihr Angebot ausgeschlossen wurde und dass beabsichtigt sei, anderen Mitbewerbern den Zuschlag zu erteilen. Mit eingeschriebenem Brief vom 18.10.2005, eingegangen bei der Auftraggeberin am 20.10.2005, rügte die Antragstellerin die Entscheidung der Auftraggeberin, ihr Angebot von der Wertung auszuschließen. Angesichts des einfach gelagerten Sachverhalts war von einer Rügefrist von 1 bis 3 Kalendertagen auszugehen.

29

Der Nachprüfungsantrag war als unzulässig zurückzuweisen.

30

Die Kammer hat gem. § 112 Abs. 1 S. 3 GWB ohne mündliche Verhandlung zeitnah entschieden, weil der Nachprüfungsantrag bereits unzulässig ist. Eine Entscheidung über den Antrag der Auftraggeberin auf Gestattung der vorzeitigen Zuschlagserteilung gem. § 115 Abs. 2 S. 1 GWB erübrigt sich damit.

31

III.

Kosten

32

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art. 7 Nr. 5 des 9. Euro - Einführungsgesetzes (BGBI. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, so dass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500,00 EUR, die Höchstgebühr 25.000,00 EUR bzw. in Ausnahmefällen 50.000,00 EUR beträgt.

33

Es wird eine Gebühr in Höhe von 2.574,00 EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.

34

Der zu Grunde zu legende Auftragswert beträgt 312.678,40 EUR. Dieser Betrag entspricht den Kosten auf der Grundlage des Angebotes der Antragstellerin für Los 1 und Los 2 und damit ihrem Interesse am Auftrag.

35

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999 in der z. Zt. gültigen Fassung vom 01.01.2003. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500,00 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000,00 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 25.000,00 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 - 1998) gegenübergestellt. Bei einer Ausschreibungssumme von 312.678,40 EUR ergibt sich durch Interpolation eine Basisgebühr von 2.574,00 EUR.

36

Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten von Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.

37

Die im Tenor verfügteKostentragungspflicht ergibt sich daraus, dass die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren i.S.d. § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB unterlegen ist.

38

Die Erstattungspflicht bezüglich der Kosten der Auftraggeberin, die dieser zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstanden sind, folgt aus § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 VwVfG. Danach war festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch die Auftraggeberin im konkreten Verfahren erforderlich war. Auch wenn man von öffentlichen Auftraggebern grundsätzlich verlangen darf, dass sie über das notwendige personelle Know-how bezüglich der für eine Ausschreibung erforderlichen Rechtsgrundlagen, insbesondere der VOL/A und der VOB/A verfügen, bedurfte die Auftraggeberin für eine angemessene Reaktion in der auch für einen erfahrenen öffentlichen Auftraggeber ungewohnten Situation eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens besonderen rechtskundigen Beistandes.

39

Nach den zu § 80 VwVfG geltenden Grundsätzen ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes dann notwendig, wenn sie vom Standpunkt eines verständigen Beteiligten für erforderlich gehalten werden durfte (BVerwGE 55, 299, 306) [BVerwG 10.04.1978 - 6 C 27/77]. Dies ist nach der herrschenden Lehre nicht nur in schwierigen und umfangreichen Verfahren zu bejahen, sondern entspricht der Regel (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 80, Rdnr. 45; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl., § 80, Rdnr. 81). Dieser Grundsatz soll allerdings nur im Verhältnis des Bürgers zum Staat gelten. Zu Gunsten der Ausgangsbehörde im Verwaltungsverfahren wird demgegenüber die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten nur in besonders gelagerten Einzelfällen angenommen, da die Ausgangsbehörde in der Regel mit eigenem Fachpersonal so gut ausgestattet sein muss, dass sie ihre Verwaltungstätigkeit, zu der auch die Mitwirkung im Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) gehört, ohne fremde Unterstützung ausführen kann. Diese für die Situation der Ausgangsbehörde in einem Widerspruchsverfahren zutreffende Auffassung kann jedoch nicht auf das vergaberechtliche Nachprüfungsverfahren übertragen werden. Schon beim materiellen Vergaberecht handelt es sich um eine überdurchschnittlich komplizierte Materie, die nicht nur in kurzer Zeit zahlreiche Veränderungen und Neuregelungen erfahren hat, sondern auch durch komplexe gemeinschaftsrechtliche Fragen überlagert ist. Entscheidend aber ist, dass das Nachprüfungsverfahren gerichtsähnlich ausgebildet ist, die Beteiligten also auch prozessuale Kenntnisse haben müssen, um ihre Rechte umfassend zu wahren. Deshalb ist im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren die nach § 80 VwVfG gebotene Rechtspraxis zur Erstattung der Rechtsanwaltskosten nicht übertragbar (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.11.2001, Az.: Verg 1/01; OLG Stuttgart, Beschluss v. 19.07.2000, 2 Verg 4/00, NZBau 11/2000, S. 543 ff.). Denn durch seinen Charakter als gerichtsähnlich ausgestaltetes Verfahren unterscheidet sich das Vergabenachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer eben grundlegend von dem Widerspruchsverfahren nach der VwGO.

40

Die Antragstellerin wird aufgefordert, den Betrag von 2.574,00 EUR unter Angabe des Kassenzeichens xxx innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses auf folgendes Konto zu überweisen: NORD/LB (BLZ 250 500 00) Konto 106035355

Dr. Raab
Schulte
Dr. Freise